TSG Hoffenheim: Verein und Fanszene

TSG Hoffenheim: Verein und Fanszene

It’s the end of the Plastikwoche: Nach den Spielen gegen Wolfsburg und in Leipzig spielt der FC St. Pauli am Samstag bei der TSG Hoffenheim. Ninas dritter Teil der Plastikserie.
Titelfoto: Sebastian Widmann/Getty Images via OneFootball

Am Samstag geht es schon wieder weiter. St. Pauli macht einen Ausflug aufs Dorf, zur TSG Hoffenheim. Wir trafen bisher erst vier Mal auf die TSG. Davon wurde ein Spiel gewonnen, eins verloren und zwei gingen unentschieden aus. Aktuell stehen sie in der Tabelle einen Platz über uns. Wenn die Effizienz vorm Tor am Samstag dann mal stimmt, könnten wir mit drei Punkten wieder nach Hause fahren.

Dorfvereine in der Bundesliga gibt es ja nicht viele. Den Erfolg und langjähriges Mithalten in der Bundesliga hat die TSG Hoffenheim vor allem einer Person zu verdanken: Dietmar Hopp.
Wieder also die Frage der Woche: Was macht die TSG zu einem Plastik-Club?

Geschichte des Vereins

Die Anfänge bis in die 90er

Die Anfänge der TSG Hoffenheim gehen aus der Gründung des Turnvereins TV Hoffenheim am 01. Juli 1899 hervor. 1921 gründete sich ein Fußballverein, der FV Hoffenheim. Erste Bestrebungen der Fusionierung scheiterten allerdings. Erst in der Nachkriegszeit kam es 1946 zur Fusion. 1948 kam es zur Fertigstellung des Sportplatzes am großen Wald, was lange die Spielstätte der TSG war. Anfangs spielte man noch als SG Hoffenheim, 1949 dann als „Turn- und Sportgemeinschaft 1899 Hoffenheim“. Die TSG begann fürs Erste in der Kreisklasse, später in den Kreisligen A und B.
1987/88 schaffte man den Aufstieg in die Bezirksliga. Nach einer Saison kam es aber wieder zum Abstieg und auch 89/90 war keine starke Spielzeit in der Kreisliga.

Einstieg Dietmar Hopp und Aufstieg in die Bundesliga

1989 stieg SAP-Mitbegründer und Milliardär Dietmar Hopp mit finanzieller Unterstützung bei der TSG ein, mit dem Ziel, die TSG Hoffenheim erfolgreich zu machen. Für die hatte er nämlich selbst einst gespielt. Durch Neuzugänge wie Erwin Rupp schaffte die TSG Aufstiege bis in die Landesliga, dort blieb sie erstmal für vier Saisons. Der Aufstieg in die Verbandsliga 1996 war unter anderem ehemaligen Bundesliga-Spielern wie Alfred Schön zu verdanken. 1999 kam es zur Eröffnung des neuen Stadions der TSG. Zum 100-jährigen Jubiläum finanzierte es Dietmar Hopp dem Verein. Genannt wurde es „Dietmar-Hopp-Stadion“, eingeweiht mit einem Freundschaftsspiel gegen den FC Bayern.

Im Jahr 2000 folgte der Aufstieg in die Oberliga Baden-Württemberg. Ein gewisser Hansi Flick wurde Cheftrainier und mit Spielern aus der Region schaffte die TSG Hoffenheim den Aufstieg in die Regionalliga Süd. 2004 folgte der Plan, vollständig ins Fußball-Profitum einzusteigen. Dafür wurde unter anderem ein neues Trainingszentrum eröffnet. Ralf Rangnick unterschrieb zwei Jahre später einen Trainervertrag für fünf Jahre, Alexander Blessin absolvierte in der Saison 2005/06 34 Spiele für die TSG in der Regionalliga. Rangnick schaffte den Durchmarsch mit der TSG bis in die 1. Bundesliga, mit dem Aufstieg 2008.
Seitdem ist Hoffenheim nie wieder abgestiegen. 2008 kam es außerdem zum Bau der Rhein-Neckar-Arena mit Platz für 30.000 Zuschauer*innen, heute PreZero Arena, die 2009 eröffnet wurde.

Die erfolgreichste Saison für die TSG war 2017, als sie unter Julian Nagelsmann mit dem 4. Platz in der Bundesliga die Champions-League erreichten. Dort schied man aber in den Play-Offs gegen Liverpool aus.

SAP, Dietmar Hopp und die TSG

Wer aber genau ist Dietmar Hopp, was ist SAP und wie viel Einfluss haben diese auf den Verein TSG Hoffenheim?

Dietmar Hopp ist ein deutscher Unternehmer und Mitbegründer des Softwareunternehmens SAP („Systemanalyse Programmentwicklung“). Heute gehört er zu den reichsten Unternehmern Deutschlands. Da er in Hoffenheim aufwuchs und dort selbst Fußball spielte, war es für ihn ein großes Anliegen in seinen Heimatverein zu investieren. Hopp investierte deutlich über 240 Millionen Euro in den Verein. Seit der Ausgliederung der Fußballabteilung in die „TSG Hoffenheim Fußball-Spielbetriebs GmbH“ in 2005, hält Hopp 96% der Anteile. Aufgrund seiner langjährigen Investitionen machte der Verein 2015 von der Ausnahmeregelung der 50+1 Regel Gebrauch. Somit erhielt Dietmar Hopp die Stimmenmehrheit. 2023 legte er diese wieder ab – seit November 2023 liegt die Mehrheit wieder bei den Mitgliedern. Die Anteile bleiben aber bei Hopp. Dietmar Hopps Unternehmen SAP stellt seit 2013/14 den Trikot- Hauptsponsor der TSG. Aber auch in Softwarefragen wie beim Ticketing oder digitalen Daten ist SAP im Verein involviert.

Fans und Fanszene

TSG Hoffenheim zählt etwa 11.000 Mitglieder und 60 Fanclubs und auch eine aktive Fanszene ist bei Hoffenheim anzufinden. Die zwei bekanntesten Gruppen bilden die Young Boyz 07 und Crescendo Hohenlohe 07. Zuletzt fiel die Szene durch Proteste gegen Dietmar Hopp und die Gesellschafter in der TSG auf, nachdem Sportchef Alexander Rosen und sein Team diesen Sommer entlassen wurden. Sie machten ihren Unmut durch Tapeten und Stimmungsboykotte deutlich und auch lange Statements sind auf den Webseiten der Gruppen zu finden.

Die Young Boyz 07 und CH 07 beklagen, dass die Entlassung Alexander Rosens, zwei Wochen vor Saisonbeginn, ohne jegliche Vorwarnung stattfand, und dass die Einflussnahme Hopps und Roger Wittmanns (Geschäftsführer der Spieleragentur ROGON) im Verein zu groß ist. Alexander Rosen war für die Fans ein wichtiger Akteur für die erfolgreiche Arbeit der TSG. Da er gute Arbeit leistete, hatte er auch Einfluss auf Entscheidungen und widersetzte sich auch hin und wieder Dietmar Hopp. Da sich das Verhältnis aber wohl verschlechterte, wurde Alexander Rosen im August 2024 entlassen und die gesamte Geschäftsführung kurz vor Saisonbeginn ausgetauscht, mit Personal, das näher an Hopp und Wittmann steht.

Offiziell also wurde 50+1 wieder eingeführt, tatsächlich hatte Hopp weiterhin das nahezu alleinige Sagen, so die Interpretation der Fans. „Diese Rückkehr ist das Papier nicht wert, auf dem es steht!“, schreiben CH 07 auf ihrer Webseite. Auf Tapeten forderte die Fanszene nun die Abkehr von Hopp aus dem Verein und beendeten jeglichen Austausch mit diesem. Die Reaktion des Vereins war unter anderem der Entzug von Räumlichkeiten zur Lagerung von Fanutensilien. Aus Sicht der Ultras eine völlig überzogene Reaktion. Somit stellten sie die Forderung, das Materiallager zurückzubekommen, Materialkontrollen und Anmeldungen dieser zu stoppen, Akkreditierungen zurückbekommen sowie einen festen Verkaufsstand für die Young Boys und CH. Wenn diese Forderungen erfüllt werden, gäbe es wieder eine Möglichkeit der Kommunikation mit dem Verein.

Schlussworte

Grade brennt also ziemlich die Hütte bei der TSG. Dadurch, dass man eigentlich zu 50+1 zurückkehrte, Dietmar Hopp aber anscheinend trotzdem noch eine so große Entscheidungsmacht hat, ist es ein völlig berechtigter Protest seitens der Fanszene. Dies zeigt also, dass Gesellschafter immer wieder eine Gefahr für die Mitglieder und Fans der Fußballvereine darstellen. Klar, ohne Dietmar Hopp wäre der TSG Hoffenheim ziemlich sicher niemals an dem Punkt, an dem sie jetzt ist. Dies darf ja aber nicht bedeuten, dass Dietmar Hopp alleinige Entscheidungsmacht besitzt. Dies war aber jahrelang so, obwohl die TSG Hoffenheim nur von 2015 bis 2023 Gebrauch von der Ausnahme von 50+1 machen konnte. Eine Ausnahme, die sonst noch der VfL Wolfsburg und Bayer Leverkusen haben. Trotz der Rückkehr zu 50+1 auf dem Papier noch so viel Einflussnahme zu haben, ist gefährlich. Die TSG hätte jetzt die Chance, wieder zu einem von Mitgliedern und Fans getragener Verein zu werden. Solange Hopp aber noch so viel Macht hat, stellt sich das als ziemlich schwierig heraus.

So muss man wohl oder übel sagen: die TSG Hoffenheim ist ein Plastikklub, getragen von einem Milliardär, der seinen kleinen Dorfverein groß machen wollte. Zwar mit Erfolg aber auch ganz schön viel Geltungsbedürfnis, wenn schon ein ganzes Stadion nach einem benannt wird. Hoppenheim halt. Aber ich sehe trotzdem eine Chance für den Verein, sich auch ohne Dietmar Hopp einen Namen zu machen, sollte eine Emanzipation von ihm langfristig gelingen. 50+1 sollte man nur dafür wirklich einhalten. Ich bin zumindest sehr gespannt, wie der Protest in der Fanszene weitergeht und ob sie es schaffen sich durchzusetzen.

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// Nina

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5 thoughts on “TSG Hoffenheim: Verein und Fanszene

  1. Hi Nina,
    trotz deiner Einschätzung der TSG als Plastik-Club ein sehr objektiver und fairer Artikel.
    Finde ich gut. Hoffen wir, dass sich der Verein bald emanzipiert.

  2. Hallo liebe Fans bitte sucht das Gespräch mit Dietmar Hopp,es kann nur über Vernünftige Gespräche mit Hopp gehen.Ich bin Mitglied und Dauerkartenbesitzer.Das die Fans die Mannschaft wieder voll unterstützen, nur so können wir wieder Erfolgreich Fußball spielen.

  3. Schön anlysiert und resümiert. Hoppenheim ist ein anorganischer Klon, der hoppentlich die Chance irgendwann bekommt ohne den allmächtigen Übervater zu existieren.
    Mir fehlte in dem Bericht dann aber doch der Hinweis auf das nicht unerfolgreiche Gastspiel unseres damaligen Aufstiegstrainers Holger Stanislawski bei den Kraichgauern.

  4. Schöner Artikel wieder,
    vielen Dank, Nina, dafür!

    Einen kleinen, ergänzenden Gedanken dazu:
    Der Hopp ist ja nicht nur im Fussi der Bestimmer, sondern auch einer der größten Arbeit“geber“ im ländlichen Niemandsland auf halber Strecke zwischen Mannheim und Stuttgart. Und zudem haut er auch relativ gesehen ziemlich viel Kohle raus für soziale Zwecke. (Relativ deshalb, weil es ja im Verhältnis zu dem, was er hat, immer noch wenig ist. Dass er also immer reicher und reicher wird, ist dadurch jedenfalls nicht in Gefahr.)
    Das bindet natürlich Leute an ihn, die Angst haben, dass entweder ihr Job abhanden ist (oder zumindest die Karriereleiter), wenn sie ihn öffentlich stark kritisieren. Gleiches gilt für Andere, die befürchten müssen, dass er seine finanziellen Zuwendungen einstellt. – Gleichzeitig nehmen ihn viele als sehr bodenständig und „volksnah“ wahr und sind ihm dankbar. Ein väterlicher Patron sozusagen, der sich kümmert und eigentlich so einer wie wir ist. Nur halt mit ein paar Milliarden mehr auf der Haben-Seite. ^^

    Arbeit“geber“ und Wohltäter in einem zu spielen, ist ein erfolgreiches Modell und nicht nur in Baden funktioniert das. Sehr häufig läuft das auch so z.B. im ähnlich ländlichen Sauerland, wo zahlreiche „Hidden Champions“ (Weltmarktführer für bspw. Felgen, Automobil Elektrik, Badarmaturen, Duschkabinen…) ansässig sind. Die Chefs haben auch dort ganze Dörfer sowie deren Sport- und Schützenvereine und die Lokalpolitik im Griff. – So wie in Hoppenheim, nur eben ohne Fußball.

  5. Superreiche, die ein paar Almosen an diejenigen verteilen, die sie reich gemacht haben und sich damit auch noch als Wohltäter feiern lassen – erfolgreiches Modell seit tausenden von Jahren.

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