Innenverteidiger Siebe Van der Heyden kommt leihweise zum FC St. Pauli. Dieser Transfer kommt überraschend, ergibt aber Sinn, wenn man sich den FCSP-Kader genauer anschaut.
(Titelfoto: FC St. Pauli)
Eigentlich konnte man davon ausgehen, dass die Transferaktivitäten des FC St. Pauli in Sachen Zugänge in diesem Winter bereits abgeschlossen sein würden nach den Verpflichtungen von Noah Weißhaupt, James Sands und Abdoulie Ceesay. Doch die aktuelle Situation mit den Verletzungen von Lars Ritzka und vor allem Karol Mets machte diesen Transfer von Siebe Van der Heyden wohl notwendig.
The story so far
Am 30. Mai 1998 erblickte Siebe Van der Heyden im belgischen Denderleeuw in Ost-Flandern das Licht der Welt. Mit seinem Wechsel zu Club Brügge 2008, im Alter von zehn Jahren, verließ er erstmals die Heimat, kam aber ein Jahr später schon wieder zurück und spielte fortan für den spielstarken RSC Anderlecht, unter anderem auch in der UEFA Youth League, wo man 2015/16 Arsenal und Barcelona ausschalten konnte. Er durchlief in sieben Jahren die Jugendteams des RSC bis zur U19, sah dann aber keine Perspektive im Herrenbereich und wechselte 2016 zum KV Oostende.
Zwei Jahre später hatte er in Oostende nur einen einzigen Erstligaeinsatz notiert, dazu eine gerade mal eine handvoll Kadernominierungen – die Profikarriere schien in weite Ferne gerückt. Das einzige Vertragsangebot in Belgien kam vom FC Knokke, einem Drittligisten.
Neuanfang in den Niederlanden
Stattdessen aber wechselte Van der Heyden in die Keuken Kampioen Divisie, die 2. Liga der Niederlande, es ging zum FC Eindhoven. Dort lief es besser, er war Stammspieler in der Innenverteidigung. Dank zweier Gelb-Roter Karten und zusätzlich elf Gelber Karten schaffte er den kleinen Rekord, immerhin vier Mal gesperrt zu fehlen. Harter Innenverteidiger, das muss ja nichts Schlechtes sein.
Dies schmälert aber ohnehin seine Leistung nicht, die ihm die Rückkehr nach Belgien ermöglichte, wo er fortan für Royal Union Saint-Gilloise spielte, damals noch in der 2. Liga. Er kam in 13 Spielen zum Einsatz (erneut fünf Gelbe Karten), ehe er in der Folgesaison Stammspieler wurde und maßgeblichen Anteil an der errungenen Meisterschaft und dem damit verbundenen Aufstieg hatte.
Als Aufsteiger gewann das Team sensationell die Hauptrunde der Belgischen Liga, landete in der Meisterrunde am Ende aber „nur“ auf Platz zwei. 30 Pflichtspiele bestritt Van der Heyden in dieser Saison – und es kam noch ein weiteres, besonderes Spiel für ihn dazu: Im März 2022 wurde er für zwei Freundschaftsspiele in den Kader Belgiens berufen, beim 3:0 gegen Burkina Faso feierte er sein Länderspieldebüt. Er spielte die 90 Minuten durch, bis jetzt sollte es aber bei diesem einen Auftritt bleiben.
Jenem Spiel aber ist es zu verdanken, dass wir in einem Video die Tattoos von Siebe Van der Heyden kennenlernen dürfen: YouTube
Kurz von Alexander Blessin trainiert worden
Wer jetzt denkt: „Oostende, Saint-Gilloise… daher kennt Blessin den!“ hat vielleicht dahingehend recht, dass Blessin Siebe Van der Heyden sicherlich aus dieser Zeit kennen wird. Zusammengearbeitet haben die beiden aber nur für wenige Tage Anfang Juli 2023.
Denn Van der Heyden hatte Oostende schon verlassen, ehe Blessin zwei Jahre später dort begann. Bei Union Sain-Gilloise trat Blessin Anfang Juli 2023 sein Amt an, Mitte des Monats wechselte Van der Heyden nach Spanien. Gut möglich aber, dass diese zwei Wochen bleibenden Eindruck hinterließen.
Knapp 3 Millionen Euro Ablöse transferierte RCD Mallorca nach Belgien, für Van der Heyden ging es in die spanische „La Liga“. Auf elf Einsätze (viele davon im Pokal) kam er in der ersten Saison, in der aktuellen Spielzeit waren es nur noch zwei. Ursächlich dafür dürfte die taktische Umstellung bei Mallorca auf eine Viererkette gewesen sein, Van der Heyden passt mit seinen Fähigkeiten am besten links in eine Dreierkette. Die jetzt vollzogene Leihe dürfte also für alle Beteiligten sinnvoll sein.
Und wie in dem folgenden Video auf seinem Instagram-Kanal zu sehen ist, ist er auch durchaus textsicher bei Fangesängen. Im Interview mit humo.be streitet er aber ab, ein eventuelles Talent von seinem Vater, einem belgischen Schlagersänger, geerbt zu haben. Ohnehin (wir haben es im Tattoo-Video bereits gelernt), verdankt er alles in seinem Leben seiner Mutter.
Linksfüßiger „Warrior“
Siebe Van der Heyden ist ein Verteidiger klassischer Ausprägung. So lassen sich zumindest die Worte vom Global Soccer Network zusammenfassen. Denn der 26-jährige hat seine Stärken ganz klar in den traditionellen Kern-Kompetenzen eines Innenverteidigers, Alexander Blessin würde ihn vermutlich, wie auch Karol Mets, als „Warrior“ beschreiben. Zweikämpfe führt er einige und das gerne am Rande der Legalität. Die Anzahl an Verwarnungen in seiner Karriere ist bemerkenswert. Sogar noch etwas bemerkenswerter, wenn man berücksichtigt, dass Van der Heyden zwar bei der Anzahl an Gelben Karten zu den Top5 der Liga zählt (in den Saisons 21/22 und 22/23), aber nicht bei der Anzahl an Fouls, wo er gerade mal so zu den Top30 gehört.
Doch auch die Top30 in der Foul-Statistik dürfte im Vergleich zu seinen neuen Team-Kollegen einen extremen Ausreißer bedeuten (siehe: „Selbstbewusste Selbstverständlichkeit“). Doch wie schnell man sich an Spielideen anpassen kann, zeigte just letztes Wochenende James Sands. In der MLS war er ebenfalls ein sehr aggressiver Spieler und alleine beim Spiel in Heidenheim wurde fünfmal ein Foul von ihm gepfiffen. Die Anzahl an Fouls gegen Union Berlin? Null.
Zweikampfstark, gut im Passspiel
Zurück zu Siebe Van der Heyden: Das Global Soccer Network sieht ihn als linken Innenverteidiger am stärksten. Er könnte aber auch als Linksverteidiger und Sechser spielen (was er auch beides im Herrenbereich bereits getan hat). Zu den Stärken des 26-Jährigen zählt eigentlich alles, was mit Defensivarbeit zu tun hat: Sein Kopfballspiel, sein defensives 1-gegen-1, das Tacklingverhalten. Zudem hat Van der Heyden laut GSN Stärken im Passspiel, wobei ihm seine guten technischen Fertigkeiten helfen. Allgemein zählen auch sein taktisches Verhalten, die Entscheidungsfindung und generell das Spiel ohne Ball zu seinen Stärken.
„Unterdurchschnittlicher Bundesligaspieler“
Verbessern kann sich Siebe Van der Heyden unter anderem in Sachen Konstanz. Zudem bezeichnet GSN seine Spielweise nicht unbedingt als mutig, was damit zusammenhängen könnte, dass er unter Druck nicht die beste Übersicht hat. Der aktuelle GSN-Index liegt bei 60.1 – damit zählt Siebe Van der Heyden laut GSN in die Kategorie „unterdurchschnittlicher Bundesligaspieler“.
Das Global Soccer Network gibt auch einen Wert zur „Team-DNA“ an, beziffert also, wie gut Van der Heyden mit seinen Fähigkeiten zum Spielsystem und der Spielphilosophie des FC St. Pauli passt. Dieser Wert liegt bei 75.8, was gut ist, aber durchaus Luft nach oben hat (richtig gute Werte starten bei 85+).
Ähnlichkeiten zu Karol Mets
Wenn ihr Lust habt, dann vergleicht diese Einschätzung vom Global Soccer Network mal mit jener, die es zur Verpflichtung von Karol Mets gab. Die Stärken und Schwächen sowie das Leistungsniveau beider Spieler sind schon sehr ähnlich. Zudem sind beide eher schnelle Innenverteidiger, die aber etwas langsamer auf den ersten Metern sind. Mets ist aber noch etwas größer als Van der Heyden (1,91m vs. 1,85m). Diesen Größenunterschied macht Van der Heyden aber mit Sprungkraft wett, das Kopfballspiel zählt zu seinen Stärken.

Ein Linksfuß musste her
Damit ist auch klar, dass die Verpflichtung von Siebe Van der Heyden eng mit der weiter andauernden verletzungsbedingten Pause von Karol Mets zusammenhängen dürfte. Beim FC St. Pauli fehlt es nämlich aktuell an Innenverteidigern, die den linken Fuß nicht nur als Standbein benutzen. Da wohl auch Lars Ritzka nun erstmal pausieren muss und Blessin auf der Pressekonferenz vor dem Union-Spiel von einem Rückschlag bei Mets berichtete, gab es auf dieser Position Bedarf.
Warum muss es unbedingt ein Linksfuß sein, der auf der linken Innenverteidiger-Position spielt? Weil dann die Passwinkel für das Aufbauspiel viel besser sind. Während man weiter vorne ja auch gerne einen Rechtsfuß auf die linke Seite stellt, ist das in der Innenverteidigung anders. Hier möchte man dem eigenen Team eine gewisse Breite geben, was nicht so gut funktioniert, wenn man den falschen Fuß auf der falschen Seite nutzt. Außerdem ist der linke Fuß bei Verteidigungsaktionen besser (also wenn man mit dem Gesicht in Blickrichtung eigenes Tor steht und einen Ball klären möchte), weil man sich nach außen drehen kann und der Ball trotzdem möglichst weit weg ist vom Gegner. Beim FC St. Pauli ist der Bedarf an einem Linkfuß vielleicht sogar noch ausgeprägter, weil mit Philipp Treu auf der linken Seite ein Rechtsfuß die Position des Außenverteidigers bekleidet.
Wenig Spielzeit in 2024
Aus diesem Blickwinkel ergibt das Leihgeschäft total Sinn. Für alle Seiten, da der FCSP kurzfristigen (Linksfuß-)Bedarf hat, Van der Heyden sich endlich wieder mehr Spielzeit wünschen dürfte und Mallorca etwas mehr Spielraum beim Etat haben möchte. Fraglich ist aber natürlich, inwiefern Siebe Van der Heyden dem FC St. Pauli sofort helfen kann. Denn zwar hat er bei Mallorca stets mittrainiert, stand aber in den letzten 365 Tagen nur dreimal in einem Pflichtspiel auf dem Platz. Ihm fehlt es an Spielpraxis.
Das bedeutet aber natürlich nicht, dass Siebe Van der Heyden dem FC St. Pauli nicht auch schon sofort helfen könnte. Wie so oft in letzter Zeit handelt es sich auch bei dieser Verpflichtung um einen Spieler aus der Kategorie „Den Namen habe ich vorher noch nie gehört!“ (zumindest vermute ich, dass es vielen so geht). Und oft hatte man dann ziemlich schnell festgestellt, dass dieser Spieler, dessen Namen man vorher noch nie gehört hatte, plötzlich einer der Leistungsträger beim FC St. Pauli wurde. Das darf auch gerne dieses Mal wieder so sein.
Herzlich Willkommen am Millerntor, Siebe Van der Heyden!
// Tim & Maik
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sinnvoller Transfer um kurzfristig ein Loch zu stopfen. Und das Blessin ihn immerhin 2 Wochen lang trainiert hat ist auch ein gutes Zeichen.
Gibt es Infos über die Dauer der Leihe und ob es eine KO gibt?
Bei der Vorgeschichte muss man sich die nächsten zwei Wochen ja fast Sorgen um Blessin machen!
Dass beide so einen ähnlichen Karriereweg hatten und sogar Anfang letzter Saison Teil desselben Teams waren, nur um jetzt bei uns „zusammenzufinden“, ist auch eine Geschichte für sich. Wie geschrieben hätte man denken können, dass die Verbindung über Blessin kam, aber plot twist, es war wohl eher Mallorca-Trip 😀
I wonder why people keep believing that players are sought after by clubs. It is the other way around : clubs contract agents to offload their players and find them an exit door, especially in France and Spain. That is what happenned with Guilavogui. Lens, like almost every French club, is on the brink of collapse and *has* to sell 100M of players to be able to start next season.
They are contracting agents to offload their most valuable players to anyone.
Of course, it does not mean that the buying club are just blindly buying. It does not mean that they don’t carefully assess whether the player would fit. (well in some cases, they do buy blindly). But there is absolutely no searching the French or Spanish market, it’s obvious. Germany, Britain, Scandinavia, Eastern Europe, maybe they have a knowledge of where to look for, but France, nah. I could name half a dozen names of cheap French players that would have been a good bargain for St Pauli. It is obvious that St Pauli knows nothing about the French market.
The FC St. Pauli indeed does not usually look on certain markets, the French and Spanish market are both examples for this. Bornemann said so in some interviews, if I remember correctly. The French market was too expenisve in recent years as an example. Usually, only first Bundesliga teams could afford players from there. Remember, we were only promoted this season. Building up reliable scouting experience and so on takes time.
You are right. I did not intend to mean that St Pauli is bad at scouting. Quite the opposite. I mean : Schultz, and then Hurzeler and then Blessin overperformed with a bunch of players who where considered average in the 2.liga and downright out of their depth in the 1.Liga. Credits to Bornemann and Sandman to have found players in the low cost range whose collective performance earned them an extraordinary achievement in a league they would not have even dreamed of playing a role in (I mean, who could have predicted last year that Boukhalfa and Nemeth would play an important role in the 1.Liga?), and one that is resisting two managers changes.
If St Pauli manages to stay in the Buli, they will probably at some point extend their market (what a horrible thing to say, btw), but we’re not there yet, I guess, because it has been extremely low cost until now, even cheaper than Heidenheim.
But consider this : I cannot believe the French market is too expensive for St Pauli. You might not realize it in Germany, but French Football is collapsing entirely. It is Black Friday every day for a bunch of players who are the best prospects in the world, because that is what French players are. The best quality for money.
France is by far the biggest provider of profesional players around the world, far above Brazil. And there is a very simple reason : French youth academies are relatively good and the amount of teens wanting to become football players because there is nothing else they can do is enormous, and French clubs are very poor. Their only business model is to sell players they train.
Interesting to see: FC Augsburg is exactly doing so. Claude-Maurice and Matsima, their best players, are coming from Ligue 1
Augsburg and Mainz are actually doing this, you’re right. They are just waiting for the French clubs to be in ruin. Mainz could have signed Nordin at the end of the season for free, but Montpellier is losing their best player for a few euros because they cannot even afford to pay him until june, even though it means that their chances of being relegated increase dramatically because of his departure.
They don’t even care if it does not work, like Irvin Cardona for example, because they can afford to try them and let them go if they don’t fit.
You can even shop in Ligue 2, there are gems out there. Schalke is doing the same with Moussa Sylla and Pape Meïssa Ba. Corredor in Darmsdadt, Phillipe in Braunschweig.
I’d be very curious to see how these players are rated by your „GSN index“
And then you have people like Toto Losilla. A Bundesliga player who did not even make it to professional football in France. He’s an incredible story.
wenn ich da mal reingraetschen darf.
Ich lebe in Portugal und habe aus diversen Gruenden Kontakte zum FC Porto. 2017 habe ich dem FC St. Pauli vorgeschlagen einmal ueber eine moegliche Zusammenarbeit mit dem FC Porto zu sprechen (Spielerleihen, Freundschaftsspiel, whatsover) und habe mit Carsten Rothenbach Kontakt aufgenommen.
Das war sehr positiv und wir haben einige Mails ausgetauscht und ein Meeting vereinbart, an dem auch Ewald Lienen und Oke teilgenommen haben.
Ich war immer ein Fan von Ewald und schaetze seine Arbeit und seine Art aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich jemals in einem Meeting war, in dem mir ein Gespraechspartner dermassen arrogant ruebergekommen ist, wie es Herr Ewald damals war.
Er beschuldigte mich des Wichtigtuers („Sie wollen sich hier wohl nur wichtig machen“) und am Ende des Gespraechs, als ich ihm einen Schal vom FC Porto als Geschenk angeboten habe, hat er dies glatt abgelehnt.
Dies nur mal als Hinweis, dass es durchaus Laender gibt, in denen durchaus Spieler zur verfuegung stehen, die nicht 7stellige Betrage aufrufen.
Meine HSV Freunde sind schon wieder ganz neidisch, dass wir wieder einen Verteidiger verpflichtet haben. Hoffentlich passt der auch ins Team. Wenn im Ende Februar Ritzka und Mets wieder zurück sind, ärgert man sich vielleicht. Die Hinrunde hat aber gezeigt, dass die Gangart in der Bundesliga härter ist, gerade was die Verletzungen angeht. Die körperlichen Anforderungen um in der Bundesliga mitzuhalten sind schon höher und daher kommen sicher auch einige der Probleme, die wir da haben. Der Physio- und Medizin-Staff wird nicht schlechter geworden sein. Guter Transfer.