Handlungsfähig bleiben – ohne Zweifel

Handlungsfähig bleiben – ohne Zweifel

Nach der Niederlage des FC St. Pauli beim Karlsruher SC ist der sportliche Blick auf den Rest der Saison weiter positiv. Zweifel lässt niemand aufkommen.
(Titelbild: Stefan Groenveld)

Es ist in der Tat ein ungewohntes Gefühl, wenn der FC St. Pauli ein Fußballspiel verliert. Der Gewöhnungseffekt an den Erfolg, er hat sicher nicht wenige erfasst. So sind dann Niederlagen sicher etwas unangenehmer, als sie es eh schon sind. Besonders dann, wenn es in der Saison auch noch um richtig was geht.

Dritte Saisonniederlage, gutes Spiel

Entsprechend beklagte Fabian Hürzeler vor wenigen Wochen, dass Niederlagen beim FC St. Pauli „überdramatisiert“ werden. War jene in Magdeburg eher aus der Kategorie „unglücklich“, bei der beide Teams nicht so wirklich in Fahrt kamen, so dürfte jene auf Schalke ein einschneidenderes Erlebnis gewesen sein, weil man selbst keine gute Leistung zeigte. Doch die bittere 1:2-Pleite beim KSC gehört weder in die eine, noch die andere Kategorie. Für Hürzeler war es nämlich „eines unserer besten Auswärtsspiele der Saison.“

Und so ordneten auch die Spieler die Situation nach Abpfiff ein: Eine ärgerliche Niederlage, ja. Aber keine, die das Team am Aufstieg (auch wenn das Wort selbst natürlich niemand so wirklich in den Mund nimmt) zweifeln lässt. Hauke Wahl erklärte: „Wir hatten gegen den KSC genug Chancen, haben relativ wenig zugelassen“ und sieht das Team daher weiter auf dem richtigen Weg. Für Zweifel war bei ihm kein Platz: „Diesen Weg werden wir weitergehen.“

Blick geht nach vorn

Bei diesem Weg wird Hauke Wahl allerdings nun einmal zuschauen müssen. Der Innenverteidiger ist nach seiner umstrittenen Gelb-roten Karte kommenden Sonntag gegen die SV Elversberg gesperrt. Ein herber Verlust, ja. Aber auch das lässt keine Zweifel aufkommen. Jackson Irvine erinnerte nämlich daran, dass es auch einige Rückkehrer geben wird: „Connor und Eric kommen zurück, Dapo wird wieder richtig fit.“ Es hätte zwar keiner Einordnung bedurft, aber Irvine lässt wirklich gar keine Zweifel daran aufkommen, was er von der Rückkehr hält, schob direkt an diese Sätze ein „Das wird gut.“

Sowieso gab der Kapitän des FC St. Pauli noch in der Mixed Zone in Karlsruhe die Stimmung aufgrund der sportlichen Situation vor: „Natürlich sind wir enttäuscht. Aber alle verlassen das Stadion erhobenen Hauptes. Wir haben viele gute Sachen heute gezeigt. Auswärts so selbstbewusst aufzutreten, ist alles andere als einfach.“ Zudem erklärte er, dass das Team keinen Druck für die kommenden Spiele verspüre: „Wenn ich mir meine Mitspieler anschaue, dann sehe ich: Wir sind alle entspannt. Wir wussten, dass es solche Momente vor dem Saisonende geben würde, aber wir haben alles in der eigenen Hand.“

Fehler-Analyse und Reaktion

Also einfach weiter so und alles wird gut? Ganz so einfach ist es natürlich nicht. „Wir waren in den entscheidenden Momenten nicht da,“ erklärt Hürzeler. Irvine sah „Kleinigkeiten“, auf die es gegen den KSC angekommen sei: „Diese kleinen Dinge, keine großen Probleme, müssen wir korrigieren unter der Woche.“

Bei aller Enttäuschung aufgrund der Niederlage darf aber auch nicht vergessen werden, dass man sich nach Abpfiff fragen muss, warum der Karlsruher SC nicht noch weiter oben in der Tabelle steht. Dem Team von Christian Eichner gelang es anfangs, das Aufbauspiel des FCSP nicht zur Entfaltung kommen zu lassen und immer wieder, auch als die Gäste stärker aufkamen, Nadelstiche zu setzen. Wie das Heimteam die Situation vor dem 2:1 nach dem Fehlpass von Dźwigała ausspielte, ist bundesligareif.

Trotz guter Leistung: Die Niederlage gegen den KSC wird eine Reaktion beim FC St. Pauli hervorrufen, so wie auch nach den letzten Punktverlusten, erklärte Nikola Vasilj: „Auch nach Magdeburg und Schalke sind wir direkt wieder aufgestanden.“ Dazu muss das Team aber auch wissen, in welchen Bereichen die letzten Prozentpunkte gefehlt haben. Fabian Hürzeler sagte nach Abpfiff, dass man gerade zu Spielbeginn „zu viele einfache Aufbaufehler“ gemacht habe und „nicht gut in der Positionierung“ gewesen sei. Der FCSP-Cheftrainer betonte aber auch, dass der Weg stimme und: „Wir dürfen nicht nur auf das Ergebnis achten. Auch in dieser Phase ist es wichtig, weiter prozessorientiert zu denken.“ Das passt übrigens sehr gut zu dem, was Christian Spreckels dem FC St. Pauli in der jetzigen Phase rät, um erfolgreich zu bleiben: „Ich würde die tabellarische Situation nicht so sehr in den Vordergrund rücken, sondern das Inhaltliche.“ (im Abendblatt (€))

Hamburg, 03.02.2024, 2. Bundesliga, FC St. Pauli - SpVgg Greuther Fürth Oladapo Afolayan (FC St. Pauli) im Zweikampf mit Maximilian Dietz (SpVgg Greuther Fürth). Copyright: Peter Boehmer
Der Blick beim FC St. Pauli soll nach oben gehen. Aber bitte nur, wenn da gerade ein Ball rumfliegt. Gedanken an den Aufstieg sollen nur wenige verschwendet werden. // (c) Peter Boehmer

In der Handlungsebene bleiben

Wie es gelingen kann auch noch so kurz vor Erreichen eines großen Zieles von Spiel zu Spiel zu denken, erläuterte Fabian Hürzeler genauer im Podcast „kicker meets DAZN“, bei dem er zu Gast gewesen ist: „Als Trainer sollte man immer den Prozess in den Vordergrund stellen. Man sollte sich immer darauf konzentrieren, was wir beeinflussen können.“ Das bedeute auch, dass Spielergebnisse nicht maßgeblich für die Entscheidungen sind, denn: „Wenn du mit Ergebniszielen arbeitest, dann hast du viele unbeeinflussbare Faktoren drin, die dich unter Druck setzen können.“ Deshalb, erklärt Hürzeler, stelle er nie das Ergebnis in den Vordergrund, sondern die Art und Weise, wie das Ergebnis zustande gekommen ist. Nur so befinde man sich in einer Handlungsebene. Das gelte übrigens auch für die Gedanken an den Aufstieg, erklärt Hürzeler: „Es ist menschlich, dass du mal kurz einen Gedanken an den Aufstieg verschwendest. Aber ich versuche zu vermitteln, dass wir noch sechs Spiele zu gehen haben, in denen wir besser werden können, uns in diesen sechs Wochen weiterentwickeln können.“ Durch diesen Fokus – weg von Ergebnis-, hin zu Handlungszielen – versuche er die Spieler des FC St. Pauli von den Gedanken an den Aufstieg abzubringen.

Gedanken machen muss sich Fabian Hürzeler auf jeden Fall über die sieben gelben Karten, die er in dieser Saison bereits gesammelt hat. Eine achte hätte eine erneute Sperre zur Folge. Im Podcast erklärt er, dass es sehr kontraproduktiv für den sportlichen Erfolg wäre, wenn er sich diese einhandele. Aber wie kommt es zu dieser „Gelbsucht“ und wie kann das geändert werden? Grundsätzlich, erklärt er bei „kicker meets DAZN“, gehe es für ihn darum, eine bestimmte Balance zu finden. Denn er könne und wolle sich an der Seitenlinie nicht verstellen, aber ist auch sehr selbstkritisch bei diesem Thema: „Ich habe mir vorgenommen, in Bezug auf die Schiedsrichter besser zu werden. Das ist mir noch nicht gelungen. Das ist etwas, was ich mir ankreiden muss. Da bin ich kein Vorbild für andere, da nehme ich einen schlechten Einfluss.“ Es ist zu hoffen, dass Fabian Hürzeler den gesamten Rest der Saison an der Seitenlinie stehen wird. Und falls nicht, dann soll er sich halt die achte gelbe Karte für überbordende Freude im Volkspark holen.

Direkte Konkurrenz punktet

Die Niederlage beim Karlsruher SC wird das Team des FC St. Pauli also nicht ins Grübeln bringen. Dafür war die Leistung zu ansprechend. Schließlich hatte auch Schiedsrichter Michael Bacher durchaus eine wichtige, und für den FCSP in Summe negative, Rolle gespielt (auch wenn der DFB nun erklärte, dass in einer strittigen Situation richtig entschieden worden sei). Strittige Entscheidungen hin oder her: Es brauchte in jedem Fall erneut richtig viel, was zusammenkommen musste, damit der FC St. Pauli ein Zweitligaspiel nicht gewinnt: Zweifelhafte Schiedsrichterentscheidungen, fehlende Spieler, eigene Ungenauigkeiten und nicht zuletzt einen richtig starken Gegner.

Allerdings kommt man auch nicht umhin, auf der Tabelle zu erkennen, dass am Wochenende alle drei direkten Konkurrenten dreifach gepunktet haben. Somit beträgt der Vorsprung auf Rang Drei (Düsseldorf) aktuell acht Punkte, der HSV ist neun Zähler entfernt. Bei maximal noch 18 möglichen Punkten ist das weiterhin ein gutes Polster. Klar ist aber auch, dass ausbleibender Erfolg gegen Elversberg die Drucksituation verschärfen könnte. Wer aber mitbekommen hat, wie der FC St. Pauli auf die bisherigen Niederlagen (alle auswärts) reagierte, dürfte nicht zweifeln.

Denn am Millerntor hat der FCSP in dieser Rückrunde noch keinen Punkt abgeben müssen. Ohnehin hat der FCSP unter Hürzeler bisher erst ein einziges seiner 23 Heimspiele verloren, gewann dafür aber satte 15. Das „Niemand siegt am Millerntor“ wird seit einiger Zeit wieder mit Leben gefüllt. Und könnte im Aufstiegsrennen der entscheidende Faktor werden. Ist das der Fall, dann wird man zweifelsfrei auf der Handlungsebene Stück für Stück dem Ergebnisziel näher kommen.

// Tim

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6 thoughts on “Handlungsfähig bleiben – ohne Zweifel

  1. It reminds me of the „nobody wins at Millerntor“ double edged cartoon where we see Irvine and Hartel in defiant mood, and then the same with a baffled expression on their face.

    Fun fact : with nine draws, St Pauli was by far the leader in draws at the end of the Hinrunde. In the second half, St Pauli is the only team who never drew.

  2. Die Begründungen und Erklärungen vom DFB sind so logisch und ehrlich, wie Aussagen von Polizeigewerkschaften… haben die zufällig den gleichen PR Berater?

    Mindestens jedes zweite Foul ist vom Spieler ungewollt oder „aus Versehen“. Saliakas fehlte in der Rückwärtsbewegung, was ggf mit ein Grund war, warum Wahl hinten quasi alleine war. Das war eine Fehlentscheidung. Punkt. Nichts anderes.

    Aber wie Du schon sagst… es braucht sehr viel St. Pauli aktuell zu besiegen. Auf geht’s!

  3. Mich würde sehr interessieren, was Maik aus Schiedsrichtersicht zum Argument „War ja unbeabsichtigt“ sagt. Ist das wirklich ein entscheidendes Kriterium bei der Bewertung von Fouls im Strafraum? Dann kann man den Foulelfmeter doch gleich abschaffen, denn wie viele Fouls werden denn im Strafraum absichtlich begangen?

    1. Sehr schön, das bringt die ganze Diskussion ziemlich gut auf den Punkt und führt sie gleichzeitig ad absurdum. Ich musste grade jedenfalls erstmal laut lachen (glaube zum ersten mal seit Samstagabend).

  4. Da sieht doch Manos den gegenspieler hochspringen und schiebt schnell den Fuss dahin, wo der andere wohl wieder landet. Sehr clever. lol

  5. wer hätte gedacht, daß ich mal nachvollziehen kann, wie sich die bayern spieler in den letzten jahren fühlten, wenn sie mal ein punktspiel verloren hatten… 🙂 kleiner spaß am rande.
    wir haben ein richtig gutes spiel gegen einen richtig guten gegner gemacht. das is fakt. um dem nachdruck zu verleihen verweise ich auf manos‘ chance in der zwölften minute. bis zu dem zeitpunkt, als er den ball ans dreieck zimmert, hatten wir 37 ballkontakte, ohne daß der gegner den ball zwischendurch zu fassen bekam. die szene geht vom abseits freistoß ca minute 09:40 bis zu seinem abschluß 11:34. da hüpft das herz des fußballästheten. das war bundesliganiveau. hätte manos den versenkt, wäre es für mich in seiner gesamtheit das tor des jahres gewesen, zumindest das unserer jungs in braun.
    selbst mit einem mann weniger, haben wir das spiel bestimmt. mit genau dieser überzeugung nun gegen elversberg, dann mache ich mir überhaupt keine sorgen.

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