Vor einigen Monaten wurde das Lied „Das Herz von St. Pauli“ ausgesetzt. Nun zeigt ein Gutachten über den Liedtexter Josef Ollig seine Arbeit vor, während und nach der NS-Zeit.
(Titelfoto: Stefan Groenveld)
Anfang Februar hat das FC St. Pauli-Museum einen Podcast veröffentlicht, in dem es unter anderem um die Entstehung des Liedes „Das Herz von St. Pauli“ ging. Dort stellte Celina Albertz dar, dass vor allem der Texter des Liedes, Josef Ollig, eine schwierige Vergangenheit hat. Auch der MillernTon griff das Thema auf, führte ein Interview mit Albertz.
FC St. Pauli-Museum verfasste Gutachten über Josef Ollig
Mit den Folgen dieser Recherche hatte wohl niemand gerechnet: In den Tagen nach der Veröffentlichung wurde rund um den FC St. Pauli auf einem emotionalen Level diskutiert, welches nicht einmal der Fußball erschaffen kann. Der Verein entschied sich dafür, das Abspielen des Liedes vorerst auszusetzen und kündigte ein umfassendes Gutachten zu Josef Ollig an. Erst im Anschluss soll über die Zukunft des Liedes „Das Herz von St. Pauli“ am Millerntor entschieden werden.
Nun hat das FC St. Pauli-Museum in Person von Celina Albertz und Peter Römer ein 59 Seiten umfassendes Gutachten über den Journalisten und Liedtexter Josef Ollig im Hinblick auf seine Rolle und Handlungsoptionen in der Weimarer Republik, im Nationalsozialismus und nach 1945 verfasst. Dieses Gutachten haben wir uns genau angeschaut und stellen hier eine Zusammenfassung der Inhalte vor. Wir empfehlen aber, das Gutachten selbst zu lesen.
Vor 1933 aktiv für NSDAP-nahes Medium
Josef Ollig startete 1925 seine journalistische Karriere beim „Kölner Lokal-Anzeiger“. Vier Jahre später wechselte er zu den „Hamburger Nachrichten“, einem NSDAP-nahen Medium. Ollig erklärte den Wechsel damit, dass sich dadurch seine „Position verbessert“ habe. 1933 folgte der Abschied von den „Hamburger Nachrichten“. Ollig erklärte das mit dem wirtschaftlichen Niedergang der Zeitung. Zudem habe er „mangelnde Freude an der journalistischen Tätigkeit aufgrund veränderter Bedingungen“ empfunden.
Ollig wechselte als Schriftleiter zu den Rhenania-Ossag Mineralölwerken (heute Shell Deutschland). Dort gab es schon vor durch die NSDAP eingeführten Verordnungen ab Mitte der 1930er-Jahre „umfangreiche Zugeständnisse an die arbeitsideologischen Maximen der Nationalsozialisten“ (der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens gehörte zu den Hauptfinanzierern der NSDAP). Das zeigt: Der Wechsel von Josef Ollig zu Shell war keineswegs eine „Flucht ins Unpolitische“.
Bei den Rhenania-Ossag Mineralölwerken war Ollig unter anderem als „Hauptschriftleiter“ tätig, also als Chefredakteur der „Shell-Post“. Diese teilte und fokussierte sich unter Olligs Leitung auf NS-Propaganda, Informationen zum Werk selbst rückten klar in den Hintergrund.
Ab 1933 aktiv für NSDAP-nahes Unternehmen
Ein Text von Josef Ollig in der Shell-Post (später umbenannt in „Der Ring“) erschien im November/Dezember 1939, er ist mit Olligs Kürzel „Og“ unterzeichnet. Es ist ein Kommentar zum Attentat von Georg Elser auf Adolf Hitler. Der erste Satz dieses Textes sollte reichen, um sich den restlichen Inhalt ausmalen zu können: „Eine Welle ungeheurer Empörung ist durch die deutschen Lande gegangen, einen Augenblick lang hat der Herzschlag des deutschen Volkes gestockt, als es die Kunde vernahm, daß sich gegen den Mann, der uns alles bedeutet, dem wir in Liebe und Vertrauen zugetan, dem wir unsere Größe und ein glückliches Reich verdanken, die Hände gedungener Meuchelmörder erhoben haben. (…)“
Ab 1941 Kriegsberichter in der Propagandakompanie
Anfang 1940 wurde Josef Ollig zur Wehrmacht eingezogen. Er wechselte dort zur Propagandakompanie, auf eigenes Bestreben hin, wie die Autor*innen des Gutachtens schlussfolgern. Ollig war aktiv beim Unternehmen Barbarossa – das ist der Deckname für den Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion – und danach „Wortberichter bei der Luftwaffen-Kriegsberichter-Kompanie“. Aus dieser Zeit stammt auch der erste Kriegsbericht von Ollig, jener der bereits im Podcast zitiert wurde und der mit folgenden Sätzen über sowjetischen Soldaten beginnt: „Das ist kein Zug von Menschen. Sie gleichen Halbwilden, die mit tierhafter Gleichgültigkeit ihr Schicksal tragen und tief versunken sind im Abgrund einer Primitivität, die ob ihrer Armut an Geist und Gefühl erschüttert.“
In seinem Entnazifizierungsfragebogen gab Ollig 1946 an, er habe während seiner Tätigkeit in der Propagandakompanie hauptsächlich „unpolitische Kampfberichte“ und „Berichte über Waffengattungen“ geschrieben. Im Rahmen dieser Erklärung wurde auch deutlich, dass es sehr wohl für die Autoren in der Propagandakompanie Handlungsoptionen gab bei der Auswahl und Quantität der Themen und Texte.
Ollig erklärte 1946 auch, dass er aufgrund „mangelnden Engagements als Kriegsberichter“ Anfang 1944 nach Berlin abkommandiert wurde. Diese Darstellung darf zumindest angezweifelt werden, wenn man einen Blick in die Bewertungen zu Ollig bekommt: Denn, so steht es im Gutachten, in „Olligs Militärakte und den Unterlagen des RMVP deutet nichts auf eine negative Beurteilung hin. Im Gegenteil.“ Vielmehr wurde Josef Ollig mehrfach ausgezeichnet und stieg im Rang stetig auf. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass er auch nach der Abkommandierung (die laut Dokumentation vermutlich aufgrund von Umstrukturierungsmaßnahmen zustande kam) noch einmal an der Front tätig war, im Januar 1945 erschien noch ein Text von ihm.
Die Autor*innen zeigen mit Zitaten aus den Veröffentlichungen von Josef Ollig während seiner Tätigkeit als Kriegsberichterstatter deutlich auf, dass dieser nicht hauptsächlich „unpolitische Kampfberichte“ und „Berichte über Waffengattungen“ verfasste. So schrieb Ollig 1941:
„Wir haben hinter uns eine Heimat, auf die wir bauen können. […] Wie schön und wie kostbar diese Heimat ist, das ist uns im Paradies der Sowjets Tag um Tag klar geworden. Und wir haben über uns einen Führer, in dessen Händen wir das Schicksal des Ganzen wohlgeborgen wissen. Dieser Winterfeldzug, so hart er werden mag und so groß die persönlichen Opfer sein mögen, die er von uns fordert, dieser Feldzug wird ein erneuter Beweis dafür sein, was bedingungslose Gefolgschaftstreue und eiserner Wille deutscher Soldaten vermögen.“
Dieser Text sei, so die Autor*innen des Gutachtens, bemerkenswert, weil Bekenntnisse zum Führer damals wohl nicht Teil der Anweisungen aus dem Propaganda-Ministerium waren.
Ab 1946 Ressortleiter bei „Die Welt“
Josef Ollig fing nach Kriegsende bereits im Januar 1946 an als Ressortleiter bei der „Welt“ zu arbeiten. Die „Welt“ bestand damals zu einem Großteil aus Personen, die zwischen 1933 und 1945 der NS-Propaganda gedient haben. Zweimal musste Ollig einen Entnazifizierungsfragebogen ausfüllen, den die Besatzung unter britischer Führung verlangte, weil er bei der „Welt“ in leitender Position tätig war. In der Folge musste er sich vor einem Fachausschuss erklären, der Personen auch mit Berufsverboten belegen konnte.
Vom Fachausschuss wurde Josef Ollig mit seinem Text zu Georg Elsers Attentat auf Hitler konfrontiert und im folgenden Absatz zitieren wir komplett aus dem Gutachten des FC St. Pauli-Museums:
Britische Besatzer halten Ollig für ungeeignet
„Der Ausschussvorsitzende Manthey konfrontierte Ollig mit dem Text zu Georg Elsers Attentat auf Hitler, der 1939 in der Werkzeitschrift der Rhenania-Ossag Mineralölwerke erschienen war. Ollig bestritt zunächst, den Text verfasst zu haben. Nachdem Manthey nachweisen konnte, dass es sich bei der Abkürzung „Og.“ zweifelsfrei um Olligs Kürzel handelte, erklärte dieser, sich nicht daran erinnern zu können, den Beitrag geschrieben zu haben. Später räumte er ein, den Text bearbeitet zu haben, und gab an, vermutlich „aus Nachlässigkeit“ sein Kürzel darunter gesetzt zu haben.
Der Fachausschuss sprach sich infolge der Anhörung dafür aus, Josef Ollig aus seiner leitenden Position zu entfernen und eine weiterführende Untersuchung einzuleiten. In seiner schriftlichen Empfehlung an den britischen Funktionsoffizier schrieb Manthey:
„The Functional Panel declares this editor who is suffering from a rather funny weakness of memory unworthy to hold a public position as an authoritative journalist. Besides his attached statements are not quite in accordance with facts and we recommend a thorough investigation to clarify in as far as Ollig, when first vetted, kept his political products secret.
The panel declares Ollig for not only definitely insupportable but as well as in consideration of his subtle attitude as editor without the capability of memory to be a danger to be retained in an exposed position of the Press in the democratic rebuilding of Germany.“Schriftliche Empfehlung des britischen Funktionsoffiziers Manthey zu Josef Ollig.
Für eine sofortige Entlassung wurde die Position von Josef Ollig aber wohl als nicht wichtig genug erachtet. Es sollte aber eine genauere Überprüfung stattfinden. Doch „ob die Untersuchung jemals durchgeführt wurde, ist unklar“, es gibt in Olligs Entnazifizierungsakte keinen Vermerk dazu. Zur Info: Ende der 40er-Jahre wurde die Praxis mit der Prüfung in den Fachausschüssen komplett aufgehoben. Wohl auch deshalb, weil es massive Probleme gab, geeignete Personen zu finden.
Auch die Schwemme an Journalisten mit NS-Vergangenheit führte dazu, wie die Autor*innen ausführlich beschreiben, dass die journalistische Landschaft und damit Berichterstattung im Deutschland der Nachkriegsjahre versuchte, „die nationalsozialistische Vergangenheit möglichst umfassend und so schnell wie möglich hinter sich zu lassen.“ Das geschah unter anderem mit einer „Atmosphäre des Schweigens“ und es sei vor diesem Hintergrund „kaum überraschend, dass im Rahmen dieser Untersuchung keine Veröffentlichungen von Josef Ollig identifiziert werden konnten, in denen er sich kritisch mit seiner eigenen Rolle im Nationalsozialismus auseinandersetzt.“
Nach 1945 als Liedtexter tätig
Neben seiner Tätigkeit als Journalist textete Josef Ollig auch Musik. Laut der Recherche gibt es keine Hinweise darauf, dass Ollig bereits vor 1945 als Liedtexter tätig war. Ollig arbeitete aber sehr wohl mit Personen zusammen, die während der NS-Zeit erfolgreich in der Branche tätig waren und die sich teilweise auch danach bewusst nicht davon distanzierten. So erklärte der Star-Komponist des NS-Kinos, Norbert Schultze (genannt „Bomben-Schultze“), für dessen Lieder Ollig 1953 teilweise textete: „Ich kann es nicht bedauern, daß ich all diese Lieder geschrieben habe. Es war die Zeit, die das verlangte, nicht ich. Andere haben geschossen. Ich habe diese Lieder komponiert.“
Zusammen mit Komponist Michael Jary, der während der NS-Zeit große Erfolge feierte, später aber von den Alliierten als „unbedenklich“ eingestuft wurde, schuf Josef Ollig dann Mitte der 1950er-Jahre „Das Herz von St. Pauli“. Das Lied beinhaltete in der ursprünglichen Version noch eine andere Strophe: „Einmal im Leben hat jeder gespürt / dass nur der Heimat die Liebe gehört / Fern von St. Pauli in Nord und in Süd / singt dir der Seewind das Lied“. Erst für die Filmversion wurde die Strophe: „Die Elbe, der Michel, der Kurs ist immer gut / St. Pauli, die Freiheit, das liegt uns so im Blut. / Und hat das Lebensschiff ein Leck, in Hamburg bleiben wir an Deck / In Hamburg, ja da bleiben wir an Deck“ von Ollig erschaffen.
Fazit: Handlungsoptionen nicht zur Abgrenzung vom NS-Regime genutzt
Das Gutachten schließt mit der Feststellung, dass Josef Ollig und andere Journalisten während der NS-Zeit durchaus „Handlungsoptionen“ gehabt haben, um zum Beispiel eine kritische Distanz zum NS-Regime zu bewahren. Diese habe Ollig aber nicht wahrgenommen, wie das Gutachten bewertet: „Während andere Mitglieder der Propagandakompanien durch neutrale Sprache und verhältnismäßig objektive Schilderungen durchaus eine gewisse Distanz zum Regime zu wahren versuchten, verfasste Ollig über nahezu den gesamten Kriegsverlauf hinweg stark ideologisch gefärbte Texte, die rassistische Feindbildkonstruktionen und andere zentrale Botschaften der NS-Propaganda transportierten.“ Das Fazit lautet entsprechend: Zwar sei nur schwer zu beurteilen, ob Ollig „die nationalsozialistische Ideologie teilte oder primär aus Opportunismus handelte“, doch es stehe fest, dass er vor 1933 für eine Zeitung tätig war, die offen die NSDAP unterstützte (auch hier hätte er andere Handlungsoptionen gehabt) und zwischen 1933 und 1945 „aktiv zur Unterstützung und Aufrechterhaltung des nationalsozialistischen Regimes“ beigetragen habe. Bis zu seinem Tod im Jahr 1982 habe sich Josef Ollig dieser Verantwortung, die er als Kriegsberichterstatter trug, nicht öffentlich gestellt.
Der FC St. Pauli und seine Fans werden über dieses Gutachten und den Umgang damit nun ausführlich diskutieren. Am 02. Juli findet dazu eine Veranstaltung im Ballsaal des Millerntor-Stadions statt (auch eine Online-Teilnahme ist möglich). Ob dort bereits entschieden wird, wie und ob es mit dem Lied „Das Herz von St. Pauli“ weitergeht, ist unklar. Sicher ist aber, dass das Gutachten des FCSP-Museums das Bild von Josef Ollig geschärft hat. Dieses Gutachten dürfte nicht dazu beitragen, die Bedenken zu zerstreuen. Im Gegenteil: Das Abspielen des Liedes am Millerntor dürfte für viele noch schwieriger geworden sein.
// Tim
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Ich habe mir das Gutachten in Gänze zu Gemüte geführt.
Es beschreibt, dass ein Journalist der Propagandaeinheiten des NS-Regimes Artikel wie ein Journalist einer Propagandaeinheit des NS-Regimes währen des Regimes verfasst hat.
Was hat man erwartet?
In dem Gutachten steht kein Wort darüber, inwieweit der Journalist auch nach der von ihm so bezeichneten „dunklen“ Zeit, dunkle Narrative gefördert und verbreitet hat. Und inwieweit das „Herz von St.Pauli“ zur Förderung faschistischer Ideologie nach Ende des NS-Regimes vom Texter verfasst wurde.
Es ist jetzt auch egal, denn das Lied ist durch das voreilige Veröffentlichen verbrannt.
Anstatt wie die B××D herauszuposaunen „Ein ehemaliger Nazi hat unsere Hymne getextet?“, wäre es vermutlich schlauer gewesen, die Diskussion zu eröffnen, wie wir mit den/m Werken von Personen mit rechtsnationaler oder faschistischer Geschichte umgehen wollen?
Denn es bleibt die Frage offen: Wo fangen wir damit an, wo hören wir damit auf? zB kein Sponsoren-Geld von Ex-Nazi-Unternehmen.
„Anstatt wie die B××D herauszuposaunen „Ein ehemaliger Nazi hat unsere Hymne getextet?““
finde ich äußerst unangebracht. Wir sprechen hier über eine Recherche unseres Museums. Da wird der Anspruch ja hoffentlich nicht sein, dass unangenehme Ergebnisse zurückgehalten werden, bis sich alle einig sind, ob und unter welchen Umständen diese veröffentlicht werden „dürfen“. Überspitzt, das wird nicht das sein, was du sagen wolltest und das will ich auch nicht unterstellen. Ich finde nur wirklich die Kritik am Museum dazu enorm unfair.
Moin Volker,
„Ex NaziUnternehmen“, da fällt mir sofort Unser neuer TrikotSponsor „Puma“ (gegründet von einem „Ex NSDAPler“ ein, wo dieses Geld wichtiger war als die eigene „saubere und taffe“ Sportmarke Di!Y weiter zu entwickeln. Ich werde daher nix von Puma (oder Adidas) kaufen!
Forza Micky
Das ist ein sehr lobenswertes Vorhaben, dem Verein Doppelmoral aufgrund der Zusammenarbeit mit Puma vorzuwerfen geht allerdings nicht ganz auf.
Der FC St. Pauli ist ein professioneller Fußballverein, ohne Sponsoren Einnahmen lässt sich ein solcher nicht betreiben. Klar, ich würde mir auch wünschen wir könnten auf die Kohle von Puma, Edeka, Smart und noch einigen weiteren verzichten, können wir aber nicht. Auf das Abspielen eines Songs hingegen schon.
Und wenn dieser Song auch nur einer Person ihren Besuch am Millerntor vermiest sollten wir das meiner Meinung nach auch.
Das ist jawohl Doppelmoral in Reinform. Oder ist das jetzt Ironie?
Der Nazi, von dem ich Geld bekomme, ist ok.
Der Nazi, der Nazi dessen Lied ich benutze, ist nicht ok.
Krass.
PS: Es gibt durchaus Unternehmen mit ausgearbeiteter NS-Vergangenheit, oder sogar ohne… alles mögliche Sponsoren.
Nein, keine Doppelmoral. Die Fragen ob und wie ein Profi Verein auf einen Sponsor verzichten und ob und wie er auf das Abspielen eines Songs verzichten kann sind einfach zwei völlig unterschiedliche Diskussionen.
Denn der FC St.Pauli kann sich eben nicht komplett frei entscheiden für wen er wirbt. Das Projekt, einen eigenen Ausrüster aufzubauen hat leider nicht funktioniert und um auf dem aktuellen Niveau weiter arbeiten zu können ist man eben unteranderem auf das Geld von Puma angewiesen. Das ist einer der sauren Äpfel in die man beißen muss, wenn man einen Fußball Erstligisten unterstützt.
Auf das Abspielen eines Songs sind wir aber nicht angewiesen.
In Unterschied zu Volker halte ich das Lied nicht für verbrannt. Aufschluss darüber kann eine Befragung der Mitglieder und Genossen geben. Eine Entscheidung ohne diese Befragung passt nicht zu unserem – und wir sind stolz darauf – mitgliedergeführten Verein.
Du darfst gerne einen Antrag auf der MV stellen.
Moin Volker, vielleicht solltest du das Gutachten noch ein zweites Mal lesen.
Hatte eh Bock, Umbennung des Stadions nochmal durchzuspielen.
Ich mag das Lied sehr, aber aufgrund der neuen und vertieften Erkenntnisse würde ich es nicht mehr spielen.
Eine einfache Abstimmung finde ich in dieser Causa für unangemessen: Wenn es eine nennenswerte Anzahl von Menschen gibt, die das Lied bzw seinen Autor als untragbar empfinden, dann ist es auch für die Mehrheit nicht tragbar, ungeachtet, ob sie es vielleicht trotzdem spielen würden.
Ist das nun das versprochene unabhängige Gutachten ? ….
oder eine nachgeschobene Begründung für das bisherige Verhalten ?
Ja, das ist das Gutachten. Was lässt fich daran zweifeln?
@ Eddie: Der Anspruch war jedenfalls nicht so hoch, die Folgen des Zeitpunktes der Veröffentlichung mitzudenken. Der Zeitpunkt war äußerst ungünstig gewählt. Nicht in der Winterpause oder Sommerpause, sondern schön werbewirksam nach Ende. Die Verwerfungen waren enorm innerhalb der Fangemeinde und des Vereins. Und es war jetzt nicht gerade eine Nachricht, die nach Jahren des Abspielens nicht noch etwas Zeit für zB intensivere Recherche hätte vertragen können.
@Josie
Ich soll nochmal lesen, um was genau zu finden?
Lass mich an Deinem höheren Wissen teilhaben.
Hast Du Passagen gefunden zu faschistoiden Äußerungen/Veröffentlichungen in der Zeit nach 1945? Ich nicht.
Dass ich mal gegen die vorschnelle Verurteilung eines Werkes eines Nazi Partei ergreifen würde, hätte ich mir auch nicht träumen lassen.
Aber der Zeitpunkt und die Art bleibt in meinen Augen einfach schlechter Stil. Bevor der Sachverhalt ganz klar ist und ohne die Problematik der Trennung von Werk und Autor im Vordergrund zu bearbeiten.
Und Nein, der Sachverhalt war nicht klar (kommuniziert). Sonst hätte es keine Notwendigkeit für das Gutachten gegeben. …und mE ist der Sachverhaltauch jetzt nicht klar. Denn zweifelsfrei ist der Texter ein Nazi gewesen. Aber was ist mit seinen Werken nach der „dunklen“ Zeit?
Moin Volker,
deinem Gedankengang kann ich nicht folgen: Ollig hat bereits bevor die Nazis an der Macht waren, Nazi-verherrlichende Texte geschrieben; und während des Nazi-Regimes proaktiv weiter gemacht und Kriegsgefangene entmenschlicht.
Nach Ende des 2. Weltkriegs hat er seine Kontakte aus der Nazizeit für seine weitere Karriere genutzt.
Und wenn ich die im Gutachten zitieren Texte von ihm lese, läuft es mir kalt den Rücken runter, da sie absolut menschenverachtend und von Nazi-Ideologie durchdrungen sind.
Und einen Text von diesem Mann willst Du mit diesem Wissen vor jedem Spiel als Hymne unseres magischen FC singen?
Sorry, das passt einfach nicht.
Forza,
Stefan
Es ist doch unstreitig, dass der strammer Nazi-Sympathisant zur NS Zeit war.
Das kann doch nicht die Frage sein, wenn ich ein Werk ohne nachweisbaren faschistischen Inhalt beurteilen soll, dass nach der NS Zeit von einem Nichtverurteiltem Nazi geschaffen wurde.
Ich verstehe Eure Logik nicht.
Ab wann ist ein Werk faschistisch? Wird es das auch, wenn es von den falschen Leuten gesungen wird?
Das kann doch nicht die Frage sein, wenn ich ein Werk ohne nachweisbaren faschistischen Inhalt beurteilen soll, dass nach der NS Zeit von einem Nichtverurteiltem Nazi geschaffen wurde.
Ich verstehe Eure Logik nicht.
Ab wann ist ein Werk (nicht der Verfasser) faschistisch? Wird es das auch, wenn es von den falschen Leuten gesungen wird?
Der alte Disput über die Frage ob Werk und Autor voneinander separiert werden können.
Meine Antwort: Hör dir das Stück weiter an wenn du dazu in der Lage bist. Aber als gemeinschaftliches Symbol im Stadion ist das Werk nicht vom Autor trennbar und daher nicht mehr verwendbar.
Wie ich bereits schrieb, ist mir das Stück ziemlich egal.
Mich erschreckt, wie schnell von einigen wenig differenziert argumentiert wird. Zu viel schwarz-weiß. zuwenig Graustufen. zu wenig bunt gedacht.
Und es ist fast amüsant, dass das Argument „Er war Nazi“ ausreicht, um das Werk der interpretierenden Künstler mal eben vom Markt zu nehmen.
Es mag für einige die folgende Information jetzt unverhofft kommen. Aber in der Zeit von 1924 bis 1945 waren fast alle mal Nazis. Habt ihr einmal ernsthaft Eure eigene Familiengeschichte betrachtet?
Selbst in der DDR waren 10 bis 25% der ersten Volkskammervertreter ehemalige Mitglieder der NSDAP.
„Werbewirksam“? Für wen? Wer soll davon profitiert haben? Das Museum, dem Mitglieder abhanden gekommen sind, weil die Recherche zur Absetzung des Songs geführt hat? Der Verein, weil Repräsentanten auf dem Rasen ausgepfiffen wurden, als sie selbige erklärt haben? Das finde ich etwas viel. Sicher wurde die Emotionalität unterschätzt, mit der das Thema behandelt wird. Aber auch das kann, wie ich finde, nicht die Aufgabe des Museums sein. Wenn wir nicht wollen, das umfassende umd wahrheitsgetreue Recherchen stattfinden, können wir auch einfach eine Leinwand aufstellen, auf der 24/7 die NDR-Doku zur Bokalsaison läuft. Ich hoffe, wir haben höhere Ansprüche. Ich habe wirklich Verstãndnis für jede*n der/dem dieser Song so viel bedeutet hat. Hab ich auch immer gerne mitgebrüllt, mit vielerlei Generationen an Fans. Die Emotionalität geht mir da echt ab, weil’s weder der erste, noch der letzte Song ist und ich echt nicht schnall, warum das jetzt der Knackpunkt is.
Du liest dich wie die Leute die Wilhelm Koch verteidigt und die Stadionumbenennung als grausames Unrecht bezeichnet haben.
Nee, Du willst mich so lesen, als würde es um das „Olligstadion“ gehen.
…mir geht es aber um das „Herz von St.Pauli“ Stadion.
Das ist ein erheblicher Unterschied.
…und mir ist das eigentlich relativ wurscht. Ich finde es nur ziemlich bedenklich,
1. dass mit Eurer Argumentation mal pauschal ausgeschlossen wird, dass sich Menschen und Einstellungen ändern können.
2. sinnvolle Werke, nicht genutzt werden können, weil sie von den falschen Leuten kommen (zB Autobahnen).
3. dass, man sich Werke nicht aneignen und bewusst mit einer weltoffenen Botschaft neu versehen kann.
Was hat das ganze mit Autobahnen zu tun? Oder mit Puma?
Ich denke dir geht es um das Lied? Dürfen wir jetzt alle Grauzonenbands abfeiern,
denn sie sprechen ihre Gedanken ja nicht öffentlich aus und können deshalb ja
gar keine Nazis (mehr) sein? Wie wärs wenn wir die Onkelz die neue Hymne schreiben lassen…sorry!
Und wie kannst du behaupten er wäre kein Nazi mehr gewesen nach 45?
Hast du da eine glaubwürdige,öffentliche Distanzierung oder Stellungnahme gelesen?
Hat er sich für die NS Opfer oder für Aufklärung, nach dem Krieg, in irgend einer Art und Weise eingesetzt?
Ich verstehe nicht.
Mein Grundgedanke ist folgender:
Auch ein Klappskalli mit fragwürdiger Grundeinstellung könnte einmal was richtig schlaues, schönes machen oder sagen.
Nur weil er sonst ein Mensch mit erheblichen sozialen Defiziten ist, wird diese eine schlaue, gute Sache dadurch nicht schlecht.
Wenn jetzt Jahrzehnte später diese gute Sache von einer anderen Person in einen neuen Kontext gesetzt und noch verbessert wird, ist es für mich uninteressant, dass Klappskalli was damit zu tun hatte. Weil es nicht um Klappskalli geht, sondern um die eine Gute Sache.
Deswegen ist für mich die Frage höchstens, ist dort irgendein (versteckter) Hinweis auf Schmutz im Text (wie bei den Onkelz) oder nicht.
Hätte er sein Leben nach 1945 in den Dienst der Aufklärung und Reue gestellt wäre mein Urteil ein anderes. Gäbe es irgendein Zeichen von Widerstand (wie beim Komponisten) wäre mein Urteil vielleicht ein anderes.
Es gab keine Reue, keinen Widerstand, keine Aufklärung!
Als Verein, der sich aktiv gegen Rassismus einsetzt, verbietet sich das Lied von einem linientreuen Nazi, der sich von seiner Vergangenheit nicht hinreichend distanziert hat. Es bleibt die Frage, ob ein neues Lied gefunden werden würde.
In zumindest einem Punkt bin ich bei Volker: Für unseren Verein und damit für uns alle wird sich in der Folge auch die Frage stellen, wie weit und wie konsequent die Geschichte von allen Personen und Unternehmen aufgearbeitet werden kann, soll und muss.
Um nur einmal beim offensichtlichsten und ja auch schon mehrfach in die Diskussion eingebrachten Beispiel zu bleiben: Ein Ausrüster, dessen Gründer 1933 wie auch sein Bruder in die NSDAP eingetreten ist und dessen Firma ab 1943 Ausrüstung an die Wehrmacht geliefert hat, der sich nach 1945 nie öffentlich von seinem Handeln distanziert hat und der zumindest nach öffentlich zugänglichem Kenntnisstand nie unabhängige Historiker damit beauftragt hat, diesen Teil der Firmengeschichte aufzuarbeiten, ist für meinen Geschmack nicht unproblematisch, wenn das Hauptargument in der Diskussion über „Das Herz von St. Pauli“ die politische Überzeugung und die nach 1945 mangelnde Distanzierung des Autors von seinem Handeln in dieser Zeit ist.
Was zurückführt zu der Frage: wo fangen wir an und wo hören wir auf?
„Eine Welle ungeheurer Empörung ist durch die deutschen Lande gegangen, einen Augenblick lang hat der Herzschlag des deutschen Volkes gestockt, als es die Kunde vernahm, daß sich gegen den Mann, der uns alles bedeutet, dem wir in Liebe und Vertrauen zugetan, dem wir unsere Größe und ein glückliches Reich verdanken, die Hände gedungener Meuchelmörder erhoben haben. (…)“
Also mir reicht das ehrlicherweise mehr als aus und da ist mir persönlich auch nicht wichtig, ob das 1939 oder nach 45 veröffentlicht wurde. Das ist ja regelrecht eine Art Liebeserklärung.
Und vielen Dank an diejenigen, die sich die Mühe machen, das wissenschaftlich und fundiert aufzuarbeiten.
Moin,
habe mir das Gutachten heute Nachmittag durchgelesen.
Im Fazit schließe ich für mich daraus, was Tim in seinem letzten Satz geschrieben hat: Mir wird es in Zukunft sehr schwer fallen, dass Lied noch einmal zu hören und mitzubringen.
In den letzten Tagen habe ich ein Buch von der Naziaussteigerin Heidi Benneckenstein gelesen und habe an deren Geschichte ablehnend, das Gutachten betrachtet.
Was beim Gutachten schade ist, dass man nicht erfährt, in welche familiäre Sozialisation Ollig geboren und erwachsen wurde. Dies hätte dazu beigetragen, zu verstehen, ob er verwandtschaftlich in diese Naziideologie und das Völkische hereingeboren wurde. Hätte bei mir Verständnis geweckt, da es glaube ich in dieser Zeit nicht einfach war, hier in Widerstand zu treten.
Was aber dann deutlich herausgearbeitet wurde in dem Gutachten ist, dass er mögliche Handlungsoptionen als Journalist nicht genutzt hatte, sondern die Ideologie des NS aktiv unterstützt, verbreitet und vorangetrieben hat. Ich würde ihn nach dem Lesen des Gutachten sogar als aktiven und fanatischen Unterstützer betrachten, welcher Hitler weiterhin sehr verehrt und geduldige hat.
Trotzdem war für mich in dem Gutachten auch die Zeitnach dem Kriegsende wichtig und zeigt es sich eindeutig, dass er nicht umgekehrt ist und auch nicht bereut hat.
Er hat weiter intensiv mit weiteren prominenten Nazis zusammengearbeitet, es gab kein Zeichen von Bedauern , eher vielmehr ein Relativieren und Verleugnen ( siehe Entnazifizierung) . Und zu guter Letzt wird auch im Gutachten dargelegt, dass sogar das Herz von St. Pauli im Stile der Propagandalieder der NS-Zeit geschrieben wurde.
All das lässt für mich nur den Schluss zu, dass das Lied als Hymnne im Stadion leider nicht mehr gespielt werden kann. Ich würde es nicht mehr mitsingen und In der Zeit eher ein Getränk oder Essen holen, statt es im Stadion ertragen zu müssen.
Aber jedes schmerzhafte Ende ist die Zeit für etwas tolles Neues.
Für immer mit Dir.
Forza FC St. Pauli
Lars
Sorry wegen meines voreiligen Kommentars.
Ich habe das Gutachten gelesen.
Es ist sehr ausführlich.
Aber was besagt es :1/ der Ollig war ein gnadenloser Opportunist.Er schrieb was wohlgefällig war.
2/ er hatte eine gute Feder.
3/ er hat sich nicht gegen die kollektive Verdrängung nach dem Kriege gestellt.
4/ er war kein Parteigenosse
5/ als Soldat hat wohl persönlichen Mut bewiesen.Den Mut oder die Überzeugung sich gegen das Regime zu stellen hatte er nicht.
Ich würde argumentieren, dass seine vierjährige Tätigkeit für eine rechtsextreme, republikfeindliche und in Teilen antisemitische Tageszeitung vor 1933 für ein bisschen mehr als nur Opportunismus spricht. Abgesehen davon ist 2/ wohl Geschmacksache.
Es sollte als Fan eines antifaschistischen Fußballclubs selbstverständlich sein, den Song aus der Feder eines überzeugten NS-Propagandisten nicht mehr zu singen. Es ist mir ein Rätsel, warum es darüber überhaupt eine Diskussion geben muss.
„Werbewirksam“? Für wen? Wer soll davon profitiert haben? Das Museum, dem Mitglieder abhanden gekommen sind, weil die Recherche zur Absetzung des Songs geführt hat? Der Verein, weil Repräsentanten auf dem Rasen ausgepfiffen wurden, als sie selbige erklärt haben? Das finde ich etwas viel. Sicher wurde die Emotionalität unterschätzt, mit der das Thema behandelt wird. Aber auch das kann, wie ich finde, nicht die Aufgabe des Museums sein. Wenn wir nicht wollen, das umfassende umd wahrheitsgetreue Recherchen stattfinden, können wir auch einfach eine Leinwand aufstellen, auf der 24/7 die NDR-Doku zur Bokalsaison läuft. Ich hoffe, wir haben höhere Ansprüche. Ich habe wirklich Verstãndnis für jede*n der/dem dieser Song so viel bedeutet hat. Hab ich auch immer gerne mitgebrüllt, mit vielerlei Generationen an Fans. Die Emotionalität geht mir da echt ab, weil’s weder der erste, noch der letzte Song ist und ich echt nicht schnall, warum das jetzt der Knackpunkt is.
Kein Vergeben, kein Vergessen!
Moin.
Hab ich anfangs noch getrauert um „das Herz von St.Pauli“, kann ich jetzt gut loslassen. Trauern, ja das darf man ruhig, gibt auch die Möglichkeit abzuschließen.
Für mich bleibt das Lied in ewiger Verbindung mit unserem antifaschistischen Fußballclub und hat auch weiterhin nichts Problematisches. Spielen würde ich es allerdings nun nicht mehr. Das widerspricht sich mMn auch nicht.
Es liegt eben in der Natur der Sache, dass es bei ernsthaften Diskussionen keine absoluten Wahrheiten gibt.
Wie ich immer sage, das Leben ist nicht Schwarz-Weiß, sondern Braun-Weiß. 😉
Danke an dieser Stelle an alle, die es sich nicht zu leicht machen und nicht „einfache Lösungen“ suchen- das führt ohnehin gerade zunehmend dorthin, wo ich nicht hin will.
Und danke an Millernton für eure tolle Arbeit immer und immer wieder.
👍
Es sollte als Fan eines antifaschistischen Fußballclubs selbstverständlich sein, den Song aus der Feder eines überzeugten NS-Propagandisten nicht mehr zu singen. Es ist mir ein Rätsel, warum es darüber überhaupt eine Diskussion geben muss.
Evtl. weil, wie so oft hier schon genannt, z.B. auch der Ausrüster eine Nazivergangenheit hat. Evtl. weil der Totenkopf auch von der Wehrmacht, SS-Einheiten usw. genutzt wurde. Evtl. weil Che Guevara Arbeitslager errichtet und zahllose Kleinbauern ermordet hat. Evtl. weil …. … Aber schön den Totenkopf-Hoody tragen, das neueste Puma-Trikot kaufen und die Fahne einer Fangruppierung toll finden … und gleichzeitig gegen das Herz von St. Pauli sein.
Dein Kommentar ist wirklich aus dem Leitfaden „Was ist ein Whataboutism“. Kannst dich ja gerne mit all diesen genannten Themen auseinandersetzen und Denkanstöße geben – es hält dich niemand auf. Aber hier geht es konkret um ein Lied, das direkt und 1:1 so wie es im Stadion gesungen wurde, aus der Feder eines Mannes stammt, der mitgeholfen hat den Faschismus in Deutschland mit seiner rassistischen und menschenfeindlichen Propaganda zu normalisieren. Manche scheinen hier mittlerweile nicht mal mehr wahrhaben zu wollen, dass der Nationalsozialismus und der rassistische und antisemitische Wahn zu dem größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte geführt hat. Der bis heute die Betroffenen und Angehörigen quält (und ich meine nicht die Deutschen, die sich am liebsten selbst als größtes Opfer des NS sehen). Was hier für NS-apologetische Geschichtsverdrehungen und Relativierungen rausgehauen werden, damit man ein 08/15-Heimatlied geschrieben von zwei Nazi-Profiteuren, behalten kann, ist unwürdig und gruselig. Geht woanders hin.
💯
Wo relativiere ich was oder „verdrehe“ die Geschichte? Lies meinen Kommentar bitte noch einmal. Du schreibst, dass ich einen Denkanstoß geben soll. Genau das ist mein Kommentar. Wenn Du a sagst musst Du auch b sagen. Die Sache mit dem Jolly Roger (ich meine das Symbol, nicht die Kneipe), Totenkopf, Che Guevara sollte jedem halbwegs gebildetem Menschen bekannt sein. Also auch daran was ändern.
Wir freuen uns über deine wissenschaftlichen Ausführungen zu diesen Themen und diskutieren diese gerne.
Hier geht es aber um ein Lied.
Falsch! Es geht um den Texter. Wenn es um das Lied gehen würde, würde man über den Text und die Melodie diskutieren und nicht über den Texter. Daher sollte man auch andere Dinge hinterfragen.
Für viele Menschen gehört zu einem Lied sein Kontext. Und die Erschaffer des Liedes stehen in diesem unmittelbaren Kontext.
Mir ist klar, dass manche Menschen Kunst gerne ohne seinen Kontext betrachten wollen, ich halte davon aber gar nichts.
Vielleicht sind meine persönlichen Ansprüche zu hoch. Vielleicht sind mir Traditionen auch einfach zu egal. Aber mir es ehr gesagt kackegal, ob jemand nun aus Überzeugung mitgewirkt hat an der Ermordung von Millionen Menschen oder or er nur mitgemacht hat, weil die Zeiten halt so waren. Solange es eine Alternative gibt, nehme ich dann doch lieber ein Lied von jemandem, bei dem ich mir nicht die Frage stellen muss, ob er nun ein „richtiger Nazi“ war oder nur den „richtigen Nazis“ bei ihren Verbrechen geholfen hat.
Wir haben in diesem Land viel zu vielen Leuten ihre NS-Vergangenheit durchgehen lassen. Wir haben sie zu Bundeskanzlern, Ministerpräsidenten und Bundesministern gemacht. Das können wir leider nicht mehr ändern. Aber das hier, das Lied, das vor den Spielen am Millerntor läuft, das können wir ändern. Und ich sehe keinen einzigen Grund, warum wir es nicht tun sollten.
Ich habe ChatGPT gefragt: Seit Beginn der Tonaufnahmen wurden irgendwas zwischen 100 und 200 Millionen Songs aufgenommen. Knapp 100 bis 200 Millionen davon wurden von Menschen geschrieben, getextet und aufgenommen, die zu keinem Zeitpunkt Mitglied der NSDAP oder sonst wie in die Verbrechen des Nationalsozialismus verstrickt waren. Es ist also nicht so, dass es keine Auswahl gäbe…
Danke an das Museum für die wichtige und gute Arbeit! 🤎🤍
Werk und Künstler sind erst einmal zwei verschiedene Dinge. Siehe Richard Wagner: „Während des Dritten Reichs wurde Wagners Musik noch von Juden in Tel Aviv gespielt […]. Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als es bekannt wurde, dass Juden in Begleitung von bestimmter Wagnermusik zur Gaskammer geschickt wurden, wurde das Aufführen von Wagner zu Recht in Israel tabuisiert, aus Rücksicht auf die Angehörigen der Opfer und die Überlebenden. Dies geschah nicht wegen Wagners Antisemitismus, sondern vielmehr wegen des nationalsozialistischen Missbrauchs.“ Sagt Daniel Barenboim.
Die Frage, ob Werke Wagners überhaupt in Israel aufgeführt werden sollten, stellt sich aber aufgrund des künstlerischen Wertes der Musik. Die Frage, ob DHvSP ins Millerntor-Stadion gehört, stellt sich dagegen, weil das Lied bisher dem Gemeinschaftssinn diente. Natürlich erfüllt das Lied nicht den Tatbestand des nationalsozialistischen Missbrauchs. Ich finde es aber richtig, dass ein Verein, der immer gegen rechts ist, sich bei einem identitätsstiftenden Lied auch die Menschen hinter dem Lied genauer anschaut. Und da passt es für mich nicht mehr. Jary/Ollig sind nicht Wagner. Es wird sich eine andere Hymne finden. Auf St. Pauli gab/gibt es viele korrekte Leute, die so etwas sehr gut können.
Danke für diese differenzierte Betrachtung.
Diese Denkweise kommt mir in den bisherigen Diskussionen viel zu kurz.
„Werk und Künstler sind erst einmal zwei verschiedene Dinge.“
Der Aussage würde ich wiedersprechen. Es gibt verschiedene Ansätze, welche die Trennung zwischen Kunstwerk und der Person, die es geschaffen hat, hinterfragen oder widerlegen.
1. Biografischer Ansatz
Dieser Ansatz betont, dass das Leben, die Erfahrungen und die Persönlichkeit des Künstlers untrennbar mit dem Werk verbunden sind. Das Werk wird als Ausdruck der inneren Welt des Künstlers verstanden.
Beispiel: Van Goghs Gemälde werden oft im Kontext seiner psychischen Erkrankung interpretiert.
2. Intentionalismus
Hier steht die Intention des Künstlers im Mittelpunkt. Das Werk wird als bewusste Mitteilung verstanden, deren Sinn sich nur durch die Kenntnis der Absichten des Künstlers erschließt.
Beispiel: Ein Gedicht erhält eine andere Bedeutung, wenn man weiß, welche Botschaft der Dichter vermitteln wollte.
3. Psychoanalytischer Ansatz
Dieser Ansatz (z.B. Freud, Jung) sieht das Kunstwerk als Spiegel des Unbewussten des Künstlers. Das Werk enthält – bewusst oder unbewusst – psychische Konflikte, Wünsche oder Traumata des Schöpfers.
4. Autobiografische Lesart
Viele Künstler verarbeiten persönliche Erlebnisse, Traumata oder gesellschaftliche Erfahrungen direkt in ihren Werken. Das Werk wird so zu einer Art Selbstporträt oder Lebensdokument.
5. Genetische Werkinterpretation
Hier wird das Werk im Entstehungsprozess betrachtet, wobei Skizzen, Notizen oder Vorstufen analysiert werden. Dadurch wird sichtbar, wie eng Werk und Künstler in der Entwicklung miteinander verbunden sind.
6. Künstlerische Performanz und Selbstinszenierung
Vor allem in der Performance-Kunst, Konzeptkunst oder in der Popkultur verschmilzt das Werk mit dem Künstler (z.B. Marina Abramović, Andy Warhol). Das „Werk“ ist oft die Person selbst oder deren öffentliche Inszenierung.
Ob „Das Herz von St. Pauli“ vom Autor getrennt werden kann, hängt vom gewählten Ansatz ab:
– Wer den biografischen oder intentionalistischen Ansatz wählt, sieht eine Trennung als problematisch an.
– Wer die Autonomie des Werks und die Möglichkeit der Umdeutung betont, kann das Lied als eigenständiges Kunstwerk betrachten, dessen heutige Bedeutung losgelöst von Olligs Biografie ist.
Je nach dem welchen Ansatz man wählt, kommt man zu einem anderen Ergebnis.
Mir persönlich fällt die Trennung aktuell schwer. Wobei ich glaube, dass das insbesondere der Verein und der Stadtteil St. Pauli heute eine viel deutlichere antifaschistische Haltung verkörpern als zur Zeit, als der Liedtext entstand. Insofern hat sich die Bedeutung des Liedes wohl schon gewandelt (wenn man als Kern des Liedes die Verbundenheit zu St.Pauli sieht).
Natürlich lässt sich Kunstwerken nachgehen und bei Interesse können Informationen zu deren Entstehungsgeschichte und Hintergrund eingeholt werden. Ich meine allerdings, dass Kunst zu allererst im Auge der Betrachter*innen bzw. im Ohr der Hörer*innen entsteht. Andernfalls gäbe es keine anonyme Künstler*innen, von denen einige sogar Meisterwerke geschaffen haben. In dieser Kategorie sah ich DHvSP allerdings nie und das war bisher auch vollkommen ok. Bisher halt.
hmm, ok. für mich ist die diskussion irgendwie sowieso obsolet, weil es ein zurück nicht geben wird.
ohne dem st pauli museum die wissenschaftlichkeit oder die gründlichkeit ihrer arbeit abzusprechen, hätte ich mir doch eine unabhängige untersuchung und aufarbeitung gewünscht. der verein sprach von einem ergebnisoffenen umgang. wenn ich so die details lese kommt mir der gedanke, es wurde ausschließlich dahingehend recherchiert, das, was schon veröffentlicht wurde, noch mehr zu unterfüttern, sprich: das ergebnis steht fest, es braucht nur noch mehr entsprechendes material.
man hört es ja ganz oft bei der untersuchung von verbrechen: man hat einen verdächtigen und konzentriert sich nun intensiv weiter auf die suche nach belastendem material. alles andere wird beiseite geschoben.
eine unabhängige, externe wissenschaftliche gruppe wäre sicher ergebnisoffener an die sache rangegangen.
ich meine, wenn jemand hitler und die sogenannte bewegung dermaßen unterstützt und verherrlicht, wieso ist diese person dann nicht in der partei, die partei seines großen idols? wenn ich lese, daß bei den hamburger nachrichten ein „„großer Teil der Kollegenschaft“ bereits vor der Machtübergabe an die Nationalsozialisten die Parteinadel der NSDAP.“ trug (zitat aus dem gutachten, seite 6), so muß doch ollig unter einem enormen druck gestanden haben, ebenfalls in die partei einzutreten, zumal er ja ein glühender verehrer dieser partei war… zur nämlichen zeit gab es noch keinen aufnahmestopp….
ich lese im gutachten leider nirgendwo, daß er in der partei war. wenn er es nicht war, wieso nicht? wurde denn auch nach gründen dafür recherchiert? wurde mit dergleichen akribi nach entlastendem material gesucht, wie nach belastendem material gesucht wurde?
daß der verein allerdings auf einem sehr schmalen grat wandelt, was seine glaubwürdigkeit betrifft, läßt sich mit einem blick auf unseren ausrüster kaum bestreiten. der gründer war nicht nur seit 1933 mitglied der faschistischen partei (deren mitglied ollig nicht gewesen zu sein scheint), sondern sein unternehmen stützte und unterstützte mit der produktion (z b von panzerabwehrwaffen) das regime und verlängerte damit auch das morden und sterben. und in der produktion kamen auch französische zwangsarbeiter zum einsatz. wir tragen nun deren trikots…
aber wie schon erwähnt: diese diskussion ist obsolet, weil das ergebnis bereits fest steht, bereits vor diesem gutachten fest stand und danach erst recht unerschütterlich fest stehen wird: das lied wird den weg ins millerntorstadion nicht mehr finden. daran wird auch die veranstaltung am kommenden mittwoch nichts mehr ändern.
als glühender und lebenslanger antifaschist bedaure ich das sehr, aber ich akzeptiere das. was bleibt mir auch anderes übrig…
sport frei!
Ich finde es schön, wie du einleitend feststellst, dass du dem Museum „nicht die wissenschaftlichkeit oder die gründlichkeit ihrer arbeit“ absprechen möchtest, um dann im nächsten Satz genau das zu tun. Peter Römer (wissenschaftlicher Schwerpunkt: NS-Täter*innenforschung) arbeitet nicht für das FC St. Pauli-Museum. Das Gutachten wurde literally vom Leiter der Gedenkstätte Neuengamme fachlich geprüft. Schon mal auf die Idee gekommen, dass es einfach kein „entlastendes“ Material gibt? Wie sollte das aussehen? Er hat sich ja nie öffentlich mit seiner NS-Vergangenheit auseinandergesetzt. Meinst du nicht, dass Ollig entlastende Umstände ggf. auch bei seiner Entnazifizierung geltend gemacht hätte? Wäre ja stark in seinem Interesse gewesen. Ich finds echt kurios, dass Menschen 80 Jahre später Ausreden für den Mann zu finden, auf die er nicht mal selbst gekommen ist. Dass kein Eintrag in der NSDAP-Mitgliederkartei existiert, bedeutet übrigens nicht zwangläufig, dass Ollig nicht in der Partei war – oder nie einen Antrag gestellt hat. Und selbst wenn er nicht in der Partei war, kann es dafür die unterschiedlichsten Gründe gegeben haben. Das Gutachten behauptet übrigens an keiner Stelle, dass er ein überzeugter Nationalsozialist gewesen sein muss. Ich verstehe allerdings auch nicht, warum es irgendwie besser wäre, wenn das System aus Karrierismus unterstützt hätte.
ok, wo ich den beteiligten die wissenschaftlichkeit abspreche, solltest du mir mal anhand meines textes erklären…wenn ich mir unabhängige und nicht braunweiß eingefärbte untersuchende wünsche…
zwotens: inwieweit die beiden von dir genannten an den tatsächlichen recherchearbeiten beteiligt waren und somit mehr einfluß genommen haben, als mal drüber zu lesen (etwas flapsig gesprochen) – du nennst es fachlich geprüft (wie genau sah denn diese prüfung aus? hast du da genaue informationen?) – erschließt sich nicht aus dem text. mein professor hat bei meiner diplomarbeit auch gelesen, aber quellen geprüft etc? dafür hatte der gar nicht die zeit. da mußte er mir schon vertrauen. ähnliches gilt sicherlich auch für den herrn aus der gedenkstätte…
weiter: du schreibst, daß es ja möglich sei, daß ollig, trotz fehlender mitgliedskarte trotzdem in der partei hätte sein können… wurde dem denn nachgegangen? schonmal auf die idee gekommen, daß es einfach keine mitgliedkarte, ergo keine mitgliedschaft gibt!? erklär mir doch mal bitte, wieso solch ein glühender verehrer nicht in der partei sein konnte, wo er doch als karrierist nur vorteile davon gehabt hätte…
außerdem: „Das Gutachten behauptet übrigens an keiner Stelle, dass er ein überzeugter Nationalsozialist gewesen sein muss.“ wenn ich mir seine texte so durchlese, die ja auch im gutachten zu hauf zitiert werden, frage ich dich, zu welchem anderen schluß du da kommst…
und einen austausch von argumenten nennst du also: „Ich finds echt kurios, dass Menschen 80 Jahre später Ausreden für den Mann zu finden, auf die er nicht mal selbst gekommen ist.“ das ist also die vielgerühmte toleranz, beim austausch von argumenten. na, herzlichen glückwunsch zu einer solchen sichtweise!
Du unterstellst eine braun-weiße Sicht, du unterstellst nicht nach entlastendem Material gesucht zu haben und du unterstellst beteiligten Personen vielleicht nicht oder nur flüchtig geprüft zu haben. Ohne irgendwelche Belege zu liefern. Und dann beschwerst du dich, dass ähnlich mit deinem Beitrag umgegangen wird.
Nach Ockhams Rasiermesser gibt es kein entlastendes Material und er war ein Unterstützer des Naziregimes.
ich unterstelle überhaupt gar nix. ich stelle fragen. das is ein riesiger unterschied, den selbst du erkennen solltest.
by the way: ein kurzer satz im gutachten, ala: „wir haben intensiv nach entlastendem material gesucht, aber nichts gefunden.“ hätte schon etwas brisanz aus dem ganzen nehmen können. ohne den zusatz, nach entlastendem material recherchiert zu haben, bleiben eben offene fragen stehen und der eindruck, einer einseitigen und ausschließlich auf belastendem material basierenden untersuchung drängt sich zwangsläufig auf… aber scheinbar nicht bei jedem….
Er braucht gar keine braun-weiße Sicht zu unterstellen. Die ergibt sich allein aus dem Biotop aus dem die Untersuchende (und wir auch) kommt. Und das ist kein Vorwurf, sondern ebenfalls wissenschaftlich belegt, dass es eine absolute Objektivität nicht gibt. Es ist zutiefst menschlich. Wir unterliegen alle unseren Vorprägungen.
Allein die Forschungsfrage der Untersuchung gibt mE das Ergebnis schon vor. Ebenso verwundern mich die Wort-Anteile des Gutachtens, die für die unterschiedlichen biografischen Zeiträume aufgewandt wurden.
1929 bis 45 achtundzwanzig Seiten.
1948 bis 1981 gerade mal eine Seite.
Der Zeitraum, in dem das Lied entstand, wird also nahezu nicht bearbeitet.
Das ist für einen Menschen, der nach dem Krieg Chefredakteur in einer Zeitung war und Bücher geschrieben hat, ziemlich dünn.
Man hätte auch auf die Idee kommen können, die Artikel der unterstellten Journalisten nach rechtslastigen Tendenzen zu untersuchen, wenn Ollig selber, wie im Gutachten behauptet, selbst fast nix mehr geschrieben hat. Schließlich war er für das Veröffentlichte in seinem Ressort verantwortlich.
Aber das Gutachten schweigt dazu.
PS: Wenn Du Dein Ockhams Rasiermesser anders ansetzt, dann war er nicht in der Partei und damit kein Nazi.
Ockhams Razor anwenden zu wollen, wo genau die Details des Hintergrundes aufgedeckt werden sollen, ist mE …sorry… kompletter Bullshit
Argumente finde ich in deinem Texte nicht. Dafür relative viele Unterstellungen und Suggestivfragen. Wenn du den Beteiligten unterstellst, sie hätten aufgrund ihrer „Einfärbung“ nicht ergebnissoffen geforscht, unterstellst du ihnen Unwissenschaftlichkeit. Wenn du wissen möchtest, ob Peter Römer und der Leiter der Gedenkstätte Neuengamme, Prof. Dr. Oliver von Wrochem, die Quellen geprüft haben, schlage ich vor, dass du diese Frage am Mittwoch stellst, statt hier wild rumzuspekulieren. Übrigens kann auch intensive Recherche keine vernichteten oder zerstörten Akten wiederherstellen. Manche geschichtswissenschaftliche Frage lässt sich nicht abschließend klären, damit transparent umzugehen gehört zum wissenschaftlichen Arbeiten. Die Möglichkeit, dass er nie in der Partei war, besteht genauso, wie die Option, dass er es war. Die Indizien sprechen eher gegen eine Parteimitgliedschaft. Was die möglichen Gründe betrifft, empfehle dich dir eine schnelle Google-Recherche. Man kann ein System auch durch Handeln legitimieren, ohne notwendigerweise mit den ideologischen Grundannahmen übereinzustimmen. Das nennt sich dann z.B. Opportunismus.
du meinst also, wenn man etwas nicht findet, is es in einer wissenschaftlichen arbeit auch nicht nötig, überhaupt darauf einzugehen, es überhaupt zu erwähnen? interessante sichtweise. sollte ich übernehmen. macht vieles leichter und man kann elegant unbequeme fragen abschmettern, unter zuhilfenahme des verweises auf möglicherweise nicht vorhandenes material…
und nochwas: du bist mir in deiner „argumentation“ viel zu intolerant, persönlich und überhaupt nicht zielführend, als daß ich ratschläge von dir annehmen würde. nimmst du einen von mir an? konzentrier dich bei diskussionen weniger auf die mitdiskutierenden, als mehr auf’s thema…
Hallo Josi,
Du enpfiehlst Zecke eine schnelle Google Recherche, anstatt etwas Belegbares zu bringen.
Auch ich soll mir Deine Argumente und Beweise durch ein zweites Lesen selbst zusammenreimen.
Wie wäre es, wenn Du uns inhaltlich begegnen würdest und nicht mit Beleidigungen und Unterstellungen?
Seit wann ist jemand, der sachliche Fragen stellt, ein Opportunist?
Hallo Josy mach dir nichts draus. Im beleidigen ist der Volker deutlich besser als du
nachtrag: wie ich hier schon wiederholt kund getan habe, habe ich bis ins erwachsenenalter in einem totalitären staat gelebt, bin da aufgewachsen. schon aus erfahrung kann ich viel mehr über verhalten von menschen in einem solchen staat aussagen, als du es je könntest.
wenn jemand karriere in einem solchen staat machen möchte, so wie du es bei ollig suggerierst, ist es nahezu unerläßlich, in die partei einzutreten. es sei denn, man hat verbindungen/beziehungen in hohe kreise. eine fehlende parteimitgliedschaft hat oft schon ausgereicht, daß man gegenüber einem menschen mit parteiausweis z b bei der vergabe von studienplätzen benachteiligt wurde.
Er hat aktiv zur Errichtung eines totalitären Staates beigetragen. Warum ignorierst du seine Tätigkeit vor 1933?
ich ignoriere nichts von dem, was im gutachten steht. ich stelle fragen nach dem, was im gutachten nicht behandelt wurde.
ich wünsche mir vom verein auch zu unserem ausrüster eine art gutachten zu erstellen. sein gründer, herr rudolf dassler, war ab 1933 mitglied in der nsdap, hat gemeinsam mit bruder adolf dem ns-staat waffen verkauft, welche u a von französischen zwangsarbeitern hergestellt wurden. hat dadurch den krieg und das leid verlängert und u a mithilfe des dadurch erwirtschafteten gewinnes spätet die firma gegründet, die heute unser ausrüster ist.
wurden die zwangsarbeiter später eigentlich entschädigt?
nach ollig wäre das doch genau DIE aufgabe. material dazu sollte es doch zu hauf geben.
nur mal so als anregung, der glaubwürdigkeit wegen…
Whataboutism, wenn nichts anderes mehr hilft. Der Verein könnte bei Puma darauf hinwirken, dass die Firmengeschichte aufgearbeitet wird. Aber dies selbst zu tun ist nicht seine Aufgabe.
der verein kann sich aber auch nach solchen gesichtspunkten (die in der vereinsphilosophie einen großen stellenwert haben) für oder gegen einen ausrüster entscheiden… oder war puma alternativlos?
Holy shit, wenn ich mir die Kommentare hier so anschaue, frage ich mich wirklich in/bei was für einem Verein wir sind und ob hier alle den Antifaschismus so ernst nehmen, wie er ernst genommen werden sollte.
Diskutieren hier gerade wirklich ernsthaft Leute, ob es okay ist, ein Lied im Stadion zu spielen, dessen Verfasser aktiv am Aufbau und am Erhalt der menschenfeindlichsten aller faschistischen Diktaturen jemals mitgewirkt hat, egal ob er das aus Überzeugung oder Opportunismus gemacht hat? Also ein Fascho war? Jetzt mal ernsthaft: Spüren wir uns noch!?
Ein Antifaschist sollte auf die Frage „Spielen wir das Lied eines Faschos weiterhin als identitätsstiftendes Merkmal in unserem Stadion?“ immer entschieden mit nein antworten. So einfach ist es – bzw. sollte es so einfach sein.
War auch meine Reaktion auf die Ursprungsnachricht emotional ein enttäuschtes „Och nö, was soll das denn jetzt“? Ja, das war sie. Und auch ich bin nach wie vor enttäuscht, dass das Lied faschistisch-ideologisch vorbelastet ist und daher aus meiner Sicht nicht mehr gespielt werden sollte. Ich werde meine Gefühle und die Gänsehaut, während das Lied lief, noch eine ganze Weile vermissen.
Aber wie Lars oben schon geschrieben hat: Aber jedes schmerzhafte Ende ist die Zeit für etwas tolles Neues.
Lasst uns also, anstatt uns jetzt in der Frage wie fascho ein Fascho sein muss zu zerfleischen, den Blick nach Vorne richten und dafür sorgen, dass bald wieder Musik durchs Stadion tönt: Ein Lied, hinter dem alle stehen können.
Nach dem Lesen des Gutachtens würde ich gerne noch einen Punkt hervorheben, der wichtig ist für die Diskussion über das Lied. Denn die vielfach vorgetragene Behauptung, der Text habe nichts mit der NS-Zeit und der Biografie von Ollig zu tun, ist aus meiner Sicht kaum haltbar.
Das Gutachten arbeitet sehr sauber heraus, dass verschiedene Motive in dem Text (Heimat, Sehnsucht, bestimmte Eigenschaften im Blut haben, Lebensschiff) nahtlos an das anknüpfen, was bereits in der NS-Zeit als vermeintlich unpolitische Unterhaltung produziert wurde. Und danach gab es eine Kontinuität in diesem Unterhaltungsbetrieb, der kräftig dabei half, die „Sehnsucht“ nach einem Schlussstrich zu bedienen. Ollig und andere NS-Profiteure mittendrin.
Die Behauptung, der Text vom Herz von St. Pauli sei vollkommen unkritisch und habe weder mit Olligs Biografie noch mit Kontinuitäten nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes zu tun, ist auf jeden Fall höchst fragwürdig. Natürlich sind die genannten Begriffe an sich nicht Nazibegriffe, aber wenn ein NS-Propagandist sie benutzt, um ein Liedtext zu schreiben, das an die NS-Unterhaltung anknüpft, dann sieht die Sache schon anders aus.
Ich finde außerdem, auch das Abendblatt wäre sehr gut beraten, die eigene Geschichte etwas kritischer zu betrachten, anstatt bei Ollig die eigene Rolle einfach wegzulassen.
Das Lied ist typischer 50iger-Jahre Kitsch.Es ist so unpolitisch,das es in seiner Verdrängungslyrik schon wieder politisch ist.
Für uns war es die einzige Hymne die auf allen Tribünen mit Inbrunst gesungen wurde.Sie bediente das Gemeinschaftsgefühl und war identitätsstiftend.
Ob der Texter vor dem Krieg schon Nazi-Ideologie propagierte,während des Krieges als Propaganda-Soldat dies weiter tat und nach dem Krieg sich nicht ausreichend öffentlich davon distanzierte…man kann auch zwischen Lied und Texter trennen.
Wir sind als St.Pauli-Fans bereit größere Widersprüche auszuhalten.zB :
Wir Fans empfinden uns mehrheitlich irgendwie als links-alternativ,anti-faschistisch,anti-kapitalistisch.
Der Verein versucht dies als grundlegenden Bestandteil seines Marken-Images zu nutzen.
Motto : Verein und Fans sind „anders,als die Anderen“
Dabei gibt es kaum einen Wirtschaftszweig,der so menschenverachtend kapitalistisch organisiert ist,wie der Profi-Fußball.
Der Verein nutzt den Totenkopf als Markenzeichen.
Wir Fans empfinden uns als „Freibeuter der Liga“
Dabei wissen wir,daß die romantische Idee der Likedeeler nie gestimmt hat.Es waren Räuber und Mörder.
Die deutschen Panzersoldaten der Wehrmacht trugen den Totenkopf am Kragenspiegel.
Schlimmer: er war das Symbol des absoluten Nihilismus der SS-Totenkopfverbände,die u.a für die KZ und Vernichtungslager zuständig waren.
Antifa-Hooligans.
Einige meiner Verwandten und Lehrer haben unter den Nazis gelitten.
“…all our hate for the nazi-scum“
Aber Hooligan = pe definitionem gewaltbereit.
Das sind Faschos in einem anderen Gewand.
Die Debatte war wichtig.
Den Anstoß durch das Museum empfand ich als naiv und selbstgefällig.
Die Debatte hätte nie so unkoordiniert laufen dürfen.Verantwortlich dafür ist der Vorstand.
So hat sie die Fans gespalten und damit dem Verein geschadet.
Ich bin sicher 80% der Besucher hätten nichts dagegen das Lied weiter zu singen.
Aber nach dieser Debatte ist es tot.
Das Lied als unpolitisch erklären zu wollen, obwohl es nur so vor patriotischem Heimat-Kitsch trieft ist schon ein starkes Stück, insbesondere, wenn eins die ursprünglichen Liedzeilen dazu nimmt. Der Kommentar von H. Kätzchen vom 29.6. (s.o) ist hierzu sehr treffend:
„Das Gutachten arbeitet sehr sauber heraus, dass verschiedene Motive in dem Text (Heimat, Sehnsucht, bestimmte Eigenschaften im Blut haben, Lebensschiff) nahtlos an das anknüpfen, was bereits in der NS-Zeit als vermeintlich unpolitische Unterhaltung produziert wurde. Und danach gab es eine Kontinuität in diesem Unterhaltungsbetrieb, der kräftig dabei half, die „Sehnsucht“ nach einem Schlussstrich zu bedienen. Ollig und andere NS-Profiteure mittendrin.“
Für dich mag es die einzige Hymne gewesen sein, die du gern und inbrünstig mitgesungen hast, mir blieb schon immer das Wort Heimat im Halse stecken.
Die Trennung zwischen Werk und Künstler ist eine Farce, nicht umsonst werden bspw. Ramstein, J.K. Rowling & Co. mittlerweile von jedem einigermaßen aufgeklärten Menschen als nicht mehr tragbar angesehen. Dies ausgerechnet bei einem ausgewiesenen Faschisten und Menschenfeind anders handhaben zu wollen, empfinde ich als Armutszeugnis und einem selbsternannten „Linken“ nicht würdig.
Was die kapitalistische Ausrichtung des Profifußballs angeht, stimme ich dir tatsächlich zu. Wärst du in diesem Punkt jedoch konsequent hätte es dich schon vor Jahren/Jahrzehnten zu einem der vielen Amateurvereine in und um Hamburg gezogen. Hat es aber offensichtlich nicht, nur für deinen unsäglichen Whataboutism zur Verteidigung eines Liedes, welches aus der Feder eines Faschos stammt, gräbst du das Argument aus. Davon abgesehen, ist es meines Erachtens dem Verein – und noch viel mehr der Fanschaft – hoch anzurechnen, den Spagat jede Saison wieder aufs Neue einzugehen und sich auch einzugestehen, wenn es mal nicht so läuft und dies auch offen und transparent kundzutun; das Beispiel des hier diskutierten Liedes ist an dieser Stelle selbstreferenziell.
Die Bezeichnung „Freibeuter der Liga“ ist fremdzugeschrieben und wird von jedem Fan, den ich kenne, der sich ernsthaft mit den von dir genannten Attributen „links-alternativ,anti-faschistisch,anti-kapitalistisch“ beschreiben würde, seit Jahren abgelehnt.
Last but far from least: Menschen, die ihre Gesundheit und teilweise ihr Leben dem antifaschistischen Kampf widmen und dabei auch auf Gewalt nicht verzichten (können) als Faschos zu bezeichnen, empfinde ich als bodenlose Frechheit. Gewaltlosigkeit ist eine schöne Utopie, viele Menschen haben jedoch nicht dieses Privileg, da sie vom Staat eben nicht ausreichend beschützt werden. Welche Alternative schlägst du diesen Menschen vor, anstatt ihre Unversehrtheit selbst zu schützen, notfalls auch proaktiv? Sich wie Lämmer zur Schlachtbank führen zu lassen? Die 200+ Morde durch Faschisten seit der Wiedervereinigung sprechen hier eine deutliche Sprache.
Danke
Danke
Leider kann ich am Mittwoch nicht dabei sein. In mir gären aber zwei Wünsche und eine Idee, die ich irgendwie zum Ausdruck bringen möchte. Darum versuche ich es hier.
Ein Wunsch ist, dass am Mittwoch nicht die Frage diskutiert wird ob Ollig nun Nazi war oder nicht. Keiner von uns weiß mehr als im Gutachten steht und kaum einer von uns hat wohl ein so fein messendes Nazi-Meter um jetzt sagen zu können, ob Ollig schlimmer als Opa war oder nicht. Eine solche Debatte kann eigentlich nur relativierend ausfallen und das steht niemandem gut zu Gesicht.
Der andere Wunsch ist, dass jegliche Entscheidung zum Lied wirklich ausargumentiert wird. Wer das Lied nicht mehr abspielen und singen will, sollte schon argumentieren, warum an dieser Stelle die Linie gezogen wird und an anderer nicht. Das gleich gilt für alle, die das Lied weiter hören und singen möchten. „Ollig war ein Nazi, darum kann ich das Lied nicht mehr singen“ und „Mir ist das Lied mittlerweile so wichtig, dass ich es mir vom Autor nicht nehmen lassen möchte“ sind für mich beides berechtigte Reaktionen auf das Gutachten. Es sind aber beides keine Argumente für eine gemeinsame Entscheidungsfindung.
Die Idee ist, dass diese Debatte die Phrase vom „Herz von St. Pauli“ auch neu beleben könnte. Eine Freundin aus der sozialen Arbeit hat mir mal gesagt, dass verdrängen nicht verarbeiten ist und dieses Zitat fordert mich immer wieder in den unterschiedlichsten Situationen heraus. Auch bei dieser Debatte muss ich an dieses Zitat denken. Für mich ist St. Pauli ein Verein, dem die vielen Schattenseiten des modernen Fußballs nur zu gut bewusst sind. Anstatt diese einfach zu verdrängen, thematisieren Verein und Anhänger die Schattenseiten regelmäßig und versuchen immer wieder auszuprobieren, ob es nicht auch anders geht. Diese Ambivalenz aus Schatten sehen, trotzdem im Profifußball mitmischen und der nicht versiegende Antrieb einen anderen Profifußball zu gestalten machen für mich viel von dem aus, was mich an diesem Verein reizt; für mich sowas wie das Herz von St. Pauli. Für mich sind das auch Elemente, die mich am Punk reizen. Alles und jeder (auch ich) sind irgendwie scheiße, aber es muss doch besser gehen.
Spannend finde ich, dass diese Essenz von St. Pauli sich jetzt auch in der Stadionhymne wiederfindet. Das Lied ist, wie so vieles am Profifußball, nicht unschuldig. Aber anstatt das zu verdrängen, nimmt man die Geschichte des Lieds als Motivation es besser zu machen. Wenn dieser Gedanke viele begeistern kann, dann kann ich noch eine Zukunft für das herz von St. Pauli sehen… wer weiß.
Genau Niklas, wir brauchen nicht diskutieren, ob Ollig ein Nazi war oder nicht. Er war einer! Und zwar ein überzeugter und begeisterter! Und einer, der nach dem Krieg sofort ins Horn derjenigen geblasen hat, die die deutsche Mehrheitsgesellschaft als ohnmächtiges Opfer einer teuflischen Diktatur stilisiert hat. Es hat nichts mit Verdrängen zu tun, wenn wir oder das Präsidium beschließen sollten, künftig nicht mehr das Lied aus der Feder eines Faschos zu singen. Ollig hat getextet als Mensch der er war, nämlich ein Fascho. Warum ein selbsternannter antifaschistischer Fussballclub dann weiter das Lied eines Faschos singen sollte, um damit vermeintlich seine Andersartigkeit im achso gemeinen Geschäft Profifussball zu verdeutlichen, bleibt dein exklusives Geheimnis und damit stellst du dich in die Reihe derer, die den NS verharmlosen und relativieren. Ob du das willst oder nicht, ist ganz egal…
Danke!
Jo flx. NS verharmlosen und relativieren… kleiner hast du es nicht?
Neben dem Texter gibt es ja auch noch die Interpreten oder die gelebte Tradition und bei einer Abwägung kann man nun das eine oder das andere stärker gewichten. Hättest du geschrieben warum der Texter die beiden anderen Aspekte überwiegt, super, dann hätten wir hier eine Debatte. Aber ne, einfach immer feste drauf auf den Typen da im Netz. Ich hoffe du fühlst dich besser.
Btw. Auch Hannah Arendt wurde vorgeworfen den NS zu verharmlosen als sie schrieb, das Eichmann nicht das personifizierte Böse ist sondern ein gänzlich uninteressanter Hans Wurst. Vielleicht war Ollig das ja auch, ein Hans Wurst der gut schreiben konnte und sonst nichts eigenes beizutragen hatte. Dann könnte man vielleicht argumentieren, dass das Werk seinen Texter schon weit hinter sich gelassen hat, oder so. Aber dafür bräuchte es halt auch jemand der Bock auf Debatte hat.
Neee, er hats lang und breit erklärt („besser machen“ und so). Wenn Du es nicht lesen oder verstehen willst, dann ist das Dein Problem.
Interessant zu sehen, wie Du hier Menschen mit einer anderen als Deiner Meinung (und nichts anderes sind Deine hysterischen Ausführungen) mal per Schnellverfahren als NS- Verharmloser aburteilst.