Bevor der FC St. Pauli in die neue Saison startet, wollen wir uns die Leistungen der Spieler in der Saison 21/22 genauer anschauen. Dazu haben wir tief in die Statistiken geschaut. Diese zeigen: Es gibt ein starkes Gefälle beim FCSP.
(Titelbild: Peter Böhmer)
Um die Saison 21/22 abzuschließen, haben wir uns die Leistungen sämtlicher Spieler des FC St. Pauli anhand von Statistiken genauer angeschaut. Aufgrund der Fülle von Daten, werden wir das nach Positionen getrennt raushauen. Bereits veröffentlicht wurden Analysen zu den Torhütern und den Innenverteidigern. Nun also die massive Analyse der Außenverteidiger.
In der Außenverteidigung des FC St. Pauli gab es in der letzten Saison ein starkes Links-Rechts-Gefälle. Das Leistungsgefälle schauen wir uns später noch an, erstmal schauen wir uns aber das Gefälle bei der Spielzeit an: Leart Paqarada kam in der Saison 21/22 in 37 von 38 Spielen zum Einsatz (Liga und Pokal) und stand 3.240 Minuten auf dem Platz. Kein FCSP-Spieler war so häufig im Einsatz und sammelte so viele Spielminuten wie Paqarada. Die viele Spielzeit von Paqarada bedeutet, dass Lars Ritzka entsprechend wenige Minuten sammelte: Zwölfmal war er im Einsatz, mit insgesamt 274 Minuten Spielzeit.
Mit Abstand die meiste Spielzeit auf der rechten Abwehrseite gab es für Luca Zander, der die Saison halbwegs verletzungsfrei durchspielen konnte und so zu insgesamt 29 Einsätzen kam (2.121 Minuten). Das reichte aber nicht, die rechte Abwehrseite war eines der „Sorgenkinder“ des FC St. Pauli. Denn die beiden weiteren nominellen Rechtsverteidiger, Sebastian Ohlsson und Jannes Wieckhoff, plagten sich durch die komplette Saison mit Verletzungen. Wieckhoff kam nur in zwei Spielen zum Einsatz (158 Minuten). Ohlsson kam auf acht Einsätze (424 Minuten). Zwischendurch bedurfte es daher „externer“ Hilfe auf dieser Position: Adam Dźwigała war so etwas wie der beste Back-up und immer dann zur Stelle, wenn alle drei nominellen Rechtsverteidiger nicht einsatzfähig waren (manchmal kam er sogar zum Einsatz, obwohl diese fit waren). In 23 Spielen stand Dźwigała auf dem Platz, meist in der Rechtsverteidigung (778 Minuten). Zwischendurch, als es nicht nur auf der Rechtsverteidiger-, sondern auch auf der Innenverteidiger-Position personell richtig eng wurde, kam sogar Marcel Beifus zum Einsatz und machte seine Sache ordentlich.
Keine Radar-Grafik liefere ich zu Jannes Wieckhoff, da er mit nur 158 Minuten einfach zu wenig Spielzeit sammelte. Auch in der Vorsaison war er nur unwesentlich mehr im Einsatz für den FC St. Pauli. Das ist vor allem deshalb schade, da Wieckhoff in diesen wenigen Minuten zeigte, dass er für den FCSP ein riesengroßer Gewinn sein kann. Die Datenlage ist zwar sehr dünn, aber Wieckhoff ist offensiv der produktivste Außenverteidiger der Liga (ähnliche Werte hatte er auch schon in der Vorsaison). Ob sein Vertrag verlängert werden wird, ist aktuell noch unklar. Viel dürfte von der Antwort auf die Frage abhängen, ob Wieckhoff einfach viel Pech in den letzten beiden Jahren hatte oder ob sein Körper den Ansprüchen an den Profifußball nicht gerecht wird und er auch zukünftig viel mit Verletzungen zu tun haben wird.
Ebenfalls keine Radar-Grafik gibt es zu Lars Ritzka. Die wenigen Daten bestätigen aber genau das, was viele sicher auch im Stadion bei seinen Einsätzen wahrgenommen haben: Ritzka ist defensiv sehr stabil, aber offensiv fehlt es (noch) ein wenig an Ertrag. Und grundsätzlich ist es schon eine sehr luxuriöse Situation für den FCSP einen solchen Spieler als Back-up im Kader zu haben, wo es doch eigentlich ligaweit an guten Linksverteidigern mangelt. Ich bin sehr gespannt, wie es auf dieser Position weitergehen wird. Schauen wir uns aber erstmal die Rechtsverteidiger an:
Sebastian Ohlsson – Bitteres Ende eines Dauerbrenners
Bis ins Frühjahr der Saison 20/21 war ich überzeugt davon, dass Sebastian Ohlsson unersetzlich ist. Das beste an seinen ohnehin stabilen und zweikampfstarken Leistungen: Er musste auch (fast) nie ersetzt werden, da er meist topfit war. In die Saison 21/22 startete er jedoch verletzt, verpasste die Vorbereitung und stand daher erst am zwölften Spieltag zum ersten Mal im Kader. Doch ehe er wieder richtig durchstarten konnte, stoppte ihn eine erneute Verletzung.
Die wenige Spielzeit sollte dann auch in der Radar-Grafik beachtet werden, da die Datenlage eher dünn ist. Denn die eigentlich große Stärke von Sebastian Ohlsson, die defensiven Zweikämpfe, kommen nicht zum Vorschein, da hier nur die Daten aus den Einsätzen in der 2. Liga abgebildet sind. Wie stark er dabei ist, zeigte er zum Beispiel im Pokalspiel gegen Dortmund (13 von 13 direkten Duellen gewonnen).
Ansonsten müssen die wenigen Eindrücke von Ohlsson in dieser Saison leider auch eher als unterdurchschnittlich bezeichnet werden. Dass sein Vertrag am Saisonende nicht verlängert wurde, ist daher aus Leistungsgründen verständlich. Für Sebastian Ohlsson hätten sich aber sicher viele einen ganz anderen oder gar keinen Abschied gewünscht. Vor allem, da er bereits deutlich ansprechendere Leistungen im Trikot des FCSP gezeigt hat.
Adam Dźwigała – Mr. Zuverlässig
Für Adam Dźwigała ist es sicher alles andere als einfach. Denn Spieler, die auf mehreren Positionen einsetzbar sind, haben zwar den Vorteil auf mehreren Positionen einsetzbar zu sein, aber meist geht das auch damit einher, dass sie keine Position haben, auf der sie als unverzichtbar gelten. Für den FC St. Pauli ist Dźwigała trotzdem unverzichtbar. Denn wenn es in der Innen- oder Rechtsverteidigung personelle Engpässe gab, dann war der 26-jährige Pole stets zur Stelle.
Ich tue mich etwas schwer damit zu sagen, welche Position mir besser für Dźwigała gefällt. Eigentlich ist er ein Innenverteidiger und bringt für die Außenbahn etwas wenig Tempo mit. Im Saisonverlauf hat er aber ein ums andere Mal gezeigt, dass er auch als Rechtsverteidiger sehr gute Leistungen abliefert. Er hat sich in diese Position (auch mit ganz viel Einsatz und Herz) hineingearbeitet, sodass ich vor Spielen irgendwann überhaupt keine Bauchschmerzen mehr hatte, wenn klar war, dass Dźwigała hinten rechts spielt.
Die Daten zeigen, was die Stärken von Adam Dźwigała sind: Nur wenige Spieler auf der defensiven Außenbahn haben mehr erfolgreiche Defensivaktionen pro Spiel als er. Besonders in der Luft und bei den abgefangenen Bällen hat er klar überdurchschnittliche Leistungen gezeigt. Die unterdurchschnittliche Zweikampfstatistik ist dann aber tatsächlich etwas ernüchternd, denn eigentlich sollte dies ebenfalls eine seiner Stärken sein.
Der Rest der Daten zeigt das, was vermutlich viele auch erwarten: Adam Dźwigała ist kein Offensivspieler (und wird es vermutlich auch nicht mehr werden). Daher weist er in sämtlichen Offensivstatistiken unterdurchschnittliche Werte auf.
Mit seinen zuverlässigen Leistungen in der letzten Saison hat sich Dźwigała für einen neuen Vertrag empfohlen. Für mich persönlich war das aus Vereinssicht ein „No brainer“, aber da gehören ja auch noch die Interessen des Spielers dazu. Denn vieles deutet darauf hin, dass Adam Dźwigała auch in der kommenden Saison eine Rolle als Back-up einnehmen wird. Das ist für ihn persönlich sicher nicht komplett zufriedenstellend. Aber er wird sicher auch nächste Saison eine ganz wichtige Rolle im FCSP-Kader einnehmen.
Luca Zander – Im Schatten der anderen Seite
Seit 2017 ist Luca Zander beim FC St. Pauli und mit 24 Einsätzen in der zweiten Liga war er so oft wie noch nie zuvor für den FCSP im Einsatz in einer Saison. Das ist eine gute Entwicklung, da er in den Vorjahren eigentlich immer von kleineren und mittleren Verletzungen zurückgeworfen wurde. In dieser Saison waren es meist kleinere Dinge, die seinen Einsatz verhinderten, wenngleich ich mal vermuten würde, dass Zander einer derjenigen Profis ist, die am seltensten am Montag nach einem Spiel das volle Teamtraining mitmachten, da er dann doch immer das ein oder andere Wehwehchen aus den Spielen mitbrachte. Trotzdem: Luca Zander war endlich mal ein meist zuverlässiger Stammspieler beim FC St. Pauli.
Die Daten zeigen, dass Luca Zander in allen relevanten Bereichen für Außenverteidiger Leistungen im Liga-Durchschnitt zeigte. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ein wenig Abstriche müssen bei seinen Offensivaktionen gemacht werden (erfolgreiche Offensivaktionen, Anzahl Flanken, gewonnene Offensivduelle). Ohnehin sind Zweikämpfe eher nicht zu seinen Stärken zu zählen, da er auch in der Defensive leicht unterdurchschnittliche Werte aufweist. Das ist nicht neu, denn gerade im Vergleich zu Sebastian Ohlsson aus den Vorjahren fiel Luca Zander doch recht deutlich bei den Zweikämpfen ab.
Machen wir es kurz: Die Leistungen von Luca Zander waren in der Saison 21/22 ordentlich. Es gab wenige Ausreißer nach oben, aber eben auch wenige nach unten, womit er eine verlässliche Konstante beim FCSP darstellt. Schwierig ist aber die Einordnung dieser Leistungen. Ist das nun ein solides Zweitliga-Niveau? Ist das der Anspruch, den der FCSP an diese Position haben sollte? Schwierig wird es für Zander, wenn man den Blick von der rechten auf die linke Abwehrseite wendet.
Leart Paqarada – Chef im Ring
Denn dort spielte meist Leart Paqarada und zeigte konstant sehr ansprechende Leistungen. Aus meiner Sicht gibt es wohl Spieler, die vereinzelt bessere individuelle Leistungen auf der Positionen gezeigt haben. Betrachtet man aber die gesamte Saison, dann muss Leart Paqarada klar als bester Außenverteidiger der Liga bezeichnet werden, der sicher eigentlich „zu gut“ für diese Liga ist. Das bestätigt auch die Radar-Grafik:
In allen relevanten Statistiken für Außenverteidiger zeigte Leart Paqarada überdurchschnittliche Leistungen. Einzig die Genauigkeit seiner Flanken ist „nur“ Durchschnitt, was aber für Linksverteidiger der Vorjahre beim FCSP schon eine richtig gute Sache gewesen wäre.
Leart Paqarada war vor allem offensiv unfassbar präsent, schlug die meisten Flanken, spielte die meisten Pässe ins Angriffsdrittel, in den gegnerischen Strafraum und solche, die dem gegnerischen Tor signifikant näher kamen (progressive Pässe).
Aber nicht nur offensiv war Paqarada richtig stark. Er gewann überdurchschnittlich viele Defensivzweikämpfe, fing viele Bälle ab und er war sogar erfolgreicher in der Luft als viele seiner Kollegen. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich nicht sicher bin, ob ich schon einmal eine Radar-Grafik von einem Spieler gesehen habe, der wirklich in allen defensiven und offensiven Bereichen so stark ist, also überall über dem Durchschnitt liegt.
Kommen wir zurück zum Rechts-Links-Gefälle. Angesichts der herausragenden Saison von Leart Paqarada könnten die Leistungen von Luca Zander auf der Gegenseite negativer bewertet werden, als sie es sind. Denn die Tatsache, dass Paqarada ligaweit die meisten Pässe in die Offensive spielt bedeutet eben auch, dass diese Pässe nicht von der anderen Seite gespielt werden können. Das Aufbauspiel des FCSP ist total linkslastig gewesen in der letzten Saison. Ich frage mich, ob Luca Zander bessere Daten vorweisen würde, wenn Paqarada nicht auf der Gegenseite so aktiv gewesen wäre. Auf der anderen Seite frage ich mich, wie schwer es wohl für gegnerische Teams gewesen wäre, wenn auch auf der rechten Abwehrseite ein so spielstarker Außenverteidiger gespielt hätte. Ich hoffe sehr, dass wir in der kommenden Saison eine Antwort bekommen werden.
Denn einige Personal-Entscheidungen wurden auf dieser Position bereits getroffen, andere stehen noch aus. Mit Manolis Saliakas bekommt der FC St. Pauli einen Spieler, der die Offensive enorm ankurbeln könnte. Quasi im Gegenzug wurde Sebastian Ohlsson verabschiedet. Offen ist noch die Vertragslage bei Jannes Wieckhoff und auch bei Leart Paqarada gibt es noch ein Fragezeichen. Denn natürlich sind seine Leistungen anderen Clubs aufgefallen. So hoffe ich dann einfach mal, dass es in den nächsten Wochen nicht nur Berichte über eine, sondern gleich zwei Vertragsverlängerungen von Außenverteidigern beim FCSP geben wird. Eine auf der rechten, eine auf der linken Abwehrseite. Das wäre mal ein echtes Statement, vermutlich aber ziemliche Träumerei.
// Tim
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Sofern nicht anders markiert, stammen sämtliche Statistiken von Wyscout.
Danke für die detaillierte Rückschau auf die vergangene Saison.
Das gefällt mir sehr gut.
Auch wenn du es schon erwähnt hast, muss ich dennoch das perfekte Pokalspiel von Ohlsson nochmal hervorheben. Rückblickend kann man denken er war genau für diesen Moment fit und da, auch wenn wir uns alle natürlich gewünscht haben, dass er mehr hätte spielen können.
Aber es war so unwirklich vorher verletzt nachher verletzt aber gegen den bvb war er da als wäre er nie weg gewesen.
Und vielleicht solltest du warten bis die transferperiode vorbei ist solche Statistiken wie die von Paqarada zu veröffentlichen 😉
Danke für die Artikel!