Hartel vernebelt, Saad dominant – die Statistiken zu FCSP vs. KSC

Hartel vernebelt, Saad dominant – die Statistiken zu FCSP vs. KSC

Der FC St. Pauli dominiert den Karlsruher SC, die zweite Halbzeit bricht Rekorde und Hartel wird historischer Vize – die Statistiken zu FCSP vs. KSC.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Sicher war es nicht die beste Saisonleistung, die den FC St. Pauli im Spiel gegen den Karlsruher SC zu drei Punkten führte. Lange Zeit in diesem Spiel tat sich das Team von Fabian Hürzeler schwer gegen einen gut eingestellten KSC. Mehrere taktische Umstellungen, die eigene Geduld und die hohe individuelle Qualität im Kader sorgten am Ende dafür, dass man aus einem Rückstand noch ein 2:1 machen konnte.
Die Analyse: verlagert, umgestellt, gedreht

Kern-Statistiken

Eine Statistik hat bereits Fabian Hürzeler auf der Pressekonferenz nach dem Spiel hervorgehoben: Der Karlsruher SC ist 124,3 Kilometer gelaufen. Das war auch notwendig, um in der Defensivsarbeit aus der Mittelfeldraute immer wieder auf die Außenbahnen zu verschieben. Trotzdem ist diese Zahl bemerkenswert hoch. Es ist die höchste aller bisherigen Gegner des FCSP in dieser Saison, der seinerseits aber noch ein paar Meter draufsetzte (124,7km) und in einem anderen Spiel sogar noch mehr unterwegs war (126,3km gegen Hertha BSC).

FC St. PauliKarlsruher SC
18 (9)Torschüsse (aufs Tor)5 (2)
10Fouls10
62,1 %Ballbesitz37,9 %
616 (87,2 %)Pässe (erfolgreich)381 (75,6 %)
63 (76,2 %)…davon ins letzte Drittel (erfolgreich)37 (46 %)
51 (60,8 %)…davon lange Pässe (erfolgreich)67 (55,2 %)
234erfolgreiche Pässe in gegn. Hälfte*85
27Ballkontakte gegn. Strafraum7
15Deep Completions3
54 (56,8 %)Defensivduelle (erfolgreich)58 (53,5 %)
40 (40 %)Kopfballduelle (erfolgreich)40 (47,5 %)
11,1PPDA28,5
124,7 kmLaufdistanz**124,3 km
203Sprints**180
*FotMob
**Laufdistanz von Bundesliga.de

Dominante zweite Halbzeit

Die nackten Zahlen über die gesamte Spielzeit zeigen jetzt nicht unbedingt an, dass der FC St. Pauli in der ersten Halbzeit Probleme hatte. Sie zeigen viel eher einen enorm dominanten FCSP. Das beruht aber vor allem auf dem zweiten Abschnitt. Gerade nach der Einwechslung von Zoller und Sinani und der damit einhergehenden Umstellung, wurde es kritisch für den KSC. Fette 156 seiner ohnehin üppigen 234 erfolgreichen Pässe in der gegnerischen Hälfte spielte der FC St. Pauli in der zweiten Halbzeit.

Diese vielen Pässe waren nicht nur brotlose Kunst: Besonders gegen Ende der Partie wurde es auch immer wieder im KSC-Strafraum gefährlich. Ganze 27 Ballberührungen in der gegnerischen Box hatten die Spieler des FC St. Pauli (18 davon in der zweiten Halbzeit), sie spielten zudem 15 erfolgreiche Pässe nahe am gegnerischen Tor und von den 18 Abschlüssen kamen neun auch auf das Tor, während der KSC überhaupt nur zu fünf Abschlüssen kam (zwei auf das Tor) – nur der 1. FC Magdeburg kam diese Saison zu ebensowenig Torschüssen gegen den FCSP.

Durch den hohen Druck und die Dominanz des FC St. Pauli konnte auch kaum noch Gefahr für das eigene Tor entstehen. Dem KSC fehlte es, je länger das Spiel andauerte, mehr und mehr an Zugriff. Mit einem Wert von 28,5 haben sie den höchsten PPDA aller bisherigen Gegner des FCSP (PPDA – erlaubte Pässe bis zur Defensivaktion). Nach Ballgewinn gab man diesen dann auch relativ schnell wieder her: Fast 20% der eigenen Pässe waren lange Bälle, von denen nur 55 Prozent ihr Ziel fanden. Die Zahlen zeigen trotz Gegentreffer klar und deutlich: Defensiv stand das Team von Fabian Hürzeler sehr stabil.

Expected Goals

Zwar wurde der FC St. Pauli im zweiten Abschnitt stärker, doch wirklich schlecht war das Team auch in den ersten 45 Minuten nicht. Und es war auch nicht so, als hätte es keine Torchancen gegeben. Im Gegenteil: Die Abschlüsse von Connor Metcalfe (22. Minute, Kopfball, neben das Tor) und Jackson Irvine (33. Minute, Flachschuss aus kurzer Distanz, gehalten) waren mit Torwahrscheinlichkeiten von 18 bzw. 13 Prozent die besten, die der FC St. Pauli im gesamten Spiel hatte.

FC St. PauliKarlsruher SC
(2,0 / 1,5 / 1,1)
–> 1,5
Expected Goals (xG)
(Wyscout / DFL / FotMob)
(0,6 / 0,4 / 0,5)
–> 0,5
0,9xG – herausgespielt0,3
0,2xG – Standards0,2
1,4xGOT*0,6
Sämtliche xG-Werte (sofern nicht anders markiert) stammen von FotMob
*xGOT: Expected Goals on Target (xGOT) misst die Wahrscheinlichkeit, dass ein gezielter Schuss zu einem Tor führt, basierend auf der Kombination aus der zugrunde liegenden Chancenqualität Expected Goals (xG) und der Endposition des Schusses im Tor. Dabei werden Schüsse, die platzierter sind und in den Ecken landen, besser gewertet als Schüsse, die direkt in die Mitte des Tores gehen.

Falls jemand selbst nachschaut und sich wundert: Die Zahlen von FotMob habe ich manuell korrigiert. Dort wird nämlich als dickste Chance der Partie jener Abschluss in der 68. Minute von Robin Bormuth gezählt, der den Ball nach einem Freistoß aus aussichtsreicher Position neben das Tor setzte. Die Torwahrscheinlichkeit dieses Abschlusses lag bei 49 Prozent. Bormuth kam aber deshalb so frei zum Abschluss, weil er aus einer Abseits-Position gestartet war, wurde auch zurückgepfiffen. Entsprechend habe ich diesen Abschluss rausgerechnet. Wie oft es der Fall ist, dass in den xG-Werten Zahlen auftauchen, bei denen das Tor nicht gezählt hätte wegen Abseits? Selten. Aber die Kontrolle der einzelnen Zahlen mache ich trotzdem jedes Mal.

Das ist… einfach klasse!

Die beiden Tore des FC St. Pauli hatten übrigens eine Torwahrscheinlichkeit von neun (Eggestein) bzw. sechs Prozent (Treu). Die xGOT-Werte beider Abschlüsse sind natürlich wesentlich höher. Und sowieso war nicht nur die Qualität des Torschusses bei beiden Treffern überragend. Ihr habt es bestimmt schon getan und, wie ich, nochmal Gänsehaut bekommen, als ihr die Szene vom 2:1 nochmal gesehen habt. Philipp Treu drischt den Ball so dermaßen in die Maschen, wie es wohl zuletzt Daniel-Kofi Kyereh tat, als er im Derby per Strahl zum 1:0 kurz vor Schluss traf. Was mich beeindruckt, ist die Bereitschaft von Treu, bevor der Ball zu ihm kam. Mit seinem Körper geht er bereits leicht in die Hocke, wippt ein wenig, um besser und schneller starten zu können – nur durch diese Bereitschaft war Treu so schnell in Position und hatte keinen Gegnerdruck, als er zum Torschuss ansetzte. Wie hochwertig die Abschlussaktion von Johannes Eggestein vor dem 1:1 war? Da darf man bei der Wortwahl gerne ins höchste Regal greifen, dort wo die Adjektive nicht mehr gesteigert werden können.

Einzelbewertung

Achtung! Marcel Hartel ist nicht der Spieler mit der höchsten Laufdistanz der Partie gewesen. Ich wiederhole: Marcel Hartel ist nicht der Spieler mit der höchsten Laufdistanz der Partie gewesen! Das ist keine Übung.
Die Lunge des FC St. Pauli hatte mit dem laufstarken KSC-Mittelfeld ernsthafte Konkurrenz bekommen und sollte zum ersten Mal (abgesehen von Spielen, in denen er ausgewechselt wurde) seit über einem Jahr (!!! – damals beim 0:2 in Bielefeld, nach einem kräftezehrenden Pokalspiel in Freiburg, war er 0,1 Kilometer weniger als Okugawa gelaufen) nicht der Spieler mit den meisten gelaufenen Metern auf dem Platz sein. Nun war es mal wieder soweit: Karlsruhes Paul Nebel lief 0,1 km mehr als Hartel, der aber natürlich trotzdem weiterhin der Spieler mit den meisten Kilometern in der ganzen zweiten Liga ist.

TeamWhoScored / Sofascore / FotMob
FC St. Pauli(6,6 / 7,1 / 7,1) -> 6,9
Karlsruher SC(6,4 / 6,8 / 6,6) -> 6,6
Spieler
Nikola Vasilj(6,7 / 7,2 / 7,4) -> 7,1
Manolis Saliakas(6,0 / 6,5 / 6,4) -> 6,3
Hauke Wahl(6,7 / 7,0 / 7,3) -> 7,0
Eric Smith(6,5 / 7,1 / 7,5) -> 7,0
Karol Mets(6,5 / 7,0 / 7,2) -> 6,9
Lars Ritzka(6,2 / 6,6 / 6,7) -> 6,5
Jackson Irvine(6,8 / 7,0 / 7,2) -> 7,0
Marcel Hartel(7,0 / 7,6 / 7,3) -> 7,3
Connor Metcalfe(7,3 / 7,7 / 8,0) -> 7,7
Johannes Eggestein(7,5 / 7,8 / 8,2) -> 7,8
Dapo Afolayan(6,4 / 7,1 / 6,9) -> 6,8
Elias Saad (ab 46.)(6,7 / 7,0 / 7,4) -> 7,0
Berücksichtigt sind nur Spieler, die mindestens 25 Spielminuten auf dem Feld waren.

Sowieso hatte Hartel in diesem Spiel einen etwas schwereren Stand, als in der gesamten bisherigen Saison. Denn genau dort, wo er sich am liebsten aufhält – irgendwo in den Halbräumen, immer auf dem Sprung nach vorne – hat der KSC die Räume enorm verdichtet. Die Folge: Im ersten Abschnitt hatte Hartel überhaupt nur 19 Ballaktionen – weniger waren es im FCSP-Dress nur im August 2021 gegen Paderborn, seinem zweiten Spiel für den FCSP ever. In der zweiten Halbzeit schob Hartel bei Ballbesitz dann immer wieder raus auf die linke Seite und konnte diese überladen, suchte sich also die Räume, die er zentral nicht fand. Die Folge: Nur zweimal in dieser Saison hatte er mehr als die 38 Ballaktionen wie gegen den KSC im zweiten Abschnitt.

Starker Konkurrenzkampf auf der Außenbahn

Einige Fragezeichen gab es aufgrund der Startaufstellung von Connor Metcalfe und Dapo Afolayan beziehungsweise der Nicht-Berücksichtigung von Elias Saad. Entsprechend werfen wir mal einen tieferen Blick auf die Leistung dieser drei Spieler. Die offensiven Zahlen der drei Spieler sind recht unterschiedlich:

SpielerC. MetcalfeD. AfolayanE. Saad
Torschüsse331
erfolgr. Flanken2/40/10/3
Deep Completions203
Kontakte geg. Strafraum406
Ballaktionen (% erfolgr.)64 (55 %)36 (47 %)52 (65 %)
Duelle (% erfolgr.)12 (25 %)17 (47 %)13 (69 %)
Torschussvorlagen404
progressive Läufe347
Vergleich ausgewählter Statistiken der drei offensiven Außen des FC St. Pauli im Spiel gegen den KSC. Bitte beachten, dass alle drei Spieler unterschiedlich lange auf dem Platz standen. Trotzdem gibt es markante Unterschiede.

Die Zahlen zeigen sehr deutlich, dass sich die Einwechslung von Elias Saad gelohnt hat. Er hat quotenmäßig mehr erfolgreiche Ballaktionen und zeichnete für zahlreiche Offensivaktionen verantwortlich. Entsprechend fiel auch das Fazit von Fabian Hürzeler aus: „Elias hat ein gutes Spiel gemacht, hat eine richtig gute Reaktion gezeigt, nachdem er gegen Paderborn mal eine schlechte Halbzeit hatte.“
Anstelle von Saad stand aber anfangs Connor Metcalfe in der Startelf, welches Hürzeler als „Entscheidung für Connor“ und dessen Trainingsleistung und nicht eine gegen Saad bezeichnete. Metcalfe rechtfertigte seine Aufstellung unter anderem mit einer Torvorlage, hatte aber sicher auch noch Luft nach oben.

Für Elias Saad musste Dapo Afolayan in der Halbzeit weichen. Und mit der Leistung des 26-jährigen zeigte sich Hürzeler nicht zufrieden: „Dapo hatte viele 1-gegen-1-Situationen und die nicht wirklich zu Ende gebracht. Wir wollten dann einen Spieler bringen, der noch klarer auf den Außen positioniert ist. Ich hatte das Gefühl, dass Dapo nicht da war, nicht präsent war. Ich fand, dass er zu viele einfache Ballverluste hatte, auch gegen den Ball nicht mit der letzten Konsequenz verteidigt hat. Deshalb haben wir uns entschieden, einen neuen Impuls zu bringen.“

Der Konkurrenzkampf auf der offensiven Außenbahn ist beim Spiel gegen den Karlsruher SC also mit Vorteilen für das Duo Saad und Metcalfe ausgegangen. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass Afolayan zukünftig chancenlos sein wird. Er ist auch einfach ein etwas anderer Spielertyp als Saad, agiert mehr im Halbraum, was gegen den KSC nicht so gefragt war. Gegen andere Gegner könnte das aber wieder viel mehr der Fall sein. Dann dürfte aber auch der Name Danel Sinani fallen, der nach seiner Einwechslung im rechten Halbraum einen aktiven Eindruck hinterließ.

Hamburg, Deutschland, 28.10.2023, 2. Bundesliga, Fussball - Elias Saad (FC St. Pauli) setzt sich im Duell mit Sebastian Jung (Karlsruher SC) durch - Copyright: Stefan Groenveld DFL regulations prohibit any use of photographs as image sequences and/or quasi-video.
Auch die Einwechslung von Elias Saad führte dazu, dass der FC St. Pauli im zweiten Abschnitt gegen den Karlsruher SC viel druckvoller wurde.
(c) Stefan Groenveld

Ein verdienter Erfolg, ein holpriger Weg dorthin

Der 2:1-Sieg des FC St. Pauli gegen den Karlsruher SC ist verdient. Das zeigen auch noch einmal die Zahlen sehr deutlich auf. Trotzdem tat sich der FCSP schwerer als in vielen anderen Spielen in dieser Saison. Der gegnerische Fokus auf das Zentrum scheint aktuell eine gute Lösung gegen die Spielweise des Tabellenführers zu sein. Es braucht also einen Plan B, wenn der 2-4-Aufbau des FCSP, das Locken des Gegners, nicht aufgeht und der Aufbau durch das Zentrum verwehrt wird. Einer dieser Pläne, jener mit schnellen Verlagerungen, wurde bereits gegen den KSC gezeigt. Dieser kann grundsätzlich funktionieren, allerdings nur, wenn das Tempo, Timing und Genauigkeit passen (Hürzeler bemängelte genau diese Punkte: „Es war zu langsam, nicht schnell genug im Kopf und zu unpräzise.“). Einen zweiten Plan B bekam man sowohl gegen den KSC, aber auch schon in der Vorwoche gegen Paderborn zu sehen: Mehr Druck auf die letzte Linie erzeugen. Beide Male besetzte der FCSP den offensiven rechten Halbraum und zwang so den Gegner dazu, tiefer zu fallen, als ihm lieb war.

Es darf davon ausgegangen werden, dass auch kommende Gegner den Fokus im Defensivverhalten auf das Zentrum legen werden. Entsprechend wird in den nächsten Spielen entscheidend sein, dass der Plan B des FC St. Pauli besser sitzt und eventuell schneller umgesetzt beziehungsweise ausgetestet wird. Zudem ist es ebenso wichtig, dass die eigene Defensivleistung weiterhin bestehen bleibt und das Team endlich mal wieder die Null halten kann. Viel Zeit zur Analyse bleibt nicht, der FC St. Pauli ist bereits am Dienstag wieder im Pokal gefordert. Angesichts von fünf Erfolgen aus den letzten sechs Spielen und noch keiner Niederlage in dieser Saison, möchte ich zwar erneut darauf hinweisen, dass das alles Meckern auf äußerst hohem Niveau ist. Aber um weiterhin erfolgreich zu sein, darf einfach nicht nachgelassen werden (Immer weiter vor!). Also: Arbeit, Arbeit, Arbeit!

// Tim

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Sofern nicht anders markiert, stammen sämtliche Statistiken von Wyscout.

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3 thoughts on “Hartel vernebelt, Saad dominant – die Statistiken zu FCSP vs. KSC

  1. Moin Tim,
    vielen Dank für Deine Akribie die zur Verfügung stehenden Daten auch noch zu korrigieren.
    Mir fehlt zwar der Vergleich, ich glaube aber das machen nicht viele.
    Hut ab, macht Spaß Deine Analysen, Statistiken & Co zu lesen.
    Immer weiter vor!
    Chooo, Chooo…

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