Ausdauer gefragt

Ausdauer gefragt

Die Saison biegt so langsam aber sicher auf die Zielgerade ein. Für den FC St. Pauli geht es nun darum, die gute Ausgangslage auch für den Aufstieg zu nutzen.
(Titelbild: Peter Boehmer)

Klar, den Spruch „Der Osterhase liegt nicht unterm Weihnachtsbaum“ haben wir sicher alle schon mal gehört. Nun mag man von Uli Hoeneß halten was man will, aber er traf damit ganz gut die immer wiederkehrenden Mechanismen einer Fußballsaison. Denn den Herbstmeister-Titel unterm Weihnachtsbaum haben können viele, an Ostern und Pfingsten aber auch noch vorne zu stehen, das ist die Kunst. Weil eine Saison kein Sprint ist, eher ein Marathon.

Erinnerungen an Schalke

Somit geht die Saison nun auch für den FC St. Pauli in ihre wichtigste Phase. Laut Fabian Hürzeler ist es sogar die „schwerste, weil Du nicht nur gewinnen, sondern auch etwas verlieren kannst.“ Gerade das kommende Spiel auf Schalke ist dabei eines, welches durchaus schmerzhafte Erinnerungen bei Hürzeler auslöst. Denn auch über Ostern (wir erinnern uns an einen späten Ausgleich zum 1:1 in Sandhausen an Karsamstag) verspielte der FC St. Pauli in der Saison 21/22 eine formidable Ausgangsposition im Aufstiegsrennen und musste dann am 33. Spieltag mit ansehen, wie stattdessen Gegner Schalke 04 nach einem 3:2(0:2!) gegen den FCSP den Aufstieg feierte. „Das mitzuerleben“, so der zu Wochenbeginn 31 Jahre alt gewordene Cheftrainer, „macht was mit Dir.“

Nun gilt es für den FC St. Pauli nicht zuschauen zu müssen, wie ein Gegner aufsteigt, sondern selbst feiern zu dürfen. Hürzeler: „Wir versuchen Ähnliches (wie Schalke, Anm. d. Red.) zu erreichen.“ Diese „Träume geben Orientierung“ und seien wichtig, aber um so feiern zu können, wie die Schalker im Mai 2022, sei es eben noch „ein langer Weg“. Womit wir bei der geforderten Ausdauer und beim Marathon wären.

„Entscheidende Phase“

Denn diese Metapher mit dem Marathon nutzt Fabian Hürzeler sehr gerne, wenn er an das Erreichen der Ziele denkt: „Wir sind jetzt bei Kilometer 33, 34 – und da entscheidet es sich, wie ein Marathonläufer diese Hürde nimmt. Es ist die entscheidende Phase.“ Und diese sei die schwerste, weil man auch etwas verlieren kann, was man sich auf den Kilometern zuvor erarbeitet hat: „Das sind Dinge. die individuell im Kopf passieren, aber auch in der ganzen Dynamik der Gruppe. Da musst Du es schaffen gemeinsam durchzugehen, gemeinsam Kilometer 40, 41 positiv, gesund und frohen Mutes erreichen und dann den letzten Schritt zu machen.“

Was genau notwendig ist, um in dieser Phase weiterhin die notwendige Leistung abzurufen? Hürzeler erklärt: „Du musst stabil bleiben, versuchen, Widerstände anzunehmen, bereit sein, auch den inneren Schweinehund zu überwinden.“
Genau das mit dem Schweinehund hat zuletzt gegen Holstein Kiel in der zweiten Halbzeit nicht mehr so gut geklappt. Hürzeler moniert, dass sein Team, anders als in Unterzahl gegen Braunschweig, in den persönlichen Duellen einen Schritt weniger gemacht habe.

Sowieso gibt es aktuell, nach fünf Siegen aus den letzten sechs Spielen, zwar keinen Grund zur Sorge, aber doch ein paar Anzeichen in den Statistiken (siehe auch hier: Aufstiegsreif?), dass es dem FC St. Pauli momentan nicht mehr ganz so leicht fällt, die Gegner im letzten Drittel zu bespielen. Zwar betont Fabian Hürzeler, dass die Zahlen auch durch die Spielverläufe beeinflusst seien, weil man oft in Führung gelegen habe (am schlechtesten waren die erwähnten Statistiken allerdings bei der Niederlage in Magdeburg), aber er sagt auch: „Ja, wir wissen, dass es bestimmte Statistiken gibt, die schlechter, aber auch solche, die besser geworden sind.“ Genügend Ansatzpunkte zur Verbesserung seien jedenfalls vorhanden.

Hamburg, Deutschland, 05.02.2023 - Cheftrainer Fabian Hürzeler gibt Anweisungen beim Spiel des FC St. Pauli gegen Hannover 96 - Copyright: Peter Boehmer
Die Lieblingsmetapher von Fabian Hürzeler für die Saison des FC St. Pauli ist der Marathon.
(c) Peter Boehmer

Hilft Aufstiegserfahrung?

Zurück zum Marathon. Auch wenn man es mir vielleicht nicht ansieht, kann ich hier aus eigener Erfahrung sprechen und deutlich sagen: Man weiß nie, was ab Kilometer 30 passiert. Weil man auch im Training nur selten über diese Distanzschwelle kommt. Du kannst Dich richtig gut fühlen und fürchterlich einbrechen. Du kannst Dich bis dort hinschleppen und dann plötzlich die dritte, vierte oder fünfte Luft bekommen. Das lässt sich auch auf den FC St. Pauli übertragen: Auch viele Spieler dürften in der jetzigen Situation nicht wissen, was nun auf sie zukommt. Denn Spitzenreiter sein, von vielen Seiten schon Gratulationen zum Aufstieg erhalten, damit muss man erstmal klarkommen und weiter solche Leistungen abrufen, wie man es zuvor getan hat.

Helfen dürfte dabei, dass es eine ganze Reihe an Spielern und auch Hürzeler selbst schon einmal geschafft haben, über die Ziellinie zu kommen. Sascha Burchert, Simon Zoller, Andreas Albers, Dapo Afolayan, Marcel Hartel und Etienne Amenyido feierten schonmal Aufstiege mit ihren Teams, teilweise mehrfach. Diese Erfahrungen können dem Team helfen, wie Hürzeler kurz vor dem Rückrundenstart erklärte: „Ich glaube unterbewusst sind das Erfahrungen, die du rausziehst und der Mannschaft mitgibst. Was haben wir in bestimmten Momenten gebraucht, was war entscheidend? Da versuchen wir schon auf Muster zu kommen. Ich glaube, dass Du immer Parallelen ziehen und entsprechend auch Lehren daraus ziehen kannst.“

Auch Vertragsverhandlungen ein Marathon

Ein Marathon sind übrigens auch die Verhandlungen um eine Vertragsverlängerung von Fabian Hürzeler beim FC St. Pauli. Nach unseren Infos befindet man sich dabei noch nicht bei Kilometer 40, aber hat das Rennen, anders als zuletzt oft berichtet, auch noch nicht aufgeben müssen. Und wie ihr wisst, kann ab Kilometer 30 wirklich alles passieren. Was vorher schlecht aussah, kann gut werden und andersrum. War das jetzt eine Äußerung zu Transfergerüchten? Vielleicht. Aber wir hoffen es hilft, damit man sich vorerst endlich wieder auf das Wesentliche konzentrieren kann. Es ist jedenfalls Ausdauer gefragt beim FCSP.
// Tim

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8 thoughts on “Ausdauer gefragt

  1. Wenn gegen Kiel alle in allen Situationen noch diesen einen Schritt mehr gegangen wären, hätte das Team wohl einen neuen Weltrekord in der Laufleistung aufgestellt.

  2. Okay ich versuche mich mal an der Interpretation des letzten Absatzes, da ihr ja anscheinend geheime Informationen zum Hürzeler-Vertragspoker habt.

    Nach unseren Infos befindet man sich dabei noch nicht bei Kilometer 40 -> es wird demnach nicht wie aktuell berichtet vor dem Schalke-Spiel Klarheit geben.

    ab Kilometer 30 kann wirklich alles passieren. Was vorher schlecht aussah, kann gut werden und andersrum. -> da es ja laut Medienberichten aktuell schlecht aussieht, schließe ich daraus, dass die euch vorliegenden Infos darauf hindeuten, dass es also doch einen Vertrag geben wird.

    Äh, Juhu?!

  3. Nach all den Artikeln der letzten Tage zum Trainer-Vertragspoker war ich schon fix der Meinung: „Niemand ist größer als der Verein. Wenn Hürzeler so egoistisch ist und nur auf seine eigene Karriere schaut, dann soll er gehen.“

    Und dann lese ich deine letzten Absatz, Tim, und merke, wie in mir die Hoffnung aufkeimt, dass Hürzeler doch bleibt. Hach …

  4. Vielen Dank Tim, dass Du uns nochmal an diese Scheiße erinnerst…

    Das 1:1 gegen Werder, bei dem der Schiri trotz klarem Handspiel weiter laufen lies.

    Das späte Tor an Oster-Samstag und die Frage warum man überhaupt jedes Jahr in dieses Kaff gefahren ist, nur um sich nach dem Spiel deprimiert in diesem Kack-Wald zu verlaufen…

    Und dann zum krönenden Abschluss: Die ganze Saison komprimiert in einem Spiel. Ein Spiel nachdem ich mich gefühlt habe wie das Erbrochene, dass die feiernden Schalker dank Freibier rund um die größte Turnhalle in Gelsenkirchen verteilten.

    Ne ne Tim! Da geh ich nicht mit. Ich möchte mich um schöne Dinge kümmern.

    48 Punkte. 🚂 Chooo chooo

    1. Hey, du hast das Heimspiel gegen Nürnberg vergessen, am 32. Spieltag. Lange schwer getan, zähes Spiel, endlich erlöst uns Kyereh, in den Parallelspielen lief es auch teilweise gut für uns, und dann kommt der Ausgleich in der Nachspielzeit. Wie schrieb Tim damals so treffend im Spielbericht: Kollektiv den Stecker gezogen.

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