Vier Siege aus den letzten fünf Spielen haben den FC St. Pauli von den Abstiegsplätzen herauskatapultiert. Ein Grund für die jüngsten Erfolge ist sicher die Kontinuität der Startelf. Zudem haben einzelne Spieler ihre Leistungen auf dem Platz stark verbessert. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass der aktuelle Erfolg nicht nur Gewinner im Kader bringt.
(Titelbild: Peter Böhmer)
Ich hatte es im gestrigen Artikel zur allgemeinen Lage der 2.Liga angekündigt. Hier ist sind die InStat-Indexe der FCSP-Spieler, aufgeteilt nach den über die gesamte Saison, seit 2021 und denen der letzten fünf Spiele in einer sortierbaren Liste:
Saison | Kalenderjahr | letzte 5 Spiele | |
---|---|---|---|
Name | Index | Index | Index |
Daniel-Kofi Kyereh | 255 | 267 | 284 |
Rodrigo Zalazar | 253 | 264 | 286 |
Rico Benatelli | 247 | 261 | 251 |
Sebastian Ohlsson | 246 | 243 | 245 |
James Lawrence | 239 | 243 | 243 |
Guido Burgstaller | 239 | 251 | 259 |
Adam Dźwigała | 239 | 239 | 237 |
Philipp Ziereis | 237 | 231 | 226 |
Christopher Avevor | 237 | ||
Finn Ole Becker | 235 | 244 | 242 |
Luca Zander | 231 | 226 | 226 |
Leart Paqarada | 228 | 238 | 246 |
Daniel Buballa | 227 | 219 | 209 |
Maximilian Dittgen | 225 | 204 | 232 |
Omar Marmoush | 225 | 225 | 219 |
Marvin Knoll | 224 | 199 | |
Jannes Wieckhoff | 224 | ||
Eric Smith | 221 | 221 | 221 |
Lukas Daschner | 220 | 217 | |
Leon Flach | 218 | 218 | 213 |
Afeez Aremu | 217 | 225 | 225 |
Simon Makienok | 205 | 186 | 190 |
Igor Matanović | 197 | 200 | 207 |
Dejan Stojanović | 225 | 225 | 221 |
Robin Himmelmann | 224 | ||
Svend Brodersen | 212 |
Die Besten
(Indexe von InStat, alles weitere von WyScout)
Es dürfte nur wenige von uns verwundern, dass Daniel-Kofi Kyereh und Rodrigo Zalazar in dieser Liste ganz oben zu finden sind. Beide Spieler haben gerade in den letzten Spielen mit ihren Leistungen enorm zum Erfolg des FCSP beigetragen. Zusammen mit Finn Ole Becker, der nach meiner Ansicht und auch basierend auf den WyScout-Daten bei InStat viel zu schlecht wegkommt, bilden diese Spieler eines der besten Mittelfeld-Trios der Liga.
Daniel-Kofi Kyereh war laut WyScout an 12 Treffern des FCSP direkt beteiligt (das Foul, das er zum Elfmeter im Spiel gegen Nürnberg gezogen hat, wird nicht mitgezählt). Mit diesen 12 Torbeteiligungen ist er ein Überperformer, da sein zusammenaddierter xG- und xA-Wert bei 7.9 liegt. Zusätzlich hat er auch zwei Secondary Assists (der Pass vor dem letzten Pass) diese Saison vorzuweisen. Damit war er an 14 Toren direkt beteiligt, was bei 31 Toren insgesamt also fast die Hälfte aller FCSP-Tore ist.
Seine Stärken lassen sich vor allem an zwei Statistiken ablesen: Mit 50% gewonnener Dribblings weist er für einen zentralen Offensivspieler eine gute Quote auf (und liegt mit 5.3 Dribblings pro Spiel auf Platz 20 der Liga). Zusätzlich tut seinem Spiel die Position mit zwei Stürmern vor ihm anscheinend gut: Neben seinen Torvorlagen spielt Kyereh pro Spiel im Schnitt 0.7 Key Passes (Pässe die zu klaren Torchancen führen, aber nicht zu Toren) und knapp einen Through Pass (Pass hinter die letzte Defensiv-Reihe des Gegners). Inzwischen wird Daniel-Kofi Kyereh bei WyScout als zweitbester offensiver Mittelfeldspieler geführt.
Auch Rodrigo Zalazar ist zweitbester Spieler nach WyScout auf seiner Position im zentralen Mittelfeld. Auch bei ihm sind die Gründe ähnlich: Zalazar spielt ebenfalls 0.7 Key Passes pro Spiel, ist in 54% seiner Dribblings erfolgreich (mit 5.9 Dribblings pro Spiel auf Platz 14 der Liga) und spielt 0.8 Through Passes pro Spiel (jeder zweite kommt an – richtig stark!).
Die Aufsteiger
Hinter diesen beiden Top-Spielern gibt es eine Reihe von Akteuren, die ihren Index ebenfalls in letzter Zeit durch Leistungen in die Höhe getrieben haben.
Zum Beispiel Leart Paqarada, dessen Index über die gesamte Saison bei 228, im Kalenderjahr bei 238 und im Schnitt der letzten fünf Spiele bei 246 liegt. Auf dem Feld ist spürbar, dass Paqarada mit jedem weiteren Spiel immer besser mit dem Team und seiner Rolle darin zurechtzukommen scheint.
Mit einem xA-Wert von 2.9 liegt Paqarada in dieser Kategorie unter den Top20 der Liga. Grund hierfür sind 4.3 Flanken pro Spiel (Top15), von denen er gute 33% zum Mitspieler bringt – ebenfalls Top15 der Liga.
Besonders der Vergleich zum etatmäßigen Rechtsverteidiger des FCSP, Sebastian Ohlsson (1.9 Flanken pro Spiel, 21% erfolgreich), zeigt, dass Paqarada seine Rolle im Spielaufbau ganz anders interpretiert. Ohlsson hingegen ist so etwas wie eine der wenigen Konstanten über die gesamte Saison: Sein Index ist nahezu unverändert hoch und er ist nach dieser Bewertung der viertbeste Spieler des FCSP.
Auch Guido Burgstaller hat seinen Index massiv gesteigert und ist basierend auf dem Index der letzten fünf Spiele der drittstärkste Spieler im Kader des FCSP. Die Steigerung ist aufgrund seiner wenigen und blassen Einsätze in 2020 nicht verwunderlich. Einen ganz leichten Anstieg haben auch James Lawrence und Finn Ole Becker zu verzeichnen, der sich aber in einem so geringen Bereich bewegt, dass vermutlich ein einziges schwächeres Spiel diesen Trend wieder umkehren könnte.
Ich hatte ja bereits erwähnt, dass Finn Ole Becker aus meiner Sicht im InStat-Index unterschätzt wird. Er mag nicht einer der quantitativ fleißigsten Dribbler sein, aber ist mit einer Erfolgsquote von 78% der beste Dribbler der Liga.
Noch stärker ist Finn Ole Becker in einer anderen Kategorie: Er ist vermutlich der beste progressive Passspieler den der FC St. Pauli in seinem Kader hat und einer der besten der Liga. Da wären zum Beispiel die 1.3 Through Passes pro Spiel (sogar besser als Kyereh und Zalazar), sowie 1.5 Smart Passes (Pässe, die den Angriff des eigenen Teams signifikant voranbringen (z.B. gegnerische Pressingsituationen überspielen)). Zusätzlich ist Becker im Kader führend in der Kategorie Deep completions, also Pässen, die einen Mitspieler nahe am gegnerischen Tor erreichen (Radius 20 Meter vom gegnerischen Tor).
„Football is a passing game“ – der Spruch ist zwar vom American Football geklaut, aber ist ziemlich gut auf den Fußball übertragbar. Klar ist: Finn Ole Becker ist richtig gut im passing game. Das passiert eher in etwas tieferer Rolle als der von Zalazar und vor allem Kyereh und ist vermutlich deshalb etwas weniger auffällig, aber ebenso wichtig.
Die Absteiger
Aber es gibt im Kader auch einige Spieler, die ihre Leistungen aus der Hinrunde, zumindest basierend auf dem InStat-Index, nicht halten konnten. Und es handelt sich vornehmlich um Spieler, die schon länger Teil des FCSP sind:
Etwas überraschend hat der Index von Philipp Ziereis ein wenig abgebaut und ist von 237 über die gesamte Saison auf 231 im Kalenderjahr und 226 in den letzten fünf Spielen gefallen. Das verläuft schon ziemlich konträr auch zu meinen Eindrücken von Ziereis in den letzten Spielen. Allerdings: Beim Spiel gegen Heidenheim wirkte er mit der Geschwindigkeit der gegnerischen Angreifer überfordert.
Etwas heftiger ist der Abfall bei Daniel Buballa und Marvin Knoll. Beide haben entsprechend auch ihren Stammplatz verloren. Buballa (konnte im Saisonverlauf nur 37% seiner Kopfballduelle gewinnen und ist im Passspiel wesentlich ineffektiver als seine Kollegen) könnte in der Innenverteidigung nicht nur hinter das Duo Lawrence und Ziereis, sondern auch hinter Reginiussen und Dźwigała zurückgefallen sein. Auch auf der linken Verteidigerposition ist aktuell kein Vorbeikommen an Paqarada.
Der InStat-Index von Knoll ist im Kalenderjahr auf 199 gefallen. Allerdings ist die Spielanzahl auch ziemlich gering für eine stabile Bewertung. Trotzdem sind die Aussichten auf Spielzeit für Knoll ebenfalls nicht wirklich rosig. Als Innenverteidiger könnte er sogar noch hinter Buballa in der internen Rangliste liegen (wenngleich er wesentlich bessere Zweikampfwerte vorzuweisen hat). Und weiter vorne auf der Sechs sind mit Smith, Aremu und Benatelli ebenfalls einige Spieler, die momentan die Nase etwas weiter vorn zu haben scheinen.
Zwei Spieler passen aus meiner Sicht weder in die Kategorie „Aufsteiger“, noch in die Kategorie „Absteiger“:
Da wäre zum Beispiel Maximilian Dittgen, der seinen Index auf 232 in den letzten fünf Spielen steigern konnte (und damit knapp über dem Liga-Durschschnitt von 231 liegt). Trotzdem ist er aktuell kein Startelf-Kandidat. Denn seine Stärken, die letztlich auch zu den Siegtoren in Hannover und Heidenheim führten, kommen nach meinem Empfinden in der Joker-Rolle noch besser zum tragen, als wenn Dittgen von Beginn an auf dem Platz stehen würde. Entsprechend liegt sein Index als Einwechselspieler der letzten fünf Spiele deutlich höher als der Schnitt im Saisonverlauf.
Noch etwas besser, basierend auf dem InStat-Index, nämlich auf Rang drei der internen Rangliste, ist Rico Benatelli. Aber der ist aktuell gar nicht Teil der ersten Elf. Die Gründe hierfür sind nicht seinen Leistungen geschuldet. Ich sehe eher, dass ein Spielertyp wie Benatelli, der vor allem mit seiner Passstärke ein wichtiger Verbindungsspieler im Aufbau ist (mit einer Passquote von 91% der siebtbeste Feldspieler der Liga) im Spiel des FC St. Pauli momentan schlicht nicht gebraucht wird.
Der FCSP setzte in den letzten Spielen vermehrt auf Geschwindigkeit und benötigt dafür auf der Sechs einen physisch starken Spieler, der den freidrehenden Spielern vor sich den Rücken freihält. Und zusätzlich benötigt der FCSP eine gewisse Geschwindigkeit, auch im Passspiel, die ebenfalls nicht unbedingt die Stärke Benatellis ist.
Sollte der FCSP in kommenden Spielen jedoch wieder auf kontrollierten Spielaufbau und weniger Fokus auf Umschaltsituationen legen wird Rico Benatelli ganz schnell wieder Teil der ersten Elf sein (gleiches ist auch der Fall, wenn Zalazar oder Becker mal verhindert sind).
Sollte der FCSP seine Formation umstellen und zwei offensive Außenbahnspieler dafür benötigen (was vermutlich erst wieder eine Option ist, wenn mindestens Jannes Wieckhoff auf der rechten Seite einsatzbereit ist), wird auch Dittgen wieder in der Startelf stehen.
Einige Verwunderung gab es bei Einschätzungen zu den Stärken der Spieler im FCSP-Kader im Laufe der Saison von Leser:innen immer wieder, wenn Simon Makienok relativ stark eingeschätzt wurde. Dies würde sich nicht mit ihren Einschätzungen decken. Und auch wenn ich damit nicht so ganz konform gehe, da die Spielweise von Makienok eben nicht auf die üblichen Parameter eines Stürmers reduziert werden darf, irgendwo hatte ich mich auch gewundert.
Der InStat-Index listet Simon Makienok mit einem Index von 205 als zweitschwächsten Spieler des Kaders. Und auch wenn nun einige sagen mögen, dass dies auch der Leistung entspricht, so muss festgehalten werden, dass es eben immer eine Frage der Sichtweise ist, wie ein Spieler bewertet werden kann (und, ein Glück, Statistik nicht die einzige Wahrheit ist). So führt WyScout Makienok zum Beispiel auf einem zwar eher mäßigen 25.Platz unter sämtlichen Stürmern der Liga, allerdings vor einem gewissen Guido Burgstaller.
Die Torhüter
Bevor ich hier weitermache, möchte ich natürlich ganz generell einmal mehr darauf hinweisen, dass die angeführten Statistiken nur einen Teil des Wertes von Spielern für ein Team und die Spielweise angeben. Ich persönlich würde die Wichtigkeit von z.B. Guido Burgstaller und James Lawrence noch viel höher einschätzen, als es die Statistiken ausgeben.
Trotzdem sind diese Werte immer ein guter, weil halbwegs objektiver Fingerzeig auf die Leistungen der einzelnen Spieler. Und ich versuche mich mal ganz vorsichtig an einem Vergleich von Robin Himmelmann und Dejan Stojanović. Die sind nach InStat mit ihren Indexen ziemlich gleichauf – leider auf einem eher niedrigem Level. Das deckt sich auch mit den WyScout-Daten: Stojanović und Himmelmann werden auf den Plätzen 18 und 19 des Rankings der Torhüter geführt (von 21 Torhütern).
Die Stärken und Schwächen sind dabei unterschiedlich: Stojanović verlässt seinen Kasten wesentlich häufiger als Himmelmann. Dafür zeigte Himmelmann eine etwas bessere Quote bei den Reflexen. Damit die Arbeit im Tore verhindern aber eingehender bewertet werden kann, greife ich auf, natürlich, die expected Goals zurück. Dejan Stojanović hat sich 1.57 Gegentore bei einem xG von 1.37 pro Spiel gefangen. Robin Himmelmann hat 1.8 Gegentore bei einem xG von 1.46 gefangen. Ein signifikanter Unterschied ist das nicht.
Die weitere Entwicklung
Im Verlauf der Saison hat es also bereits einige Leistungssteigerungen, aber auch -abfälle gegeben. Das Prunkstück des Kaders ist die Offensive, die immer besser zu werden scheint. Bemerkenswert ist, dass vorrangig Spieler, die vor der Saison neu zum Team gestoßen sind, ihre Leistungen steigern konnten, während Spieler, die bereits länger im Verein sind das (bisher) nicht schafften. Ein ziemlich klares Zeichen, dass die viel zu oft kritisierte Transferpolitk des FCSP wohl doch nicht so unerfolgreich zu sein scheint.
Wie geht es jetzt weiter? Tja, wenn das mal kompetent beantwortet werden könnte, wie sich der Kader weiterentwickeln wird. Basierend auf den Statistiken, aber auch den visuell auf dem Platz wahrgenommenen Leistungen wird sich der Umbruch im Kader des FC St. Pauli weiter fortsetzen.
Vorerst sollte aber der Fokus darauf liegen, die gesteigerten Leistungen auf dem Platz auch weiterhin zu zeigen. Was die Gründe für die zuletzt guten Ergebnisse sind? Das ist das nächste Thema, dem ich mich aus statistischer Sicht widmen werde…
// Tim
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„Was die Gründe für die zuletzt guten Ergebnisse sind? Das ist das nächste Thema, dem ich mich aus statistischer Sicht widmen werde…“
Du scheinst Freude an Cliffhangern zu entwickeln…jedenfalls danke für den guten Überblick! Bin gespannt welche neuen Erkenntnisse (auch im Vergleich zum Artikel vom 8.2.) du dann aus den Zahlen zaubern wirst..
Ich habe da schon die ein oder andere Idee, aber es hätte den Rahmen dieses Artikels vollkommen gesprengt 😉
Moin Tim, danke für den interessanten Artikel. Hattest du irgendwo schon mal erklärt was genau die xG- und xA-Werte sind ?
Beste Grüße aus Oldenburg
Moin Henning,
immer mal wieder habe ich die Erläuterungen verlinkt und ich hatte auch immer mal wieder den Plan, die Erklärung der Kenngrößen als Artikel runterzuschreiben.
Ich fasse kurz zusammen:
expected Goals, kurz xG, gibt die Wahrscheinlichkeit an mit der ein Torschuss aus der Feldpositionen und weiteren Parametern (Kopfball oder Schuss, gegnerische Verteidiger in Schusslinie, etc.) auch ein Tor wird. Basis für die Berechnung sind tausende von Torschüssen, die analysiert wurden. Das einfachste Beispiel ist ein Elfmeter: Die Wahrscheinlichkeit, dass daraus ein Tor wird liegt bei 76%, da historisch betrachtet 76% aller Elfmeter verwandelt werden. Entsprechend wird ein xG von 0.76 hierfür angegeben (Skala von <0.001 bis 1).
Und da die Chancen direkt mit Torwahrscheinlichekiten versehen werden können, ist es auch möglich aus Torschussvorlagen mit Wahrscheinlichkeiten zu versehen, also die expected Assists (xA) zu berechnen.
Schau mal hier: https://www.bundesliga.com/de/bundesliga/news/expected-goals-xgoals-fussball-analyse-statistik-3760