Der FC St. Pauli empfängt erneut den FC Schalke 04 am Millerntor. Auf Schalke hat sich in der Zwischenzeit aber einiges geändert. Der Vorbericht.
(Titelbild: Peter Böhmer)
Im „Vor dem Spiel“-Gespräch hat sich Luca mit Niclas vom „PottGElaber 04“-Podcast unterhalten. Hört da gerne rein.
Nach den Vorkommnissen in der Nordkurve beim letzten Aufeinandertreffen, kündigte der FC St. Pauli auf der Pressekonferenz vor dem Spiel an, dass verschiedene Maßnahmen getroffen werden, um eine erneute Eskalation zu verhindern. Gästefarben sind in den Heimbereichen strikt verboten. Zudem wird eine Pufferzone in der Nordkurve eingerichtet und die Anzahl an Ordner*innen wird erhöht. Ein Hochrisikospiel ist es trotzdem nicht, es gibt also Vollbier im Stadion.
Ein Blick zurück
Entsprechend muss man gar nicht so lange in den hinteren Gehirnwindungen kramen, um sich an einen Heimsieg des FC St. Pauli gegen Schalke 04 zu erinnern. In einem hochintensiven Spiel Ende September konnten die Schalker die erste Führung des FCSP noch ausgleichen, hatten dann aber keine Antwort mehr auf die Tore von Hartel und Boukhalfa. Ein verdienter Erfolg des FC St. Pauli. Der Titel der Analyse zu diesem Spiel lautete „In der Ruhe liegt die Kraft“ – diesen Satz dürfen sich alle, die vergangenen Samstag ihren Unmut über die geduldige Spielweise des FCSP mit Pfiffen äußerten, noch einmal hinter die Ohren schreiben.
Spielerkritik und Trainerentlassung auf Schalke
Aus taktischer Sicht dürften Fabian Hürzeler und sein Trainerteam aber nicht mehr ganz so viel aus der Partie herausziehen können. Denn kurze Zeit nach diesem denkwürdigen Samstagabend wurde Thomas Reis als Trainer der Schalker entlassen. Die massiven Risse zwischen Trainer und Mannschaft wurden besonders kurz nach Abpfiff deutlich, als Innenverteidiger Timo Baumgartl im Interview ziemlich deutlich die Spielidee seines Trainers kritisierte. Erst wurde Baumgartl suspendiert, nur um wenige Tage später Reis zu entlassen. Schalker Chaostage at it’s best. Mit Karel Geraerts steht nun ein neuer Trainer an der Seitenlinie und soll das Team vorerst einmal aus den tiefen Tabellenregionen herausholen, in welche die Schalker mit sechs Niederlagen aus den ersten neun Spielen hineingeraten sind.
FC St. Pauli: Wer kann spielen, wer fehlt?
Weiterhin ist die Kadersituation beim FC St. Pauli sehr positiv. Nur Scott Banks wird definitiv ausfallen. Sören Ahlers war zuletzt angeschlagen, stand diese Saison aber ohnehin noch nie im Kader, sondern kam bisher in der U23 zum Einsatz.
Auch aus dem kräftezehrenden Spiel gegen den KSC (beide Teams spulten fast 125 Kilometer ab) seien alle Spieler gut herausgekommen und für die Pokalpartie einsatzfähig, wie Fabian Hürzeler auf der Pressekonferenz erzählte.
FC Schalke 04: Wer kann spielen, wer fehlt?
Im Vergleich zum letzten Auftritt am Millerntor, sieht auch die Kadersituation beim FC Schalke 04 wieder deutlich besser aus. Mit Kenan Karaman, Simon Terodde und Bryan Lasme fehlten gleich drei wichtige Offensivkräfte Ende September. Die sind nun alle wieder fit und kamen beim letzten Spiel (3:2 gegen Hannover 96) auch zum Einsatz. Fehlen werden die beiden Defensivkräfte Cedric Brunner (Leistenprobleme) und Leo Greiml (Kreuzbandriss), sowie Torhüter Marius Müller (Sehnenabriss im Adduktorenbereich) aufgrund von Verletzungen.
Aufgrund einer gelb-roten Karte in der ersten Pokalrunde wird auch Lino Tempelmann den Schalkern fehlen. Ein herber Verlust im zentralen Mittelfeld, wie Hürzeler findet: „Er hat die Gabe, durch das Mittelfeld zu dribbeln, schnell dem Gegner Meter abzunehmen. Das ist nicht einfach zu verteidigen, weil er dadurch immer wieder in Abschlussaktionen kommt oder den letzten Pass spielen kann. Auch gegen den Ball ist er enorm aggressiv. Ich finde den Spieler sehr spannend.“
Klar ist: Es wird elementar für das Schalker Spiel sein, dass sie es schaffen, den Ausfall von Tempelmann zu kompensieren.
Was hat Schalke zu bieten?
Aufgrund des Trainerwechsels ist das Fragezeichen der Leistungsstärke des kommenden FCSP-Gegners deutlich größer als bei anderen Gegnern. Die zwei Spiele unter Geraerts haben da wenig Aufschluss gebracht. Das erste war ein richtig kräftiger Niederschlag und Geraerts dürfte sich gewahr darüber geworden sein, wie schwierig diese Aufgabe für ihn werden würde. Mit 0:3 verlor man beim KSC, durfte sich sogar beim Gegner dafür bedanken, nur drei Gegentreffer bekommen zu haben.
Das zweite Spiel unter der Leitung von Geraerts war da schon deutlich besser. Nach einigen personellen Wechseln konnte das Team zu Hause gegen Hannover 96 knapp mit 3:2 gewinnen. Der große Umschwung, der umgestoßende Bock, war das aber sicher auch noch nicht. 96-Keeper Ron-Robert Zieler sah beim Tor von Tempelmann richtig alt aus und Hannover darf sich durchaus darüber ärgern, zu wenige ihrer vielen Chancen genutzt zu haben.
Defensive Stabilität fehlt – auch unter Geraerts
In beiden Spielen unter Leitung des neuen Cheftrainers wurde deutlich, dass die Defensive weiterhin der wunde Punkt bei Schalke 04 ist. Fünf Gegentreffer in zwei Partien sind einfach zu viele. Nur einmal (3:0 gegen den FCK, 2. Spieltag) blieb das Team diese Saison ohne Gegentreffer. Seit dem 1:1 gegen Wiesbaden Anfang September fing man sich immer mindestens zwei Gegentore. 25 Gegentreffer in elf Ligaspielen bedeuten hinter Osnabrück die zweitschwächste Defensive. Basierend auf den xG-Werten ist das Team sogar Schlusslicht.
Somit ist klar, dass der FC Schalke 04 dringend defensiv stabiler werden muss. Damit das funktioniert, hat Geraerts dem Team eine neue Formation verpasst: Unter Reis agierte man noch mit einer Viererkette, nun mit einem 5-3-2, bei dem ein klarer Fokus im Pressing auf das Zentrum erkennbar ist. Die Schalker verteidigen dabei nicht mehr ganz so intensiv mit Mannorientierungen, wie sie es noch unter Reis taten. Letztlich ist das Verhalten sogar relativ ähnlich zu jenem des FC St. Pauli: Gegen den Ball teilt sich das Team in zwei Einheiten: Eine hintere Kette und einen vorderen Fünferblock, der öfter höher anläuft (dann teilweise mit Unterstützung der Hintermannschaft), als es zuletzt unter Reis der Fall war.
Diese Baustelle in der Defensive dürfte dazu führen, dass der FC Schalke 04 am Millerntor ein etwas anderes Gesicht zeigen wird, als beim letzten Auftritt. „Wir erwarten sie eher defensiv, eher abwartend und auf Konter setzend,“ erklärt Fabian Hürzeler. Für dieses schnelle Umschaltspiel besitzen sie auch die entsprechende Qualität, meint der FCSP-Cheftrainer: „Schalke ist jederzeit in der Lage, Tore zu schießen. (…) Mit Karaman und Lasme habe sie vorne zwei Spieler, die sehr gut umschalten, viel Tiefgang haben, die Bälle gut festmachen und stark im 1-gegen-1 sind.“ Beide sind nach langen Verletzungspausen nun wieder voll einsatzfähig und Lasme stellte bereits in der letzten Saison klar, als er mit Arminia Bielefeld am Millerntor vorstellig wurde, dass er mit seinem Tempo richtig was anrichten kann in gegnerischen Defensiven.
Mögliche Aufstellung
Nach der Niederlage gegen den Karlsruher SC brachte Karel Geraerts gleich auf sechs Positionen neue Spieler in die Startelf. Solch eine krasse personelle Rotation wird es gegen den FC St. Pauli sicher nicht geben. Klar ist aber auch: Mindestens 17-20 Spieler im Schalker Kader wären wohl bei nahezu allen anderen Zweitligisten Stammspieler. Die individuelle Qualität ist enorm hoch und setzt sich auch auf der Bank, sogar bis auf die Tribüne (es passen ja nur 20 Spieler in den Spieltagskader) fort. Das führt dann zum Beispiel dazu, dass ein gewisser Simon Terodde, mit 174 Treffern Rekordtorschütze der 2. Bundesliga, draußen sitzt, denn gegen Hannover erhielten Karaman und Lasme den Vorzug.
Die große Frage beim FC Schalke 04 wird sein, wer Lino Tempelmann ersetzen wird. In den beiden Partien unter Geraerts hat der 24-jährige jeweils durchgespielt. In den Spielen zuvor war es häufig der hoch talentierte Assan Ouédraogo, der auf der Tempelmann-Position zu finden war, wenn dieser nicht im Spiel gewesen ist. Eine weitere Option ist aber sicher auch Paul Seguin, der die Achter-Position aber grundsätzlich defensiver interpretieren dürfte als Tempelmann. Und dann ist da noch Danny Latza. Der kehrte gegen Hannover zumindest mal wieder in den Kader zurück nach langer Verletzungspause.
(Anmerkung: Natürlich rechne ich damit, dass Ralf Fährmnn bei Schalke im Tor steht. Michael Langer steht da noch, weil er beim letzten Aufeinandertreffen im Tor stand – ich habe vergessen den Namen zu tauschen…)
Nach dem Spiel gegen den Karlsruher SC kann natürlich damit gerechnet werden, dass Fabian Hürzeler und sein Trainerteam personell ein wenig rotieren werden. Drei Veränderungen scheinen im Vergleich zum KSC-Spiel denkbar: Eine Veränderung dürfte damit zusammenhängen, dass der Wettbewerb DFB-Pokal heißt: Sascha Burchert, der diesen Montag 34 Jahre alt geworden ist, wird wohl Nikola Vasilj im Tor ersetzen. Fabian Hürzeler wehrte sich zwar dagegen von Burchert als „Pokal-Torwart“ zu sprechen, aber es darf schon von einem Burchert-Einsatz ausgegangen werden.
Startelf für Treu, Saad und Burchert?
Wenn man sich die individuellen Leistungen aus dem KSC-Spiel anschaut, dann dürfte es auch auf der offensiven Außenbahn zu einem Wechsel kommen: Elias Saad überzeugte nach seiner Einwechslung. Für ihn dürfte dann Dapo Afolayan weichen. Denkbar ist auch eine Verschnaufpause für Manos Saliakas. Nicht unbedingt, weil er mit Leistungen komplett abfällt. Aber er fiel eben auch nicht damit auf. Philipp Treu hat Saliakas bereits im Spiel gegen Holstein Kiel mit einer guten Leistung vertreten. Er fiel auch gegen den KSC, nicht nur aufgrund seines Treffers, mit seiner dynamischen und technisch versierten Spielweise positiv auf. Andererseits schreibe ich hier gerade von Manos Saliakas. Der war in der Rückrunde der Vorsaison einer der großen Leistungsträger.
Der FC Schalke 04 ist, unabhängig der Tabellenposition, ein echtes Schwergewicht in der 2. Bundesliga und wird für den FC St. Pauli eine sehr große Hürde darstellen. Die letzten beiden Spiele, in denen Paderborn und Karlsruhe jeweils Lösungen gegen die Spielweise des FCSP präsentierten, dürfte sich Karel Geraerts genau angeschaut haben. Er lobte den FCSP natürlich, erklärte aber auch: „Bei unserer Analyse haben wir einige Dinge erkannt, die uns Möglichkeiten bieten.“ Es wäre also verwunderlich, wenn nicht auch der FC Schalke 04 einige dieser Ideen übernimmt. Davon geht auch Fabian Hürzeler aus: „Ich glaube, dass sie versuchen werden, das Zentrum zu verdichten und uns auf eine Seite zu lenken, ähnlich wie es andere Mannschaften zuletzt gegen uns getan haben.“ Entsprechend sei es für den FCSP wichtig, „bessere Lösungen zu finden.“
Es gibt viele Unsicherheiten bei dieser Partie, sowohl personell als auch spieltaktisch. Sicher ist aber, dass das Spiel zwischen dem FC St. Pauli und dem FC Schalke 04 eine hochintensive Angelegenheit werden wird. Flutlicht, Pokal, zwei attraktive Teams – was will das Fußballherz mehr?
Forza!
// Tim
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