Bielefeld away

Bielefeld away

Ich wollte dich nur mal darüber informieren, dass ich jetzt mal zum Arzt fahre, weil mir Samstag ein Holzphahl auf den Fuß gefallen ist.“ Das war die kurze Info, die ich gestern um 12.00 vom Autofahrer für die Fahrt nach Bielefeld erhielt. Keine große Sache dachte ich zuerst, einfach ne Salbe drauf und dann geht das schon. „Ich habe mir den Fuß gebrochen.“ war dann um 13.30 schon die weit schlechtere Nachricht, die ich erhielt. Nun hatte ich Stress, musste ich mir doch eine neue Bielefeld-Reisegruppe suchen. Da Fanladen-Tours für die Hinfahrt ausgebucht waren, bot sich ein Neun-Sitzer ab Stresemannstr. spontan an, aber eben nur für die Hinfahrt. Egal, die Rückfahrt kriege ich schon organisiert dachte ich mir und machte mich auf den Weg. Das Twitter-Netzwerk funktionierte auch überragend und ich hatte innerhalb kürzester Zeit mehrere Rückfahrmöglichkeiten und war gerade im Begriff zu wählen (an dieser Stelle nochmal danke für die vielen Leute, die mir, obwohl völlig unbekannt, Rückfahrplätze anboten), als mich die Nachricht „Mein Fuß ist doch nicht gebrochen.“ erreichte. Also alles beim Alten, nur dass ich mir mächtige Blasen an den Fersen gelaufen hatte. Ich habe Urlaub und ehrlich gesagt seit gut drei Wochen kein festes Schuhwerk mehr an meine Füße gelassen, Das rächte sich bitter auf dem Fußweg von Zuhause zum Treffpunkt. Und noch mehr rächte es sich dann in Bielefeld, wo wir halblegal in einem Hinterhof parkten mit massig Metern zwischen Auto und Gästeblock. Ich möchte nur ungern jammern, aber scheiße tat das weh! Egal, ab heute dürfen meine Füße wieder den lieben langen Tag Luft schnuppern, ich habe nämlich noch ne Woche Urlaub. Kommen wir also zum wesentlich wichtigeren Thema: dem Ende der Sommerpause.

Und wie das so ist, wenn sich Dinge dem Ende zuneigen, wird auch gerne immer Rückschau gehalten und geschaut, ob das nun alles gut war wie es ist oder ob da irgendwas hätte besser laufen können. Bei der Pressekonferenz am Sonntag vor dem Spiel wurde einmal mehr deutlich, dass zumindest nicht alles gut war und ist beim FCSP. Das ist nix was wir nicht schon vorher gewusst hätten, nur hat Jos das möglicherweise zu einem nicht ganz so günstigem Zeitpunkt klargemacht (oder vielleicht genau zum richtigen?). Jedenfalls hat er deutlich zu verstehen gegeben, dass das Team in seiner jetzigen Zusammen- und (das erregte mehr Aufmerksamkeit) Einstellung nicht aufstiegsreif ist. Das ist aber nun auch nicht wirklich verwunderlich, da wir ja alle sehen konnten, dass das Team bereits letzte Saison nicht aufstiegsreif war und sich in der personellen Zusammensetzung nicht viel geändert hat.
Und was die Einstellung betrifft, so habe zumindest ich auch nicht entsetzt „Da fehlt es einigen an der richtigen Eisntellung im Team?!“ aufgeschrien. Nein, diese Info gab es bereits zu Hauf während der Rückrunde zu hören, ja auch von Spielern, mehr oder weniger deutlich.
Was also war so krass und so neu und so untragbar an der PK? Der Zeitpunkt? Vielleicht schlecht gewählt, ja. Das Spiel in Bielefeld hat aber eher das Gegenteil gezeigt, mit einem Team auf dem Rasen, dass 95 Minuten alles gegeben hat. Vielleicht also doch ein Wachrütteln zur rechten Zeit? Wir werden es in den nächsten Wochen sehen. Für mich scheint Jos Luhukay ein Getriebener zu sein, ein Trainer, der immer das Maximale aus seinem Team holen will und dabei auch mal aneckt. Ganz vielleicht ist das ja genau der Typ Trainer, den die Spieler gebrauchen können?
Genug davon, ich habe ja doch keine Ahnung und spekuliere hier nur so vor mich hin.

Kommen wir zum Spiel:
Man kann es drehen und wenden wie man will, Arminia Bielefeld ist unter Uwe Neuhaus ein Team das Fußball spielen will. Wie alle Teams unter Uwe Neuhaus. Und wir sollten alle kurz innehalten und ihm danken. Danken dafür, dass er in dunklen Phasen der Fehlervermeidungsstrategien aller Teams der 2.Liga einfach weiter mutigen Ballbesitzfußball hat spielen lassen und es weiterhin tut. Ob bei Dresden, Union oder jetzt in Bielefeld, der Fokus liegt auf Ballbesitz. Finde ich sehr ehrenwert. Das gehört jetzt zwar nicht unbedingt zum eigentlichen Spielbericht, aber ich musste das einfach loswerden.

Der FCSP beginnt im 4-1-4-1 mit Hornschuh auf der Sechs und Knoll in der Innenverteidigung. Diese Aufstellung war nach der Vorbereitung und der Verletzung von Østigård nicht unbedingt überraschend. Und wenn man ehrlich ist, dann war auch die Aufstellung von Conteh keine Überraschung, nachdem er schon in den Testspielen jeweils zur ersten Elf gehörte. Und während Hornschuh und Conteh getrost als Gewinner der Vorbereitung aufgezählt werden dürfen, müssen wir festhalten, dass Sahin nicht einmal im Kader stand, Sobota und Buchtmann keine Optionen trotz Bedarf auf ihren Positionen während des Spiels gewesen sind. Aber bevor ich auch hier wieder ins Reich der Spekulation abdrifte zu den Hard Facts:
Der FCSP spielte in der ersten Halbzeit ein sehr tiefes 4-1-4-1. Diese Formation wurde bereits in der letzten Saison gespielt und manch einer fragte sich zu Beginn sicher, wo denn nun der von Luhukay angekündigte „permanente Stress“ ist, den die Gegner haben sollten, das mutige Vorwärtsverteidigen und der konsequent flache Aufbau. Nun, es hat ja doch schon so seine Vorteile, wenn ein Trainer schon etwas länger in der Liga ist. In unserem Fall sind es vier Monate und Jos Luhukays erstes Heimspiel war gegen? Richtig, Arminia Bielefeld. In kleinteiliger Auflösung ist der Spielbericht hier nachzulesen (Klick!). Kurzgefasst: Jos Luhukay hatte den „permanenten Stress“ gegen Bielefeld in der 1.Halbzeit damals im April schon ausprobiert und Bielefeld hatte diesen Stresstest mit Sternchen bestanden. Daher ließ Luhukay sein Team in der zweiten Halbzeit in einer anderen, viel besser funktionierenden Formation auflaufen: dem 4-1-4-1.
Der Unterschied zum 4-1-4-1 aus dem April zu dem von gestern war der Abstand zwischen den Ketten. Während im April die Ketten vertikal noch recht weit auseinandergezogen waren, gab es gestern praktisch keine Räume zwischen den Ketten beim FCSP. Dabei wurde dann die Vierekette im Mittelfeld zu einer Fünferkette mit Hornschuh zentral. Dadurch konnten die äußeren Mittelfelder recht gut die Räume auf den Außenbahnen besetzen.
Zusätzlich setzte der FCSP im Offensivbereich auf Geschwindigkeit, welche sich in den Umschaltmomenten bezahlt machte.
Bestes Beispiel das Tor von Conteh:

Und weil’s so schön war:

Umschaltfußball funktioniert halt dann richtig, wenn Aktionen im höchsten Tempo vollzogen werden. Unsere Offensive, die gestern auf dem Platz stand, hat alle Fähigkeiten dazu (kein Nachtreten, aber mit Allagui und Meier ist das einfach nicht möglich gewesen).
Bielefeld setzte, da von Uwe Neuhaus trainiert, auf gepflegten Ballbesitzfußball im nominellen 4-3-3, mit viel Positionsspiel. Das sah vor allem in der ersten Halbzeit nach brotloser Kunst aus, hatte aber doch recht viele durchdachte Bewegungen und Laufwege inne. So rückte Yabo gerne aus dem Zentrum auf die Außenposition oder gar ins Sturmzentrum, um die Bereiche zu überladen. Klos hingegen war für einen Mittelstürmer sehr beweglich und versuchte häufig sich von Avevor/Knoll zu lösen. Ein probates Mittel waren immer wieder Diagonalbälle aus den Halbräumen hinter Park/Buballa, wodurch sich viele gute Querpassoptionen boten, die aber meist ins Leere liefen oder geblockt wurden. Richtig zwingende Torchancen erspielte sich Bielefeld in Halbzeit eins nicht.
Zum Ende der Halbzeit gab es dann tatsächlich eine Phase in der auch der FCSP mal im Ballbesitz flach hinten raus spielte. Das wurde, wenn nicht direkt hoch gepresst, von Bielefeld im 4-4-2 (flach) erwartet. Auffällig war hierbei, dass dem FCSP in den Halbräumen viel Platz und Zeit gegeben wurde. Allerdings war das Zentrum auch nur mit Diamantakos oder gar nicht besetzt.

Leider kam dann in der besten Phase unseres Spiels der Halbzeitpfiff, ich zog währenddessen von recht weit oben im Gästeblock (gute Sicht, Stimmung okay) nach unten (miese Sicht, Stimmung „Melting Pot“). Was ich aber sehr wohl erkennen konnte waren höher stehende Außenverteidiger bei Bielefeld als in Halbzeit eins, die Miyaichi und Conteh mit in die letzte Reihe zwangen (und so viel Platz für zweite Bälle in den Halbräumen schafften). Und ganz allgemein fehlte einfach die Entlastung im Spiel. Da kannste noch so gut stehen und diszipliniert verteidigen. Wenn nahezu ohne Pause Angriffswelle um Angriffswelle auf dich rollt, dann ist es nur logisch, dass sich da Chancen ergeben und dann auch mal der ein oder andere Laufweg nicht stimmt und Zweikampf verloren geht. Betracht man das Spiel als Ganzes, so ist das 1-1 natürlich vollkommen verdient.

Für die Saison wird es wichtig und wünschenswert sein, dass Mats Møller-Dæhli und Finn Ole Becker fit bleiben. Damit stellen wir alle Teams der zweiten Liga vor schwierig zu lösende Aufgaben im Zentrum. Und wo wir schon bei Wünschen sind, die wir alle tagtäglich mantraartig durchführen sollten, könnten wir Diamantakos in die Liste aufnehmen. Der Typ ist mega unangenehm. Wenn der in den gegnerischen Teams spielen würde, hätte ich ne Menge Schimpfwörter für ihn übrig. Ständig reitet er die Stürmerfoul-Welle par excellence, springt in Kopfballduellen ohne Chance auf den Ball in den Gegenspieler. Und dass nur damit der nicht kontrolliert den Ball köpfen kann und wir auf den zweiten Ball gehen können. Mega stark.
Achja, wenn die alle mal gesund bleiben würden… ich habe jetzt schon wieder Angst vor diesen Twitter-Nachrichten des Vereins „…XY brach Training ab und ist zur weiteren Untersuchung in die Endo-Klinik…„, „…fällt bis auf weiteres mit einem Riss des vorderen SchwurbelDurbelbands aus…„.
Wie dem auch sei, so bitter das 1-1 in der 90. Minute auch war, so gut ist das Ergebnis vor dem Hintergrund der letzten Ereignisse. Klar, der Unterschied zur Vorsaison war jetzt nicht so deutlich erkennbar, aber da sollten wir alle auf Freitag warten mit unserem Urteil. Gegen Fürth werden wir sicher ein ganz anderes Spiel des FCSP erleben und sehen was sich da im Sommer in puncto Ballbesitz getan hat. Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen und nach gestern ist auch ein wenig Vorfreude dabei. Und ganz vielleicht sind bis dahin meine offenen Fersen abgeheilt und ich kann ins Stadion gehen…

// Tim

Links:
– Bericht South End Scum: „Matchday 01“ (English)

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10 thoughts on “Bielefeld away

  1. Auch von mir besten Dank für deine interessante Analyse. Zu den positiven Aspekten in der ersten Halbzeit würde ich – in der Phase nach der Führung – noch das punktuelle Gegenpressing zählen bei dem teilweise vier bis fünf Spieler als Block gut aufeinander abgestimmt agiert haben (habe dazu zwei, drei Szenen vor allem auf unserer rechten Angriffsseite im Kopf).

  2. Ganz vergessen: in der Halbzeit hatten wir laut whoscored eine Passquote von 84% – hab ich glaube ich wirklich noch nie gesehen bei unserem FCSP. Am Ende immerhin noch 73% was nach der Abwehrschlacht – mit entsprechend deutlich mehr langem Hafer – immer noch ordentlich und über vielen Heimspiel Werten der letzten Saison liegen dürfte.

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