Immer weiter vor(rücken)!

Immer weiter vor(rücken)!

Der Derbysieg hallt noch nach. Wir hoffen, dass er das noch lange tut. Doch gab es in der letzten Saison eher das Gefühl, dass Derbysiege verflucht schienen, so werte ich die Ereignisse vom Wochenende mal als Gegenteil. Der FCSP gewinnt ein Spiel nicht nur dank seiner Derby-Aufstellung, nein, er gewinnt auch dank der Derby-Einstellung (und in Aue passierte es genau andersherum). Endlich mal konnten wir auch Leistungen aus emotionalen Spielen gegen Teams aus der mittleren Attraktivitätsschublade abrufen (den Begriff „Nordderby“ beim Spiel FCSP – Osnabrück verwenden ausschließlich NDR2-Hörer).

Vollkommen zurecht haben wir den Derbysieg beim ersten Heimspiel nach der Verteidigung der Stadtmeisterschaft ausgiebig gefeiert. Haben wir uns alle verdient. Und die Choreo sah einfach großartig aus:

Zum Spiel:
Eigentlich gehört der VfL Osnabrück in die Kategorie „unangenehm“. Es zeigte sich jedoch in der ersten Halbzeit, dass wir, wenn wir richtig bei der Sache sind, den Rahmen dieser Kategorie sprengen können. Der FCSP startet, wie bereits erwähnt, in der Derby-Formation, also nominell einem 3-5-2 (oder 3-1-4-2, da Benatelli schon ne klare Sechs spielte). Diese Formation zeigte sich sehr viel gefestigter als noch beim Derby, hatte aber auch offensiv ein klares Ungleichgewicht in den Positionen (dann müsste man es eher ein 4-2-4 nennen, aber später mehr dazu). Die Übergaben der Gegenspieler und allgemein die Positionierung im Pressing war vor allem zu Beginn wirklich sehr, sehr gut.

Der VfL Osnabrück stellte sich, recht untypisch, hatten sie die gesamte Saison über doch nahezu immer mit einer 4er-Kette agiert, in einem 3-4-3 auf den Platz. Und genau diese 3er-Kette stellte für Osnabrück ein Problem dar. Denn der FCSP hatte einen recht simplen, aber absolut wirkungsvollen Plan bei Ballbesitz Osnabrück: Die Formation von Osnabrück wurde auf dem Spielfeld gespiegelt. Hierbei rückte Sobota vorne zwischen die Spitzen Veerman und Diamantakos auf (und bildete so ebenfalls ein 3-4-3). Das sorgte für enge Räume bei Osnabrücker Ballbesitz, hohes Pressing und viele lange Bällen, die meist an Leo Østigårds Kopf endeten.

Die defensive Formation des FCSP in der ersten Halbzeit. Bei Ballbesitz Osnabrück spiegelte der FCSP die Formation des VfL und erzwang damit viele lange Bälle.

Offensiv bot der FCSP in der 1.Halbzeit ebenfalls einiges an, nämlich endlich wieder mal Marvin Knoll in Bestform. Man könnte ihn fast als hängende Spitze bezeichnen, da er sehr häufig vorne mit einrückte. Dadurch konnte vor allem Diamantakos häufig auf die linke Seite ausweichen, ohne, dass der zentrale Raum hinter Veerman unbesetzt blieb. Oder es war Knoll höchstselbst, der den Raum auf links besetzte. Völlig zurecht wurde Knoll bei gleicher Spielweise mal als „freies Radikal“ in den Kommentaren auf dieser Seite bezeichnet. Ganz schwer zu verteidigen, da er sich durch seine freien Bewegungen hinter der Spitze einer gegnerischen Zuordnung gut entziehen kann. Meiner Meinung nach war Knoll daher nicht nur wegen zweier Torvorlagen einer der entscheidenen Faktoren des Spiels.
Dieses Positionsspiel von Knoll führte zu einer ungleichen Spielweise der Flügelverteidiger Miyaichi und Penney. Denn während Miyaichi ebenfalls bei Ballbesitz häufig vorückte, war auf der linken Seite der Raum vor Penney meist bereits durch Knoll oder Diamantakos besetzt, weshalb er wesentlich seltener mit vorrückte. Dadurch blitzte dann im Aufbau auch häufiger eine Art Vierekette hinten und vorne bei uns auf und man müsste die Offensiv-Formation als 4-2-4 bezeichnen (ich habe also bereits ein 3-5-2, 3-1-4-2, 3-4-3 und nun ein 4-2-4 als Formation benannt… wartet, da kommt noch was!).

Der Plan mit der Spiegelung in der Defenisve und dem Rausrücken von Knoll in der Offensive ging auf. Der FCSP führte vollkommen verdient mit 2-0 zur Halbzeit. Also mal wieder ein guter Matchplan des Trainerteams. Dieses hohe Vorrücken des FCSP hat sich einfach bezahlt gemacht und ist ne echt harte Nuss für gegnerische Teams.
Schmerzhaft im wörtlichen und übertragenden Sinne dann kurz vor der Halbzeit leider die Verletzung von Henk Veerman. Es bleibt inständig zu hoffen, dass es sich nicht um eine langfristigere Verletzung handelt (MRT-Untersuchung ist heute). Henk ist einfach nicht zu ersetzen und für das Spiel des FCSP einfach unglaublich wichtig, da er inzwischen immer mehr als einen Verteidiger bindet (und die ihn trotzdem nicht verteidigt bekommen).

Wie kann man gegen so eine Spiegelung der Formation vorgehen? Man stellt eine Formation auf den Platz, bei der sich der Gegner eine solche Spiegelung nicht mehr erlauben kann. Osnabrücks Trainer Daniel Thioune reagierte zur zweiten Halbzeit richtig und änderte zwei Dinge:
1. Er stellte hinten auf eine Viererkette um. Dadurch wäre die komplette Spiegelung der Formation für den FCSP erheblich riskanter geworden, da es nun nicht drei sondern vier Spieler in vorderster Reihe benötigt hätte, um zu spiegeln.
2. Die Außenstürmer Henning und Ouhaim positionierten sich nun nicht mehr dicht bei Mittelstürmer Girth sondern nahe an den Außenlinien. Die mannorientierte Dreierkette des FCSP wird dadurch maximal auseinandergezogen, sodass eine Viererkette unumgänglich war (da sonst zentral einfach zuviel Raum gewesen wäre).

Es war dann Penney, der sich in die Kette fallen ließ und somit bildete sich defensiv ein 4-3-3 beim FCSP. Übrigens war es nicht das erste Mal in dieser Saison, dass ein gegnerisches Team genau so auf die Formation des FCSP reagierte. Das Gleichnis zum Heimspiel gegen Arminia Bielefeld ist enorm, wenngleich Arminia-Trainer Uwe Neuhaus die Umstellungen bereits während der ersten Halbzeit vornahm und Thioune damit bis zur Halbzeit wartete.

Die defensive Formation des FCSP in der 2.Halbzeit: Meist ein 4-3-3, wenngleich diese Formation von Osnabrück immer wieder kräftig durcheinandergewirbelt wurde. Beachtet die Positionierung der äußeren Mittelfelder von Osnabrück im Vergleich zum Bild aus der ersten Halbzeit. Diese standen nun sehr viel breiter, weshalb eine Dreierkette des FCSP nicht mehr haltbar war.

Der FCSP kommt aus der Kabine, wie ein Team mit einem 2-0 im Rücken aus der Kabine kommen muss, legt den Hammer auf den Tisch und erzielt das 3-0. BÄM! Doch simultan zum Himmel, aus dem kurze Zeit später alle Formen des Niederschlags kamen, änderte sich auch auf dem Spielfeld einiges. Denn Osnabrück bot nun deutlich mehr an als in der ersten Halbzeit und wusste mit Kombinationen zu gefallen. Zuerst war es Kapitän Blacha, der hinten rechts einrückte. Heyer, in Halbzeit eins noch rechter Innenverteidiger, agierte nun zentral vor der Abwehr. Köhler rotierte irgendwie dazwischen auf halbrechts. Spätestens als Offensivspieler Henning im Spielaufbau zwischen den Innenverteidigern auftauchte und Schmidt auf dem Spielfeld war (wundert mich, dass der nur eingewechselt wurde, fand ich wahnsinnig stark), hörten Wolf und ich beim AFM-Radio damit auf die Positionen zu notieren. Eine weitere richtige Reaktion auf die Mannorientierungen des FCSP waren nämlich massive Roationen im gesamten Verbund. Denn dadurch wurden die FCSP-Spieler immer wieder vor die Frage gestellt, ob sie die Wege mitgehen sollen oder nicht. Da musste dann sehr viel mehr Abstimmung stattfinden, als noch in der ersten Halbzeit.
Das Defensivspiel des FCSP wurde also mehr oder weniger komplett aus den Angeln gehoben. Die Folge war ein sehr viel besserer VfL Osnabrück, der das Tor zum 3-1 dann jedoch sehr spät und in bester K(S)acktor-Manier erzielte. Da war dann doch nochmal ein wenig durchbeißen angesagt. Das wäre natürlich nicht nötig gewesen, wenn wir eine der vielenvielen Umschaltsituationen gewinnbringend abgeschlossen hätten. Sinnbildlich dafür Waldemar Sobota, der im 1-gegen-1 mit Torwart Kühn von seinem Standbein gefoult wurde…

So liest sich nach Spielende die Torschussstatistik geradezu erschreckend aus FCSP-Sicht: 13 zu 24 Torschüsse. Wobei bei Osnabrück von den 24 Torschüssen ganze 12 geblockt und 11 außerhalb des Strafraums abgegeben wurden. Beim FCSP wurden nur 3 von 13 Torschüssen außerhalb des Strafraums abgegeben. Und einer davon war das 2-0 von Sobota.
Mit nun 29 Punkten haben wir uns ganz leicht ins Mittelfeld der Liga absetzen können. Doch die Punktzahl und Position ist trügerisch, das nächste Spiel in Sandhausen wird nicht minder schwer. Immer weiter vor!

Es war klar, dass auch bei uns nach den Ereignissen von Samstag in den Blöcken über Nacht noch Tapeten gemalt und gebastelt werden würden. Keine Frage, wir teilen die gezeigten Schriften: In der Nordkurve wurde „Für beleidigten Mäzen unterbrechen – Rassismus ignorieren – Scheiss DFB!“ hochgehalten. Die Südkurve brachte: „Rassismus? Sexismus? Homophobie? Scheissegal! – Für den moderen Fussball seid ihr da – Fickt Euch!„. Und während es bei einer Vielzahl von Spielen am Sonntag zu Unterbrechungen wegen Tapeten und Gesängen in diese Richtung kam, war dies am Millerntor nicht der Fall. Sportchef Andreas Bornemann brachte es eigentlich sehr gut auf den Punkt (gesagt beim NDR im Radio): „Den Fans geht es darum, dass man diese Konsequenz aus Sinsheim auch bei anderen Themen und bei allen Klubs und am besten allen Menschen lebt.

Zum Abschluss der Derbysiegerwoche stand der Derbymarsch an, der von so unglaublich viel Polizei samt massivster Ausrüstung begleitet wurde, dass man fast meinen könnte die FCSP-Anhänger hätten das Derby verloren und massive Prügel für die gesamte Menschheit angekündigt. Unfassbar. Trotzdem ein würdiger Abschluss.

Aber damit das mal klar ist: Die Derby-Einstellung des Teams sollte zum Normalfall werden! Oft genug haben wir mit ansehen müssen, dass auch nur ein Prozent weniger an Einsatz, Willen, etc. zu wenig bis gar keinen Punkten führt. Das sollte nun auch wirklich jede*r kapiert haben. Denn nur so können wir Punkte sammeln. Bis wir 40 davon zusammen haben, sammeln wir die gegen den Abstieg und, wenn es so weiter geht, dann auch gegen die Vermutung von Jos zu Saisonbeginn, dass wir froh sein können, wenn wir 9. in der Abschlusstabelle werden.

// Tim

Bilder (auch von Choreo, Regen und Tapeten): Stefan Groenveld: Derbyfluch besiegt

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