Ein weiterer Schritt nach vorn

Ein weiterer Schritt nach vorn

Der FC St. Pauli gewinnt das Testspiel gegen Borussia Mönchengladbach mit 1:0, überzeugt dabei vor allem in der ersten Halbzeit und lässt erneut einige Verbesserungen, aber auch Baustellen erkennen.
(Titelbild: Team2/imago images/via OneFootball)

Bevor alles zu hoch gejubelt wird: Borussia Mönchengladbach hat wenige Tage vor dem Test gegen den FC St. Pauli mit 4:0 gegen Arminia Bielefeld gewonnen. Das Team hatte also nur wenig Zeit zur Regeneration, während sich der FC St. Pauli bereits seit Dienstag auf das Spiel vorbereiten konnte. So muss das Ergebnis und eventuell auch die Spielweise etwas mit Vorsicht betrachtet werden. Und trotzdem zeigte der FCSP auch in diesem Testspiel, dass sich einiges getan hat in der Wintervorbereitung. Besonders erfreulich: Es sind Verbesserungen zu erkennen.

Startelf nimmt mehr und mehr Konturen an

Mit Nikola Vasilj, Karol Mets und Jackson Irvine kamen drei neue Spieler im Vergleich zum Test gegen den FC Lugano in die Startelf. Vasilj dürfte, sollte nichts Unvorhergesehens passieren, auch in die Rückrunde als Nummer 1 im Tor gehen. Mets scheint nun körperlich langsam das Level seiner neuen Teamkollegen zu erreichen, gleiches gilt für Irvine.

Auffällig ist, dass Cheftrainer Fabian Hürzeler nun auch im dritten Spiel in Folge nur sehr wenige Änderungen an seiner Startelf vornahm. Das gilt insbesondere für die Formation. Das 3-4-2-1 wurde auch gegen Mönchengladbach praktiziert und spätestens jetzt dürfte es für enorm hochgezogene Augenbrauen sorgen, wenn es zum Rückrundenstart eine andere Formation geben würde.

Und so wie die Formation mehr und mehr Konturen annimmt, tut es die Startelf auch. Karol Mets hat Marcel Beifus in der Anfangsformation ersetzt und mit seiner Leistung gezeigt, dass er ein klarer Startelf-Kandidat ist. Die Doppelsechs war mit Marcel Hartel und Jackson Irvine besetzt, Afeez Aremu blieb vorerst auf der Bank. Sicher dürfte das ein erster Hinweis darauf gewesen sein, dass der „Hartel-Irvine-Komplex“ zu Lasten von Aremu gelöst werden könnte. Ganz vorne setzte Hürzeler gar zum dritten Mal in Folge auf die gleiche Besetzung: Auch gegen Gladbach starteten Connor Metcalfe, David Otto und Lukas Daschner.

Spielmacher Smith

Bevor wir uns mit der Offensivreihe befassen, gehen wir in die Defensive. Im oben verlinkten Artikel zum „Hartel-Irvine-Komplex“ habe ich auch geschrieben, was in der neuen Formation definitiv nicht fehlen darf: „Drei spielstarke Innenverteidiger werden zwingend benötigt, um den Ball in gefährliche Zonen zu bekommen“. Nach dem Gladbach-Test steht fest, dass Eric Smith allein schon reichen könnte. Ich habe mal zwei Pässe aus dem Testspiel herausgesucht, die ihr euch unbedingt anschauen müsst: Spielminute 3:58 und 11:37 (im Video sind das dann Minute 8:20 und 16:01)

Klar, das sind natürlich die beiden Leuchttürme, die ich herausgesucht habe. Aber sie zeigen sehr schön, dass die Defensive besonders mit Smith den hohen spielerischen Ansprüchen an die neue Formation genügen kann. Andersrum gilt aber auch: Wenn es dem Team nicht gelingt das Spiel so zu eröffnen, dann wird es schwierig.
Auch Karol Mets hinterließ einen guten Eindruck, sowohl defensiv, als auch offensiv. Schaut mal, wie er verteidigt (Spielminute 7:45 (12:08 im Video) – und der Pass dann von Smith, klar…), aber auch nach Ballgewinn schnell eröffnet (8:32 (12:57 im Video).

Moenchengladbach, Deutschland, 14.01.2023 - Eric Smith (FC St. Pauli) spielt einen Pass im Testspiel gegen Borussia Moenchengladbach - Copyright: Revierfoto
Eric Smith macht sich mit seinen Leistungen in der Innenverteidigung zu einem unverzichtbaren Bestandteil des FC St. Pauli.
(Revierfoto/imago images/ via OneFootball)

Das sind alles Spielszenen aus der Anfangsviertelstunde. Die habe ich auch ein wenig aus Faulheit ausgewählt, da ich nicht noch einmal das gesamte Spiel nach solchen Szenen durchforsten wollte. Doch es dürfte noch einige weitere Beispiele für die Spieleröffnung geben, positive und negative. Wobei sich die Negativ-Beispiele zahlenmäßig eher im sehr niedrigen Bereich bewegen dürften, wenn man nur in der ersten Halbzeit sucht. Denn der FCSP war klar das bessere Team, zeigte sich sehr sicher in den Abläufen. Und das obwohl es offensiv gar nicht mal so richtig gut lief.

Offensive stottert noch

Da gewinnst du als Zweitligist mit 1:0 gegen einen sehr ambitionierten Erstligisten und spielst eine wirkliche richtig gute erste Halbzeit und was macht der Trainer? Zwar zeigte sich Hürzeler zufrieden, sagte aber auch: „Es muss uns noch besser gelingen, den letzten Pass zu spielen, den freien Mann zu sehen“ (Abendblatt (€)) und legte damit die vermeintlich letzte große Baustelle der neuen Formation offen.

Denn der FC St. Pauli schaffte es bereits gegen Union Berlin aufgrund der veränderten Positionierung offensiv mehr Gefahr auszustrahlen (nach Ballgewinn befinden sich meist die drei Offensivkräfte vorne drin). Gegen den FC Lugano glänzte das Team in Umschaltmomenten und nun zeigte es einige sehr gute Spieleröffnungen. Gemessen an dieser Qualität ist das, was vorne dabei rauskommt noch etwas zu wenig. Der FCSP hatte vor allem in der ersten Halbzeit viele Situationen, die vorne nicht gut ausgespielt wurden.

David Otto scheint gesetzt

Somit scheint eines der Probleme aus der Hinrunde bestehen zu bleiben. Allerdings zeigte David Otto, dass sich im Vergleich zum letzten Jahr einiges verändert hat, allen voran er persönlich. Vielleicht möchte ich das auch aufgrund seines Tores so sehen, aber Otto kommt etwas schlanker daher. Er erfüllte ja durchaus die körperlichen Voraussetzungen, um als „Kraftpaket“ bezeichnet zu werden. Da hat er ein wenig nachgelassen, dadurch scheint er aber ein bisschen agiler geworden zu sein. Das tut ihm, aufgrund des hohen Tempos des FCSP-Offensivspiels, ziemlich gut.

Deutschland, Hamburg, 16.07.2022, Fussball 2. Bundesliga 1. Spieltag, FC St. Pauli - 1. FC Nuernberg im Millerntor-Stadion David Otto (FC St. Pauli) im Zweikampf mit Tim Handwerker (1. FCN)
David Otto scheint gesetzt zu sein als Sturmspitze beim FC St. Pauli.
(c) Peter Boehmer

Mit Johannes Eggestein und Igor Matanović hat der FC St. Pauli zwei Spieler in seinen Reihen, die in der Jugend als größte Sturm-Talente ihrer Jahrgänge galten. In diesem Schatten ist immer ein wenig untergegangen, dass David Otto genau so gehandelt wurde. Die Testspiele, in denen weder Eggestein noch Matanović von Beginn an starten durften, scheinen die Rangfolge in der Offensive massiv verändert zu haben. David Otto dürfte zum Rückrundenstart ein Stammspieler sein. Und das zurecht. Ob er alleine aber für eine signifikante Verbesserung der FCSP-Offensive sorgen kann, ist zu bezweifeln.

Ein Test fehlt noch

„But can they do it on a rainy afternoon in Sandhausen?“
Der FC St. Pauli hat in bisher allen drei Testspielen gute Ansätze und mehr gezeigt. Mit dem FC Lugano, Borussia Mönchengladbach und Union Berlin ging es jeweils gegen Erstligisten, die entweder selbst eine ballbesitz-orientierte Spielidee verfolgen (Gladbach, Lugano) oder das Spiel als Test einer neuen Formation nutzten (Union testete eine Viererkette). Da sich der FCSP grundsätzlich mit seinem eigenen Offensivspiel leichter tut, wenn auch der Gegner etwas mit dem Ball anfangen kann, dürfte es noch ein großes Fragezeichen geben: Funktionieren die neu einstudierten Abläufe auch gegen tiefstehende Gegner?

Daran gibt es schon noch einige Zweifel. Fraglich ist, ob der kommende und letzte Testspielgegner, der FC Midtjylland (Samstag, 13:30 Uhr, Millerntor), die Rolle von Teams wie Kaiserslautern, Sandhausen, Regensburg und Co. einnehmen wird. Sicher ist aber, dass sich der FC St. Pauli in seinen bisherigen drei Testspielen immer weiter verbessert hat. Das macht Mut für den Rückrundenauftakt.
// Tim

Alle Beiträge beim MillernTon sind gratis. Wir freuen uns aber sehr, wenn Du uns unterstützt.

MillernTon auf BlueSky // Mastodon // Facebook // Instagram // Threads // WhatsApp // YouTube

6 thoughts on “Ein weiterer Schritt nach vorn

  1. Mein persönliches Highlight, Paqarada setzt zum Sprint an, um dem Flitzer den verlorenen gegangenen Schal zu bringen – sehr feiner Zug.

  2. Ich gebe hinsichtlich deiner in der Einleitung geäußerten Einschränkung der geringeren Regenerationszeit der Gladbacher zu bedenken, dass wir auch berücksichtigen sollten, dass zum einen gegen Bielefeld auch mehr Gladbacher Spieler aus der potentiellen Reihe 2 zum Einsatz kamen als gegen uns (vor allem in Halbzeit 1) und zum anderen Gladbach in der Vorbereitungsphase bereits eine Woche weiter ist.

    Dazu kommt, dass das Argument eher mit weiterem Verlauf des Spiels – wenn überhaupt – eine Rolle spielen sollte. In Hälfte eins würde ich das nicht gelten lassen.

  3. Moin & Danke für den Hinweis, Tim.
    Vielleicht sollte ich am 19. März ja dochmal nach Sandhausen. Drei Stunden von Bochum aktuell für € 25.40, mh.
    Und nein, weder der SVS noch der FCSP stehen als Absteiger auf meinem Zettel.

  4. One thing that I found much more convincing than against Lugano is the playing out from the back. While in Benidorm there were a few instances of ball losses after only two or three passes, there were none against Gladbach IIRC and there were very beautiful playouts, even in the second half. It could be due to the fact that Gladbach’s pressing was actually worst than Lugano’s, though.

  5. On the other hand, it might be too Smith-dependent, and other teams might realize it rather quickly and dedicate one formard to close down on Smith. we’ll see.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert