Jakov Medić – besser geht es kaum

Jakov Medić – besser geht es kaum

Seit diesem Sommer trägt Jakov Medić das Trikot des FC St. Pauli. Gekommen aus der dritten Liga, hat er sich innerhalb kürzester Zeit zu einem unangefochtenen Stammspieler entwickelt und ist einer der Gründe, warum der FCSP aktuell relativ stabil steht. Wie gut er ist (Spoiler: sehr, sehr gut), zeigt dann der Blick in die Daten.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Jakov wer?“ war die erste Nachricht, die mich erreichte, als im Sommer zum ersten Mal vom bevorstehenden Transfer berichtet wurde. Und auch ich muss zugeben, dass ich Jakov Medić bis dahin nicht wirklich auf dem Zettel hatte. Kurze Zeit später erreichte mich aus Nürnberg gleich eine recht neidische Nachricht, denn Medić hätte man auch gerne beim Club gesehen (wie übrigens auch Lars Ritzka). Spätestens als dann Gunnar, der mir für die Spielervorstellung Rede und Antwort stand, als erste Antowrt auf meine Interview-Anfrage erstmal nur ein „Shit!“ schrieb, hätte ich ahnen können, dass der FC St. Pauli da jemand verpflichtet hatte, der direkt eine wichtige Rolle in der Innenverteidigung spielen kann. Nach sieben Pflichtspielen in dieser Saison ist klar, wie wichtig Jakov Medić für den FC St. Pauli ist: Er hat bisher noch keine einzige Minute verpasst.

Dass es Bedarf gegeben hat auf der Innenverteidiger-Position, war nach dem Abgang von Tore Reginiussen und der weiter andauernden Verletzung von Christopher Avevor klar. Aber hatte ich damit gerechnet, dass Medić direkt nicht nur als Konkurrent für das Duo Lawrence/Ziereis antreten wird, sondern es eher die Frage ist, wer neben ihm verteidigen darf? Ehrlich gesagt nicht. Das hat mich schon mächtig überrascht.

Jakov Medić ist im Sommer vom SV Wehen Wiesbaden zum FC St. Pauli gewechselt und hat sich sofort zum Stammspieler entwickelt.
(c) Peter Böhmer

Jakov Medić hat sich innerhalb kürzester Zeit mit starken Leistungen zum Stammspieler beim FC St. Pauli entwickelt. Aber was macht diesen Spieler aktuell so stark? Sollte James Lawrence oder Philipp Ziereis neben ihm verteidigen? Und in welchen Bereichen kann er sich noch verbessern? Ein Blick in die Daten:

Der beste Innenverteidiger der Liga?

Es ist natürlich nicht der Weisheit letzter Schluss und es ist auch „nur“ daten-basiert, aber: Jakov Medić wird aktuell von Wyscout als bester Innenverteidiger der Liga geführt. Grund hierfür sind seine teilweise überragenden, aber mindestens immer überdurchschnittlichen Werte in den defensiven Aufgaben eines Innenverteidigers. Dafür braucht es auch nicht zwingend den Blick in die Daten. Es ist auch im Stadion für die meisten ersichtlich, dass Medić über eine enorme Zweikampfstärke verfügt.
Und diese Stärke spielt er auch aus, indem er die Zweikämpfe sucht. Es ist sogar schon so weit, dass die Gegner versuchen ihm aus dem Weg zu gehen. Stürmer Lukas Hinterseer von Hannover 96 hat sich bei langen Bällen konsequent auf die halblinke Seite, also zu James Lawrence bewegt. Da sind die Gegner auch gut beraten das zu tun, wenn man sich die Radar-Grafik von Jakov Medić mal anschaut:

Radar-Grafik von Jakov Medić (Türkis) im Vergleich zum Liga-Durchschnitt (Rot) nach sechs Spieltagen der Saison 21/22
(Stats immer in pro 90 Minuten).

In Daten drücken sich die Stärken von Medić wie folgt aus: Überdurchschnittlich gute Quote in Boden- und Luftzweikämpfen. Auch die Anzahl an Duellen ist hier überdurchschnittlich. Niemand in der Liga hat so viele Schüsse abgeblockt wie Medić. Zudem fängt niemand mehr Pässe ab. Das führt dann dazu, dass Medić die zweitmeisten erfolgreichen Defensivaktionen pro Spiel vorzuweisen hat (mehr hat nur Scott Kennedy von Jahn Regensburg). Das sind wahnsinnig gute Statistiken! Bevor ich in die Daten geschaut habe, war mir schon klar, dass Medić auch in den Statistiken gut wegkommen würde. Aber mir ist echt die Kinnlade runtergeklappt, als ich die Daten dann gesehen habe.

Es gibt auch Schwächen

Und zwar in einem Bereich, von dem ich das nicht gedacht hätte. Jakov Medić hat in Wiesbaden häufig auf der Sechs gespielt, war dort viel ins Aufbauspiel eingebunden. Zudem wurde mir vor seiner Verpflichtung mitgeteilt, dass er „immer wieder kreative Pässe in die Tiefe“ spielen würde. In diesen Bereichen hat Medić aber noch Luft nach oben. Die Anzahl und die Quote erfolgreicher Pässe ins letzte Drittel ist ausbaufähig. Aber dafür gibt es ja noch einen zweiten Innenverteidiger:

links: Radar-Grafik von Philipp Ziereis der Saisons 21/22 (Gelb) vs. Liga-Schnitt (Rot)
rechts: Radar-Grafik von James Lawrence der Saisons 21/22 (Blau) vs. Liga-Schnitt (Rot)
(Stats immer in pro 90 Minuten)

Der heißt aktuell James Lawrence und der dürfte das wohl auch länger sein, wenn er verletzungsfrei bleibt, zumindest, wenn man sich die Radar-Grafiken anschaut. Denn James Lawrence ergänzt sich perfekt mit Jakov Medić, da er gerade im Passspiel überdurchschnittlich im Ligavergleich ist. Zudem hat Lawrence diese Saison bisher richtig starke 80% seiner Duelle gewonnen, fängt aber im Vergleich zur Vorsaison deutlich weniger Pässe ab (den Job erledigt Medić ja aktuell). Leicht unterdurschnittlich ist Lawrence weiterhin im Kopfballspiel.

Feierten den Derbysieg gemeinsam auf dem Platz: Jakov Medić und Philipp Ziereis.
(c) Peter Böhmer

Schwächen im Kopfballspiel kann man Philipp Ziereis aktuell wohl eher nicht vorwerfen. Der weist die beste Quote aller Innenverteidiger im Kopfballspiel auf. Ohne diese Quote schmälern zu wollen, verweise ich aber darauf, dass die Anzahl an bestrittenden Duellen ziemlich niedrig ist. Einmal mehr ist dieser hohe Wert eine Art Reminder daran, dass solche Statistiken erst richtig wertvoll werden, wenn sie richtig eingeordnet werden.
Zudem hat Ziereis in dieser Saison eher unterdurchschnittliche Zweikampfwerte, fängt dafür mehr Bälle als Lawrence ab. Sicher eine schwierige Entscheidung, welcher der beiden am Wochenende neben Medić verteidigen soll. Basierend auf den Daten schlägt das Pendel aktuell aber klar in Richtung Lawrence aus. Der hatte aber gegen Hannover einige Probleme in der Defensive, was aber vermutlich auch auf die Vielzahl an Konter-Situationen von Hannover zurückzuführen sein kann (in Konter-Situationen können Verteidiger aufgrund des hohen Tempos der Gegner eher selten glänzen).

Innenverteidiger im Liga-Vergleich

Ja, wenn man Jakov Medić als aktuell besten Innenverteidiger der Liga bezeichnet, dann ist die Antwort sicher nicht falsch. Allerdings würde ich nach gerade einmal sechs Ligaspielen noch recht vorsichtig mit solchen Aussagen sein. Denn es gibt natürlich noch weitere Spieler, die enorm gute Werte aufweisen:

Radar-Grafiken von Lasse Sobiech (Blau), Steve Breitkreuz (Gelb) und Patrick Mainka (Türkis) jeweils im Liga-Vergleich (Rot).
(Stats immer in pro 90 Minuten)

Da ist zum Beispiel Lasse Sobiech, der genau das macht, wofür er schon beim FC St. Pauli stand: Enorm stark in direkten Duellen sein, sowohl am Boden und nochmal besonders in der Luft. Es sind dann aber auch die gleichen Abstriche, die aktuell der SV Darmstadt 98 bei ihm in Kauf nehmen muss. Denn die Daten zeigen, dass Sobiech nicht der stärkste Spieler im Spielaufbau ist. Zudem kommt sein Spiel eher selten ohne Foul aus (da kommen wir gleich nochmal zu).

Erheblich weniger in der Luft unterwegs ist Steve Breitkreuz. Der spielt aktuell bei Jahn Regensburg ziemlich groß auf, bildet zusammen mit Scott Kennedy ein richtig zweikampfstarkes Innenverteidiger-Duo und es wird immer deutlicher, dass dieses Duo einer der Hauptgründe für den Erfolg in Regensburg ist. Breitkreuz besticht mit allem, was den Boden betrifft (Grätschen, Interceptions, Bodenzweikämpfe, wenig Fouls) und hat trotz bereits 29 Jahren durch den Wechsel von Aue nach Regensburg nochmal einen richtigen Entwicklungsschritt gemacht.

Kontinuierliche Entwicklungsschritte geht Patrick Mainka beim 1. FC Heidenheim nun bereits in der vierten Saison. Dabei hat er sich zu einem der besten Innenverteidiger der Liga entwickelt. Neben guten Werten bei den klassischen Verteidiger-Kategorien hat sich Mainka in den letzten Jahren auch im Aufbauspiel weiterentwickelt und spielt viele gute Bälle ins letzte Drittel und verfügt zudem über eine gute Antizipation im Defensivspiel (zu sehen an vielen Interceptions).

Neu beim FC St. Pauli: wenig Fouls

Auffällig bei den Grafiken von Jakov Medić und James Lawrence ist die geringe Anzahl an Fouls. In der Rangliste der Innenverteidiger, die am wenigsten Foul spielen belegen sie ligaweit mit 0.32 und 0.33 Fouls pro 90 Minuten die Plätze fünf und sechs. Hier zeigt vor allem der Vergleich zum Vorjahr, dass sich da was getant hat: Tore Reginiussen war letzte Saison unrühmlicher Liga-Spitzenreiter in der Anzahl an Fouls pro Spiel (2.2 Fouls pro 90 Minuten). Auch Christopher Avevor war in den Top10 zu finden. Daniel Buballa (0.97) und James Lawrence (1.07) waren im Liga-Mittelfeld. Adam Dźwigała (0.82) und Philipp Ziereis (0.84 – damit besser als die 1.22 in dieser Saison) waren die besten FCSP-Spieler in dieser Statistik. Das sind Quoten von denen Medić und Lawrence momentan weit entfernt sind.

Klar, manchmal ist ein Foul notwendig und kann auch als richtig bezeichnet werden. Das ist aber immer erst dann der Fall, wenn vorher irgendwo beim Team etwas falsch gelaufen ist. Gerade Fouls von Innenverteidigern bedeuten häufig gegnerische Freistöße in Tornähe und sollten daher zwingend vermieden werden. Entsprechend ist die aktuell niedrige Quote absolut positiv für den FC St. Pauli.
Das drückt sich übrigens auch in der Gesamt-Statistik aus: Letzte Saison beging der FCSP die fünftmeisten Fouls der Liga. In dieser Saison sind es bisher die zweitwenigsten. Ich fress nen Besen, wenn daran nicht im Sommer gearbeitet wurde.

Die Innenverteidigung des FC St. Pauli war in der letzten Saison lange Zeit eine Schwachstelle. Gerade die Zweikampfstärke ist etwas, dass dem FCSP letzte Saison gefehlt hat (schaut mal hier in die doch recht deutlichen Ergebnisse der Analyse). Entsprechend ist es auch nicht verwunderlich, dass Jakov Medić so gut in die Startelf des FC St. Pauli passt, da er im physischen Bereich klar seine Stärken hat. Nach sieben Pflichtspielen ist natürlich noch nicht alles abschließend zu bewerten, da die Saison noch jung ist und die Dinge sich noch finden müssen. Aber sicher ist bereits: Mit Jakov Medić hat der FC St. Pauli im Sommer einen ganz dicken Fang gemacht.

//Tim

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