FC St. Pauli – SpVgg Greuther Fürth: Stimmen und Statistiken

FC St. Pauli – SpVgg Greuther Fürth: Stimmen und Statistiken

Der FC St. Pauli gewinnt auch die siebte Partie in Serie. Der VAR, ein Platzverweis, die defensive Stabilität und das Vertrauen in die eigene Stärke halfen dabei. Die Stimmen und Statistiken zum Spiel.
(Titelbild: Stefan Groenveld)

Nein, eine klare Angelegenheit war das ganz sicher nicht. Der FC St. Pauli geriet gegen Fürth früh in Rückstand und fing sich kurz danach nicht unverdient den zweiten Gegentreffer, der dann aber aufgrund einer knappen Abseitsstellung nicht gegeben wurde. Vier Minuten später gelang der Ausgleich und kurz vor der Pause dezimierten sich die Gäste durch einen Platzverweis. Das war sicher der Gamechanger. Nachdem der FCSP durch Afolayan mit 2:1 in Führung ging, verließ sich das Team auf seine stabile Defensive und brachte die knappe Führung über die Zeit. Die Analyse: Die glückliche Sieben

Trainerstimmen

Zorniger: „Darf uns auf diesem Level nicht passieren“

Richtig angefressen war Fürth-Trainer Alexander Zorniger auf der Pressekonferenz nach dem Spiel. Er sprach Glückwünsche zu einem „mehr als glücklichen Sieg“ aus und zeigte sich mit dem Spiel seines Teams zufrieden, welches „überragend gearbeitet“ habe: „Wir haben St. Pauli Aufgaben gestellt, die sie nicht beantworten konnten.“
Auch mit dem Verhalten seines Teams nach dem Platzverweis war Zorniger nicht unzufrieden, betonte vor allem, dass sie weiter guten Zugriff auf den FCSP gehabt haben.

Doch trotz dieser guten Arbeit, die Zorniger seinem Team attestierte, habe es drei Situationen gegeben, die „uns auf diesem Level einfach nicht passieren dürfen“. So gab es vor dem Ausgleich „die klare Möglichkeit den Ball zu klären“, stattdessen sei versucht worden (von Gideon Jung) den Ball im Spiel zu halten („total unnötig!“). Über die Rote Karte für Jung wollte Zorniger eigentlich nicht viele Worte verlieren, auch nicht über das 1:2, welches er aber als entscheidene Situationen ansprach. Später auf der PK wurde er nochmal auf den Platzverweis angesprochen und ich weiß nicht, aber es sind schon ziemlich deutliche Worte, die Zorniger findet:

„So eine Aktion darf ihm nicht passieren und das weiß er auch. Da gibt es auch keine Entschuldigung für. Ich kann jetzt nicht sagen, dass ich ihn (nach dem Spiel A.d.R.) liebevoll in den Arm genommen hab. Vielleicht tue ich das morgen, wenn es gut läuft.“

Alexander Zorniger über den Platzverweis von Gideon Jung

Hürzeler: „Reaktion ist entscheidend“

Allein aufgrund seiner krächzenen Stimme war Fabian Hürzeler anzumerken, dass auch er in diesem Spiel alles gegeben hatte. Zwar haben er und sein Team gewusst, dass die Fürther „hoch pressen werden und versuchen Hektik ins Spiel reinzubringen“, doch sein Team habe darauf nicht wie geplant antworten können: „Wir haben nicht einfach genug gespielt und nicht in den Positionierungen, wie wir es vorgehabt haben“.

Entsprechend war der frühe Rückstand verdient und das Team habe Glück gehabt nicht direkt mit 0:2 hinten zu liegen. Fabian Hürzeler betonte auch, dass der Platzverweis enorm geholfen habe. Noch mehr imponierte ihm aber die Art und Weise, wie sein Team mit dem schlechten Start und frühen Rückstand umgegangen sei: „Die Reaktion danach ist das Entscheidene. Wie die Mannschaft zusammenhält, was für einen Geist sie beweist. Das zeigt mir wie sie funktioniert und ist für mich sehr, sehr wichtig.“

Interessant war aus taktischer Sicht, dass der FC St. Pauli in der zweiten Halbzeit nicht auf das dritte Tor spielte, sondern viel eher um Spielkontrolle und defensive Stabilität bemüht war. Einmal mehr zeigte sich dann auch bei diesem Spiel, wie unterschiedlich die Prioritäten von Fabian Hürzeler im Vergleich zu Timo Schultz sind. Während unter Schultz bei knappen Führungen immer die Entscheidung in Form von weiteren eigenen Treffern gesucht wurde, ist Hürzeler darauf bedacht, dass sein Team das Spiel kontrolliert und der Vorsprung entsprechend über die Zeit gebracht wird (Auch bei dieser PK fiel folgender Satz: „Wenn wir den Ball haben, kann der Gegner kein Tor erzielen“). Dieser Verwaltungsmodus mündet nicht in berauschenden Offensiv-Spektakeln. Doch sieben Siege in Serie zeigen (ob glücklich oder nicht), dass diese Spielidee so falsch nicht sein kann, im Gegenteil.

Hamburg, Deutschland, 12.03.2023 - Cheftrainer Fabian Huerzeler feierte mit dem FC St. Pauli den Heimsieg gegen die SpVgg Greuther Fuerth - Copyright: Stefan Groenveld
Zwar zeigte das Team von Fabian Hürzeler im Aufbauspiel Schwächen, dafür aber eine gute mannschaftliche Reaktion auf den frühen Rückstand.
(c) Stefan Groenveld

Kern-Statistiken

Zwei weitere Statistiken haben es in diese Tabelle geschafft. Zum einen die deep completions. Dabei handelt es sich um die Anzahl von erfolgreichen Pässen nahe am gegnerischen Tor (es wird von der Tormitte ein Halbkreis gezogen, der einen Radius von 20 Metern hat). Zudem ist jetzt auch die Anzahl an Ballkontakten im gegnerischen Strafraum dabei. Beides bringt etwas mehr Aussagekraft zu den Leistungen im Spiel, unabhängig von xG-Werten.

FC St. PauliSpVgg Fürth
11 (6)Torschüsse (auf’s Tor)5 (2)
14Fouls8
58.1%Ballbesitz41.9%
563 (82.8%)Pässe (erfolgreich)389 (75.3%)
61 (67.2%)…davon ins letzte Drittel (erfolgreich)56 (69.6%)
55 (54.6%)…davon lange Pässe (erfolgreich)62 (61.3%)
10Deep completions4
18Ballberührungen gegn. Strafraum17
81 (64.2%)Defensivduelle (erfolgreich)65 (56.9%)
43 (46.5%)Kopfballduelle (erfolgreich)43 (46.5%)
5.9PPDA20.4
120kmLaufdistanz*119.3km
208Sprints*222
*Laufdistanz von Bundesliga.de

Um ein Gefühl für die neuen Metriken zu bekommen: Die zehn deep completions des FCSP sind durchschnittlich (in der Hinrunde gegen Paderborn waren es 19, gegen Heidenheim waren es nur drei). Die 18 Ballkontakte im Strafraum sind auch durchschnittlich, wenn man nur die Rückrunde betrachtet. In der Hinrunde lag dieser Wert bei 25.

Bemerkenswert sind die Laufwerte. Trotz einer Halbzeit in Unterzahl kommen die Fürther auf fast die gleiche Laufdistanz und haben insgesamt mehr Sprints gezogen. Ein Anzeiger für den hohen Aufwand der Gäste und dass sich der FC St. Pauli eher um Spielkontrolle, als um erfolgreiche Umschaltmomente bemühte.

Expected Goals

FC St. PauliSpVgg Fürth
0.8 / 0.9 / 1.1expected goals (xG)
(wyscout / DFL / fotmob)
0.7 / 1.2 / 0.7
0.2xG – 1. Halbzeit0.6
0.9xG – 2. Halbzeit0.1
0.9xG – herausgespielt0.2
0.1xG – Standards0.5
1.7xGOT*0.9
Sämtliche xG-Werte (sofern nicht anders markiert) stammen von fotmob
*xGOT: Expected Goals on Target (xGOT) misst die Wahrscheinlichkeit, dass ein gezielter Schuss zu einem Tor führt, basierend auf der Kombination aus der zugrunde liegenden Chancenqualität Expected Goals (xG) und der Endposition des Schusses im Tor. Dabei werden Schüsse, die platzierter sind und in den Ecken landen, besser gewertet als Schüsse, die direkt in die Mitte des Tores gehen.

Wie gut es dem FC St. Pauli gelang das Spiel in der zweiten Halbzeit zu kontrollieren, zeigen die xG-Werte. Auf einen Wert von 0.1 bringen es die Fürther in den zweiten 45 Minuten. Zwei gefährliche Situationen gab es trotzdem und insgesamt zeigen die xG-Werte auch, dass der FCSP die Partie eher etwas glücklich gewann. Oder aber, xGOT knows best, dass die Abschlussqualität (Hallo, Dapo!) einfach hoch gewesen ist.

Einzelbewertungen

Einen Saisonrekord erreichten die Spieler des FC St. Pauli: Insgesamt führte das Team 81 Defensivduelle (nie mehr). Davon waren fast zwei Drittel erfolgreich und maßgeblichen Anteil daran hatte eigentlich das gesamte Team. Denn einzig Dapo Afolayan gewann weniger als 50% seiner Defensivduelle, der ohnehin einen eher schwächeren Auftritt hatte, dafür aber an beiden Toren entscheidend beteiligt war. Alle anderen Spieler gewannen teils deutlich mehr Duelle (Smith: 9/12, Saliakas: 7/9, Hartel: 6/10, Paqarada: 5/7). Und so möchte ich da dieses Mal (fast) keinen Spieler besonders hervorheben

Teamwhoscored / sofascore / fotmob
FC St. Pauli(6.7 / 6.8 / 7.3) -> 6.9
SpVgg Fürth(6.4 / 6.6 / 6.6) -> 6.6
Spieler
Nikola Vasilj(6.4 / 6.5 / 6.5) -> 6.5
Manolis Saliakas(8.1 / 7.9 / 8.3) -> 8.1
Jakov Medić(6.4 / 6.7 / 7.3) -> 6.8
Eric Smith(6.3 / 6.4 / 6.9) -> 6.5
Karol Mets(6.9 / 6.8 / 7.7) -> 6.9
Leart Paqarada(7.6 / 7.4 / 8.1) -> 7.7
Jackson Irvine(7.4 / 7.1 / 8.2) -> 7.6
Marcel Hartel(6.5 / 6.6 / 7.4) -> 6.8
Connor Metcalfe(6.1 / 6.4 / 6.4) -> 6.3
Lukas Daschner(7.2 / 6.8 / 7.2) -> 7.1
Dapo Afolayan(6.7 / 6.9 / 7.2) -> 6.9
Berücksichtigt sind nur Spieler, die mindestens 25 Spielminuten auf dem Feld waren.

Eine Ausnahme mache ich dann doch: Richtig gut in Form ist aktuell Manolis Saliakas (der dann auch in der mixed zone vor das Aufnahmegerät zitiert wurde). Entsprechend seines Treffers ist er der „Liebling der Statistikseiten“ und auch in den letzten Spielen lag er mit seinen Werten immer ziemlich weit vorne. Saliakas ist defensiv stabil, wie seine Zweikampfwerte zeigen, und hat offensiv immer mehr Aktionen. Drei Torschüsse waren es gegen Fürth (wie auch gegen Rostock und Kaiserslautern in der Rückrunde – persönlicher Rekord), zuletzt gegen Paderborn schlug er sieben Flanken. Der 26-jährige Rechtsverteidiger war bereits zu Saisonbeginn ein Gewinn für das Team. Mit jedem Spiel scheint seine Bedeutung auf dem Platz zu steigen.

Stimmen

Mit Hilfe einer Übersetzerin stand Manolis Saliakas dann nach dem Spiel Rede und Antwort. Und ganz ehrlich: Nicht einmal Marcel Hartel liefert mehr Floskeln in so kurzer Zeit, wie Saliakas es tut: „Wir schauen von Spiel zu Spiel, versuchen unsere Fehler zu verbessern und müssen daran glauben, dass es immer noch besser geht.“ Und sowieso habe er es nicht bereut zum FC St. Pauli zu wechseln: „Ich freue mich darüber Tag für Tag und werde immer mein Bestes geben.“ 19,10 Euro ins Phrasenschwein bitte.

Zweifelsohne ist Saliakas ein sehr beliebter Spieler bei den Fans. Sein Tor widmete er übrigens seinem Bruder, der im Stadion zu Gast war. Und trotz aller Floskel-Coolness, die er zeigte: Ein Satz, den er mit einem schüchternden Grinsen versah, ließ mindestens ein Herz in der mixed zone schmelzen: „Ich freu mich sehr, dass ich diese Liebe von den Fans empfange“. Hach, Manos…

„We were shit today!“

Ebenfalls gefragt war natürlich der zweite Torschütze für den FC St. Pauli. Dapo Afolayan betonte, ebenfalls floskelsicher, wie schwierig die Partie für das gesamte Team, aber auch für ihn persönlich war: „Ein wirklich hartes Spiel für uns, aber wir sind durchgekommen. Es war nicht mein bestes Spiel für den FC St. Pauli, aber mit meinem Tor konnte ich helfen.“ Dann ließ er noch eine Ansage an kommende Gegner folgen: „There is still a lot more to come from me!“ Wir freuen uns darauf!

Hamburg, Deutschland, 12.03.2023 - Oladapo Afolayan erzielte gegen die SpVgg Greuther Fuerth seinen ersten Treffer fuer den FC St. Pauli - Copyright: Stefan Groenveld
Nein, mit dem Kopf hat Dapo Afolayan seinen ersten Treffer für den FC St. Pauli nicht erzielt. Mit Köpfchen aber umso mehr.
(c) Stefan Groenveld

Wesentlich weniger in Floskeln spricht Eric Smith, weshalb ich ihn gerne wieder anfragte, obwohl ich beim letzten Mal vor Aufregung einen gigantischen Gehirnfurz produzierte („Was ist das für ein Gefühl?“). Dieses Mal war ich dann aber besser vorbereitet: War das die größte Herausforderung für euer Aufbauspiel bisher, Eric? „We were shit today!“ Hell yeah, Eric, schon wieder der bestmögliche Einstieg ins Interview! I love it!

Aber nein, ganz so scheiße sei es nun auch nicht gewesen gewesen, führte Smith dann aus, denn offensichtlich habe man ja das Spiel gewonnen. Und sowieso geht der Blick nur nach oben: „Wenn wir auf dem höchsten Level mithalten wollen, dann müssen wir auch die Spiele gewinnen, in denen wir nicht unseren besten Fußball spielen.“

Die Gründe dafür, dass der FCSP nicht seinen bestmöglichen Fußball spielte (oder wie Smith es martialisch ausdrückte: „We’ve managed to survive the game“), sah er dabei nicht nur beim eigenen Team „Fürth hat es sehr gut gemacht, sie haben fantastische Spieler. Wir sind etwas wackelig in die Partie gekommen und hatten Glück, dass ihr zweiter Treffer Abseits war. Aber es ist etwas besonderes, wenn man auch solche Spiele gewinnt, daraus können wir Energie ziehen.“

Top6 können nicht gewinnen

Klar, drei Punkte sind drei Punkte. Aber an diesem Spieltag funkeln sie sicherlich noch etwas schöner. Denn der FC St. Pauli hat auf Platz sieben liegend auf alle Teams vor sich Punkte gutmachen können. Keines der Top6-Teams konnte gewinnen, der HSV und Darmstadt mussten sogar empfindliche Niederlagen einstecken.
Sieben Siege in Serie und solche Spieltage sorgen dann sicher dafür, dass, auch wenn der Weg richtig, richtig weit ist, an der ein oder anderen Stelle geträumt werden wird.

// Tim

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3 thoughts on “FC St. Pauli – SpVgg Greuther Fürth: Stimmen und Statistiken

  1. Moin Tim,

    Die Spieltagsbericjterstattung wird immer besser! Da tut es viel weniger weh, wenn man das Spiel mal nur im Ticker verfolgen kann 🙂

    Eine Frage zur Statistik habe ich noch: gibt es auch Kopfballduelle ohne Gewinner? Oder sind die „43 (46.5%)“ auf beiden Seiten in der Statistik ein Copy-Past-Fehler?

    Cheers,
    Ferdinand

    1. Ja, genau. In diesem Fall haben beide Teams identische Quoten, aber grundsätzlich kommt das in Summe nie auf 100%, weil es Duelle gibt, die keinen Gewinner haben.

  2. I want to have a beer with Smith!
    „We were shit today!“ & „We’ve managed to survive the game“ true but funny!
    Bitte Tim, frage ihn mehr!!!

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