Vorbericht: FC St. Pauli – Eintracht Braunschweig (28. Spieltag, 22/23)

Vorbericht: FC St. Pauli – Eintracht Braunschweig (28. Spieltag, 22/23)

Am Sonntag ist Eintracht Braunschweig beim FC St. Pauli zu Gast. Die Siegesserie des FCSP soll fortgesetzt werden, aber Braunschweig überzeugte zuletzt. Der Vorbericht.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Zur Vorbereitung empfehle ich wie üblich das „Vor dem Spiel“-Gespräch, bei dem sich Michael mit Kivi unterhalten hat. Interessant: Die Braunschweiger Podcast- und Blog-Landschaft hat sich inzwischen bei 2Hundert10 zusammengefunden und macht inhaltlich den etablierten Medien massiv Konkurrenz.

Ein Blick zurück

Keine Ausreden mehr
In der Hinrunde verlor der FC St. Pauli mit 1:2 bei Eintracht Braunschweig nach 1:0-Führung. Das Spiel war eigentlich sinnbildlich für die gesamte Hinrunde: Ganz gut gespielt, kein Tor erzielt, dann doch irgendwie einen reingemurmelt, aber dann zweimal massiv schlecht verteidigt und ein Spiel verloren, welches man niemals verlieren darf.

Klassenunterschied
Ganz, also wirklich ganz anders sah es zweieinhalb Jahre zuvor aus, als das Spiel bereits nach weniger als einer Viertelstunde entschieden war. Dass es am Ende nur 2:0 für den FCSP stand, war dabei fast ein Skandal. So groß war der Leistungsunterschied, der sich am Saisonende dadurch äußerte, dass Eintracht Braunschweig in die 3. Liga abstieg.

Serie nicht beendet, Krise gestartet!
Ein halbes Jahr vorher schlidderte der FC St. Pauli spätestens mit der völlig unnötigen Niederlage in Braunschweig (Schultz damals frustriert im Podcast: „Braunschweig? Das war nichtmal Bezirksliga-Niveau!“) in den Abstiegssumpf. Und so nehme ich das auch in dieser Saison wieder gerne: Eine unnötige Niederlage im Hinspiel und ein deutlicher Erfolg im Rückspiel.

Braunschweig, Deutschland, Oktober 2022 - Manolis Saliakas (FC St. Pauli) - copyright: Peter Boehmer
Manolis Saliakas nahm im Hinspiel ganz genau Maß und traf per Traumtor zur Führung, die der FC St. Pauli aber nicht halten konnte.
(c) Peter Boehmer

FC St. Pauli: Wer kann spielen, wer fehlt?

Es tut sich nicht sonderlich viel bei der Liste der verletzten Spieler. Im Vergleich zur letzten Woche tut sich sogar gar nix. Das bedeutet, dass Etienne Amenyido, Igor Matanovic, Maurides, David Nemeth für die Partie ausfallen werden.

Ein fettes Fragezeichen steht hinter einem Einsatz von Eric Smith. Er konnte bis zum heutigen Trainingstag nur Läufe machen und Fabian Hürzeler sagte auf der Pressekonferenz, dass man abwarten müsse, ob er am Freitag wieder mit dem Team trainieren kann. Sicher ist: Sollte er einsatzfähig sein, dann dürfte er am Sonntag auch auf dem Platz stehen. Die Tendenz geht aber nach meinem Empfinden eher in die Richtung, dass er erst im Derby ein phänomenales Comeback feiern wird.

Eintracht Braunschweig: Wer kann spielen, wer fehlt?

Verzichten muss Eintracht Braunschweig für die Partie am Millerntor auf Offensivspieler Luc Ihorst, der schon eine ganze Weile mit Verletzungen zu kämpfen hat und Danilo Wiebe, der aufgrund eines Bruchs des Schienbeinkopfes fehlen wird. Zudem ist Linus Gechter krank und Saulo Decarli wird nach seiner Muskelzerrung nicht rechtzeitig fit.

Zurückkehren werden Jasmin Fejzic und Nathan de Medina (beide nach Sperre). Beim „ewigen“ Fejzic stellt sich aber die Frage, ob er auch in die Startelf zurückkehrt. Er ist inzwischen 36 Jahre alt und mindestens so alt ist auch die Diskussion in Braunschweig, ob es nicht einen besseren Torhüter gibt, doch er hat sich immer wieder durchgesetzt. Aber: Ersatztorhüter Ron-Thorben Hoffmann hinterließ beim 1:0-Erfolg gegen Kaiserslautern einen guten Eindruck.

Ausfall von Immanuel Pherai

Ein Fragezeichen gab es um einen Einsatz von Immanuel Pherai, dessen Einsatz für das Team mindestens genauso wichtig gewesen wäre, wie jener von Smith auf der Gegenseite. Michael Schiele erklärte auf der Pressekonferenz aber, dass Pherai nicht rechtzeitig fit und damit der Doppeltorschütze aus dem Hinspiel fehlen wird.

Wie wichtig Pherai für das Team ist? Er kam bisher in sechs Saisonspielen nicht zum Einsatz. Braunschweig konnte keines dieser Spiele gewinnen. Mit ihm auf dem Platz konnte aber durchschnittlich mehr als jede dritte Partie gewonnen werden. Pherai ist laut Hürzeler ein „Ausnahmespieler“, der sich nach meinem Empfinden mit seinen Leistungen bereits für höhere Aufgaben empfohlen hat. Ein Verbleib in Braunschweig, ob Klassenerhalt oder nicht, ist nahezu ausgeschlossen (im VdS erzählt Kivi, dass der Wechsel zum BTSV nur vollzogen wurde, weil es eine entsprechend geringe Ausstiegsklausel im Vertrag gibt).

Beim letzten Spiel gegen den 1. FC Kaiserslautern hat Pherai aber eine Gehirnerschütterung und einen Nasenbeinbruch davongetragen. Nach dem vor wenigen Wochen veränderten Regelwerk bezüglich Kopfverletzungen (was lange überfällig war), musste Pherai nun ein mehrstufiges Verfahren durchlaufen und jeweils bestehen, bevor er wieder zum Spielbetrieb zugelassen wird, wobei jede Stufe mit einem Abstand von 24 Stunden durchlaufen werden kann. Da ist er wohl nicht so vorangekommen, wie erhofft. Braunschweig muss also auf einen Unterschiedsspieler verzichten.

Was hat Braunschweig zu bieten?

Eine kleine Serie hat Eintracht Braunschweig zuletzt hingelegt: Aus den Spielen gegen Hannover, Karlsruhe und Kaiserslautern holte das Team sieben Punkte und fing sich dabei nur einen Gegentreffer. Der Blick auf die Tabelle (Platz 15, zwei Punkte auf Platz 16) zeigt, dass diese sieben Punkte auch zwingend notwendig waren. Andernfalls hätte Braunschweig schon etwas den Anschluss an das rettende Ufer verloren.

Interessant ist, dass Eintracht Braunschweig in dieser Saison sowieso in Serien zu arbeiten scheint. Zum Saisonstart gab es erstmal vier Niederlagen ohne eigenen Treffer. Dann gab es zwischendurch acht Spiele ohne Niederlage (vier Unentschieden, vier Siege) ehe von zwölf Spielen nur eines gewonnen werden konnte und dann die aktuelle Serie gestartet wurde.

Pizza-Grafik mit Kern-Statistiken von Eintracht Braunschweig nach 27 Spieltagen der Saison 22/23.

Fabian Hürzeler beschreibt Eintracht Braunschweig sehr passend als „eine Mannschaft, die extrem kompakt agiert und überdurchschnittlich gut umschaltet“. Genau das sieht man auch in den Daten: Kein Team hat durchschnittlich weniger Ballbesitz als Braunschweig und einen solch hohen PPDA-Wert. Der FC St. Pauli muss sich also darauf einstellen viel Zeit in der hinteren Reihe mit dem Ball zu haben, im letzten Drittel dafür aber umso mehr Druck zu erfahren.

Und der FC St. Pauli muss auf das Umschaltverhalten von Eintracht Braunschweig vorbereitet sein. Im Hinspiel zeigte sich, wie gefährlich es ist, wenn die Konterabsicherung nicht so richtig sitzt: Im zweiten Abschnitt gelang es Braunschweig mehrfach in Überzahl auf das FCSP-Tor zuzulaufen. Dabei geht das Team von Michael Schiele immer ins Risiko, wie die schlechte Quote bei Pässen ins letzte Drittel zeigt. Aber der Erfolg gibt ihnen recht: Bei der Anzahl an Ballkontakten im gegnerischen Strafraum und den xG-Werten ist das Team erfolgreicher als viele andere Abstiegskandidaten.

Für dieses schnelle Konterspiel habe Eintracht Braunschweig auch genau das richtige Personal, meint Fabian Hürzeler: „Sie haben auch die Spieler zum Umschalten mit Donkor als linker Außenverteidiger und Multhaup auf rechts. Vorne haben sie mit Ujah einen Spieler, der über extreme individuelle Klasse verfügt, der die Bälle festmacht. Dann rücken entweder Kaufmann und Pherai oder Lauberbach nach. Und alle verfügen über viel Speed. Das wird nicht einfach.“

Neben dieser offensiven Geschwindigkeit hebt Hürzeler Sechser Jannis Nikolaou hervor, der die entsprechenden Pässe nach vorne spielt. Ich möchte noch die Innenverteidigung mit Winter-Neuzugang Hasan Kurucay und vor allem Filip Benkovic (hat die beste Kopfballquote aller Zweitligaspieler) hervorheben. Für den FC St. Pauli wird es darum gehen die kompakte Spielweise von Eintracht Braunschweig aufzubrechen, Timo Schultz nannte das immer den Gegner „in Bewegung“ zu bringen.

Mögliche Aufstellung

Fraglich ist nicht nur die personelle, sondern auch die spieltaktische Anordnung, mit der Eintracht Braunschweig am Millerntor auftreten wird. Das Team agierte zuletzt in einem 3-4-2-1, davor aber mit einem 4-2-3-1. Da Pherai nicht einsatzfähig ist, könnte auch die Formation mit einer Dreierkette etwas wackeln. Mit Kaufmann und Lauberbach (oder Multhaup) stünden in der Offensive Außenspieler zur Verfügung. Entsprechend könnte ein 4-2-3-1 passen, aber wohl nur wenn Manuel Wintzheimer die zentrale Position übernimmt.

Fabian Hürzeler vermutet Braunschweig jedoch eher mit einer Dreierkette, wird seine Spieler aber „auf beide Systeme vorbereiten“. Ohnehin mag zwar die Formation eine andere sein, an den Prinzipien des Braunschweiger Spiels ändert sich aber wenig. Der FC St. Pauli ist ganz sicher gefordert mit viel Geduld und entsprechender Absicherung zu agieren. Für Hürzeler ist es jedenfalls „das schwerste im Fußball gegen tiefstehende Gegner Lösungen zu finden.“ Ich tippe übrigens auf das 4-2-3-1.

Erwartete Aufstellung beim Spiel FC St. Pauli gegen Eintracht Braunschweig.

Beim FC St. Pauli sind keine Veränderungen im Vergleich zum Auswärtssieg in Heidenheim zu erwarten, sofern Eric Smith nicht wieder fit ist und sich kein Spieler verletzungsbedingt abmelden muss. Wenn überhaupt, dann könnte Betim Fazliji eine Rolle spielen, da der FCSP schon recht klar ohne Smith Schwierigkeiten im eigenen Aufbauspiel hatte und Fazliji diese Rolle am ehesten übernehmen könnte. Denkbar wäre auch eine größere Rolle von David Otto, der sich in den letzten Minuten gegen Heidenheim sehr spielfreudig zeigte. Connor Metcalfe könnte für ihn weichen (Daschner wäre dann wohl auf der Außenbahn im Einsatz). Auf der anderen Seite und das halte ich für wahrscheinlicher: Never change a running system!

Der FC St. Pauli kann mit einem weiteren Sieg an seiner historischen Serie weiterschrauben. Sicher ist aber auch: Es handelt sich um ein weiteres „Do or Die“-Spiel im Aufstiegskampf. Eine Niederlage könnte bereits das Ende aller Hoffnungen bedeuten, die gerade erst so richtig angefangen haben. Ein Sieg hingegen könnte, je nachdem wie Heidenheim (Freitag) und der HSV (Samstag) spielen, einen weiteren Schritt im Aufstiegsrennen bedeuten.
Forza!
// Tim

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2 thoughts on “Vorbericht: FC St. Pauli – Eintracht Braunschweig (28. Spieltag, 22/23)

  1. Ich glaube auch, dass Braunschweig eine harte Nuss wird. Zumal wir bereits gegen Fürth, vor allem gegen Regensburg nicht gerade in der üblichen „Heimspielform“ waren. Braunschweig sah zudem bisher in den Spielen gegen kurzpaßorientierte (Spitzen-)Teams ziemlich gut aus und konnte auch einige Achtungserfolge erzielen. Kompakt stehen und auf Ballgewinne warten liegt ihnen. Passender Weise haben wir uns zuletzt auch wieder eine Reihe von unnötigen Ballverlusten durch individuelle Fehler geleistet, die Braunschweig sicherlich dankbar annehmen wird.
    Ein durchaus interessanter Fakt zu Braunschweig ist übrigens noch, dass sie 12 Gegentore nach Standards gefangen haben (ohne Elfer), nach Magdeburg (14) der zweitschlechteste Wert der Liga. Vielleicht kann ja mal wieder ein Airvine-Kopfball den Dosenöffner geben!?

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