Mit dem Heimspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern startet der FC St. Pauli in die Rückrunde. Die Gäste haben aufgerüstet, die Favoritenrolle ist aber klar beim FCSP. Der Vorbericht.
(Titelbild: Peter Boehmer)
Zur Vorbereitung möchte ich Euch das „Vor dem Spiel“-Gespräch von Michael mit Matthias empfehlen, der ausführlich über die aus FCK-Sicht verkorkste Hinrunde berichtet.
Ein Blick zurück
Ein Heimspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern zu Beginn des Jahres – das gab es letztes Saison auch schon. Am 20. Spieltag nämlich, Anfang Februar 2023. Damals waren die Vorzeichen ziemlich unterschiedlich zu jenen von heute: Der FCSP konnte sich gerade erst durch zwei Siege nach der Winterpause aus den unteren Regionen ein wenig ins Tabellenmittelfeld absetzen. Der FCK hingegen zählte bereits in der Winterpause, spätestens aber nach zwei Siegen zum Jahresauftakt, zu den Aufstiegsaspiranten, kam auswärts ungeschlagen ans Millerntor.
Am Ende gewann der FC St. Pauli verdient mit 1:0. Weil Eric Smith einen sexy Pass spielte, Connor Metcalfe Auge bewies und vielleicht auch ein bisschen, weil Maurides Gegenspieler Jean Zimmer die Stirn küsste. In jedem Fall war dieser Erfolg für den FCSP Nummer drei von zehn – und für den FCK der Anfang einer ziemlichen Talfahrt. Denn zuvor verloren sie nur zwei von 19 Spielen, nach der Niederlage auf St. Pauli konnten sie nur noch zwei gewinnen. Der zwischenzeitliche Aufstiegsaspirant Kaiserslautern landete am Saisonende auf Rang neun.
FC St. Pauli: Wer kann spielen, wer fehlt?
Auf zwei Spieler muss der FC St. Pauli aus Verletzungsgründen verzichten: Scott Banks befindet sich im Aufbautraining nach seinem Kreuzbandriss. Auch Simon Zoller fehlt dem Team weiterhin. Fabian Hürzeler erklärte auf der Pressekonferenz, dass es für Zoller im Aufbautraining in der nächsten Woche mit Teamtraining weitergehen könnte. Bis zu seinem ersten Einsatz des Jahres dürfte aber noch einiges an Zeit vergehen.
Irvine und Metcalfe fehlen länger
Zudem fehlen mit Jackson Irvine und Connor Metcalfe die beiden australischen Nationalspieler, die aktuell bei der Asien-Meisterschaft im Einsatz sind. Sie werden auch noch etwas länger fehlen. Denn auch durch zwei Treffer von Irvine, hat Australien bereits vorzeitig das Achtelfinale erreicht, welches Ende Januar ausgetragen wird. Neu dabei sein im FCSP-Kader wird Winter-Zugang Aljoscha Kemlein, vermutlich direkt in der Startelf.
1. FC Kaiserslautern: Wer kann spielen, wer fehlt?
Die wohl wichtigste Personalie wurde am Mittwoch beantwortet: Angreifer Ragnar Ache kehrte nach erlittener Fußprellung wieder ins Mannschaftstraining zurück. Mit sechs Treffern ist er, obwohl er ein halbes Dutzend Spiele verpasste, der beste Torschütze der Roten Teufel. Ache hat laut FCK-Trainer Dimitrios Grammozis aufsteigende Belastung in dieser Woche gut vertragen. Ob er direkt ein Kandidat für die Startelf ist, ließ der FCK-Trainer aber offen.
Sicher fehlen wird am Millerntor leider Afeez Aremu. Der 24-jährige sah im vorletzten Spiel vor der Winterpause die rote Karte und ist noch zwei Spiele gesperrt. Er ist damit der einzige Spieler, der Grammozis nicht zur Verfügung stehen wird. Aufgrund der Neuzugänge befinden sich viele Spieler im Kader und bereits die Auswahl des Spieltagskaders wird sicher den ein oder anderen Härtefall beinhalten.
Was hat der FCK zu bieten?
Eine Achterbahnfahrt und viele Fragezeichen. Und irgendwie erinnert der Verlauf der Hinrunde beim 1. FC Kaiserslautern stark an die vergangene Saison. Denn zwar startete man mit zwei Niederlagen in die Saison 23/24, konnte dann aber sieben Spiele in Folge ungeschlagen bleiben (fünf Siege). So lag das Team Anfang September auf dem dritten Tabellenplatz, zarte Aufstiegshoffnungen also erneut inklusive. Es folgte ein regelrechter Absturz: Die letzten acht Ligaspiele konnten nicht gewonnen werden, sieben gingen sogar verloren.
Neuer Trainer, viele neue Spieler
Mittendrin in dieser Abwärtsspirale, Ende November, entließ der FCK Trainer Dirk Schuster. Anfang Dezember übernahm mit Dimitrios Grammozis ein auf dem Betzenberg sehr bekanntes Gesicht den Trainerjob. Unter seiner Leitung gab es aber auch zwei Niederlagen in der zweiten Liga. Immerhin konnte man sich DFB-Pokal gegen den 1. FC Nürnberg durchsetzen. Trotzdem: Platz 15 in der Liga bedeutet akute Abstiegsgefahr.
Auf diese Situation hat man auf dem Betzenberg im Winter reagiert. Mit recht massiven Maßnahmen. In Filip Stojkovic (Angriff, Darmstadt, Leihe), Ba-Muaka Simkala (Angriff, Kiel, Leihe), Frank Ronstadt (Außenbahn, Darmstadt), Dickson Abiama (Angriff, Fürth) und Filip Kaloc (Mittelfeld, Banik Ostrau) hat der 1. FC Kaiserslautern gleich fünf neue Spieler verpflichtet. Drei davon sind in der Offensive zuhause (Ronstadt teilweise auch) und alles andere als kleine Fische. Innenverteidiger Almamy Toure kam zudem im November 2023 zum Team. FCK-Geschäftsführer Thomas Hengen erklärte, dass es wichtig gewesen sei „frisches und hungriges Blut reinzubringen.“
Ache-Abhängigkeit überwunden?
Angesprochen auf den jetzt doch sehr üppig besetzten Kader erklärte Hengen: „Wir haben in der Vorrunde gesehen, wie einen Verletzungen, Sperren und Formschwankungen zurückwerfen können. Da bist du dann froh, wenn du mehr Alternativen hast.“ An wen er dabei gedacht hat dürfte angesichts der Ergebnisse klar sein: Ragnar Ache war für Kaiserslautern in der Hinrunde unfassbar wichtig, wie der Blick in die Zahlen belegt. Denn in Spielen mit Ache im Einsatz holte man durchschnittlich 1,6 Punkte, bei einem eigenen xG-Wert von 2,5. In den sechs Spielen ohne Ache war es nur ein mageres Pünktchen, also durchschnittlich 0.17 Punkte, bei einem eigenen xG-Wert von knapp 1,5. Name a more eindeutige Abhängigkeit.
Für Fabian Hürzeler ist Ache ebenfalls ein ganz zentraler Spieler, der mit Physis besticht: „Er arbeitet sehr viel mit seinem Körper. Er kann nicht nur den Ball gut festmachen, sondern hat auch die Qualität in die Tiefe zu laufen.“ Diese Kombination aus Physis und Tempo gibt es laut Hürzeler sehr selten. Ache ist ligaweit der Spieler mit dem deutlich höchsten persönlichem xG-Wert pro 90 Minuten (0.9!) und den meisten Kopfballduellen, von denen er, für einen Stürmer bemerkenswert, 50 Prozent gewinnt.
Offensivstark und tiefstehend
Es ist schon bemerkenswert, dass der 1. FC Kaiserslautern so stark in die Offensive investiert hat. Denn das Team hat den zweithöchsten eigenen xG-Wert der Liga (hinter dem HSV, vor dem FCSP). Klar, man ist auch sehr abhängig von Ache. Aber ein Wert von 1,5 pro Partie in den Spielen ohne Ache – davon träumen andere Clubs. Bemerkenswert ist zudem die Torwahrscheinlichkeit pro Torschuss. Die liegt beim FCK nämlich bei 14,4 Prozent – Ligaspitze.
Das könnte auch damit zusammenhängen, dass man oft in Umschaltmomenten gefährlich wurde in der Hinrunde. Der FCK zeigte nämlich einen fast klassischen „Schuster-Ball“ unter seinem Ex-Trainer, also sehr abwartend, sehr destruktiv, mit viel Zufall in der Offensive. Der zweitniedrigste Ballbesitzanteil zeugt davon. Fast jeder sechste Pass ist ein langer Ball. Zudem stand man oft sehr tief, hat den niedrigsten PPDA-Wert* der Liga.
Unberechenbar und temporeich
Für Fabian Hürzeler bedeutet der Trainerwechsel und auch die vielen Neuzugänge beim FCK, dass dieser „unberechenbar“ für ihn ist. Unter anderem, „weil sie ein neues System einstudiert haben,“ wie der FCSP-Cheftrainer erklärt. Kaiserslautern hat in dieser Saison bisher oft mit einer Fünferkette gespielt, wechselte unter der Leitung von Grammozis aber nun zu einem 4-4-2. Zudem haben sie viele neue Spieler, die laut Hürzeler „hohe Qualität haben und absolut in der Lage sind Kaiserslautern besser zu machen.“
Was sich laut Hürzeler aber systemunabhängig erkennen lässt ist die „hohe Umschaltqualität“ des 1. FC Kaiserslautern. Diese wird von ihm auf das hohe Tempo im Team zurückgeführt. In der Tat ist dies ein Merkmal des FCK: Unter den 20 Spielern mit der höchsten Laufgeschwindigkeit in dieser Saison befinden sich sage und schreibe sechs Spieler des FCK (vom FCSP übrigens niemand). Mit Opoku, Redondo, Tachie und Ache sind darunter gleich vier Offensivkräfte. Angesichts der nicht immer ganz sattelfesten Defensive des FCSP, wenn es ins Tempo geht, kann das am Samstag ein sehr, sehr wichtiger Faktor werden.
Das Tempo des FCK macht mir also Sorgen, da bin ich ganz ehrlich. Fabian Hürzeler erklärt, dass man viele Situation, in denen das gegnerische Tempo ein Problem sein könnte, vorher lösen kann: „Wenn Du es schaffst gut in der Positionierung zu sein, dann bist Du auch gut im Gegenpressing. Umschaltmomente sind immer situativ (…), aber grundsätzlich geht es darum ein enges Netz zueinander zu haben, um im Falle eines Ballverlustes sofort im Gegenpressing da zu sein.“ Man ist sich beim FC St. Pauli also der Thematik durchaus bewusst und hat auch einige Lösungen dagegen parat. Meine Sorgen sind zwar nicht weg, aber zumindest etwas geringer.
Mögliche Aufstellung
Es wird also ein 4-4-2 beim FCK geben. Wie genau diese Formation aber personell besetzt sein wird, ist zumindest mir völlig unklar. Denn die Auswahl ist ziemlich groß. Ein dickes Fragezeichen ist hinter einem Einsatz von Ache zu setzen. Allerdings: Wenn er irgendwie einsatzfähig ist, dann wird er auch auf jeden Fall spielen. Daher logge ich hier einfach mal die Aufstellung vom letzten Testspiel ein.
Die Startelf vom letzten Testspiel als vermutete Startelf für den Rückrundenauftakt einloggen – das mache ich auch beim FC St. Pauli. Allerdings steckt hier nicht so eine Planlosigkeit dahinter, wie beim Abschätzen der Aufstellung des FCK. Es gibt einfach keine Fragezeichen. Ganz vielleicht bei der Besetzung der offensiven rechten Außenbahn, aber eigentlich drängt sich da auch niemand so wirklich auf, sodass Dapo Afolayan wohl beginnen wird.
Dann beginnt es also. Mit dem Heimspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern beginnt eine Rückrunde, auf die viele FCSP-Fans voller Hoffnung blicken. Ich auch, freue mich rieisig auf die kommenden Monate. Forza!
Forza!
// Tim
*Der PPDA bemisst, wie viele Defensivaktionen (Fouls, abgefangene Pässe, Grätschen, gewonnene Zweikämpfe) ein Team im eigenen und mittleren Drittel hat im Vergleich zu den gespielten Pässen des Gegners in dieser Zone. Kann ein gegnerisches Team also viele erfolgreiche Pässe ungestört und ohne Druck von Gegenspielern z.B. im mittleren Drittel spielen, so schnellt der Wert in die Höhe.
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Hach(e).. warum haben wir den Ragnar nicht geholt.. Er würde so gut zu uns passen.. Airvine und Ragnair..
Eric da Silva Moreira sollte ursprünglich vor dem Heimspiel gegen Wehen Wiesbaden vereinsseitig geehrt werden wegen seines Europa- und Weltmeistertitels. Das könnte Samstag nachgeholt werden oder sitzt er vielleicht sogar auf der Ersatzbank???