Na klar, 42 – die Statistiken zu FCSP vs. FCN

Na klar, 42 – die Statistiken zu FCSP vs. FCN

Manos Saliakas zerlegt eine Metrik, Wahl und Smith den Gegner mit Pässen, Dapo mit Dribblings und die Torwahrscheinlichkeit schwankt bedrohlich – die Zahlen zu FC St. Pauli vs. 1. FC Nürnberg.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Das war großartig. Nachdem bereits der Erfolg bei der Berliner Hertha als Statement-Sieg bezeichnet werden durfte, war der Samstagabend ganz sicher so etwas wie eine Warnung an alle anderen Teams, die mit großen Ambitionen in die Saison gestartet sind. Denn mit diesem FC St. Pauli ist zu rechnen, wenn man um den Aufstieg spielt. Am FCSP in der Form vom Samstagabend dürfte das Vorbeikommen sogar nahezu unmöglich sein. Die Analyse: Fußballgötter allesamt

Kern-Statistiken

Satte 644 Pässe spielte der FC St. Pauli gegen den 1. FC Nürnberg – ein Saisonrekord. Das zeigt sich auch am Ballbesitz, der bei 67.9 Prozent lag. Besonders hoch wurde der Ballbesitzanteil gegen Ende der ersten Halbzeit, als der FCN sehr tief fiel. Im Abschnitt von der 16. bis 30. Spielminute lag der Anteil bei 76.7, von da an bis zum Halbzeitpfiff sogar bei sagenhaften 82.7 Prozent. Entsprechend des hohen Ballbesitzanteils sehen auch die meisten anderen Statistiken aus.

FC St. Pauli1. FC Nürnberg
21 (7)Torschüsse (auf’s Tor)6 (2)
7Fouls11
67.9 %Ballbesitz32.1 %
644 (90.5 %)Pässe (erfolgreich)303 (79.2 %)
57 (80.7 %)…davon ins letzte Drittel (erfolgreich)22 (31.8 %)
33 (78.8 %)…davon lange Pässe (erfolgreich)42 (54.8 %)
230erfolgreiche Pässe in gegn. Hälfte*42
29Ballkontakte gegn. Strafraum10
15deep completions2
36 (55.6 %)Defensivduelle (erfolgreich)70 (60%)
29 (34.5 %)Kopfballduelle (erfolgreich)29 (58.6 %)
11.4PPDA21.3
121.3 kmLaufdistanz**115.9 km
198Sprints**194
*fotmob
**Laufdistanz von Bundesliga.de

Rekorde – defensiv wie offensiv

Knapp 240 erfolgreiche Pässe spielte der FCN – der FC St. Pauli spielte allein in der Hälfte der Nürnberger fast genau so viele. Nur 42 der rund 240 erfolgreichen FCN-Pässe fanden in der gegnerischen Hälfte statt. Das ist unfassbar wenig. Zum Vergleich: Der bisherige Tiefstwert für Gegner des FC St. Pauli war doppelt so hoch: Eintracht Braunschweig brachte 84 Zuspiele an den Mitspieler in der Hälfte des FCSP.

Die Zahl 42 ist sowieso ein gutes Stichwort (und die Antwort auf alles, klar). Denn die kann ich nutzen, um noch einmal auf das Hertha-Spiel zurückzuschauen: Dort hatte der FC St. Pauli 42 Ballkontakte im gegnerischen Strafraum – ein vereinsinterner Rekord seit Zahlen von Wyscout aufgezeichnet werden (also seit der Saison 15/16). Gegen den FCN waren es 29 Ballkontakte im gegnerischen Strafraum, der dritthöchste Wert der Saison. Interessant ist, wie es der FCSP in den Strafraum schaffte: Ganze 15 erfolgreiche Pässe gelangen nahe am gegnerischen Tor – ebenfalls ein Saisonrekord für den FC St. Pauli, genauso wie die nur zwei erfolgreichen deep completions ein Tiefstwert für die Gegner sind.

Expected Goals

Die Modelle, um den xG-Wert von Torschüssen zu ermitteln, sind ganz unterschiedlich. Zumeist kommen dabei ähnliche Zahlen heraus, aber nicht immer. Manchmal liegen diese auch sehr deutlich auseinander. Ein Beispiel geben die DFL- und die Wyscout-/Fotmob-Zahlen:

FC St. Pauli1. FC Nürnberg
1.1 / 2.7 / 1.3
-> 1.7
expected goals (xG)
(wyscout / DFL / fotmob)
0.6 / 0.7 / 0.7
-> 0.7
1.0xG – herausgespielt0.3
0.3xG – Standards0.4
2.9xGOT*0.6
Sämtliche xG-Werte (sofern nicht anders markiert) stammen von fotmob
*xGOT: Expected Goals on Target (xGOT) misst die Wahrscheinlichkeit, dass ein gezielter Schuss zu einem Tor führt, basierend auf der Kombination aus der zugrunde liegenden Chancenqualität Expected Goals (xG) und der Endposition des Schusses im Tor. Dabei werden Schüsse, die platzierter sind und in den Ecken landen, besser gewertet als Schüsse, die direkt in die Mitte des Tores gehen.

Der xG-Wert des FC St. Pauli im Spiel gegen den 1. FC Nürnberg liegt laut Fotmob bei 1.3, was basierend auf den Torchancen eher niedrig erscheint. Der tiefere Blick in die Zahlen macht die Unterschiede deutlich: Das 2:1 durch Eggestein, als er aus ungefähr drei Metern den Ball am Torhüter vorbeischob, hat laut Fotmob eine Torwahrscheinlichkeit von 12 Prozent. Bundesliga.de gibt einen xG-Wert von 84 Prozent für diese Situation an – ein deutlicher Unterschied, der sich bei einem anderen Tor fortsetzt: Der Treffer von Elias Saad zum 1:0 hatte laut Fotmob eine Torwahrscheinlichkeit von 35 Prozent, bei Bundesliga.de stehen dort 81 Prozent zu Buche. Eine klare Erinnerung daran, dass man sich nicht zu sehr von xG-Werten leiten lassen sollte.

Einzelbewertung

Bevor ich die Tabelle mit der Einzelbewertung liefere, möchte ich erst einmal auf die „Pass-Effizienz“ zu sprechen kommen. Diesen Wert liefert Bundesliga.de und wird wie folgt erklärt: „Um die Schwierigkeit von Pässen zu bewerten, kommt das „xPass“-Modell zu Einsatz. Dieses bewertet die Wahrscheinlichkeit, ob ein Pass beim Empfänger ankommt, unter anderem anhand des Gegner-Drucks auf den ausführenden und den empfangenden Spieler, der Flughöhe des Balls und der Anzahl der Gegner zwischen Passgeber und Passempfänger. Übertrifft ein Spieler die durch xPass ermittelte Wahrscheinlichkeit seiner Passquote, hat er eine positive Pass-Effizienz.“

Die Pass-Effizienz ist also eigentlich identisch zu den expected Goals, nur mit dem Unterschied, dass es eben um Pässe und nicht um Torschüsse geht (und auch negative Werte möglich sind). Warum mache ich hier diesen Exkurs? Weil Manolis Saliakas diese Metrik mit einem sagenhaften Wert von 8.6 in Schutt und Asche gelegt hat. Der bisherige Höchstwert bei Spielen des FCSP in dieser Saison lag bei 4.8 (Jackson Irvine gegen den FCK – seine Vorlage zum 1:0 durch Elias Saad dürfte eine gewichtige Rolle gespielt haben). Ich persönlich habe so einen hohen Wert auch noch nie gesehen, obwohl ich mich bereits längere Zeit mit diesen Zahlen befasse.

Teamwhoscored / sofascore / fotmob
FC St. Pauli(7.0 / 7.4 / 7.5) -> 7.3
1. FC Nürnberg(6.2 / 6.6 / 6.1) -> 6.3
Spieler
Nikola Vasilj(6.1 / 6.4 / 6.1) -> 6.2
Manolis Saliakas(7.2 / 7.6 / 7.5) -> 7.4
Hauke Wahl(6.7 / 6.9 / 7.1) -> 6.9
Eric Smith(7.4 / 7.4 / 7.8) -> 7.5
Karol Mets(6.7 / 6.8 / 7.5) -> 7.0
Lars Ritzka(7.0 / 7.1 / 7.0) -> 7.0
Jackson Irvine(8.2 / 8.1 / 8.7) -> 8.3
Marcel Hartel(7.4 / 7.5 / 7.7) -> 7.5
Elias Saad(7.4 / 7.7 / 8.2) -> 7.8
Johannes Eggestein(8.4 / 8.2 / 8.8) -> 8.5
Dapo Afolayan (bis 64.)(6.4 / 6.7 / 6.8) -> 6.6
Connor Metcalfe (ab 64.)(7.4 / 7.7 / 7.7) -> 7.6
Berücksichtigt sind nur Spieler, die mindestens 25 Spielminuten auf dem Feld waren.

Saliakas dominiert

Neben Nikola Vasilj wurde Dapo Afolayan am schlechtesten von den Rating-Webseiten bewertet. Ein Wert von 6.6 ist dabei nicht wirklich niedrig, im Vergleich zu den Mitspielern ist er es aber doch. Dabei ist es besonders die rechte Seite des FC St. Pauli gewesen, die enorm wichtig für das Aufbauspiel war. 14 Pässe spielte der FCSP zum Duo Saliakas/Afolayan ins letzte Drittel, 13 kamen an. Afolayan hat mit 17 Offensivduellen (41 Prozent erfolgreich) die deutlich meisten aller Spieler auf dem Platz absolviert (in nur 64 Spielminuten). So war sein Impact auf das Spiel aus meiner Sicht wesentlich größer, als es das Rating von 6.6 vermuten lässt.

Manos Saliakas war nicht nur als Passempfänger, sondern auch als Passspieler sehr wichtig, spielte seinerseite 16 Pässe ins Angriffsdrittel (zwölf erfolgreich) und zehn seiner elf langen Pässe kamen beim Mitspieler an. Zusammen mit den fünf erfolgreichen Pässen zu ihm ins letzte Drittel, war er also an 17 Pässen ins Angriffsdrittel direkt beteiligt. Das ist ein wahnsinnig hoher Wert. Sowieso hat Saliakas, der eher einen stillen Saisonstart hatte, einen außerordentlichen Tag erwischt: 87 Prozent aller seiner Ballaktionen (98) waren gegen Nürnberg erfolgreich. Das ist für einen Außenverteidiger ein riesengroßer Wert (Zahlen um die 70 Prozent sind der Liga-Durchschnitt und auch jener von Saliakas).

Fußballgötter allesamt

„Nur“ 13 Pässe ins Angriffsdrittel spielte Hauke Wahl. Und das „nur“ bezieht sich darauf, dass er insgesamt 113 Pässe spielte (106 waren erfolgreich). Die zweitmeisten Pässe spielte Karol Mets mit 79, der Abstand ist also ziemlich groß. Ebenfalls elf lange Pässe (neun erfolgreich) spielte Eric Smith und sowieso ist die Liste jener Spieler, die viele erfolgreiche Pässe spielten deutlich zu lang, um das einzeln auszuführen (jenen Pass mit dem Außenrist von Etienne Amenyido vor dem 5:1 sieht man ja hoffentlich noch ein-zwei Mal in Saisonrückblicken).

Es ist ein bisschen unfair, dass hier nicht jeder Spieler seinen eigenen Absatz bekommt. Denn die Taktikanalyse heißt nicht einfach so „Fußballgötter allesamt“ – am Samstagabend passte ziemlich, ziemlich viel zusammen. Aber wie Nikola Vasilj kurz nach seinem Fehler einen Gegenspieler komplett ins Leere grätschen ließ, das muss dann doch an dieser Stelle extra noch erwähnt werden. Denn es zeigt, mit welchen Selbstbewusstsein und Selbstverständnis der FC St. Pauli unterwegs ist. Das zeigte sich auch nach Abpfiff bei der Aufzeichnung der Stimmen in der mixed zone (Cliffhanger, ja). Was das für Zeiten sind auf dem Platz für den FC St. Pauli, Wahnsinn! Gerne mehr davon!

// Tim

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Sofern nicht anders markiert, stammen sämtliche Statistiken von Wyscout.

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2 thoughts on “Na klar, 42 – die Statistiken zu FCSP vs. FCN

  1. I was curious to check if the statistics would back me up, but during the game, I had the sensation that Afolayan was much more succesful than in other games in everything he undertook (offensive and defensive) . Maybe I was biased by the fact that the build up was exceptionnaly right sided againt Nuremberg ?

  2. Jaaa, mehr davon!
    Der alte GG Steher in mir warnt zwar: Viel zu früh, viiiel zu früh, viel zu gut für die noch junge Saison, das Niveau könnt ihr nicht durchhalten aber was soll’s, lass ihn hadern!
    Was Smith da teilweise an 90 Grad Pässen raushaute war schon ungewohnt arrogant.
    Und das Selbstbewusstsein der Spieler die in völliger Souveränität eine Mannschaft nach der nächsten aussehen lassen als würden sie höchstens viertligatauglich sein ist sowas von verblüffend – wo soll das hinführen?
    Und wenn der teure Simon Zoller nur den Zweck erfüllt unsere Stürmer neu motiviert zu haben ist das Geld doch super angelegt!

    Eine Sache noch: Sach ma Tim, können deine Grafiken eigentlich so eingebettet werden, dass man sie anklicken kann und sie dann vergrößert in einem neuen Fenster erscheinen?
    Dann könnte man deinen taktischen Ausführungen im Textverlauf viel besser folgen (vielleicht würde ich sie dann sogar verstehen ;))

    Forza FCSP!

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