Der beste Linksverteidiger der Liga?

Der beste Linksverteidiger der Liga?

Vor gut einem Jahr wechselte Leart Paqarada vom SV Sandhausen zum FC St. Pauli. Zu Beginn der Saison 20/21 war er noch nicht Teil der Stammformation. Inzwischen ist er aber eine feste Größe auf der linken Abwehrseite und aktuell wohl einer der besten Linksverteidiger der Liga. Zeit, sich die Entwicklung von Paqarada im Laufe des Jahres mal etwas genauer anzuschauen.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Einen „modernen Linksverteidiger“ habe der FC St. Pauli da verpflichtet, erzählte Stefan uns im Interview bei der Vorstellung von Paqarada im August 2020. Davon überzeugen konnten wir uns aber erst in der Rückrunde der Saison 20/21. Denn Leart Paqarada fremdelte zu Beginn der Saison ein wenig. Mit seiner Position, mit der Spielweise, vielleicht auch ein wenig mit dem FC St. Pauli. Paqarada wurde in jungen Jahren in Bremen, später dann in Leverkusen ausgebildet. Mit 19 Jahren folgte der Wechsel nach Sandhausen, wo er dann fünf Jahre blieb. Das ist für Fußballer eine bemerkenswerte Vereinstreue, ein Wechsel ist für ihn entsprechend eine eher ungewohnte Erfahrung. Stammspieler beim FC St. Pauli wurde er Ende des Jahres 2020, als Daniel Buballas Leistungen stark nach unten zeigten auf der Linksverteidiger-Position. Leistungsträger wurde er dann im Januar 2021.

Zu dieser Entwicklung haben wir Timo Schultz auf der Pressekonferenz vor dem Paderborn-Spiel befragt. „Es gibt unterschiedliche Spielertypen. Die einen brauchen nur zwei Tage um anzukommen, die anderen drei Monate. Ich denke Paqa hatte ein paar Anlaufschwierigkeiten (…).“ – Inzwischen habe er sich aufgrund seiner spieltechnischen und spieltaktischen Fähigkeiten zu einem „Top-Außenverteidiger“ entwickelt und Schultz glaubt „mit so viel Selbstvertrauen und Selbstverständnis wie zurzeit hat er noch nie gespielt. Er fühlt sich auch richtig gut.

Wenn Leart Paqarada, wie hier, Magdeburgs Obermair zum Tanz bittet, dann ist der Ball danach in 4 von 5 Fällen beim FC St. Pauli.
(imago images/via OneFootball)

Aber was sind die Stärken von Paqarada im Dress des FC St. Pauli? Schauen wir uns die Daten einmal an:
Leart Paqarada scheint sich beim FC St. Pauli von einem offensiv starken Linksverteidiger zu einem kompletten Linksverteidiger entwickelt zu haben. Ich habe keine einzige, für Außenverteidiger relevante, Statistik gefunden, in der er nicht in der Spitzengruppe der Liga zu finden ist. Er misst sich aktuell mit Tim Handwerker vom 1. FC Nürnberg und Paderborns Jamilu Collins um die Spitzenposition dieses Rankings.
Leart Paqarada ist in dieser Saison bisher der Linksverteidiger mit den meisten erfolgreichen Defensivaktionen pro Spiel. Er fing ligaweit die zweitmeisten Pässe ab, gewann 79% seiner Defensiv-Zweikämpfe und in der Luft 63% seiner Duelle. Das sind starke, nein, richtig starke Werte. Und besonders für Paqarada sind es bemerkenswerte Statistiken. Denn gerade die Defensivarbeit war bisher nicht seine große Stärke.

Denn letzte Saison, aber auch in den Jahren zuvor hat Leart Paqarada statistisch nicht so hervorgestochen. Vor allem defensiv nicht. 20/21 bestritt er defensiv nicht nur weniger Duelle, er gewann auch deutlich weniger. Auch Pässe fing er nicht so effektiv ab, wie er es aktuell tut. Das war zu seiner Zeit in Sandhausen noch viel mehr der Fall. So ist auch zu erklären, dass uns Stefan im Interview sagte, dass es durchaus mal die ein oder andere Lücke auf der Seite von Leart Paqarada gegeben hätte. Seine Spielweise hat Paqarada also durchaus geändert. Mit den nun vorhandenen defensiven Stärken ist er in seinen Eigenschaften als Linksverteidiger kompletter geworden.

„Einer der besten Linksverteidiger der zweiten Liga“

Timo Schultz über Leart Paqarada

Denn auch offensiv weist Leart Paqarada gute Statistiken auf. Er ist in nahezu allen relevanten Statistiken (expected Assists, Anzahl Flanken (+Genauigkeit), Anzahl Dribblings (+Erfolgsquote), Vorwärtspässe) in den Top5 der Liga zu finden.
Allerdings wünscht sich Timo Schultz gerade in diesen Bereichen noch viel mehr von Paqarada: „Ich würde mir wünschen, dass er noch etwas effektiver wird, gerade was seine Standards angeht. Bei seinen Flanken hat er eigentlich die Qualität um noch auf ein ganz anderes Level zu kommen.“
Ein Blick in die Daten zeigt, dass der Wunsch von Timo Schultz evtl auch Probleme mit sich bringt. Denn der Versuch offensiv effektiver zu werden geht auch meist mit häufiger werdenden Offensivaktion einher. In seinem letzten Jahr in Sandhausen war Paqarada vor allem offensiv präsent. Er schlug die drittmeisten Flanken der Liga, bestritt enorm viele offensive Zweikämpfe und hatte am Saisonende, auch dank seiner Standards einen expectedAssists-Wert von knapp 10, was hinter Standard-Monster Wanitzek (KSC) und knapp vor einem gewissen Marcel Hartel den zweiten Platz in der Liga bedeutete. Defensiv sind die Werte Paqaradas aus diesem Jahr allerdings, wenn überhaupt, mittelprächtig und fast nicht vergleichbar mit denen, die er aktuell beim FC St. Pauli vorweisen kann.

Leart Paqarada musste sein Spiel also doch schon recht deutlich umstellen, sich weiter entwickeln, um in das System beim FC St. Pauli zu passen. Das scheint ihm aktuell besser denn je zu gelingen. Nicht nur aufgrund seines Traumtores am 1. Spieltag gegen Holstein Kiel ist Leart Paqarada einer der Garanten für erfolgreichen Fußball beim FC St. Pauli. Schultz erzählt, dass er auch neben dem Platz wichtig ist, sich „einbringt“ und „die Jungs mit an die Hand nimmt“ – Auf der Pressekonferenz vor dem Derby hob Timo Schultz hervor, dass bei den Trainingsspielen und -spielchen immer die gleichen Spieler gewinnen würden. Deutet man die Siegerfotos in den sozialen Medien richtig, dann gehört Leart Paqarada dazu. Dieses Sieger-Gen, das immer-gewinnen-wollen, ist sicher auch eine nicht zu verachtende Qualität.

Was für ein Hammer von Leart Paqarada zum 1-0 gegen Holstein Kiel.
(c) Peter Böhmer

Wohin kann die Reise für Leart Paqarada noch gehen? „Ich denke aktuell ist die 1. Liga noch ein bissel zu groß für ihn. Wenn er aber weiter an seinen Schwächen arbeitet und seine positiven Seiten beibehält, hat er für mich durchaus das Potenzial auch in der ersten Liga zu bestehen“ – die Einschätzung von Stefan teile ich auch ein Jahr später noch. Es dürfte wohl niemanden wundern, wenn Leart Paqarada, der mit 26 Jahren langsam ins beste Fußballeralter kommt und gerade zum zweiten Mal Vater geworden ist, irgendwann nochmal in der ersten Liga spielen wird. Die persönlichen Entwicklungsschritte dorthin macht er gerade.

//Tim

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