„Jackson Irvine im Fokus der Premier League“

„Jackson Irvine im Fokus der Premier League“

„Der australische Nationalspieler steht bei Nottingham Forest auf der Liste“ – Transfergerüchte fußen oft auf der Fantasie von Redaktionen oder sind Mittel zum Zweck für Spielerberater. Ein Kommentar von Tim.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Ja, sorry, der Titel dieses Blogbeitrages hat sicher der einen oder dem anderen Schweißperlen auf die Stirn getrieben. Jackson Irvine steht unseres Wissens nach nicht vor einem Wechsel in die englische Top-Liga, auch wenn er ganz sicher auf sämtlichen Transferlisten aller Clubs der Welt stehen dürfte. Aber ganz aus der Luft gegriffen ist das Gerücht nicht. Oder doch, je nachdem wie gut man recherchieren möchte. In jedem Fall dürfte uns dieser Titel eine Vielzahl an Klicks sichern. Später mehr dazu.

Clickbait vs. Berufsethos

Ich gehe aber davon aus, dass einige von Euch, die das hier gerade lesen, bereits vor Öffnen dieses Artikels wussten, dass wir ganz sicher keine Transfergerüchte hier breittreten. Denn der MillernTon macht das einfach nicht. Wir halten uns da lieber raus. Viel zu oft kursieren wildeste Spekulationen um Transfers. Nicht selten sind diese Infos von Spielerberatern oder Vereinen persönlich gesteckt, um Marktwerte hoch- und Verhandlungen voranzutreiben (womit sich Redakteur*innen dann zum Spielball haben machen lassen). Und fast genau so oft werden diese wilden Spekulationen, die manchmal auch nicht mehr als ein fehlinterpretiertes Wort sind, von diversen Medien geteilt. Auch dann noch, wenn es die Redakteure besser wissen. Denn Anzeigen im Onlinebereich von Zeitungen werden eigentlich immer über Klicks abgerechnet. Wenn ein Medium nun meldet, dass der FCSP „hinter DIESEM Stürmer“ her ist, dann ist das Clickbait in seiner Reinstform. Dies als MillernTon zu multiplizieren? Nein, einfach nein.

Das bedeutet aber natürlich nicht, dass wir uns nicht über Transfergerüchte informieren. Im Gegenteil, ich persönlich liebe Transfergerüchte. Sie geben die Möglichkeit vom ganz großen Wurf in der kommenden Saison zu träumen. Und sie gehören einfach zur spielfreien Zeit dazu. Natürlich registrieren wir Transfergerüchte, gehen diesen nach, betreiben eigene Recherche, ob da wirklich was dran ist. Ohne diese Recherche wäre es nicht möglich, in vielen Fällen kurz nach der Bekanntgabe von Transfers seitens des Vereins mit einem eigenen Spielerprofil um die Ecke zu kommen. Aber die Gerüchte als Artikel veröffentlichen? Nein. Die Sorge ist groß, dass wir damit noch was am Transfer verändern (was aber höchstwahrscheinlich nie der Fall sein dürfte) oder sich die Infos als falsch herausstellen und wir Transfers und Gerüchte vermelden, die es nicht gibt und nie gab – das passt aus unserer Sicht nicht zu Medien mit einem eigenen Anspruch an saubere Recherche. Es passiert selten, aber zum Beispiel hatten wir schonmal eine Diskussion dazu, ob der bereits fertige „Finn Ole Becker vor Wechsel nach Gladbach(!)“-Artikel nicht schon vor Bekanntgabe veröffentlicht werden kann. Die Vernunft gewann und als dann der Wechsel nach Hoffenheim(!) vermeldet wurde, war da einmal mehr die Erkenntnis: Wir sollten und wollen da nicht mitmachen bei diesem Gerüchtekram.

Ein Phantom namens Gavin Reid…

Wieso mir es mir nun gerade jetzt unter Nägeln brennt, über den Umgang mit Transfergerüchten zu schreiben? Weil das Gerücht „Fashion Sakala im Fokus des FC St. Pauli“ ein besonders krasser Auswuchs ist. Dieses Gerücht ploppte vor einigen Tagen auf und hätte bereits nach einem kurzen Blick in die Zahlen zu Grabe getragen werden können: Sakala ist einfach ein Preisregal, welches nicht ansatzweise zum FCSP passen dürfte. Ursprünglich kam das Gerücht am 13. Juni von einem Twitter-Account mit dem Namen „Gavin Reid“. Und dieser Tweet sorgte dafür, dass eine ganze Reihe von Medien dieses Gerücht aufnahmen und verbreiteten.

Dabei hätte schon eine kurze und nichtmal gründliche Recherche genügt, um nicht nur massive Zweifel am vermeintlichen Gerücht, sondern an der Kompetenz von Gavin Reid, sogar an seiner Existenz zu haben: Der Betreiber des Accounts gibt an, als freiberuflicher Journalist zu arbeiten. Unter anderem hätte er dieses schon für diverse Medien getan („Worked previously at the Athletic, Manchester Echo & Evening post.“ steht in seinem Twitter-Account). Das Medium „The Athletic“ ist hochangesehen, aber eine Suche nach Artikeln von Gavin Reid für The Athletic führt ins Leere. Gleiches gilt für Artikel, die bei „Manchester Echo & Evening post“ veröffentlicht wurden – denn das Medium existiert schlichtweg nicht. Es geht weiter: Das Foto mit dem sich der Account darstellt, findet sich auf einer Webseite mit frei verfügbaren Bildern (wie Twitter-User BastiGVST anmerkte). Zudem ist der Account erst seit wenigen Tagen als „Transfer-Announcer“ aktiv, teilte vorher viel lieber Inhalte mit Hooligan-Bezug und jede Suche nach einem Journalisten mit dem Namen Gavin Reid läuft komplett ins Leere. Kurzum: Alles deutet darauf hin, dass der Account, und damit sämtliche vermeintliche Transfergerüchte, kompletter Fake sind.

…führt Medien an der Nase herum

Für viele Medien ist diese nichtmal fünf Minuten andauernde Recherche jedoch entweder zu viel verlangt oder aber der berufliche Ethos verliert hier auf ganzer Linie gnadenlos gegen den gewünschten Clickbait (oder aber nach zwei Stunden Recherche tauchen Artikel von Reid auf, hehe). Der Effekt solch wilder Spekulationen und des Teilens von solchen Fake-News führt dann dazu, dass sich sogar Sportchefs der Clubs äußern („Es ist erstaunlich, was angeblich alles gehen soll, wir haben zuletzt ein paar wilde Themen registriert.“ sagte Andreas Bornemann dem Abendblatt (€) in Bezug auf das Gerücht). Und genau diese Aussage wird dann wiederum von anderen Medien übernommen – bis hoch zur BBC hat es dieser Quatsch geschafft. Ein Transfergerücht, welches von einem höchst zweifelhaften Account stammt. Das ist völliger Wahnsinn.

Das bekannteste Portal in Sachen Transfers nutzte dieses Gerücht in den letzten Tagen sogar für drei-vier Push-Nachrichten. Inzwischen sind dort aber alle Verweise auf diesen „Wechsel“ gelöscht worden. Alle bereits erdachten Wortwitze mit Modelabel und Fashion müssen also wieder eingemottet werden.

Daher: Wir mögen es, wenn Gerüchte aufploppen, die Hand und Fuß haben – sie laden nämlich dann doch zum Träumen ein. Aber nein, wir werden uns als MillernTon auch weiterhin nicht am Teilen von Transfergerüchten beteiligen.
Mal schauen, welche Medien das neueste von Gavin Reid verbreitete Gerücht aufnehmen: „Nottingham Forest have made an approach to St Pauli for midfielder Jackson Irvine. The international has impressed the Forest management.“ – wir haben das (siehe Titel) mal zu Schauzwecken gemacht und werden Ende der Woche vermelden, was uns das für Klicks gebracht hat. Ansonsten bleibt es wie gewohnt still vom MillernTon, wenn es um Transfergerüchte geht. Es sei denn Pommes spielen dabei eine Rolle…

// Tim

Alle Beiträge beim MillernTon sind gratis. Wir freuen uns aber sehr, wenn Du uns unterstützt.

MillernTon auf BlueSky // Mastodon // Facebook // Instagram // Threads // WhatsApp // YouTube

Print Friendly, PDF & Email

10 thoughts on “„Jackson Irvine im Fokus der Premier League“

  1. Habe das erste Mal das Lesen eines Artikels von Tim nach wenigen Zeilen abgebrochen. Was soll der Quatsch? Habt ihr so dringend Klicks nötig? Schlimmer als die BILD.

    1. Ich habe den ganzen Artikel gelesen – und es war unglaublich, was darin stand! (Clickbait-Zähler 1). Aber pssst: Ärzte dürfen von diesem Trick nie etwas erfahren! (Clickbait-Zähler 2). Auch du wirst Augen machen, wenn du wüsstest, dass …. (Cickbait-Zähler 3 und Ende). Forza!

  2. Hier meine Vorschläge:

    Jackson Irvine in die Premier League? – Dieses unglaubliche Detail ist nun bekannt geworden
    Jackson Irvines Premier-League-Gerücht: neue Spur führt nach Manchester
    Irvine: das ist der geheime Strippenzieher hinter seinem möglichen Premier-League-Wechsel

    dankt mir später

  3. Boah Leute,

    könnt ihr euch an den 29.06.2020 erinnern?

    Ich schon.

    Es war Sommerpause. Etwas schläfrig ertastete meine Hand nach dem Telefon auf meinem Nachttisch.

    Ein wunderschönes Ritual, welches regelmäßig während Transferperioden meinen Morgenroutine bestimmt.

    Gibt es ein neues Gerücht? Welcher Stürmer-Star wird nächste Saison im braunen Trikot 20 Buden machen? Welche Meinungen finden sich in den unterschiedlichen Foren? Was sagt der Boulevard? …

    Es ist eine Zeit zum Träumen. Eine Zeit in der Realismus und gesunder Menschenverstand einfach mal Sendepause hat.

    Genau an diesem 29. Juli. strahlte es mir in großen schwarzen Lettern entgegen:

    „ Leo Østigård vor Wechsel zum HSV!“

    Nochmal schnell auf die URL geschaut:

    Nein, ich bin nicht auf bild.de, nicht auf mopo24…

    … in der Adressezeile war klar und deutlich https://www.millernton.de zu lesen. Mit dem schönen Schloss davor, welches mir die Authentizität des Servers signalisierte.

    Schlagartig war ich hell wach und mein Hirn arbeitete auf Hochtouren.

    „Was ein Fuck!“, „Das kann doch nicht wahr sein!“, „Ich kotze!“

    Fluchend griff ich in die Tablettendose auf dem Nachtisch und beförderte erstmal eine Hand voll Blutdrucktabletten in den Organismus, bevor ich den ganzen Beitrag las…

    Lieber Tim, lieber Maik,

    vielen Dank, dass ihr uns auch während der spielfreien Zeit mit regelmäßigen Adrenalin-Spritzen versorgt. Nicht dass wir am ersten Spieltag untrainiert auf den Tribünen stehen…

    Ich oute mich übrigens gerne mal das Gerücht über „Fashion Sakala“ über jeden mir zur Verfügung stehenden digitalen Kanal geteilt zu haben. Natürlich ergänzt um den Satz:

    „Boah krass, guck mal in welchem Regal der FC St. Pauli gerade unterwegs ist. Die nächste Saison wird sooooo geil! #aufstieg2024“

    In diesem Sinne, vielen Dank für den kurzen Aufreger. Sowas hält die Leser geschmeidig.

  4. so is richtich, gerüchte registrieren, den eigenen gedanken dazu die lange leine geben (damit sie nicht ausreißen…) und erst etwas vermelden, wenn es etwas zu vermelden gibt. die diskussionen zu den gerüchten kann man getrost den expertenrunden zu hause überlassen…

  5. Es ist großartig zu sehen, dass Jackson Irvine das Interesse der Premier League auf sich zieht. Mit seinem beeindruckenden Talent und seiner harten Arbeit hat er sich diese Anerkennung verdient.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert