Too good not to go

Too good not to go

Jakov Medić verlässt den FC St. Pauli und wechselt zu Ajax Amsterdam. Ein herber Verlust, aber der Transfer kommt nicht überraschend und entsprechend wurde beim FCSP vorgebaut.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Der Zeitpunkt ist sicher etwas unglücklich, so kurz vor dem Spiel gegen Fortuna Düsseldorf. Aber dass Jakov Medić den FC St. Pauli diesen Sommer noch verlassen würde, hatte sich bereits längere Zeit abgezeichnet. Nun steht fest: Ajax Amsterdam wird sich zukünftig an seinen Verteidigungskünsten erfreuen.

Jakov wer?

Ich gebe zu, dass mir der Name alles andere als geläufig war, als sich das Gerücht eines bevorstehenden Wechsel des Innenverteidigers aus Wiesbaden zum FC St. Pauli ankündigte. Die doch ziemlich deutliche Enttäuschung von Gunnar, der den Stehblog betreibt, zeigte dann aber sofort: Da könnte der FC St. Pauli einen guten Fang gemacht haben.

Wie gut dieser Fang war und vor allem wie schnell er sich zum Leistungsträger entwickeln würde, damit hatten wohl auch die Verantwortlichen nicht gerechnet. Timo Schultz erklärte im Winter, also ein halbes Jahr nachdem Medić zum FCSP kam, dass er vorerst als Back-up für das Duo Lawrence/Ziereis eingeplant war. Doch schon in der Vorbereitung wurde klar, dass Medić ein sehr guter Innenverteidiger ist. Und eigentlich war irgendwie auch schon nach wenigen Spielen klar, wohin die Reise für ihn irgendwann mal gehen würde. Zu gut waren seine Leistungen, zu komplett das „Paket“, welches er für einen Innenverteidiger zu bieten hat.

Deutschland, Bremen, 30.10.2021, Fussball 2. Bundesliga 12. Spieltag, Werder Bremen - FC St. Pauli im Wohninvest Weserstadion  Jakov Medic (FC St. Pauli)
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Innerhalb kürzester Zeit hat sich Jakov Medić zum Stammspieler entwickelt.
(c) Peter Boehmer

Doch wie auch das gesamte Team des FC St. Pauli, hatte Jakov Medić 2022 kein gutes Jahr. Nachdem er einen Nasenbeinbruch aus dem Herbst ’22 auskuriert hatte, war nicht mehr viel von seiner vorher so großen Selbstsicherheit vorhanden. Das Spiel von Medić litt enorm. Der Tiefpunkt schien im DFB-Pokal-Viertelfinale gegen Union Berlin erreicht, als nach dem Spiel Tränen flossen, was Thees Uhlmann zu einem Brief an Jakov und dem wundervollen Satz brachte: „Die Tränen der Giganten sind die Seen, in denen wir uns erkennen und erneuern.“

Ein Schritt zurück, zwei Schritte vor

Zur Saison 22/23 wurde aus Jakov Medić plötzlich der Abwehrchef, da Ziereis und Lawrence den Verein verlassen mussten. Bereits in jenem Sommer gab es äußerst hartnäckige Gerüchte um einen bevorstehenden Wechsel zum VfB Stuttgart, dem der FCSP jedoch einen Riegel vorschob. Mit der Rolle als Abwehrchef fremdelte Medić ein wenig, konnte zusammen mit David Nemeth vorerst keine Stabilität bringen.

Gerade als es eine Umstellung beim FC St. Pauli auf eine Dreierkette gab, verletzte sich Medić schwer an der Schulter und fiel bis zum Rückrundenstart aus. Doch aus dieser Verletzung kam er ganz stark wieder heraus: Mit der taktischen Umstellung und zusammen mit Eric Smith und Karol Mets an seiner Seite hatte Jakov Medić großen Anteil daran, dass der FCSP die beste Defensive der Rückrunde stellte und fast noch einen Aufstiegsplatz erreichte.

Blick auf Europameisterschaft

So sind es dann in den zwei Jahren, die Jakov Medić beim FC St. Pauli spielte, zwei richtig gute Halbjahre, in denen er sich für höhere Aufgaben empfehlen konnte. In diesen Phasen passte bei ihm dann aber auch fast alles. Die Kombination aus enormer Körperlichkeit, hoher Geschwindigkeit, einem (wenn er denn den Mut hat) sehr gutem Passspiel, sowie fairer Spielweise ist einfach nichts, was man dauerhaft in der 2. Bundesliga sieht. Dem Vernehmen nach möchte sich Medić auch für die anstehende Europameisterschaft empfehlen und strebt daher nach der höchstmöglichen Liga.

Es ist sicher ein sehr großer Schritt von Jakov Medić, zu Ajax Amsterdam zu wechseln. Das war so vielleicht nicht zu erwarten, allerdings nur beim ersten Hinsehen. Denn mit Sven Mislintat hat in Amsterdam nun genau die Person das Sagen, die ihn letzten Sommer bereits nach Stuttgart lotsen wollte. So mag der neue Club vielleicht etwas überraschen. Dass Medić den FC St. Pauli aber diesen Sommer verlassen würde, daran gab es schon längere Zeit wenig Zweifel. So wenig, dass der Kader darauf vorbereitet zu sein scheint.

Weiterhin Überangebot in der Innenverteidigung

Denn mit Eric Smith, Karol Mets, Hauke Wahl, David Nemeth und Adam Dźwigała gibt es beim FC St. Pauli auch weiterhin genügend Spieler, die dafür sorgen, dass die Innenverteidigung des Teams zu einer der besten der Liga gehören dürfte. Und vielleicht ist dieser Wechsel auch dringend notwendig, damit sich andere Spieler entfalten können. Lennart Appe könnte nun ein wesentlich wichtigerer Bestandteil des Kaders werden, vor allem, wenn andere Spieler ausfallen sollten. Besonders aber für David Nemeth dürfte dieser Transfer auch eine Chance sein. Und das ist auch gut so, denn der FCSP hat für ihn eine ganze Menge Geld bezahlt, welches sich nur dann gelohnt hat, wenn Nemeth auch spielt und, wie geplant, große Entwicklungsschritte gehen kann.

Aber auch Hauke Wahl ist ein Spieler, der viel eher in die Startelf als auf die Bank von Zweitligisten gehört. Die personelle Überbesetzung des Kaders auf der Innenverteidiger-Position, sie dürfte auch eine Vorbereitung auf genau diesen Transfer von Jakov Medić gewesen sein. Dieser ist zwar ein herber Verlust, aber einer, den das Team auffangen kann.

Radar-Grafik von Jakov Medic (Gelb) im Vergeich zum Median (Rot) allen Innenverteidigern der 2. Bundesliga der Saison 22/23

Ein Gewinn für alle Seiten

Für den FC St. Pauli bedeutet der Transfer signifikante Einnahmen. Die Ablöse beträgt dem Vernehmen nach mehr als 2,5 Millionen Euro, kann durch Boni und eine Weiterverkaufsbeteiligung (!) aber noch massiv steigen. Angesichts einer Vertragslaufzeit von nur noch einer Saison, dürfte das ein sehr, sehr guter Preis sein, den die Verantwortlichen des FCSP da ausgehandelt haben. Und damit ist es ein gutes Geschäft für alle Seiten: Für Jakov Medić, der nun einen Fünfjahresvertrag bei Ajax in der Tasche hat. Für Ajax, weil sie den Wunschspieler des sportlich Verantwortlichen bekommen haben. Und für den FC St. Pauli, weil bereits die fixe Ablöse ziemlich fett ist und wohl auch noch weiter steigen kann. Die Rede ist von möglichen Zusatz-Einnahmen, die Medić dann zum Rekord-Verkauf des FCSP machen würden (bisher sind die 4,5Mio für Daniel-Kofi Kyereh Rekord).

Die Einnahmen sind notwendig, gerade im Hinblick auf ausufernde Kosten im Allgemeinbetrieb bei zeitgleichem Verzicht auf die ein oder anderen Sponsoring-Gelder. Ganz vielleicht sorgt dieser Transfer ja aber auch noch dafür, dass im Etat nun doch noch etwas mehr Luft ist und der FCSP sich transfermäßig noch etwas bewegen kann. Und uninteressanter dürfte der FCSP als Adresse für entwicklungsfähige Spieler nicht geworden sein. Kyereh, Becker, Paqarada, Daschner, nun Medić – all diese Spieler haben am Millerntor große Schritte gemacht. Der FCSP hat gezeigt, dass sich Spieler hier entwickeln können. Das dürfte neben dem finanziellen Aspekt ein weiteres schlagkräftiges Argument in Verhandlungen sein.

Lieber Jakov, wir hoffen sehr, dass Du nun nahtlos an Deine Leistungen aus diesem Jahr anknüpfen kannst. Wir werden Dich immer in bester Erinnerung behalten und hoffen, dass Du das ebenso mit dem FC St. Pauli tun wirst. Wir werden Deinen Weg natürlich ganz eng weiterverfolgen und wünschen Dir alles Gute!
You’ll never walk alone!
// Tim

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2 thoughts on “Too good not to go

  1. Wie ungewöhnlich, dass ihr hier Vertragsdetails nennt (und ein fettes Danke dafür, da ich annehme, dass ihr wißt, warum ihr dies hier schreibt)!

    Sportlich natürlich a) ein Verlust, aber b) einer, den Medic nun laut & deutlich angekündigt hat. Zudem c) durchaus im Sinne der Kaderbalance, wenn denn nun endlich der Burgstallernachfolger verpflichtet wird. Da steht Bornemann in der Verantwortung, nicht noch ein zweites Jahr auf dieser zentralen Position zu verschwenden. Wir sollten dank TV- und Sponsoringmehreinnahmen sowie den Etatentlastungen durch die Abgänge noch Budget gehabt haben. Nimmt man die Medic-Ablöse hinzu, dann MUSS doch ein guter Zweitligaknipser zu bekommen sein!
    Übrigens haben wir den Druck auch deshalb, weil bei einem wahrscheinlichen Vertragsende Albers, Eggesteins (sollte der überhaupt bleiben) und Amenyidos die Baustelle „Sturm“ auch im nächsten Sommer groß sein wird.

    Allgemein tippe ich darauf, dass wir noch Bewegung im Kader sehen werden: Wird Boukhalfa verliehen, wäre im Prinzip noch ein Platz für einen Hartel-BU frei, im MS brauchen wir eh einen, geht Eggestein noch zwei Neuzugänge. Dazu fand ich, zu meiner Überraschung, die LV-Position bisher leider eher eine Schwachstelle. Gut möglich, dass hier bei Gelegenheit doch noch nachgelegt wird. Es wird in den nächsten Wochen noch spannend!

  2. LV sehe ich nicht als Problem. Rechts haben wir Adam als Backup für Saliakas. Ich denke, dass Wehen Wiesbaden bald wieder weinen wird….

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