Das Megaprojekt des FC St. Pauli

Das Megaprojekt des FC St. Pauli

Der FC St. Pauli möchte sein Trainingszentrum an der Kollaustraße erweitern. Am Dienstag gab es hierzu eine öffentliche Plandiskussion, bei der ein tiefer Einblick in das Vorhaben möglich war.

Der Stadtplanungsausschuss hatte in die Anna Warburg Schule in Niendorf eingeladen und eine ganze Menge interessierter Personen folgte diesem Aufruf. In einer öffentlichen Plandiskussion konnte man sich über den aktuellen Planungsstand zu den Umbaumaßnahmen des Trainingszentrums des FC St. Pauli informieren, Bedenken und Ideen einbringen.

Es ist ein ziemlich schwieriges Unterfangen, alle unterschiedlichen Interessen und Interessensgruppen bei diesem doch sehr großen Bauvorhaben zu greifen und diese zu ordnen. Sicher ist: Der FC St. Pauli möchte sein Trainingszentrum erweitern, auch um die Auflagen der DFL erfüllen zu können. Diese Auflagen verlangen unter anderem vier Fußballplätze für das NLZ. Wenn man diese an der Kollaustraße errichten möchte, so muss das jetzige Trainingszentrum massiv erweitert werden.

Diese Erweiterung streben die Stadt, der Bezirk Eimsbüttel und der FC St. Pauli an. Doch diese Erweiterung bedeutet auch, dass der Baseballplatz nebenan, die Heimat der ETV Knights und Hamburg Stealers, für Spielfelder weichen muss (dieser soll in einem Ringtausch an die Vogt-Kölln-Straße ziehen). Auch auf die Fläche südwestlich des jetzigen Trainingsgeländes, einem ausgewiesenen Überschwemmungsgebiet, sollen zwei Fußballplätze gebaut werden.

Beides, der Ringtausch, über den sich einige Beteiligte von den Behörden ziemlich spät informiert fühlten und bei dem es noch eine ganze Menge Fragen zu beantworten gibt, und der Bau in dem Überschwemmungsgebiet, sorgten zuletzt für eine doch recht emotional geführte Diskussion – wir berichteten mehrfach. Davon war auch bei der öffentlichen Plandiskussion etwas zu spüren, etwa als einige Nachbarn des Trainingsgeländes ihre Sorge vor Fehlkalkulationen beim Hochwasser- und Starkregenschutz kundtaten oder andere Personen das notwendige Fällen ziemlich alter Bäume lautstark kritisierten.

Was ist geplant?

Vor rund einem Jahr informierte der FC St. Pauli zusammen mit (*hüstel*) einem Senator der Hamburger Bürgerschaft medienwirksam darüber, dass das Trainingszentrum an der Kollaustraße ausgebaut werden soll. Die Planungen waren damals aber noch recht vage. Entsprechend aufschlussreich war der Einblick den es jetzt gab. Wir versuchen einen Überblick zum aktuellen Stand der Planungen zu geben. Hilfreich ist dabei vor allem die Handreichung, welche am Dienstag an die anwesenden Personen verteilt wurde, aber auch die Gespräche, die während der Veranstaltung geführt wurden.

Für weitere Informationen empfehlen wir den Blick auf die Projektseite, wo alle Schritte detailliert dargestellt werden. Ebenfalls interessant ist das Protokoll der Sitzung des Ausschusses Stadtplanung von letzter Woche, wo der Umbau ebenfalls Thema war. Und die Stadt dokumentiert auf ihrer Internetseite ebenfalls die einzelnen Schritte, die bei diesem Vorhaben gegangen wurden und werden.

Durch den Umbau soll auch das Nachwuchsleistungszentrum an die Kollaustraße ziehen. Der FCSP erklärte, dass bereits seit einigen Jahren nach Standorten für eine Zusammenlegung des Trainingszentrums der Profis und des NLZ gesucht wurde. Sogar ein Umzug nach Schleswig-Holstein oder Niedersachsen wurde ernsthaft erwogen. Nun konnte die Stadt aber die Fläche südlich des jetzigen Trainingsgeländes langfristig erwerben, sodass ein Ausbau an der Kollaustraße für den FC St. Pauli möglich geworden ist.

Im Februar 2022 unterzeichneten Verein und Stadt eine Absichtserklärung für den Umbau des Trainingszentrums an der Kollaustraße.
(c) Peter Boehmer

Zwei Bauabschnitte

Der aktuelle Plan sieht vor, dass der FC St. Pauli zukünftig insgesamt sieben Fußballplätze an der Kollaustraße haben wird. Fünf davon müssen neu gebaut werden, die zwei aktuell vorhandenen Rasenplätze würden bestehen bleiben.
In einem ersten Bauabschnitt (Dauer etwa zwei bis drei Jahre) ist geplant zwei Spielfelder in dem Überschwemmungsgebiet zu errichten, einen Natur- und einen Kunstrasenplatz. Zudem soll auf dem jetzigen Trainingsgelände zur Kollaustraße hin ein neues Funktionsgebäude errichtet werden, welches für die Profis und die U23 vorgesehen ist.

Ein zweiter Bauabschnitt könnte erst beginnen, wenn die neue Baseball-Anlage an der Vogt-Kölln-Straße fertiggestellt ist. Das wird noch ein paar Jahre dauern, da dafür das Informatikum umziehen muss.
Auf dem Gelände, wo aktuell die Baseball-Anlage steht, sowie der Kunstrasenplatz und das erst vor wenigen Jahren errichtete Funktionsgebäude des FC St. Pauli, sollen dann drei weitere Spielfelder, ein Funktionsgebäude für das NLZ, sowie ein Gebäude für Greenkeeping und Gäste errichtet werden.

Dieser Umbau würde insgesamt eine ganze Menge Veränderungen vor allem südlich des jetzigen Trainingsgeländes mit sich bringen. Neben dem Ringtausch und den damit verbundenen räumlichen Veränderungen für andere Sportvereine (die in diesem Artikel nicht behandelt werden) betrifft das vor allem drei Bereiche:

  • Verkehr und Mobilität
  • Schutz vor Hochwasser und Starkregen
  • Grün- und Freiräume

Wer von Euch schon einmal am Trainingsgelände des FC St. Pauli gewesen ist, weiß ganz sicher: Die Qualität der Zufahrtsstraße (Langenhorst) ist, gelinde gesagt, verbesserungswürdig. Im Rahmen des Umbaus soll diese Straße erneuert werden. Unter anderem soll ein Gehweg errichtet und die Straße soll zu einer Sackgasse für Autos umgebaut werden. Zusätzlich soll, anders als aktuell, ein Straßengraben für eine geregelte Entwässerung sorgen. Der letzte Punkt leitet perfekt über zum nächsten:

Zwei Plätze sollen in einem seit 2017 festgesetzten Überschwemmungsgebiet errichtet werden. Das erscheint aufgrund der Prognosen mit zunehmenden Starkregen-Ereignissen wie ein falscher Schritt in Sachen Hochwasser-/Starkregenschutz. Entsprechend ist dies sicher der am emotionalsten diskutierte Punkt im Bebauungsplan.

Auf das Überschwemmungsgebiet südlich des jetzigen Trainingsgeländes sollen zwei neue Spielfelder gebaut werden.
(c) Peter Boehmer

Neue Plätze im Überschwemmungsgebiet möglich?

Aktuell werden mehrere Varianten geprüft, wie auf der Fläche zwei neue Spielfelder gebaut werden können und trotzdem weiterhin in dem Bereich die Funktion als Überschwemmungsgebiet erhalten bleiben kann. Hierbei soll ein Gewässerrandstreifen südlich der zu bauenden Spielfelder renaturiert werden und aktuelle Regenrückhaltebecken sollen bestehen bleiben. Zudem ist geplant, dass ein geeignetes Regenwassermanagement (z.B. über Zisternen und Rigolen) installiert wird. Der FC St. Pauli beabsichtigt das Regenwasser zum Bewässern der Spielfelder zu nutzen. Entsprechend erscheint eine Speicherung über Zisternen geeignet. (Übrigens: Das Granulat auf modernen Kunstrasenplätzen besteht nicht mehr aus Mikroplastik, sondern inzwischen aus einem Korkgemisch)

Auf der öffentlichen Plandiskussion wurde von den beteiligten Behörden erklärt, dass die hydrologischen Modellierungen noch andauern. Die ersten Ergebnisse seien aber vielversprechend und im direkten Gespräch wurde angedeutet, dass die Fläche im Zuge des Umbaus sogar mehr Wasser als vorher aufnehmen könnte.

Die Renaturierung eines Gewässerrandstreifens südlich der neu zu bauenden Spielfelder würde nach Darstellung der beteiligten Akteure nicht nur zum Hochwasserschutz, sondern auch zur Steigerung der Biodiversität beitragen (bevor wir aber eine märchenhafte Auenlandschaft erwarten: Die Rede ist von einem 20 Meter breiten Streifen). Sicher ist aber auch, dass der Umbau den jetzigen Baumbestand verändern wird. Es sollen zwar neue Bäume gepflanzt und der Eingriff in den Baumbestand so gering wie möglich gehalten werden. Allerdings wird auch erklärt, dass Bäume für die neuen Gebäude und Straßenbaumaßnahmen gefällt werden müssen.

Was kostet das?

Klar, so ein Umbau wird nicht mit einer Flasche Bier bezahlt. Nach unseren Informationen werden die Kosten für den Umbau vom Verein im mittleren zweistelligen Millionenbereich angesiedelt. Und der FC St. Pauli ist auch der „Träger der Kosten für die Planung und den Bau der Sportanlage“. Das steht so explizit in der Handreichung. Ob das die Straßenumbaumaßnahmen, die Neugestaltung des Wegenetzes, sowie die Anpassungen auf der Überschwemmungsfläche einschließt? Keine Ahnung. Die Formulierung lässt aber sicher Interpretationsspielraum.

Übrigens: Wenn der Umbau tatsächlich so umgesetzt wird, wie aktuell geplant, dann hat der FC St. Pauli die Auflagen der DFL übererfüllt. Denn laut deren Vorgaben braucht der FCSP nicht fünf, sondern nur vier Spielflächen für das NLZ. Auf Nachfrage wurde erklärt, dass hierbei an die wachsenden Abteilungen im Blindenfußball, aber auch beim Fußball der Mädchen und Frauen gedacht wird. Ein aus Vereinssicht sicher sehr schöner Gedanke, wenn diese Abteilungen irgendwann (noch) enger zusammenwachsen. Doch nicht jede*r dürfte damit einverstanden sein, dass der FCSP eine größere Fläche bebauen möchte, als nach jetzigem Stand zwingend notwendig.

Sieben Spielfelder und drei Funktionsgebäude sieht der aktuelle Entwurf des Bebauungsplans für das Trainingszentrum des FC St. Pauli vor.

Und auch, wenn wir das alle nicht möchten: Bei einem Bauvorhaben, welches vermutlich eine Laufzeit von rund zehn Jahren haben wird, muss auch beachtet werden, dass der FC St. Pauli die DFL-Auflagen vielleicht gar nicht mehr erfüllen muss, wenn das fertig gebaut ist, weil er nicht mehr Teil der beiden obersten Ligen in Deutschland ist. Ja, das ist nur ganz schwer vorstellbar, klar. Doch trotzdem muss bei so einem Projekt auch dieses Szenario bedacht werden. Auf Nachfrage wurde erklärt, dass einzelne Teile auch zurück gebaut werden könnten, wenn es denn notwendig wäre. Sicher ist in jedem Fall, dass der FC St. Pauli ein millionenschweres Bauvorhaben plant, welches dann entsprechend auch in allen möglichen Szenarien durchdacht werden muss (dazu zählt nicht nur der Gewinn der Champions League, sondern auch der Abstieg in die vierte Liga).

Wie geht es weiter?

Um einmal etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen, hilft sicher eine Zeitskala: Der Um- und Ausbau des Trainingsgeländes wird Jahre dauern. Mit einer Fertigstellung ist nicht vor 2030 zu rechnen. Aktuell ist auch noch nicht einmal klar, ob das Bauvorhaben basierend auf der jetzigen Planung überhaupt umgesetzt werden kann. Das liegt auch daran, dass einige Gutachten (z.B. zum Lärmschutz) noch fehlen bzw. die Modellierung des Überschwemmungsgebietes noch nicht abgeschlossen ist.

Die Ergebnisse der öffentlichen Plandiskussion bzw. der Input, den es von Seiten der Öffentlichkeit zum Projekt gab, werden nun im Stadtplanungsausschuss ausgewertet. Für das dritte Quartal dieses Jahres ist die Auslegung des Bebauungsplanentwurfes vorgesehen. Einen Beschluss und damit den Startschuss für eines der größten Bauvorhaben des FC St. Pauli könnte es dann im ersten Quartal 2024 geben.
// Tim

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12 thoughts on “Das Megaprojekt des FC St. Pauli

  1. Hi,

    erstmal danke für den Artikel! <3 Ich wollte fragen, ob in der Veranstaltung gesagt wurde warum der Kunstrasenplatz im Überschwemmungsgebiet und nicht woanders liegt, bzw. ob gesagt wurde, warum gerade der so wichtig ist…? Ich habe zwar ein paar Vermutungen aber vielleicht kannst du mir da nochmal Klarheit verschaffen.

    1. Nein, das war nicht Thema. Grundsätzlich sind Kunstrasenplätze aber nicht mehr so umweltschädlich wie noch vor wenigen Jahren, weil Mikroplastik-Granulat verboten wurde. Entsprechend wurde das nicht als Problem dargestellt. Warum der Kunstrasenplatz aber im Überschwemmungsgebiet gebaut werden soll, keine Ahnung.

      1. Hi Tim,
        meines wissens gibt es (noch) kein Verbot für Mikroplastik-Infill, aber die von die angesprochene Variante könnte ka in der Planung berücksichtigt werden (Kork oder Olivenkerne sowie Pflanzenfasern gibt es da wohl). Was aber als Problem bleibt sind ja die Fasern selber. Die brechen, so dass die ganze Sache immer noch nicht ganz unproblematisch ist. Die Plätze werden aber jetzt auch mit Rückhalterinnen gebaut, so dass Plastik abgeschieden werden kann. Derzeit ist zudem ein Blauer Engel in der Entwicklung der solche Fragen behandeln soll https://www.blauer-engel.de/de/zertifizierung/zertifizierung-ihrer-produkte/neuvorschlaege-und-pruefauftraege (macht mein Bürokollege) Falls du da mal tiefer reintauchen willst (wozu du ja durchaus neigst) gibt es ne Übersichtstudie von Jürgen Bertling am Fraunhofer Umsicht https://www.umsicht.fraunhofer.de/de/presse-medien/pressemitteilungen/2021/systemanalyse-kunstrasenplaetze.html

        1. Ah, super, danke! Ich hatte nur gelesen, dass das EU-weit verboten werden soll und dachte das wäre schon durch (weil der Artikel von 2021 war).

  2. Ist bei diesem Megaprojekt eigentlich auch das Fehlen eines Platzes/Stadions für die Regionalligamannschaft thematisiert worden? Dieses Problem gibt es schon so lange und es tut sich rein gar nichts seit Jahren!
    LG
    Uli

  3. Moin,
    verstehe ich es richtig, daß das derzeitige L-förmige Funktionsgebäude (welches ja noch gar nicht so lang steht) für den geplanten zweiten Bauabschnitt abgerissen werden müßte?

  4. Ich kenn die Begebenheiten vor Ort nicht, aber ich bin selbst Anwohner eines kleinen Flusses und regelmäßig vom Hochwasser betroffen. Wie oft kommt es denn überhaupt vor, dass das Überschwemmungsgebiet geflutet wird?

  5. Das gäbe immerhin 1 Platz mehr als ein anderer Club hat, hehe.
    „Lärmschutzgutachten“ finde ich drollig, angesichts der Tatsache, dass man direkt in der Ab-und Anflugschneise von Fuhlsbüttel liegt. Mindestens 7-8 Jahre Genehmigungs- und Bauzeit für die Renaturierung und ein paar Fussballplätze sind eher ernüchternd.

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