Die Antworten

Die Antworten

In überzeugender Art und Weise gewinnt der FC St. Pauli gegen Hertha BSC und legt dabei ein Reifezeugnis für die Bundesliga ab.
(Titelbild: Peter Boehmer)

Um gegen die Hertha gewinnen zu können, war es für den FC St. Pauli nötig, einen Schritt zurück zu gehen. Fabian Hürzeler erklärte vor der Partie, dass man zu seinen Wurzeln zurückkehren müsse, um wieder erfolgreich zu sein. Diesen Grundsatz hatten die FCSP-Spieler voll und ganz verinnerlicht, was sowohl anhand der Leistungen auf dem Platz, aber auch aufgrund der Worte nach Abpfiff in der Mixed Zone deutlich wurde.

Statistiken der Hinrunde

Auf dem Platz spielte der FCSP die Gäste aus Berlin in der ersten Halbzeit komplett schwindelig. Eine Führung mit mehr als zwei Toren wäre verdient gewesen. Möglich war das vor allem auch deshalb, weil das Team nahezu jeden freien Ball für sich gewann, zudem im Gegenpressing enorm erfolgreich war. Wie gut das alles gelang, ist in den Statistiken zum Spiel zu erkennen: 21 Ballgewinne hatte der FC St. Pauli im Drittel der Hertha – so viele waren es in der Rückrunde bisher noch nicht. Auch die Anzahl an Ballkontakten im gegnerischen Strafraum erreichte ein Rückrunden-Hoch. Gleiches ist auch auf der anderen Seite des Spielfeldes zu erkennen: Nur sechs Torschüsse gab es von der Hertha, allesamt ungefährlich – so wenige hatte zuletzt Wiesbaden am 17. Spieltag. Einen niedrigeren xG-Wert als jenen der Hertha (0,5 laut Wyscout) gab es für Gegner des FC St. Pauli in dieser Rückrunde auch noch nie.

Spieler haben Hürzelers Worte verinnerlicht

Somit war es sowohl defensiv als auch offensiv ein rumdum gelungener Auftritt des FC St. Pauli. Eine perfekte Antwort auf die Niederlage gegen Schalke. Wie das möglich war? Da sind wir wieder bei der Rückkehr zu den Wurzeln. Bemerkenswert ist, dass alle Spieler in der Mixed Zone genau diese ansprachen:

Marcel Hartel sagte nach dem Spiel „Wir wollten wieder zu unseren Basics zurückkommen, die uns die ganze Saison stark gemacht haben – das hat heute in allen Belangen sehr gut funktioniert.“
Johannes Eggestein betonte: „Wir hatten eine gute Intensität im Anlaufen, da haben wir in der Trainingswoche einen großen Fokus drauf gelegt.“
Hauke Wahl sagte: „Wir haben letzte Woche die Basics vermissen lassen. Auf die sind wir zurückgekommen. Daher kann man das schon als Reaktion sehen. Und ich denke, das ist ein Qualitätsmerkmal.“
Jackson Irvine erklärte: „Die vielen Gegentore der letzten Woche, waren weit weg von unserer DNA. Es war wichtig für uns, dass wir wieder dahin zurückgefunden haben.“

Führungsspieler gingen voran

Auch Fabian Hürzeler zeigte sich im Anschluss an die Partie sehr zufrieden und freute sich, dass die Spieler auch in den Interviews nach dem Spiel die Rückkehr zu den Basics hervorhoben. Er erklärte: „Wir haben viele gute erste Halbzeiten in dieser Rückrunde gespielt – zum Beispiel in Kiel oder Zuhause gegen Kaiserslautern. Heute war es länger gut und wir hatten die notwendige defensive Stabilität.“ Mal wieder zu Null zu spielen, war eine passende Antwort des FC St. Pauli nach zwei Spielen mit sechs Gegentreffern. Und es war spürbar, dass das Team auch genau darauf speziell fokussiert war, sich in der Defensivarbeit wirklich völlig verausgabte.

Der Grund für die defensive Stabilität war laut Hauke Wahl auch Teil einer Weiterentwicklung: „In der zweiten Hälfte haben wir es heute einfach reifer gespielt, als in den letzten Wochen. Wir haben gut verteidigt, immer wieder Nadelstiche gesetzt, haben trotzdem spielerische Lösungen gefunden. Und auch wenn wir mal fünf Minuten keine Lösungen gefunden haben, sind wir ruhig geblieben.“
Dieser „Switch“, dass man nach schwierigeren Minuten wieder Lösungen gefunden habe, sei laut Wahl ein Ausdruck von „Reife“ – den man eben in den Spielen zuvor nicht mehr hinbekommen hat. Laut Jackson Irvine haben die Führungsspieler dabei eine gewichtige Rolle gespielt: „Alle Führungsspieler sind diese Trainingswoche mit gutem Beispiel vorangegangen und haben vorgemacht, wie es gehen muss.“

Hamburg, Deutschland, 10.03.2024, 2. Bundesliga, FC St. Pauli – Hertha BSC Johannes Eggestein (FC St. Pauli) setzt sich um Duell mit zwei Spielern von Hertha BSC durch. Copyright: Peter Boehmer
Johannes Eggestein stand gegen Hertha BSC wieder in der Startelf – ein eigener Treffer fehlte zwar, aber der Mittelstürmer des FC St. Pauli konnte unter anderem durch sehr gutes Kurzpassspiel überzeugen und hatte gehörigen Anteil am 2:0-Erfolg.
(c) Peter Boehmer

Personelle Wechsel zünden

Aber es war nicht nur die veränderte Einstellung der FCSP-Spieler, die für die überzeugende Vorstellung gegen Hertha sorgte. Es war auch die Aufstellung. Neben Adam Dźwigała (Hürzeler: „Adam hat wieder bewiesen: Wenn er reinkommt, ist er da und macht seine Sache sehr gut.“), konnten auch Elias Saad und Johannes Eggestein überzeugen. Vielleicht muss man den 25-jährigen Mittelstürmer da sogar etwas gesondert hervorheben. Weil er nach zwei Spielen ohne Startelfeinsatz mit einer beeindruckenden Leistung zurückgekommen ist. Fabian Hürzeler war jedenfalls voll des Lobes:

„Er hat genau das gespielt, was ich mir erhofft habe. Und er hat es auch geschafft, das 90 Minuten zu zeigen. Das spricht dafür, dass er Energie getankt hat. Ich hatte das Gefühl, dass er das brauchte und jetzt ist er wieder da. Jetzt fehlt nur ein Tor. Das würde ich ihm sehr gönnen. Ich glaube das würden alle, weil er enorm wertvoll für die Mannschaft ist. Aber nochmal: Ich messe ihn nicht an Toren, sondern an der Art und Weise, wie er spielt.“

Fabian Hüzeler über Johannes Eggestein

Eggestein selbst erklärte ebenfalls, dass die Variante des Rausnehmens, um mit mehr Energie zurückzukommen, seine Wirkung nicht verfehlt habe: „Mich selbst hat es natürlich auch genervt, dass ich die letzten beiden Spiele nicht so viel gespielt habe. Dementsprechend habe ich in der Trainingswoche nochmal ein bisschen mehr Gas gegeben. Ich denke, das hat Fabian auch gemerkt.“
Somit gab auch Johannes Eggestein die passende Antwort auf zuletzt schwächere Leistungen. Indem er mit Leistung voranging, sowohl im Training, als auch im Spiel.

Kaderbreite ebenfalls bundesligareif

Wer auch überzeugte, war Manos Saliakas, sowohl in der Defensive gegen Fabian Reese im Zusammenspiel mit Adam Dźwigała, als auch in der Offensive mit Connor Metcalfe. Defensiv gewann er drei Viertel seiner Duelle, offensiv kamen zehn von zwölf Pässen ins letzte Drittel an, zudem erzielte er das 1:0. Nun wird man allerdings in Nürnberg auf die Dienste des rechten Außenverteidigers verzichten müssen. Saliakas sah seine fünfte gelbe Karte und ist gesperrt. Da auch Karol Mets ausfallen könnte (auch wenn seine Verletzung tatsächlich viel weniger schlimm ist, als zu befürchten war) und David Nemeth weiterhin nicht fit ist (Hürzeler: „Er war die Woche krank und spürt seinen Muskel noch leicht.“), sind womöglich neue Antworten des FC St. Pauli notwendig, um in Nürnberg bestehen zu können.

Auf den ersten Blick lauten die Antworten: Lars Ritzka und Tjark Scheller. Jackson Irvine ist sicher, dass es bei der Bestzung der Schienenposition nicht zu einem Leistungabfall kommen wird: „Lars hat die Fähigkeit, diese Rolle einzunehmen, er hat das zu Beginn der Saison eindrucksvoll gezeigt.“
Bei der Besetzung der Innenverteidigung dürfte Tjark Scheller in den Fokus rücken. Der U23-Spieler genießt enormes Vertrauen von Fabian Hürzeler, der auf die Frage, ob er Scheller auch einen Startelfeinsatz zutraue klar sagte: „Zu einhundert Prozent. Sonst hätte ich ihn nicht eingewechselt.“

Sowieso hat das Spiel gegen Hertha noch eine weitere wichtige Antwort geliefert. Hürzeler betonte: Nach dem Ausfall von Eric und Dapo habe ich gedacht: ‚Scheiße, jetzt geht die Welt unter!‘ nachdem ich einige Artikel gelesen habe. Aber wichtig ist, dass wir verstehen, dass wir nicht von Einzelspielern abhängig sind.“ Der FC St. Pauli hat also bewiesen, dass der Kader nicht nur in der Spitze, sondern auch in der Breite die notwendige Reife für einen Bundesliga-Aufstieg besitzt.

Hamburg, Deutschland, 10.03.2024, 2. Bundesliga, FC St. Pauli – Hertha BSC Manolis Saliakas, Abwehrspieler vom FC St. Pauli, erhält seine fünfte Gelbe Karte und ist für das nächste Spiel gesperrt. Copyright: Stefan Groenveld
Manolis Saliakas sah im Spiel gegen Hertha seine fünfte Gelbe Karte und ist für das nächste Spiel gesperrt.
(c) Stefan Groenveld

Fokus bleibt unverändert

51 Punkte nach 25 Spielen, zehn Punkte Vorsprung auf Platz drei – ist der Aufstieg für den FC St. Pauli nun ein Selbstläufer? Natürlich nicht, sagt Hürzeler und verweist auf die jüngste Vergangenheit: „Wir haben nach Kiel alle gemeint, es wird jetzt ein Selbstläufer, dann kam Schalke.“ Dazu passend ergänzte er etwas, was man schon die gesamte Saison über von ihm hört: „Die Liga ist einfach so ausgeglichen, es gibt immer wieder neue Herausforderungen. Es geht immer darum, sich das Momentum zu erarbeiten.“ – der FCSP bleibt also beim Fokus auf die Einzelspiele, was nach sportpsychologischen Gesichtspunkten genau die richtige Herangehensweise ist.

Diesem Ansatz folgt auch Jackson Irvine, der nach Abpfiff mit Blick auf die Tabelle erklärte: „Natürlich wissen wir, was möglich ist, haben das ‚big picture‘ im Blick. Aber wir sind ein prozess-orientiertes Team, wollen Woche für Woche besser werden.“ Und bei diesem Prozess steht nun erneut eine besondere Herausforderung an. Hürzeler: „Jetzt ist wieder genau so ein Moment. Da musst Du am Boden und demütig bleiben, noch härter arbeiten als die Woche davor und im Detail noch besser sein. Das verlange ich von meinen Spielern.“

Vertragsverlängerung mit Co-Trainern?

Antworten werden nun auch bei einem ganz anderen Thema benötigt. Und für den FC St. Pauli wäre es wohl am besten, wenn diese „Ja“ lauten. Es geht um die Verträge von Peter Németh und Marco Knoop. Fabian Hürzeler spricht sich klar dafür aus, dass es mit seinen beiden Co-Trainern weitergeht: „Ich habe wirklich tolle Experten um mich herum, die sehr akribisch und detailversessen sind. Ich bin sehr froh, mit ihnen arbeiten zu dürfen, weil sie mir sehr viel geben, weil sie inhaltlich gut sind.“ und hofft, dass es da schnell eine Entscheidung geben wird: „Ich hoffe, dass das in den nächsten Wochen passiert. Aber ich bin sehr zuversichtlich.“

Der FC St. Pauli hat nach dem Sieg gegen Hertha allen Grund, optimistisch auf den Rest der Saison zu blicken. Nachdem es vor Anpfiff doch einige Fragezeichen aufgrund von Personal und Taktik gab, sind nach dem überzeugenden 2:0-Erfolg nur eine ganze Menge Ausrufezeichen geblieben. Das Team hat also die passenden Antworten geliefert. Und aktuell deutet sehr viel darauf hin, dass auch die wichtigste Frage der Saison, die nach dem Bundesliga-Aufstieg, mit „Ja“ samt fettem Ausrufezeichen beantwortet werden kann.

// Tim

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9 thoughts on “Die Antworten

  1. Und die Aussage, dass unsere Mannschaft nicht von Einzelspielern abhängig ist, zeigt sich eindeutig in der „Elf des Tages“ vom kicker.
    Nach der mMn besten Saisonhalbzeit hat es nicht einer unserer tollen Junxx in diese Elf geschafft. Das spricht für das Kollektiv!

    1. Es war klasse, eine Antwort des Teams zu sehen, da es auf Schalke einiges vermissen ließ. Die Vertragsverlängerung war auch zu spüren, denn jeder überzeugte spielerisch, taktisch und mit von Anfang an mit der nötigen Körpersprache. Hertha war allerdings sehr schwach und spielte uns taktisch komplett in die Karten…

      Gestern benötigten wir nicht den geilen Roar wie gegen Braunschweig, aber wir müssen die Jungs auf dem Rasen noch mehr belohnen und ich wünschte mir noch mehr Support trotz der Vielzahl von Schals, was richtig geil war….ich bin wieder mal heiser; also ist Selbtkritik ier nicht angebracht 😉. Sorry, aber der Kicker ist schon lange nicht mehr die Journalie des Fußballs…ganz traurige Nummer. Sind die überhaupt im Stadion und sind das bezüglich der Nominierungen der Best-11 tatsächlich Experten??? Zweifel sind angebracht…

  2. Das Manolis nicht in der Kickerelf ist, ist mir unverständlich. 1 Tor, Lattenkracher und Reese [Keine Laufkundschaft] eliminiert….naja

    1. Das es reicht, wenn das kollektiv funktioniert, sieht man bei Heidenheim. Außerdem würde ich sogar so weit gehen, daß eher hartel als stürmer spielt und eggestein als 10er. Eggestein hat übrigens verdammt gut gespielt.

  3. passt hier nicht ganz hin, aber mir ist gerade aufgefallen das unser schnellster Spieler bisher Dzwigala ist, beim Hinspiel gegen, Fürth mit ganzen 34,22km/h und damit auf Platz 66 der Liga. Macht mit der Info was ihr wollt, aber Dzwigala bester Spieler

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