Ein Sturm zieht auf – Protest gegen den Investoren-Einstieg bei der DFL

Ein Sturm zieht auf – Protest gegen den Investoren-Einstieg bei der DFL

Das Zustandekommen des Investoren-Deals der DFL bedeutet nicht viel weniger als eine ernste Bedrohung für 50+1, auch Vereine müssen sich nun wehren. Ein Kommentar von Tim.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Um die komplexe Historie und die Hintergründe zum Investoren-Deal der DFL besser zu verstehen, möchte ich unbedingt eine Podcast-Folge des Rasenfunk empfehlen. Zudem berichtet kicker-Reporter Benni Hoffmann sehr ausführlich und lesenswert zu dem Thema (diesen und diesen Artikel möchte ich empfehlen).

Ein Kommentar von Tim

Dieser Beweis wäre nicht nötig gewesen, aber nun ist er da: Die Abstimmung zum Investoren-Deal der DFL hat in aller Deutlichkeit aufgezeigt, wie sehr die Interessen von Fans und Führungsetagen von Fußballclubs in den obersten beiden Ligen auseinandergehen. Dabei betonen viele Vereinsvertreter immer wieder, was für ein Alleinstellungsmerkmal die aktive Fankultur in deutschen Stadien im Vergleich zu anderen Ligen sei. Es zeigt sich aber erneut, dass es sich um nicht mehr als ein Lippenbekenntnis handelt.
Fankultur ist dann „wichtig“, wenn man sie vermarkten kann. Ihr Schutz wird aber dann unwichtig, wenn Geldscheine am Horizont erscheinen. Ein Dialog auf Augenhöhe ist das sowieso nie gewesen. Allein das ist schon ein großes Problem.

Mit den paar Kröten (im Vergleich zu der Tiefe der Geldbeutel anderer Ligen und ihrer Investoren), die sich die DFL für einen gnadenlos langfristigen Deal jetzt sichern will, wird man im internationalen Vergleich nicht aufholen oder gar mithalten können. Fast egal, wie klug sie eventuell eingesetzt werden. Bezahlen will man ihn auf dem Papier mit Anteilen, die über 20 Jahre abgetreten werden. Viel schwerwiegender könnte die Bezahlung mit Glaubwürdigkeit und Verlust der oft so gepriesenen Fankultur sein.

Genauer: Die Abstimmung und ihre Folgen zeigen und vertiefen nicht nur den Riss zwischen Profit-orientierten Vereinen und ihren Fans. Nein, sie legen den Finger auch noch in eine weitere Wunde. Sie zeigen, dass ein weiteres Alleinstellungsmerkmal ebenfalls nicht viel mehr als ein Papiertiger zu sein scheint: Durch das Abstimmungsverhalten von Martin Kind, der sich, wie viele Medien übereinstimmend berichten, mit einem „Ja“ zum Investoren-Deal dem Weisungsrecht des e.V. widersetzt hat, wurde die 50+1-Regel ausgehöhlt. Und das nicht nur in Anwesenheit der DFL – die laut eigener Satzung diese Regel zu beachten hat – sondern mit Hilfe dieser, weil die Abstimmung geheim abgehalten wurde.

Anders formuliert: Wäre 50+1 hier eingehalten worden, wäre Martin Kind der Weisung „seines“ Vereins gefolgt – der Investoren-Einstieg wäre verhindert, die nötige Zweidrittel-Mehrheit nicht erreicht worden. Dieses Dilemma sorgt natürlich dafür, dass die DFL sich hier zurückhält und bequem auf die geheime Wahl verweist.
Martin Kind planscht glücklich durch sein Bällebad und lächelt süffisant. Denn wenn man das alles konsequent weiterdenkt, hat er eine persönliche Win/Win-Situation erzeugt, die der DFL noch richtig um die Ohren fliegen kann: Den Investoren-Einstieg hat er bereits ermöglicht – und einen möglichen Sargnagel für 50+1 zumindest schon mal angesetzt, den Hammer in der Hand.
Nicht schlecht, DFL, das muss man auch erst mal schaffen.

Zwölf Minuten Schweigen

Nein zu Investoren - wir schließen uns den bundesweiten Protesten gegen den Investoreneinstieg in die DFL an!
Die ersten zwölf Minuten gibt es einen Schweigeprotest. In dieser Zeit werden wir nicht organisiert supporten.

An diesem Spieltag werden „Die Fanszenen Deutschlands“ in den ersten zwölf Minuten aller Spiele in der DFL schweigen, als Zeichen des Protests gegen die Entscheidung und ihr Zustandekommen.
Dies ist ein vereinsübergreifender Zusammenschluss von vielen Fanszenen, stellvertretend sei hier das Statement auf der Seite der Südkurve München verlinkt.
Die Fanszene des FC St. Pauli war noch nie Teil dieses Bündnisses, schließt sich in Form von USP allerdings für dieses Spieltag den Protesten an.

Bei den gestrigen Spielen gab es bereits einen Vorgeschmack darauf, was die DFL an diesem Wochenende noch alles erwartet. Während Hansa Rostock eher Old School unterwegs war und mittels Pyro dafür sorgte, dass die Teams gleich zwei Mal vom Schiedsrichter zurück in die Kabine beordert werden mussten, waren die Fans von Borussia Mönchengladbach etwas kreativer.
Ein warmer Goldregel prasselte in den Strafraum vor der Heimkurve – allerdings aus Schokotalern. Schöner Weg zwischen Anspielung auf Geld, deutlichem Mittelfinger und gleichzeitig harmlosem Eingriff ins Spielgeschehen, denn dieses musste daraufhin für fünf Minuten unterbrochen werden.

Banner vor der Gladbacher Fankurve vor dem Spiel:
""Stille Wasser sind tief! Wir werden kein Teil Eures Deals sein - Scheiß DFL!"
Vor dem Banner läuft noch das Gladbacher Maskottchen entlang.
„Stille Wasser sind tief! Wir werden kein Teil Eures Deals sein – Scheiß DFL!“ // (c) Christof Koepsel/Getty Images via OneFootball

Der Investoren-Deal muss sterben, damit 50+1 leben kann!

Die deutschlandweiten Proteste von Fanszenen an diesem letzten Spieltag des Kalenderjahres, sie sind vermutlich (und hoffentlich) nur die Spitze des Eisbergs. Wer Faninteressen so penetrant mit Füßen tritt, darf sich nicht wundern, wenn entsprechend reagiert wird. Und es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wenn die DFL dann wieder ihre Vereine dafür bestraft, dass diese so unbelehrbare Fans haben. Wünschenswert wäre natürlich, dass insbesondere die Fanszenen jetzt für besonders hohe Strafen sorgen, deren Vereine den Fan- und Mitgliederwillen ignoriert haben.

Doch wie auch bei vielen vorherigen Entscheidungen, dürfte man in den Vereinen wieder zum „Aussitzen“ von Kritik übergehen. Um wirklich noch etwas an dieser Entscheidung zu verändern, ist aber ein Aufstehen von (fast) allen notwendig: Die Vereine, denen wirklich etwas an 50+1 liegt, müssen alles versuchen, um diese Regel zu schützen. Und das bedeutet, dass sie genau jetzt mit allen Mitteln die Abstimmung anfechten müssen.

Es gibt eine ganze Reihe von Fußballclubs, die man in dieser Hinsicht als verloren bezeichnen kann. Denen 50+1 ein Dorn im Auge ist, ein massiver Störenfried auf dem Weg zu noch mehr Geld. Aber es gibt eben auch viele Clubs, die bisher von sich sagten, dass ihnen 50+1 wichtig ist, dass sie diese Regel schützen und stärken möchten.
Borussia Dortmund, zum Beispiel. Aber… ja, da wäre dann Hans-Joachim Watzke und seine Vorliebe für den Investoren-Deal. So wichtig ist 50+1 dann wohl doch wieder nicht.

Diverse Protestbanner auf der Dortmunder Südtribüne zum DFL-Investoreneinstieg. Im Vordergrund läuft die Partie des BVB gegen RaBa Leipzig.
„Nein zu Investoren in der DFL!“ – Proteste in Dortmund am letzten Wochenende.
// (c) INA FASSBENDER/AFP via Getty Images via OneFootball

Aber genau diese Vereine müssen jetzt zeigen, dass es sich dabei nicht nur um Lippenbekenntnisse handelt, um der eigenen Anhängerschaft nach dem Mund zu reden. Ob die Anfechtung der Abstimmung von Erfolg gekrönt wäre, ist unsicher. Es jedoch mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu versuchen, wäre das Mindeste, was man unternehmen müsste. Alles andere wäre ein Verrat am eigenen Bekenntnis zu 50+1.
Die Reaktionen aus den aktiven Fanszenen bei Untätigkeit sind vorprogrammiert.

Demokratie – oder soll man es lassen?

Man mag über den Deal an sich geteilter Meinung sein. Es mag sogar ein paar Argumente geben, die für einen Investoren-Einstieg sprechen. Hätte dieser eine notwendige Mehrheit ohne Aushöhlung von 50+1 erhalten, es wäre weiterhin eine zu kritisierende Entscheidung, aber zumindest ein demokratischer Prozess gewesen. Ja, unter Ignorierung der Fanwünsche, aber das kennt man ja.
Aufgrund des Zustandekommens der Mehrheit ist dieser Deal bzw. der Weg dorthin aber genau das Gegenteil.

Im Vorwege der Abstimmung wurde von einigen Seiten die Drohkulisse des Ausstieges aus der Solidargemeinschaft genutzt, um damit Stimmen für den Investoren-Deal zu sammeln (Beispiel: Bayer Leverkusen).

Aber nun hat das Zustandekommen des Abstimmungsergebnisses eine viel größere Bedrohung für den deutschen Profifußball hervorgerufen. Denn wenn es Vereine wirklich ernst meinen mit 50+1 – und das sollten sie – dann steht der DFL, selbstverschuldet, ein interner und tiefgreifender Konflikt bevor.
Und wenn es Vereine nicht ernst meinen mit 50+1, sie das Ergebnis der Abstimmung stillschweigend akzeptieren: Dann wird dieser Konflikt, ebenfalls tiefgreifend, öffentlich mit Fans ausgetragen. Einen ersten Vorgeschmack darauf gibt es dieses Wochenende in den Stadien zu sehen.

// Tim

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19 thoughts on “Ein Sturm zieht auf – Protest gegen den Investoren-Einstieg bei der DFL

  1. Ein ligaweiter protest muss da kommen. Aber Geld regiert die Welt. Am Ende kommt es doch so. verstehen tut es die Mehrheit nicht. demnächst ist das spiel Nebensache. Hauptsache der Investor ist präsent.

  2. Gut, dass ihr zu der einschneidenden Abstimmung eine klare Haltung zeigt!
    Ich denke nur solange die Leute ins Stadion gehen und somit Umsätze generieren wird sich bei den Watzkes in den Vereinsführungen nichts ändern. Stadionboykotte wären wohl eine richtige Antwort aber was für ein Opfer für uns Stadiongänger…

  3. Zum Punkt fehlende (selbstgewählte) 2/3-Mehrheit:

    In der Regel werden bei Abstimmungen Enthaltungen nicht als abgegebene Stimmen gewertet und nur die Ja- und Nein-Stimmen für die Berechnung von Mehrheiten verwendet.

    Bei einem Ergebnis von 24 Ja-Stimmen und 10 Nein-Stimmen (sowie 2 Enthaltungen) sehe ich daher eine 2/3-Mehrheit (70,6%). Und das selbst wenn Martin Kind mit Nein gestimmt hätte (23:11 bzw. 67,6%).

    Ob die nun legitim zustandegekommen ist, ist eine völlig andere Frage. Nur finde ich das Beharren darauf, das es eigentlich keine 2/3-Mehrheit ist, rechnerisch falsch. Und es macht die eigentlich richtige Argumentation damit angreifbar.

    1. Da widerspreche ich aber.

      Beispielsweise im deutschen Bundestag Bedarf es für eine absolute Mehrheit (Kanzlermehrheit) oder für eine Zweidrittelmehrheit die entsprechende Mehrheit der Stimmberechtigten (qualifizierte Mehrheit). Eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen reicht nicht aus.

      Das wäre meiner Meinung nach auch richtig übel, wenn eine Grundgesetzänderung möglich wäre, wenn der halbe Bundestag in der Kantine hockt oder das WM-Finale guckt.

      Und selbst wenn es so wäre, dass bei Zweidrittelmehrheiten in der Regel die abgegebenen Stimmen als Basis genommen werden: Diejenigen, die sich enthalten haben kannten den Wahlmodus und wussten wie sich ihre Enthaltung auswirkt. Und das ist entscheidende.

      Somit ist die Argumentation auch nicht auf Basis des Abstimmungsmodus angreifbar.

      1. Die DFL ist in diesem Fall allerdings (fun fact) ein eingetragener Verein. Und „im deutschen Vereinsrecht zählen bei Wahlen die Stimmenthaltungen und ungültige Stimmen nicht mit, wenn nicht ausdrücklich etwas Abweichendes in der Satzung geregelt ist. Stimmenthaltungen gelten als nicht abgegebene Stimmen.“ (Zitat: https://de.wikipedia.org/wiki/Stimmenthaltung)

        Ich bin ja inhaltlich komplett bei Euch, aber das Argument das es eigentlich keine 2/3-Mehrheit war, geht meiner Ansicht nach nicht auf.

        1. Aber hier ist es doch offensichtlich in der Satzung anders geregelt, oder?
          (Sonst wäre es ja ein Satzungsverstoß, dass von der 2/3-Mehrheit als Notwenigkeit ausgegangen wurde.)

          1. Nein, in der Satzung der DFL* finde ich keine Abweichung. Unter § 27 Abstimmungsregelungen steht da bei Punkt 2 und 3:

            „2. Zur wirksamen Beschlussfassung genügt die einfache Mehrheit der gültig
            abgegebenen Stimmen. Stimmenthaltungen werden nicht mitgezählt.

            3. Zur Beschlussfassung über die Satzung, die Lizenzierungsordnung des
            Ligastatuts und deren Änderungen ist eine Zweidrittelmehrheit der gültig
            abgegebenen Stimmen erforderlich.“

            Ich hatte irgendwo gelesen, das eine 2/3-Mehrheit für den Investorendeal formal gar nicht zwingend nötig gewesen wäre, aber politisch gewollt war und ohne diese Mehrheit nicht durchgezogen werden sollte. Habe dazu aber gerade keine Quelle parat, also möglicherweise Halbwissen… 😉

            * Link: https://www.dfl.de/de/ueber-uns/statuten/ oder direkt https://media.dfl.de/sites/2/2023/10/Satzung-des-DFL-Deutsche-Fussball-Liga-e.V.-Stand-10.10.2023.pdf

  4. aufgewachsen in einer diktatur, wo ich auch meine prägenden jahre verbrachte, wurde ich 1989/90 und folgende jahre einem crashkurs in demokratie (learning by doing) unterworfen.
    während der/die gleichaltrige west-sozialisierte in seiner entwicklung diese in homöopathischen dosen nach und nachhaltig vermittelt bekam, wurde ich ohne rücksicht ins wasser geschmissen und es lag an mir, mich freizuschwimmen. also nahm ich die herausforderung an, die demokratie stets beim wort und stellte sie nicht infrage. allerdings stellte sich dann mit der zeit heraus, daß selbst die sie nicht ganz so ernst nahmen, sie verbogen und nach ihrem gutdünken gegen jede vernunft zum eigenen vorteil zurechtzimmerten, welche sich stets auf sie beriefen und ihre werte vor sich her zur schau trugen und tragen.

    ich lernte, demokratisch getroffene entscheidungen zu akzeptieren, so schmerzhaft sie auch sein mögen. es ist nunmal so: die demokratie hat sich seit ihrer erfindung kaum bis gar nicht weiterentwickelt, schon gar nicht reformiert und schleppt ihre geburtsfehler seither mit sich herum. so ist es z.b. heute wieder möglich, daß trotz 1933 so etwas wieder geschehen kann und demokratiefeinde in einem demokratischen prozeß die macht erringen, um die demokratie abzuschaffen. eine gesellschaftsform ermöglicht es denen, die sie beseitigen wollen, auf ganz legalem wege, dieses auch zu tun und sogenannte schutzmechanismen zu unterlaufen und auszuhölen (siehe polen, siehe ungarn, siehe brasilien…).
    wieso schreibe ich das? die entscheidung über die aufnahme von verhandlungen über den einstieg von investoren ist doch auf demokratischem wege getroffen worden, sehe ich das richtig? wäre es nicht so, wäre diese entscheidung anfechtbar. ist es so, sollte man diese entscheidung respektieren und das beste draus machen.
    ich bin fußballnostalgiker und definitv gegen investoren in meinem lieblingssport. aber mir wurde beigebracht, demokratisch getroffene entscheidungen zu respektieren. alles andere schwächt und unterhöhlt die demokratie und stärkt die feinde derselben. genau das erleben wir gerade in vielen teilen dieser welt. und ganz oft geben diejenigen, welche sich gerade auf die demokratie berufen, ein jämmerliches bild dabei ab.
    was soll ich (und vielleicht viele andere auch) denn nun denken, wenn diese demokratisch getroffene entscheidung von denen nicht akzeptiert wird, die mit dem ergebnis nicht zufrieden sind und sie genau aus diesem grund in zweifel ziehen? das ganze ist eine grundsatzfrage, wahrscheinlich DIE grundsatzfrage unserer zeit. nicht, ob investoren in unseren geliebten fußball hereingelassen werden (dabei sind sie schon längst unter uns), sondern ob demokratisch getroffene entscheidungen auch als solche akzeptiert oder infrage gestellt werden, weil das ergebnis nicht dem eigenen gustus entspricht… denn damit stellen wir die demokratie an sich infrage.
    ich habe das privileg und den klaren vorteil gegenüber dem ausschließlich west-sozialisierten, welcher nichts anderes, als das aktuelle gesellschaftssystem kennt, erfahrungen in zwei gesellschaftsformen gesammelt zu haben. dieses teile ich mit vielen landsleuten aus diesem teil der republik. viele sind durch die art des umgangs mit der demokratie desillusioniert und wenden sich von ihr ab. nicht, weil sie schlecht wäre, sondern weil sie denen, welche diese werte nach außen vertreten, aber wasser predigen und wein trinken, nicht mehr vertrauen.
    die erinnerungen an das revolutionsjahr sind noch präsent. ebenso die vielen hoffnungen, welche sich damit verbanden und die grob fahrlässig voll gegen die wand gefahren wurden, aus gründen.

    nun, um den bogen wieder zu schließen, wird eine demokratisch getroffene entscheidung erneut nicht akzeptiert, weil man mit dem ergebnis nicht zufrieden ist. ein weiteres puzzleteilchen in der großen abwärtsspirale, in welcher wir uns seit einiger zeit befinden…
    und das schlimmste ist: anstatt sich zu fragen, wieso sich so viele von den demokratischen werten abwenden, anstatt deren nöte und ängste ernst zu nehmen und sich selbst zu hinterfragen, werden die abtrünnigen diffamiert und abgestempelt und somit immer mehr in die hände der rattenfänger getrieben. ganz so, als hätte man aus 1933 und dem weg dorthin nix gelernt.
    sport frei!

    1. Unabhängig davon, dass es in deinem Kommentar noch viele weitere Ebenen gibt, auf die eine Antwort angebracht wäre, möchte ich gerne eine Sache klarstellen:
      Ein Abstimmung, bei der sich jemand gegen die Weisung des eigenen Vereins stellt, ist weit weg von der demokratischen Wahl, die Du hier zeichnest und nicht zu akzeptieren. Und sich dabei auf demokratische Prinzipien zu berufen, macht es noch viel schlimmer, weil diese Mehrheit nur mit so einem Vergehen erreicht wurde. Zu behaupten, dass das nicht akzeptiert wird, weil das nicht „unserem gusto“ entspricht, ist so falsch, wie fatal und zeigt, dass das Thema nicht in seiner Tragweite verstanden wurde.

      1. ich habe mal den entsprechenden passus aus meinem zugegebenermaßen sehr langen kommentar herauskopiert: „wieso schreibe ich das? die entscheidung über die aufnahme von verhandlungen über den einstieg von investoren ist doch auf demokratischem wege getroffen worden, sehe ich das richtig? wäre es nicht so, wäre diese entscheidung anfechtbar. ist es so, sollte man diese entscheidung respektieren und das beste draus machen.“
        da es nun, wie du schreibst, berechtigte zweifel am ganzen zu geben scheint, sollte die entscheidung anfechtbar sein und auch angefochten werden, wenn sich das zustandekommen der entscheidung nicht mit demokratischen grundsätzen vereinbaren läßt. nichts anderes schrieb und meinte ich.
        widerspricht dieses „vergehen“ wie du es nennst, tatsächlich demokratischen grundsätzen, dann sollte diese abstimmung für nichtig erklärt werden, is doch ganz klar. widerspricht es jedoch nicht demokratischen grundsätzen, sondern erzeugt durch die art und weise „lediglich“ unmut unter den beteiligten, dann sollte das ergebnis bestehen bleiben. denn alles andere wäre dann wohl undemokratisch…
        ob das „vergehen“ des herrn kind nun undemokratisch ist oder nicht, vermag ich nicht zu beurteilen, denn ich bin kein jurist und kenne mich im vereins- und was weiß ich noch recht nicht aus. kennst du dich da aus, wenn du dir da so sicher bist?
        und ich denike, meine intelligenz reicht durchaus dafür aus, alles in gänze zu verstehen.

        1. Zu “da es nun, wie du schreibst, berechtigte zweifel am ganzen zu geben scheint, sollte die entscheidung anfechtbar sein und auch angefochten werden” steht in dem einen verlinkten Artikel bei Kicker (https://www.kicker.de/die-kind-kontroverse-rollt-ein-problem-auf-die-liga-zu-984931/artikel, etwas mehr auf https://www.kicker.de/das-96-problem-investoren-beschluss-nicht-anfechtbar-984310/artikel), dass dies laut einem Vereinsrechtsexperten wohl nicht so ist: Auch wenn die Abstimmung bei Hannover der dortigen demokratischen Entscheidung widerspricht, so kann das Ergebnis nach dem Vereinsrecht wohl nicht so einfach angefochten werden.

          Natürlich sind “recht haben” und “recht bekommen” immer zweierlei Paar Schuhe, aber hier ist “demokratisch” eben aus diversen Gründen “nur” eine moralische Sichtweise, wohl nicht eine juristisch einklagbare.

          Dann kommen natürlich auch noch Aspekte hinzu, wie dass es bei einem Verein wie Brause Leipzig keine wirklich Wahl der Vereinsführung durch die Fanbasis gibt. (Bei keinem Verein ist die Fanbasis deckungsgleich mit den Vereinsmitgliedern, aber in der Regel kann man als Fan den Vereinen überhaupt beitreten.)

          Und selbst falls die Entscheidung demokratisch getroffen worden sein sollte: Es gilt doch in den meisten Demokratien auch als Konsens, dass man mit der Abgabe der Stimme bei einer Wahl nicht auch sein Anrecht auf Protest abgibt. Nicht ohne Grund steht z.B. in Deutschland das Demonstrationsrecht so prominent im Grundgesetz.

          1. gut, daß du das nochmal alles erwähnst. ich stimme dir zu 100% zu. und auch ich bin gegen einen solchen möglichen deal, weil ich, wie ich bereits schrieb, fußballromantiker bin. allerdings wird kein protest etwas daran ändern, daß, sofern bei der abstimmung rechtlich alles in ordnung ist, wohl verhandlungen mit möglichen investoren aufgenommen werden. vielleicht sollte die protestenergie dann für eine öffentliche begleitung dieser verhandlungen eingesetzt werden…

    2. Die Frage, die sich hier stellt ist, ob es sich um ein freies oder ein imperatives Mandat handelt. Der US-Präsident wird von Wahlmännern gewählt, die ein imperatives Mandat haben, der deutsche Bundeskanzler wird von Abgeordneten gewählt, die ein freies Mandat haben.

      Beides demokratisch.

      So wie ich den Sachverhalt aktuell verstehe, ist es so, dass die Vereine als Mitglieder der DFL das Stimmrecht bei der DFL haben (50+1) und dass die Vereine dieses Stimmrecht an die Präsidenten übertrugen.

      Ob die Präsidenten bei dieser Abstimmung ein freies oder imperatives Mandat hatten, ist meines Wissens in der Satzung der DFL nicht festgelegt.

      Allerdings gab es zum Beispiel bei der Hauptversammlung eine Wahl der Mitglieder des FC St. Pauli darüber, wie Oke Göttlich bei der DFL abstimmen soll.

      Eine überwältigende Mehrheit des Vereins stimmt gegen den Investoren-Deal und aller Wahrscheinlichkeit nach stimmte Oke gegen den Deal.

      Meinem Demokratieverständnis wäre es extrem undemokratisch gewesen, wenn sich Oke trotz Votum bei der JHV für den Deal ausgesprochen hätte und der Aufschrei bei uns im Verein wäre gewaltig gewesen.

      Und genau das ist meiner Auffassung nach in Hannover passiert: Der Verein, der laut 50+1 das Stimmrecht im DFL hat, wies Kind an gegen den Deal zu stimmen. Somit hatte Kind ein imperatives Mandat.

      Viele Hinweise sprechen allerdings dafür, dass Kind sich nicht an dieses Mandat gehalten hat, sondern in seinem Sinne, also für den Deal gestimmt hat.

      Das wiederum wäre undemokratisch, da er persönlich wegen 50+1 ja eigentlich kein Stimmrecht in diesem Gremium hat, sondern nur der Verein.

      Auflösen läßt sich das ganze allerdings nicht, da die DFL sich entschieden hat die Abstimmung geheim abzuhalten, was für eine Wahl mit imperativem Mandat äußert unüblich ist.

      So zumindest mein Verständnis des Sachverhalts. Korrigiert mich gerne, wenn ich falsch liege.

      1. Ich denke, das trifft es schon ganz gut, wenn auch der Vergleich zum FCSP nicht ganz passt.
        Wenn die MV diesen Beschluss trifft und Oke dann als Präsident des Vereins was anderes entscheidet, so mag man das diskutieren und scheiße finden, es wäre aber immer noch demokratisch.
        Schließlich wurde er dafür von den Mitgliedern als Präsident gewählt.
        Der Antrag war ja ein Dringlichkeitsantrag und hatte „lediglich“ zum Ziel, die Meinung der MV festzuhalten. Ein direkter Auftrag an Oke ist imho satzungstechnisch wahlweise schwieriger oder gar nicht möglich, ich müsste das nachlesen.

        Bei Hannover hat nicht die MV sondern der Präsident des e.V. diese Wahlentscheidung an Martin Kind übertragen, dem gegenüber lt. 50+1 Regelung der DFL eine Weisungsbefugnis des e.V. vorliegt – alles andere wäre ein Verstoß gegen 50+1.

        Sicher ähnlich wie im von Dir skizzierten Fall, aber noch ne Spur verwerflicher, imho.

        1. Ah, vielen Dank für die Erläuterung.

          Dass die Abstimmung bei der MV satzungstechnisch nicht bindend war, wusste ich nicht.

          Die Ergänzung wie das bei Hannover genau gelaufen finde ich sehr interessant. Habe es nämlich in den Artikeln die ich gelesen habe gar nicht in der Deutlichkeit herausgelesen (bzw. wurde das Wissen vermutlich vorausgesetzt).

          In diesem Sinne repräsentiert der Präsident des H96 e.V., der vermutlich demokratisch durch die Mitglieder des Vereins legitimiert wurde den Verein. Der Verein hat aufgrund 50+1 das Stimmrecht bei der Hannover 96 Management GmbH, deren Geschäftsführer Martin Kind ist.

          Martin Kind war in seiner Rolle als Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH an der Abstimmung beteiligt und hat sich vermutlich in der Abstimmung gegen Interessen der Mutter der GmbH (den e.V.) gestellt.

          Ich glaube jetzt habe ich es verstanden.

          Ist aber doch komplizierter, als es auf den ersten Blick aussieht, diese ganze DFL-Politik.

          Ich muss unbedingt mal die Rasenfunk-Folge hören.

      2. ich gebe dir absolut recht. allerdings ist mir unbekannt, ob der stammverein hannover 96 sich ebenso die rückendeckung der überwältigenden mehrheit seiner mitglieder vorher eingeholt hat, wie es beim fc st pauli der fall war. oder haben die vereinsverantwortlichen die anweisung an herrn kind aus eigenantrieb heraus gegeben? wäre in diesem falle der demokratische grundsatz trotzdem gegeben?
        der fall scheint nicht ganz so klar zu sein, wie ihn viele gerne hätten, sonst wäre man wohl in dieser angelegenheit schon viel weiter…

        1. Der demokratische Grundsatz wäre trotzdem gegeben, das ist der Gedanke der repräsentativen Demokratie.

          Ist bei der Bundesregierung auch nichts anderes.

          1. im falle kind denke ich aber, daß sein abstimmungsverhalten entgegen den anweisungen des muttervereins eher eine interne angelegenheit des vereins hannover 96 ist und keine rechtlichen auswirkungen auf das ergebnis der abstimmung hat. hannover hatte sich ja schon bei der versuchten absetzung kinds mächtig in die nesseln gesetzt und wird auch in diesem falle rechtliche schritte sehr genau zu prüfen haben. vom moralischen standpunkt her gesehen kann man da kaum unterschiedlicher meinung sein. vom rechtlichen und vollkommen emotionslos betrachtet dann wohl eher schon.
            selbst im bundestag sind die abgeordneten zuerst dem grundgesetz und danach zuallererst sich selbst verpflichtet, auch wenn es oft durch den sogenannten fraktionszwang unterlaufen wird. aber rechtlich gesehen sind die nach dem grundgesetz nur ihrem eigenen gewissen verpflichtet (art 38 abs 1 gg).

  5. Kurz gesagt könnte das mutmaßliche Abstimmungsverhalten von Martin Kind aber auch der Hebel sein um gegen die Abstimmung vorzugehen.
    Sollte sich Martin Kind so verhalten haben wie vermutet, dann hat er durch sein Verhalten die 50+1 Regel umgangen um eben diese mit seinem Votum abzuschaffen. Das ist juristisch möglicherweise angreifbar – ist leider nicht meine Idee, steht hier (paywall):
    https://www.faz.net/aktuell/sport/fussball/bundesliga/dfl-investor-martin-kind-und-moegliche-folgen-der-hannover-96-abstimmung-19384197.html

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