Hinrunden-Analyse: Torhüter

Hinrunden-Analyse: Torhüter

Der FC St. Pauli hat zu wenig Punkte in der Hinrunde geholt. Warum? Das schauen wir uns in der großen Analyse der einzelnen Mannschaftsteile des FCSP an. Den Anfang machen die Torhüter.
(Titelbild: Stefan Groenveld)

Um zu verstehen, warum der FC St. Pauli nur 17 Punkte nach 17 Spielen geholt hat, ist eine tiefergehende Analyse notwendig. Die findet aktuell im Verein statt, aber auch wir machen das Stück für Stück. Zwei zusammenfassende Artikel haben wir bereits veröffentlicht: Hinrunden-Analyse Teil 1 und Hinrunden-Analyse Teil 2.

Nun gehen wir aber noch etwas tiefer in der Analyse und schauen uns die Mannschaftsteile einzeln an. Den Anfang machen die Torhüter beim FC St. Pauli, die alles andere als eine leichte Hinrunde verbracht haben.

Vier mal zu Null

Ehe es zum Ende der Hinrunde häufiger gelang, waren die Gegentore ein großes Thema beim FC St. Pauli. Einzig beim 3:0 zuhause gegen den 1. FC Magdeburg war das Team gegentorfrei geblieben, fing sich zumeist sogar mehr als einen Gegentreffer. Dann gab es aber die beiden torlosen Unentschieden gegen Heidenheim und Kiel, sowie das 3:0 gegen den HSV. Übrigens allesamt Heimspiele – auswärts hat der FCSP seit Beginn der Saison 19/20 nur drei mal (!!!) zu Null spielen können

So steht also drei mal die Null in den letzten acht Spielen. Ist das nun ein Verdienst der guten Leistungen von Nikola Vasilj im Tor des FC St. Pauli? Oder hat sich die Defensive allgemein stabilisiert? Wir schauen uns die Leistungen der beiden eingesetzten Torhüter, Dennis Smarsch und Nikola Vasilj, genauer an.

Dennis Smarsch – kein Bewerbungsschreiben

Es war offiziell ein offener Zweikampf zwischen Vasilj und Smarsch vor Saisonbeginn. Doch ehe eine Entscheidung getroffen werden konnte bzw. musste, sorgte eine Verletzung für die Antwort: Nikola Vasilj brach sich den kleinen Finger und fiel mehrere Wochen aus. So stand also Smarsch die ersten sechs Saisonspiele im Tor des FC St. Pauli.

Radar-Grafik von Dennis Smarsch (Blau) im Vergleich zum Median aller Torhüter der 2. Bundesliga (Rot) nach 17 Spielen der Saison 22/23.

Statistiken

Der Blick in die Statistiken ist kein guter für Dennis Smarsch. Im Liga-Vergleich wird er von whoscored und sofascore auf Rang 19 von 19 Torhütern geführt (mindestens fünf Saisonspiele), ist also der schwächste aller Torhüter. Das ist ziemlich weit weg von dem, was man sich vorgestellt hatte.

Warum er so niedrig eingeordnet wird, zeigt ein Blick in seine Radar-Grafik: Zwar hat Smarsch die zweitwenigsten gegnerischen Torschüsse gesehen und den geringsten gegnerischen xG-Wert, sich aber trotzdem insgesamt zehn Gegentore in sechs Ligaspielen gefangen (dazu drei im Pokal). Smarsch hat mit einer Save rate von 50% die schlechteste Quote aller Zweitliga-Torhüter (Achtung: small sample size). Der Vergleich mit den xG-Werten zeigt zudem, dass er den schwächsten Wert bei den „prevented Goals“ aufweist (Vergleich zwischen erhaltenen Toren und xG-Werten).

Subjektiver Eindruck

Eine Save rate von nur 50% ist wirklich sehr wenig. Smarsch hat aber auch keine groben Fehler in seinem Spiel gehabt, die zu Gegentoren führten. Einzig beim 3:2 zuhause gegen den FCN geht das erste Gegentor auch auf seine Kappe. Mit starken Paraden konnte er sich aber in den sechs Spielen auch nicht auszeichnen.

Laut in den Ansagen, in den Leistungen eher leise – Dennis Smarsch konnte nicht überzeugen im FCSP-Tor.
(c) Stefan Groenveld

Ansonsten zeigte er sich verunsichert, besonders in seinen ersten Spielen. Dennis Smarsch ist eher ein Lautsprecher auf dem Platz. Das ist er auch immer im Training. So wirklich Ruhe schien er aber nicht auszustrahlen. Zudem hatte er einige Probleme in der Abstimmung mit seinen Vorderleuten, die glücklicherweise nicht zu Gegentoren führten.
Machen wir es kurz: Dennis Smarsch hat nicht überzeugen können. Weder in der Tor-Verteidigung, noch im Aufbauspiel (welches eigentlich seine Stärke sein soll).

Nikola Vasilj – stabiles unteres Mittelmaß

Zwar fiel Vasilj einige Zeit aus, kam aber wesentlich schneller ins FCSP-Tor zurück, als zwischenzeitlich erwartet wurde. Beim Auswärtsspiel in Fürth am siebten Spieltag stand er wieder im Kasten und auch aufgrund der zuvor gezeigten Leistungen von Smarsch war das für viele eine Erleichterung. Allerdings zeigte sich auch Nikola Vasilj, besonders kurz nach seiner Rückkehr, nicht als großer Rückhalt.

Statistiken

Auch Nikola Vasilj hat zwischendurch mit einer ernüchternden Save rate aufhorchen lassen, überzeugt aber etwas überraschend beim Passspiel. Zum Ende der Hinrunde folgten aber stärkere Auftritte und beim Spiel gegen Darmstadt konnte er sich gleich mehrfach auszeichnen. In den Ratings von whoscored und sofascore liegt er nach der Hinrunde jeweils auf Platz 12 von 19. Und ich finde, dass das sehr passend ist.

Radar-Grafik von Nikola Vasilj (Gelb) im Vergleich zum Median aller Torhüter der 2. Bundesliga (Rot) nach 17 Spielen der Saison 22/23.

Mit Nikola Vasilj im Tor fing sich der FC St. Pauli weniger Gegentore (15 in elf Spielen) im Vergleich zu Smarsch. Das dürfte auch zum Teil mit den Leistungen von Vasilj zusammenhängen. Seine Save rate ist etwas höher als jene von Smarsch, aber im Ligavergleich immer noch klar unterdurchschnittlich. Interessant ist für beide der Vergleich mit den xG-Werten, also den „prevented goals“. Da hat auch Vasilj einen negativen Wert, fing sich also etwas mehr Gegentore als nach xG-Werten wahrscheinlich.

New shit: xGOT

Der Wert „prevented goals“ ist bereits ein sehr viel besserer als die reine Save rate, da er die Torwahrscheinlichkeiten berücksichtigt. Aber es geht noch besser: Bei fotmob werden für die Spiele auch die xGOT-Werte mit angegeben. Dabei wird nicht nur die Position des Torschusses, sondern auch die Qualität des Torschusses berücksichtigt (hier eine Erklärung). Was das bedeutet zeigt das KSC-Spiel: Nikola Vasilj fing sich vier Gegentore aus fünf Torschüssen. Der KSC hatte einen xG-Wert von 1.45. Das macht also sowohl bei der Save rate, aber auch bei den „prevented goals“ einen schlechten Wert. Das Problem: Alle vier Gegentore waren aus meiner Sicht unhaltbar.

Die xGOT-Werte berücksichtigen die Qualität der Torschüsse und siehe da, der xGOT-Wert des KSC ist mit 2.83 sehr viel höher als der xG-Wert von 1.45. Für Vasilj war es also deutlich schwerer die Bälle auch zu halten, als es die xG-Werte aussagen. Wir werden die xGOT-Werte wiedersehen, wenn es um die Stürmer des FCSP geht und ihr könnt euch sicher bereits vorstellen wohin da die Reise geht…
Schauen wir uns mal die Statistiken von Nikola Vasilj und Dennis Smarsch etwas genauer an:

Nikola VasiljDennis Smarsch
Gegentore1.41.7
xG-Wert0.91.2
xGOT-Wert1.11.3
Gegentore, xG- und xGOT-Werte pro 90 Minuten von Nikola Vasilj und Dennis Smarsch
Datenquelle: fotmob

Die Werte von fotmob unterscheiden sich übrigens von jenen, die bei wyscout abrufbar sind, aber weisen doch auf das gleiche hin: Sowohl Vasilj als auch Smarsch haben sich in dieser Saison mehr Gegentore gefangen als anhand der Torwahrscheinlichkeiten möglich. Smarsch hatte da etwas schlechtere Werte als Vasilj, aber beide weisen nicht wirklich berauschende Daten auf, auch wenn die xGOT-Werte die Diskrepanz etwas kleiner werden lässt.

Subjektiver Eindruck

Nikola Vasilj mag in Sachen Statistiken nicht ganz zu überzeugen, aber ich habe das Gefühl, dass sein Anteil an der stabileren Defensive des FC St. Pauli recht groß ist. Denn er strahlt auch weiterhin eine große Ruhe aus, ist zudem nun auch etwas lauter als noch in seinem ersten Jahr. Und trotzdem konnte er auf der Linie alles andere als überzeugen, fing sich zudem den ärgerlichen Gegentreffer in Düsseldorf. So wirklich zufriedenstellend ist das nicht.

Sascha Burchert wurde kurz nach Saisonstart verpflichtet, machte aber noch kein einziges Spiel für die Profis des FC St. Pauli.
(c) Stefan Groenveld

Keine Problemzone, aber auch keine Stärke

Nein, die Torwart-Position war in der Hinrunde alles andere als das Prunkstück des FC St. Pauli. Erst konnte Dennis Smarsch nicht überzeugen, dann konnte Nikola Vasilj zumindest auf der Linie nicht an die Leistungen der Vorsaison anknüpfen. Basierend auf den Statistiken und dem subjektiven Eindruck der Hinrunde 22/23 ist der FCSP knapp unterdurchschnittlich auf dieser Position besetzt.

Vielleicht muss diese Position ganz grundsätzlich neu gedacht werden. Denn der Fußball des FCSP ist klar auf Ballbesitz ausgerichtet. Dabei wäre sicher ein Torwart hilfreich, der besonders gut mit dem Ball umgehen kann und eine gewisse Geschwindigkeit mitbringt. Denn das ist etwas, was den FCSP von anderen Teams der Liga mit viel Ballbesitz unterscheidet. Der HSV hat Daniel Heuer Fernandes, der 1. FC Magdeburg Dominik Reimann und der SC Paderborn Jannik Huth. Alle drei Torhüter zeichnen sich auch durch gutes Aufbauspiel aus. Und diese drei Clubs liegen auf den Plätzen 1-3 beim Ballbesitz, der FCSP auf Platz vier.

Zwar kann Nikola Vasilj mit guten Quoten im Passspiel glänzen. Wirklich Impulse im Aufbauspiel setzt er aber nicht. Das wäre aber sicher etwas, was dem Ballbesitz-orientierten Spiel des FC St. Pauli gut tun würde. Einen Schritt in diese Richtung ist der FCSP bereits mit der Verpflichtung von Marco Knoop als neuem Torwart-Trainer gegangen, denn seine Trainingsmethoden unterscheiden sich deutlich von seinem Vorgänger. Ob sie aber wirklich dabei helfen die Torhüter besser zu machen, hat sich in der Hinrunde noch nicht zeigen können.

Was also tun? Braucht der FC St. Pauli einen neuen Torhüter, vielleicht sogar schon im Winter? Eine unterdurchschnittliche Hinrunde macht noch keinen schlechten Torwart, dürfte hier die Maßgabe sein. Sicher ist aber, dass auf dieser Position in den nächsten Wochen etwas passieren muss. Denn durch die Verpflichtung von Sascha Burchert befinden sich (mit Sören Ahlers) vier Torhüter im Kader. Das ist eigentlich einer zu viel. So ist davon auszugehen, dass noch im Winter mindestens einer den Club wechseln wird. Es wäre verwunderlich, wenn es sich dabei nicht um Dennis Smarsch handelt.
// Tim

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Sofern nicht anders markiert, stammen sämtliche Statistiken von Wyscout.

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2 thoughts on “Hinrunden-Analyse: Torhüter

  1. Hi Tim,

    wie schon beim Rasenfunk gesagt (Eva), es ist Dominik Reimann – nicht Riemann (das ist wichtig falls Borne handeln will – wobei Riemann sicher auch super wäre)

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