Kaum ist die Hinrunde beendet, da richtet sich beim FC St. Pauli der Blick bereits auf das kommende Jahr. Im Fokus: Verträge, mögliche Transfers und die Weiterentwicklung der Spielweise.
(Titelbild: Peter Boehmer)
Ungeschlagen ist der FC St. Pauli durch die Hinrunde 23/24 marschiert und auch das Jahr 2023 ist für den Verein aus sportlicher Sicht eine fast ungetrübte Erfolgsgeschichte. Am Montag zogen Cheftrainer Fabian Hürzeler und Sportchef Andreas Bornemann Bilanz. Sie gaben Einblick in Vertragsgespräche, äußerten sich zu möglicherweise notwendigen Transfers und erklärten, in welchen Bereichen sie noch Potenziale des Teams sehen.
„Außergewöhnliche Entwicklung“
Insgesamt ist das Fazit, wer hätte es gedacht, ziemlich positiv. Sowohl Fabian Hürzeler als auch Andreas Bornemann erklärten, dass der Grundstein des erfolgreichen zweiten Halbjahres in der Sommervorbereitung gelegt worden sei. Man habe den Schwung aus der Rückrunde der Vorsaison für sich nutzen können: „Wir haben uns im Sommer vorgenommen, dass wir die positive Euphorie der Rückrunde mitnehmen wollen. Das haben wir, speziell im Sommer, durch intensive Trainingsarbeit geschafft.“ Im Verlauf der Hinrunde 23/24 habe es dann zudem eine erkennbare Entwicklung im spielerischen Bereich gegeben, erklärte der 30-jährige Cheftrainer: „Wir haben immer bessere Lösungen gefunden gegen unterschiedlichste Anforderungen, die uns der Gegner gestellt hat.“
Auch Andreas Bornemann betonte, dass es „Fabian und der Mannschaft außergewöhnlich gut gelungen ist“, an die erfolgreiche Rückrunde 22/23 anzuknüpfen: „Was Konstanz, Stabilität und Klarheit in unserem Spiel angeht: Da ist eine wahnsinnige Entwicklung passiert innerhalb eines Jahres, auch vom Sommer bis zur Winterpause.“ Diese Entwicklung, welche laut Bornemann unter anderem auch an der Akribie des Trainerteams liegt, sei außergewöhnlich. Und so kommt es, dass der Sportchef betonte, dass man sich schon „ärgere, dass sich die Mannschaft und das Trainerteam nicht häufiger mit drei Punkten belohnt hat – was mehr als verdient gewesen wäre.“
„Null ist Identität“
Bereits bei der Pressekonferenz nach dem Unentschieden gegen Wiesbaden, war interessant, dass sich Fabian Hürzeler mehr darüber zu ärgern schien, dass sich der FCSP ein Gegentor fing, als über nicht noch weitere erzielte Tore. Chancen waren massig vorhanden, wie auch schon in den Partien zuvor, die ebenfalls mit einem Remis endeten. Sowieso waren die meisten der neun Unentschieden des FC St. Pauli in der Hinrunde solche, die das Team durchaus hätte gewinnen können, wenn nicht sogar müssen. Während es aber zu Saisonbeginn fehlende eigene Treffer waren, die zu Unentschieden führten, fing sich das Team zuletzt immer wieder Gegentore.
So betonte Fabian Hürzeler in der Medienrunde sehr deutlich, dass „das zu Null spielen, die defensive Stabilität immer unsere Identität, unsere Basis bleiben wird. Das hat uns stark gemacht.“ Genau hier, in der Torverteidigung, sieht er auch Arbeitsbedarf für die anstehende Wintervorbereitung, auf die er sich sehr freut: „Es geht dabei um Detailarbeit, um Kleinigkeiten und es kommt auf die Konstanz an.“ Man müsse „die letzte Klarheit, die letzte Gier“ haben, auch über 90 Minuten sauber zu verteidigen. Dabei geht es aber nicht einzig um die Torverteidigung. Hürzeler erklärte, dass er beides, Offensive und Defensive, als Einheit begreift und so auch trainiere: „Wenn wir den Ball haben, beginnt bereits das Verteidigen. (…) Der Fokus liegt natürlich auf den Kleinigkeiten, um Gegentore zu verhindern, aber das passiert alles mit dem Ball.“
Déjà-vu zu 21/22?
Sowieso ist das eines der Dinge, die in dieser Medienrunde deutlich wurden: Ausruhen ist nicht. Auch deshalb, weil die Erinnerungen an die Saison 21/22 weiterhin präsent sind. Damals ging der FC St. Pauli als Herbstmeister in die Winterpause, viele prognostizierten den Aufstieg. Nun ist man zwar nicht Herbstmeister geworden, aber die Liste jener, die dem FCSP eine große Feier im Mai voraussagen, ist vielleicht sogar noch ein Stück länger geworden, als vor zwei Jahren.
Die Sorge, dass es dem FC St. Pauli erneut nicht gelingt, über das Kalenderjahr hinaus die Form zu halten, ist bei vielen Fans groß. Aber ist so ein Szenario, so ein Einbruch wie vor zwei Jahren denkbar? Fabian Hürzeler erklärt, dass es auf sportlicher Ebene große Unterschiede gibt: „Zum einen sind nur noch wenige Spieler von damals dabei. Zum anderen ist die Art des Fußballspielens anders. Es ist eine andere Art der Philosophie, die auch an die Spieler angepasst wurde. Ich glaube, dass wir vor zwei Jahren diese Dominanz nicht hatten. (…) Durch die Mittelfeldraute hatten wir damals eine etwas wildere Spielweise. Ich glaube auch der Fokus und der Wert, den wir im letzten Jahr auf die defensive Stabilität gelegt haben, ist ein Unterschied.“
Bornemann äußert sich zu Vertragssituationen Anfang 2022
Im ersten Halbjahr 2022 haben auch Themen abseits des Platzes für Unruhe gesorgt, zu denen Andreas Bornemann in der Medienrunde recht klar Stellung bezog. Er erklärte, dass es damals eine „relativ große Gruppe an Spielern“ gegeben habe, bei denen man sich, inklusive des Trainerteams, bewusst gewesen sei, dass es bei einem Aufstieg nicht sinnvoll gewesen wäre die Zusammenarbeit zu verlängern. „Das“ so der Sportchef „ist ein Problem im Handling (…) und da sind ein paar Dinge vielleicht ein bisschen in eine andere Richtung gelaufen.“ Allerdings habe man damals den Spielern „relativ früh zumindest klare Signale gesendet,“ doch „am Ende ist es ein bisschen anders dargestellt und interpretiert worden.“
Im Vergleich zur jetzigen Situation sei damals aber die Gruppe an Spielern mit unklaren Vertragssituationen wesentlich größer gewesen, als heute. Bornemann erklärte, dass solche Situationen aber auch völlig normal sind: „Es werden immer Verträge auslaufen. Es wird immer Spieler geben, die weg wollen, die wir aber halten wollen und es nicht können. Es wird auch immer Spieler geben, mit denen wir nicht verlängern wollen und die würden gerne bleiben.“
Zwei Testspiele – mit Neuzugängen?
Bis ins neue Jahr ist nun erstmal Pause für die Spieler. Los geht es mit der Vorbereitung am 02. Januar. Bereits am 03. Januar reist der FC St. Pauli ins Trainingslager nach Benidorm, wo zwei Testspiele stattfinden werden. Ein weiteres Testspiel nach dem Trainingslager ist nicht geplant.
Im Trainingslager nicht dabei sein werden wohl mindestens Jackson Irvine und Connor Metcalfe, weil sie mit dem australischen Nationalteam an der Asien-Meisterschaft teilnehmen. Bei Elias Saad, der laut Bornemann zumindest im „erweiterten Kreis“ des tunesischen Verbandes für die Afrika-Meisterschaft steht, ist die Situation unklar. Die Tendenz geht aber wohl eher dahin, dass der – anders kann man es nicht bezeichnen – Shootingstar des FCSP die Vorbereitung im Verein mitmacht.
Wintertransfers erscheinen notwendig
Der FC St. Pauli steht also vor der Aufgabe, mindestens zwei Spieler über einen längeren Zeitraum zu ersetzen. Und da Metcalfe und Irvine nicht irgendwelche Spieler sind, sondern in der Hinrunde größtenteils zum Stammpersonal des FCSP gehörten und zudem noch beide für das zentrale Mittelfeld infrage kommen, ist dies eine alles andere als leichte Aufgabe. Kündigen sich da also Wintertransfers an?
Andreas Bornemann erklärte hierzu, dass man sich natürlich umschaue, sich intensiv mit anderen Spielern beschäftige. Der Sportchef skizzierte aber auch die Schwierigkeit, dass die gesuchten Spielertypen vom Profil her und in die Gruppe passen müssen und zudem eine Soforthilfe sein sollen: „Es gibt solche Spieler. Aber ob wir sie kriegen können, ist die andere Frage.“ Natürlich sei es auch denkbar, dass man das Fehlen wichtiger Spieler auch intern auffängt. Allerdings, so gibt der Sportchef zu bedenken, müsse man auch mögliche Verletzungen und Sperren berücksichtigen. Da der Kader mit aktuell 25 Spielern zumindest nicht gerade üppig gefüllt ist, erscheinen Wintertransfers alles andere als unwahrscheinlich.
Vertragsverhandlungen mit Hürzeler ziehen sich
Eine weitere Frage, die natürlich wie der berühmte Elefant im Raum steht, wenn der Sportchef und der Cheftrainer gemeinsam vor Ort sind, ist jene nach der möglichen Vertragsverlängerung von Fabian Hürzeler. Beide wollten sich dabei nicht so wirklich aus der Reserve locken lassen. Wie auch, wenn es eben noch keine Entscheidung gibt. Andreas Bornemann nutzte die Bühne jedenfalls für ordentlich Eigenwerbung des FC St. Pauli, erklärte unter anderem: „Ich bin mir sehr sicher, dass wir für ihn, auch für die nächsten Schritte eine gute Adresse sein könnten“ und wünschte sich, dass für Klarheit gesorgt wird: „Klarheit tut allen gut.“
Fabian Hürzeler erklärte auf die Frage nach den Vertragsverhandlungen, dass diese keinerlei Einfluss auf seine Arbeit haben würden: „Es macht für mich im Moment gar keinen Unterschied, ob ich einen neuen Vertrag habe oder nicht. Weil mir die Arbeit einfach Riesenspaß macht.“
Um Geld gehe es dem 30-jährigen bei dem Vertrag nicht primär: „Das wichtigste ist die Entwicklung, dass ich mich persönlich in einem Umfeld befinde, in dem ich mich weiterentwickeln kann. Ich bin niemand, der schnellstmöglich in die Bundesliga will. Ich weiß, was ich an St. Pauli habe.“ Und dann ließ er noch den Klassiker unter den Antworten auf Vertragsfragen fallen: „Ich fühle mich sehr wohl hier.“
Der Ausgang der Vertragsverhandlungen zwischen Fabian Hürzeler und dem FC St. Pauli ist aktuell ziemlich offen.
So stehen dem FCSP trotz der Winterpause ziemlich wichtige Wochen bevor. Wochen, in denen es um Feinjustierungen auf dem Platz geht, mögliche Veränderungen am Kader, aber auch entscheidende Signale von der Trainerbank. Wenn alle diese Hausaufgaben gelöst und erledigt werden können, dann wird FC St. Pauli die Form des Jahres 2023 ins neue Jahr mitnehmen können – mit dann hoffentlich weniger Unentschieden, dafür aber noch mehr Grund zum Feiern.
// Tim
Alle Beiträge beim MillernTon sind gratis. Wir freuen uns aber sehr, wenn Du uns unterstützt.
MillernTon auf BlueSky // Mastodon // Facebook // Instagram // Threads // WhatsApp // YouTube
Ha ha. Bornemann asking for clarity. How ironic. Bornemann and Hürzeler are definitely into a power struggle here, and this time, Bornemann is not in a favorable position.
Definitely? More like in your opinion, isn‘t it?
If it really was like that, it would be bad for the club. But you seem to enjoy that. Why is that?
Pretty easy to answer: Because last time he has said something like „this is professional football“ and also something like „players need to deal with these kind of situations“.
Now he needs to deal with the situation and let’s have a look how he is about to handle it.
…and btw: I do not think in terms like „good for the club“ or „bad for the club“; as I do not turn my head off by joining the club as a member. Do you?!
I merely think in terms like „good“, „bad“ and very often „something in between“. And if something seems to be „good“ AND „bad for the club“ I think would stand with the „good“ and the „bad for the club“, but it depends…
…but that seems to be getting out of hand! 😉
Ok, it‘s glee, plain and simple. Well, whatever gets you through the night…
… and btw: the frame of reference was no secret to me, but thanks for taking the time.
Happy Holidays!
Leider haben wir australische 2 Nationalspieler.
mir ist aufgefallen *Vorsicht Majestätsbeleidigung*, dass wir mit Irvine 5 Siege : 9 Unentschieden und ohne ihn 3:0 gespielt haben. unter anderem Kiel, Schalke, Hertha…
Aus meiner Sicht spielt Connor auf der 8 die kreativeren Pässe und ist, wenn er nach aussen ausweicht variabler…