Die Saison 21/22 der Innenverteidiger des FC St. Pauli

Die Saison 21/22 der Innenverteidiger des FC St. Pauli

Bevor der FC St. Pauli in die neue Saison startet, wollen wir uns die Leistungen der Spieler in der Saison 21/22 genauer anschauen. Dazu haben wir tief in die Statistiken geschaut. Diese zeigen: In der Innenverteidigung gibt es Luft nach oben.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Um die Saison 21/22 abzuschließen, haben wir uns die Leistungen sämtlicher Spieler des FC St. Pauli anhand von Statistiken genauer angeschaut. Aufgrund der Fülle von Daten, werden wir das nach Positionen getrennt veröffentlichen. Gestern gab bereits eine Analyse zu den Torhütern.

Fünf Spieler waren im Saisonverlauf in der Innenverteidigung im Einsatz: Philipp Ziereis, Jakov Medić, James Lawrence, Marcel Beifus und Adam Dźwigała. Gar keinen Einsatz verzeichnete Christopher Avevor und aufgrund der nun inzwischen 18-monatigen Ausfallzeit muss bezweifelt werden, wie und ob es beim FCSP mit ihm weitergeht. Da Dźwigała hauptsächlich als Rechtsverteidiger im Einsatz war, taucht er entsprechend in der Auswertung auch bei den Außenverteidigern auf. Die meisten Spiele der vier Innenverteidiger hat Medić absolviert (30), gefolgt von Ziereis (24), Lawrence (18) und Beifus (11). Und genau in dieser Reihenfolge schauen wir uns die Spieler auch an:

Jakov Medić – Hinrunde hui, Rückrunde pfui?

Nicht unbedingt als Stammspieler wurde Jakov Medić bei seiner Verpflichtung letzten Sommer eingeplant, wie Timo Schultz bei uns im Podcast erzählte. Nach wenigen Spielen rieben sich aber alle verwundert die Augen und mussten feststellen, dass dem FC St. Pauli da ein ganz dicker Fisch ins Netz gegangen war. Mit richtig starken Leistungen stieg er sofort zum Stammspieler auf und war mitverantwortlich dafür, dass der FCSP nach rund einem Drittel der Saison eine der besten Defensiven der Liga stellte, was nun nach Saisonende ziemlich weit weg erscheint.

Radar-Grafik von Jakov Medic im Vergleich zum Median aller Innenverteidiger der 2. Bundesliga der Saison 21/22.

In dieser Anfangszeit der Saison überzeugte Jakov Medić auf ganzer Ebene (Besser geht es kaum). Dann kam das Spiel bei Darmstadt 98: Der FC St. Pauli verlor deutlich mit 0:4 und Medić brach sich das Nasenbein. Seitdem sei vom stabilen, robusten und erstklassigen Innenverteidiger nicht mehr viel zu sehen gewesen, sagen einige. Unsicherheit habe Einzug in sein Spiel gehalten. Der negative Höhepunkt war wohl beim Pokalspiel in Berlin erreicht, als er an beiden Gegentore direkt beteiligt war.

Die Datenanalyse zeigt, dass man Jakov Medić nicht ganz gerecht wird, wenn seine Leistungen aus der Rückrunde als „durchgehend schwach“ bezeichnet werden. Denn die Daten zeigen, dass er in den meisten relevanten Statistiken eine überdurchschnittliche Saison spielte. Auch die rote Linie vom Darmstadt-Spiel ist etwas sehr plakativ. Denn die Leistungen von Medić waren danach zwar nicht mehr ganz so stabil, aber die negativen Ausreißer, wie z.B. schwerwiegende Ballverluste, gab es auch davor. Allerdings mit dem Unterschied, dass diese nicht zu Gegentoren führten. Trotzdem: Seine Leistungen in 2022 reichten nicht mehr an das Niveau der Hinrunde heran. Der beste Innenverteidiger des FC St. Pauli in der Saison 21/22 war er dennoch.

Jakov Medić: Stabile Hinrunde, nicht mehr ganz so stabile Rückrunde
(c) Peter Böhmer

Philipp Ziereis – Stabil, aber keine Stütze

Eine Möglichkeit um einem verunsicherten Jakov Medić etwas Halt in schwierigen Phasen zu geben: Stabile Kollegen in der Innenverteidigung. Gerade Philipp Ziereis, mit der Erfahrung von 162 Zweitligaspielen hätte diesen Halt geben können, wenn nicht sogar sollen. Gelungen ist das, auch verletzungsbedingt, in der Rückrunde nicht.

Die Auswertung der Radar-Grafik von Ziereis ist schwierig oder besser gesagt: Die Radar-Grafik von Ziereis zeigt durchschnittliche Leistungen an, mit leichten Ausreißern bei den abgefangenen Bällen und der Anzahl an Pässen. Doch wie auch seine Kollegen zeigte Ziereis in der Hinrunde wesentlich stabilere Leistungen. In der Rückrunde kehrten dann leider Verletzungen zurück und ich frage mich immer noch, wie die Karriere von Philipp Ziereis wohl verlaufen wäre, wenn er weniger mit seinem Körper zu kämpfen gehabt hätte.

Radar-Grafik von Philipp Ziereis im Vergleich zum Median aller Innenverteidiger der 2. Bundesliga der Saison 21/22.

James Lawrence – deep playmaker

Ich bin traurig, dass James Lawrence den FC St. Pauli verlassen hat, da bin ich ganz ehrlich. Ja, es gibt sportlich nachvollziehbare Gründe für eine Nicht-Verlängerung seines Vertrages. Beim Blick auf die Radar-Grafik wird aber auch deutlich, dass eine andere Entscheidung ebenfalls gut hätte begründet werden können:

Radar-Grafik von James Lawrence im Vergleich zum Median aller Innenverteidiger der 2. Bundesliga der Saison 21/22.

Die Radar-Grafik zeigt, dass Lawrence in den defensiven Statistiken meist eher unterdurchschnittliche Leistungen zeigte. Allerdings: Wie auch in der Vorsaison ist James Lawrence der beste Zweikämpfer des FCSP. Richtig gute Werte liefert er bei den Spielmacher-Skills. Kein Innenverteidiger der zweiten Liga hat eine bessere Quote bei Pässen ins letzte Drittel und auch alle anderen Statistiken für den Spielaufbau (Anzahl Pässe, lange Pässe, Läufe mit Ball) sind überdurchschnittlich.

Doch wie auch Ziereis, konnte James Lawrence in der entscheidenden Phase der Saison keine Stütze für den verunsicherten Medić sein (eine Überzahl im Zentrum gab es da sicher nicht mehr). Auch er plagte sich (mal wieder) mit einer Verletzung herum. Und da er zu Beginn der Saison seinen Stammplatz an Medić verloren hatte, kommt James Lawrence in der Saison auf nur 18 Einsätze (nur 13 von Beginn an). Das ist, für einen Spieler in seinem Alter (und womöglich auch seiner Gehaltsklasse) zu wenig. Trotzdem: Der FC St. Pauli verliert in der Innenverteidigung seinen besten Fußballer.

Mit dem Ball am Fuß sicher der beste Innenverteidiger des FC St. Pauli: James Lawrence.
(c) Peter Böhmer

Marcel Beifus – ein wildes Versprechen

Eine Überschrift, die auch gut der Titel einer Rosamunde Pilcher-Verfilmung oder die eines kitschigen Pony-Romans sein könnte. Trotzdem (oder gerade deswegen?) passt sie auch gut zu Marcel Beifus. Auch der Aufstieg in der Saison ist dann fast etwas sehr kitschig. „(…) wir trauen ihm zu, sich beim FC St. Pauli hinter unseren erfahreneren Verteidigern zu entwickeln.“ waren die Worte, die Andreas Bornemann bei seiner Verpflichtung kundtat. Das ist in dieser Saison definitiv gelungen, sogar schneller als viele vermutet haben.

Radar-Grafik von Marcel Beifus im Vergleich zum Median aller Innenverteidiger der 2. Bundesliga der Saison 21/22.

Nachdem Beifus schon in der Hinrunde erste wenige Profiminuten als Einwechselspieler sammelte und dabei sogar ein Tor erzielte, kam er in der Rückrunde fast zwangsläufig ins Team. Denn als mit Lawrence und Ziereis zwei Kollegen ausfielen und Adam Dźwigała, mal wieder, verletzungsbedingt in der Rechtsverteidigung aushelfen musste, stand Beifus in vier Spielen von Beginn an als Innenverteidiger auf dem Platz. Er machte seine Sache sehr ordentlich.

Wie genau „sehr ordentlich“ aussieht, zeigen die Daten: Besonders im Bereich Spielaufbau zeigte Beifus überdurchschnittliche Leistungen, wenngleich ich da subjektiv auch noch ziemlich viel Luft nach oben sehe. Defensiv zahlte er aber auch einiges an Lehrgeld, als er zum Beispiel gegen Karlsruhes Philipp Hofmann verteidigen musste. Insgesamt sind seine Zweikampfwerte und die Anzahl abgefangener Bälle unterdurchschnittlich. Trotzdem ist die erste Profisaison von Marcel Beifus (erst 19 Jahre alt) ein Versprechen für die Zukunft.

Neben der gesamten Offensive ist die Innenverteidiger-Position beim FC St. Pauli die, bei der es diesen Sommer am meisten personelle Bewegung gibt. Das ist wohl richtig so, denn die Innenverteidigung darf getrost als Problemzone bezeichnet werden. Nimmt man die abgelaufene Saison als Maßstab, dann benötigt der FCSP dringend einen Spieler, der hochtalentierten Kollegen Stabilität verleiht. Daran könnten sich Spieler wie Beifus und Medić hochziehen, besonders in schwierigen Phasen. Langfristig könnte aber genau dieses Duo eine ziemlich gute Innenverteidigung beim FC St. Pauli bilden.

// Tim

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Sofern nicht anders markiert, stammen sämtliche Statistiken von Wyscout.

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