Am Samstag steht für den FC St. Pauli das Spiel gegen den VfL Wolfsburg an. Endlich sind auch wir dran, mit einem Heimspiel um 15:30 Uhr.
Titelbild Stuart Franklin / Getty Images via OneFootball, Verpixelung von uns
Plastik Spezial: VfL Wolfsburg – Verein, Fanszene, VW und 50+1
Gucken mal wir auf die Begegnungen zwischen dem FC St. Pauli und VfL Wolfsburg: In den Bundesligen spielten wir 14-mal gegen die Wölfe, dabei gehen fünf Siege an uns, einer an den VfL. Acht mal ging die Partie unentschieden aus. Gute Bilanz für uns also. Weiter so für Samstag bitte.
Gleichzeitig ist es der Start in die „Plastik-Woche“, auf uns kommen auch noch RB Leipzig und TSG Hoffenheim zu. Aber was macht Wolfsburg zu einem „Plastik“-Verein?
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich verbinde mit dem VfL Wolfsburg eine absolute Gleichgültigkeit und merke wie egal mir dieser Verein bis jetzt war. Das Einzige, was ich über den VfL Wolfsburg weiß, ist, dass sie ein ziemlich starkes Frauen-Bundesliga Team rund um Alexandra Popp haben und das VW irgendwie im Verein mitmischt. Nichtsdestotrotz sollten wir die Gleichgültigkeit kurz fallen lassen und uns mit dem VfL Wolfsburg auseinandersetzen. Was macht also diesen Verein aus, wie ist die Fanszene aufgestellt, wieso gilt für den VfL eine Ausnahmeregelung für 50+1 und was ist daran problematisch?
Geschichte und Erfolge des VfL Wolfsburg
Die Anfänge
Hervorgehend aus der Betriebsgemeinschaft Volkswagenwerk, gründete sich 1945 der VfL Wolfsburg, mit Angeboten im Fußball, Handball, Turnen, Tennis, Radsport, Boxen und Schach. In der Nachkriegszeit war es schwer an Sportartikel zu kommen. Die Farben des VfL Wolfsburg ergaben sich durch Zufall, nachdem der Kreisjugendpfleger Bernward Elberskirch zehn grüne Trikots für den VfL fand. Die weißen Hosen wurden aus gespendeten Bettlaken von den Frauen der Spieler genäht. Nachdem die ersten Spiele an ländlichen Randgebieten stattfanden, weihte man 1947 die neue Spielstätte „Stadion am Elsterweg“ ein.
Langer Weg zur Etablierung in der Bundesliga
Konstant spielte sich der VfL in den Ligen hoch und baute in den 60er Jahren durch Gelder der Stadt und Volkswagen das Stadion am Elsterweg aus. 1974 gehörte man zu den Gründungsmitgliedern der 2. Bundesliga, stieg in der ersten Saison aber wieder ab. Nach erneutem Auf- und Wiederabstieg in den Folgesaisons, dauerte es bis 1992, bis sich Wolfsburg in der 2. Bundesliga wieder etablierte. 1997 schafften sie den Aufstieg in die 1. Bundesliga, und sind seitdem nie wieder abgestiegen.
Volkswagen Arena und erste Erfolge
2001 kam es zur Ausgliederung des Profifußballs aus dem Gesamtverein und zur Gründung der VfL Wolfsburg Fußball GmbH mit der Volkswagen AG als Hauptgesellschafter. Inzwischen besitzt VW 100% der Anteile der VfL Wolfsburg Fußball GmbH. Im gleichen Jahr erbaute der VfL die Volkswagen Arena und holte im Jahr 2009 die erste und bisher einzige Meisterschaft, unter Felix Magath nach einem 5:1-Sieg gegen Werder Bremen. 2015 holte der VfL den DFB-Pokalsieg als auch den DFL-Supercup im Spiel gegen FC Bayern München.
Erfolgreicheres Frauenteam
Deutlich erfolgreicher agiert der VfL Wolfsburg seit 2003/2004 im Fußball der Frauen. 1973 gründete sich der VfR Eintracht Wolfsburg und gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Frauen-Bundesliga, aber die Qualifikation zur eingleisigen Bundesliga wurde nicht erreicht. Der Verein stand vor dem Konkurs und das Frauenteam wechselte zum WSV Wolfsburg. Dort schafften sie es in die Bundesliga. 2003 kam die Frauenabteilung des WSV Wolfsburg zum VfL und konnte so als VfL Wolfsburg in der Bundesliga weitermachen. Bis auf einen Abstieg 2005 und dem folgenden Wiederaufstieg 2005/2006 blieb der VfL Wolfsburg konstant in der Bundesliga und sammelte bis heute sieben Meisterschaften, elf DFB-Pokalsiege und zwei Champions-League Siege. Insbesondere das Triple 2012/13 gehört zu den größten Erfolgen des Frauenteams des VfL Wolfsburg.
Fans und Fanszene

Die Volkswagen Arena hat ein Fassungsvermögen von 28.917 Plätzen, 5249 davon sind Stehplätze. VfL Wolfsburg zählt 122 offizielle Fanclubs, vier davon gehören zum Frauenteam. Die aktive Fanszene ist auf der Nordkurve anzufinden. Dort stehen unter anderem Gruppen wie Coesione Ultras, Green White Angels Wolfsburg und Weekend Brothers. Auch die Zaunfahne der Supporters Wolfsburg mag bekannt sein, hierbei handelt es sich (korrigiert mich, wenn ich falsch liege) ums Fanprojekt. (Ergänzung: Siehe Kommentare, es handelt sich dabei um den Dachverband der Fanclubs, Danke für den Hinweis.)
Zuletzt veröffentlichte man gemeinsam als Nordkurve Wolfsburg einen Fan-Kodex, der Richtlinien für das Verhalten auf der Nordkurve gibt. So geht es zum Beispiel um ein respektvolles Verhalten untereinander, respektvoller Umgang mit Fanmaterialien und Schalpflicht. Mit einer Tapete im Spiel gegen Werder Bremen mit „Egal ob Daniela oder Kevin, Behrens halt‘s Maul“ positionierten sich die Coesione Ultras gegen die homofeindlichen Äußerungen von Kevin Behrens als auch gegen Daniela Behrens, die in Bezug auf das Niedersachsenderby zwischen Braunschweig und Hannover unter anderem ein Ausschluss der Gästefans forderte.
Wolfsburg und 50+1?
Ausnahmeregel und Wettbewerbsvorteil
Was ist nun also dran an der Behauptung, der VfL Wolfsburg sei ein Plastik-Club? Nun ja, VW. Aufgrund der Förderung des Konzerns in den Verein über 20 Jahre, gilt für den VfL Wolfsburg (und Bayer Leverkusen) eine Ausnahmeregelung für 50+1.
Klären wir aber erstmal was die 50+1 Regel eigentlich ist. Im Grunde genommen verhindert 50+1 die Stimmenmehrheit von Kapitalanlegern von in Kapitalgesellschaften ausgegliederten Fußballvereinen. 50 Prozent plus eine Stimme bleiben immer beim „Mutterverein“, behält somit immer die Stimmenmehrheit (Unsere Kurve). Die 50+1 Regel ist also ausschlaggebend dafür, dass Investoren keine Chance haben, vollständig einen Fußballclub zu übernehmen und Entscheidungen in der Hand der Mitglieder des Vereins bleibt.
Aufgrund der langen Förderung von VW, gilt die 50+1 Regel bei VfL Wolfsburg nicht. So genießt der VfL Wolfsburg einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Vereinen, die Mitglieder allerdings geringe Mitentscheidungsrechte. Der Wettbewerbsvorteil wird beim VfL auch besonders durch den „Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag“ deutlich. Soll heißen, wenn der Verein Gewinne macht, geht der an den Konzern VW. Andersherum werden Verluste im Verein durch den Konzern ausgeglichen.
Das zeigte sich besonders in der Corona-Pandemie. Während andere Vereine mit starken finanziellen Verlusten zu kämpfen hatten, blieben der VfL Wolfsburg und Bayer Leverkusen weitestgehend verschont. (SPIEGEL)
Kritik aus der eigenen Fanszene
Auch die Fanszene des VfL Wolfsburg kritisiert die Ausnahme der 50+1 Regel ihres Vereins. Sie nannte den eigenen Verein im Heimspiel gegen den VfL Bochum letzte Saison unter anderem „Seelenlosen Plastikklub“. (Faszination Fankurve)
Auch im Februar diesen Jahren gab es Proteste in Form von Tapeten, in dem sie das alte Zinnen-Wappen zurückforderten sowie die Missachtung der Vereinsfarben in offiziellem Merchandise kritisierten. Die Nordkurve forderte Ausnahmeregelungen, wie sie beim VfL gelten, kritisch zu hinterfragen, und forderten die Beibehaltung von 50+1 im Profifußball. (Faszination Fankurve)
Der VfL Wolfsburg ist ein Plastik-Club
Dass die eigenen Fans ihren Verein als „Seelenlosen Plastikklub“ bezeichnen, sagt schon einiges aus. Dass solche Ausnahmeregelungen bestehen und der VW so viel Macht in einem Fußballclub hat, ist in meinen Augen zu skandalisieren. Mir egal wie lange die schon Geld da reinpumpen. Solche Ausnahmen darf es ganz einfach nicht geben und die Mitbestimmung sollte zurück an die Mitglieder gehen. Zudem ist es auch ganz einfach eine Wettbewerbsverzerrung. Während zum Beispiel der Schalke 04 massiv mit Schulden zu kämpfen hat, kurz davor steht keine Lizenz zu bekommen, gleicht VW bei Wolfsburg die Verluste einfach aus. Find ich schlimm, alles. Ich bin gespannt, wie die Fanszene des VfL weiter mit dem Thema umgeht. Vielleicht kommt ja irgendwann mehr als ein Tapetenprotest (vielleicht ist da auch mehr, klärt mich gern auf).
Über das Sportgeschehen kann ich euch leider nicht so viel sagen, wie gesagt, der VfL Wolfsburg war mir immer echt egal. Durch die gute Bilanz aus den vorherigen Begegnungen gehe ich optimistischer an das Spiel als gegen den BVB. Ich würde mich also sehr über einen Heimsieg freuen, es wird Zeit.
Wie auch immer, rein geht’s in die Plastik-Woche.
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// Nina
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„Verein und Fanszene“ finde ich ein tolles neues Format und eine prima ergänzung zu den VdS und NdS Podcast Gesprächen. Eine gute Portion „persönliches“ von der Autorin („…der VfL Wolfsburg war mir immer echt egal“) und ein bisschen aufgearbeitetes was der „Verein“ und die Anhängerschaft so ausmacht!
Prima, Danke, mehr davon.
1910% Zustimmung.
Das hat mir immer gefehlt beim Millernton, wusste immer nur ein bisschen und nur über die größten Aktionen. Vielen Dank dir dafür! Freue mich auch schon auf die nächsten Teile der Serie.
Danke Nina, Du bist eine echte Bereicherung für den MillernTon
🤎🤍
Viele Grüße aus Wolfsburg und vielen Dank für diesen Bericht.
Die Supporters Wolfsburg ist der Fanclub-Dachverband und nicht das Fanprojekt.
Zudem kann ich noch ergänzen, dass die Fanszene seit vielen Jahren für die Rückkehr zu alten Werten kämpft (Zinnenwappen, Traditionelle Farben, etc. )und leidenschaftlich für Verein und Stadt kämpft. Auf Grund der kleinen Stadt mit vielen für die Arbeit zugezogenen ist die Größe der Fanszene beschaulich geblieben, diese lieben jedoch ihren Verein innig und werden Euch am Samstag positiv überraschen.
Auf ein spannendes Spiel
L
Auch von mir “Moin” aus Wolfsburg. Wie schon @L richtig gesagt hat, handelt es sich bei den Supportressourcen um den Dachverband. Das Fanprojekt trägt den einfachen Namen: “Fanprojekt Wolfsburg”.
Noch eine kleine Ergänzung: Beim Aufzählen der Gruppen (aktive Fanszene) wurden die Wilden Wölfe 07 vergessen.
Auch ich kann bestätigen, dass die aktive Fanszene seit Jahren gegen die Missachtung unserer Werte ankämpft. VW hat uns unsere Tradition und unsere Seele genommen…
Auf ein gutes Spiel und bis Samstag!
Samstag steht das Auswärtsspiel bei Euch an. Endlich kann ST. Pauli mal was zeigen, was er kann– und diesmal werden die Wölfe mit einer Hand kaum zuzählen sein!
Euer Heimspiel gegen den VfL, der wie immer im „Plastik“-Rampenlicht steht, sollte euch nicht so sehr beschäftigen, meiner Meinung nach 😉, aber Euer Text ist schon recht gut, wenigstens wenn man es aus der Ferne es sieht.
Wenn wir unsere Geschichte des VfL ansehen, könnten wir es schon fast nicht selbst glauben – immerhin hat der VfL Wolfsburg einen DFB-Pokal und eine Bundesliga-Meisterschaft eingeheimst, und ehrlich gesagt mit weniger mithilfe der VW-Finanzspritze, als man denkt. Dabei standen wir 1995 ebenfalls im DFB-Pokal auf Platz 2 ;-(
Doch was genau ist der Punkt was ihr bemängelt? Ist das noch echter Fußball oder eher ein „Die Entwicklung im Fußball“? Schaut euch den Fußball doch mal an, die Entwicklung kann man bremsen aber nicht aufhalten.
So jetzt zu den Fans ;
In Wolfsburg spricht man von einer Fanszene mit immerhin 122 offiziellen Fanclubs, dabei muss man Wissen das die Fanclubs sicherlich mehr machen könnten, dieses kann aber so oder so sehen und wäre ein Thema in jeden Verein.
Unsere Fans stehen in der Nordkurve, wo es sogar so etwas wie Fan-Proteste und Leben es gibt. Aber wie viel „Echtheit“ ist dabei? Die Individuen, die echten Fans und oft kantigen Charakter reinbringen? Dieses habt ihr auch in eueren Reihen.
Das angeblich es keine strenge Hand eines Konzerns gibt , der entscheidet, was wie wann laufen soll, benötigt man nicht, das macht man über den VfL selbst. (Michael Meeske haben wir ja euch zu verdanken, vielen Dank)
Die 50+1 Regel könnte man als „VfL-Schutzregel“ bezeichnen, denn sie soll dafür sorgen, dass wir Euch noch länger nerven dürfen und ……
Kurzum, die VW-Profis und der VfL könnten sich gerne mal in WOB zurücklehnen und die Fans ein bisschen mehr machen lassen – das wäre dann vielleicht auch für Wolfsburg die Chance, eine „echte“ Fanszene zu entwickeln, dabei müssen wir uns dann sicherlich nicht verstecken…..
Ich bin gar nicht sicher, ob hier überhaupt etwas bemängelt wird, von der Ausnahme von „50+1“ mal abgesehen.
Mein Bild von der Wolfsburger Fanszene ist durch den Artikel jedenfalls deutlich positiver als zuvor.
Ich kann mich nur anschließen. Ich muss sagen, dass ich viel Respekt davor habe, dass es in Wolfsburg (in dieser aussichtslosen Lage, was die Kapitalanteile angeht) eine aktive kritische Fanarbeit gibt. Das war mir vorher nicht bekannt…
Moin,
ich kann mich Chris, Alex und Josef nur anschließen.
Das neu Format gefällt mir sehr gut und ist interessant, gerne mehr davon.
Der VfL Wolfsburg ist – Überraschung! – ein Traditionsklub, denn welcher Verein ist schon genauso alt wie die Stadt, in der er beheimatet ist. Wie oben in der Geschichte beschrieben, war er breit aufgestellt für viele Sportarten, teilweise auch als Olympia-Leistungszentrum. Dass VW diesen Sportverein schon immer gefördert und unterstützt hat und es sich auch immer leisten konnte, steht außer Frage.
Rückblickend – so denke ich – hat VW seit den 1990er Jahren den Profifußball des VfL zu seinem Projekt gemacht. Die VfL Wolfsburg Fußball GmbH ist ein Unternehmensbereich von VW, der mit 50+1 rein gar nichts zu tun hat. Mit der VfL Wolfsburg Fußball GmbH ermöglicht es VW den Fußballinteressierten in und um Wolfsburg, die in der Regel im Werk arbeiten, jahrein jahraus 1. Liga zu gucken.
So gesehen ist die VfL Wolfsburg Fußball GmbH ein Produkt gelebter Sozialpartnerschaft, ähnlich wie das Kunstmuseum, das Theater, das Planetarium oder das Wissenschaftsmuseum phaeno in der Stadt. Den Fans, die es mögen, sei`s gegönnt. Mit dem Fußball, den wir meinen und lieben, hat das allerdings nichts zu tun.
@rok: Unter Schmerzen gelesen.