Vorbericht: FC St. Pauli – SpVgg Greuther Fürth (20. Spieltag, 23/24)

Vorbericht: FC St. Pauli – SpVgg Greuther Fürth (20. Spieltag, 23/24)

Schon wieder ein Spitzenspiel. Und was für eines! Mit dem FC St. Pauli und der SpVgg Greuther Fürth treffen die beiden aktuell besten Zweitligisten aufeinander. Der Vorbericht.
(Titelbild: Stefan Groenveld)

Nach dem Erfolg im Spitzenspiel und dem unglücklichen Aus im DFB-Pokal, steht für den FC St. Pauli erneut ein Spitzenspiel auf dem Programm. Mehr geht eigentlich nicht, denn es trifft der Tabellenerste FCSP auf den Tabellenzweiten aus Fürth. Daran war vor zwei Monaten überhaupt nicht zu denken, aber das Team von Alexander Zorniger hat eine beeindruckende Serie aufgrund defensiver Stabilität hingelegt. Klingt nach Ähnlichkeit zum FC St. Pauli. Ist es auch.

Zur weiteren Vorbereitung empfehle ich das „Vor dem Spiel“-Gespräch von Michael mit Danny. Darin geht es unter anderem intensiv um Torhüter Jonas Urbig und die Gründe für den auffälligen Saisonverlauf des Kleeblatts. Hört gerne rein.

FC St. Pauli: Wer kann spielen, wer fehlt?

Alles bleibt, wie es ist. Jackson Irvine und Connor Metcalfe fehlen aufgrund ihrer Teilnahme am Asia Cup, wo sie am Freitag im Viertelfinale auf Südkorea treffen. Simon Zoller ist weiterhin noch ein Stück weg davon, für einen Kaderplatz infrage zu kommen. Scott Banks kommt dafür auch nicht infrage.

Auf der Pressekonferenz vor der Partie erklärte Fabian Hürzeler, dass alle Spieler gut aus dem Pokalspiel herausgekommen sind, also zumindest körperlich. Somit dürfte der gleiche Kader wie zuletzt zur Verfügung stehen. Allerdings bleibt natürlich die Frage wie die körperliche Situation bei Spielern ist, die als Team erst 134 Kilometer abgespult haben und dann 120 intensive Pokalminuten durchlebten. Personelle Rotationen sind entsprechend vorprogrammiert? Zumindest hatte das Team einen Tag länger Zeit zur Regeneration, als vor dem Pokalspiel, dürfte entsprechend in (noch) besserer Verfassung sein.

SpVgg Fürth: Wer kann spielen, wer fehlt?

Zwei sehr wichtige Spieler fehlen den Fürthern in der Defensive: Innenverteidiger Luca Itter und Linksverteidiger Niko Gießelmann. Ansonsten sieht die personelle Situation recht vielversprechend aus. Das liegt vielleicht auch daran, dass die Knochen, Sehnen und Muskeln noch nicht so gebrechlich sind, denn Fürth verfügt über den deutlich jüngsten Kader der Liga. Nein, liegt sicher nicht daran, ich wusste nur nicht, wie ich den Übergang hinbekomme. Fakt ist: Sieben von elf Stammspielern der SpVgg Fürth sind 23 Jahre oder jünger. Zum Vergleich: Nur Philipp Treu und Aljoscha Kemlein sind 23 oder jünger von den Startelfspielern des FCSP im Pokal. Einige Male in dieser Saison war sogar kein Spieler jünger als 24 Jahre beim FCSP in der Anfangsformation.

Was hat das Kleeblatt zu bieten?

Einen interessanten Saisonverlauf. Das Auftaktspiel gegen den SC Paderborn wurde deutlich mit 5:0 gewonnen, aber auch durch einen frühen Platzverweis für den SCP massiv beeinflusst. Es folgten fünf sieglose Spiele in Serie und nach einem 1:1 gegen den 1. FC Nürnberg am 6. Spieltag lag man auf dem Abstiegsrelegationsrang. Sieben Punkte aus drei Spielen und eine Niederlage gegen den HSV folgten. Das Team lag nach zehn Spieltagen auf Rang 14 der Tabelle. Es folgten fünf Siege in Serie, jeweils ohne Gegentor, und zwei Remis kurz vor der Winterpause.

Starke Fürther Serie

Mit diesem Lauf, der das Team auf Platz vier überwintern ließ, hatte man schon mal oben Bescheid gegeben, dass da noch jemand mitmischen möchte. Nun folgte die endgültige Anmeldung im Aufstiegskampf: Mit Siegen gegen Paderborn und Kiel zum Rückrundenauftakt konnte das Team von Zorniger auf den zweiten Platz springen. Macht also insgesamt starke neun Spiele ohne Niederlage.

Diese Entwicklung ist alles andere als ein Zufall. Die SpVgg Greuther Fürth steht zu Recht auf dem zweiten Tabellenplatz. Sagen die expected Points (der FC St. Pauli ist in dieser Statistik klar vorne). Sagt aber vor allem die Anzahl an Gegentoren (zweitbeste Defensive der Liga). Diese Defensivstärke hängt unmittelbar mit Trainer Alexander Zorniger zusammen. Der hat bereits in der letzten Saison, kurz nachdem er an den Ronhof kam, das Team enorm stabilisiert. So holten die am 14. Spieltag 22/23 noch auf Platz 18 liegenden Fürther vor Jahreswechsel zehn Punkte aus vier Spielen, bei nur einem Gegentreffer. Nun sind es läppische vier Gegentreffer aus den letzten neun Partien (sieben Siege, zwei Remis).

Fürth, Deutschland, 19.08.2023, Fußball, 2. Bundesliga - Robert Wagner (SpVgg Greuther Fürth) und Marcel Hartel (FC St. Pauli) kämpfen um den Ball - Copyright: Peter Boehmer
Starke zentrale Mittelfeldspieler unter sich: Robert Wagner und Marcel Hartel im Duell.
(c) Peter Boehmer

Zornigers Pragmatismus…

Wer die Karriere von Alexander Zorniger bereits etwas länger verfolgt, dürfte vermutlich wissen, dass er als Trainer mit einer ganz bestimmten Art von Fußball in Verbindung gebracht wird. Eine sehr intensive Spielweise, mit viel Tempo und vor allem hohem Pressing. So ließ er auch bei Fürth spielen, aber nach nicht so gutem Saisonstart 23/24 siegte der Pragmatismus: Das Kleeblatt presst nun nicht mehr oder nur noch teilweise hoch, ist geduldiger geworden – und damit erfolgreicher.

Ich persönlich finde, dass es im Defensivspiel des FC St. Pauli und der SpVgg Greuther Fürth sehr viele Ähnlichkeiten gibt. Vor allem aufgrund der Formation, beide mit einer Fünferkette und einem auf das Zentrum fokussiertem Block davor. Fabian Hürzeler erklärt, dass Fürth „sehr kompakt“ verteidige und meint damit, dass der Abstand zwischen den Angreifern und der Fünferkette sehr gering ist. Wie sowas aussieht, haben wir zum Rückrundenauftakt gegen Kaiserslautern gesehen, wenngleich die Fürther Defensivarbeit nochmal eine Etage höher anzusiedeln ist.

…und Urbigs Beitrag

Und dann ist da ja auch noch Jonas Urbig. Der Torwart, Leihgabe aus Köln, spielt eine überragende Saison und sorgte teilweise mehr oder weniger im Alleingang dafür, dass sein Team ungeschlagen blieb: „Was der die letzten Spiele gehalten hat… Ich habe mir das Spiel gegen Paderborn angeschaut. Das war schon groß,“ erklärt Hürzeler.
Diese Fähigkeiten deutete Urbig übrigens schon letzte Saison an. Er verbrachte die Rückrunde im Tor von Jahn Regensburg. Dort konnte er den Abstieg zwar nicht verhindern, aber hatte die beste „save rate“ aller Torhüter in der Saison. Nun zeigt der beidfüßige Torwart sogar noch, dass er auch im Spiel mit dem Ball einiges kann.

Womit wir dann zum Offensivspiel des Kleeblatts kommen. Tempo und Hrgota in der Offensive – so könnte man das runterbrechen, eigentlich seit Jahren. Aber da ist natürlich mehr, erklärt Fabian Hürzeler: „Sie haben im Umschaltverhalten eine besondere Qualität. Weil Hrgota immer Lösungen findet (…) und mit Lemperle und Sieb zwei Spieler hat, die er sehr gut einsetzen kann. Zudem rücken speziell die Außenverteidiger und Green sehr gut nach.“

Wie immer: Tempo und Hrgota – aber jetzt noch mehr!

Eine Besonderheit im Aufbauspiel von Fürth ist, dass sich die Fünferkette, anders als beim FCSP, oft in eine Viererkette verwandelt, indem nur einer der beiden Außenverteidiger seine Position nach vorne verlässt. In dieser Viererkette sind mit Gideon Jung und Maximilian Dietz zwei sehr spielstarke Innenverteidiger. Danny beschreibt im VdS-Gespräch sehr passend, dass gegnerische Teams oft Damian Michalski als eine Art „weak spot“ ausmachen und ihn konzentriert anlaufen. Michalski mag im Spielaufbau nicht ganz so stark sein, ist aber trotzdem für sein Team enorm wichtig. Denn er verfügt über eine schier unfassbare Qualität im Kopfballspiel. Sieben Tore hat er für den Verein seit seiner Ankunft im Spätsommer 2022 erzielt, fünf davon per Kopf, alle nach Standardsituationen.

Michalski, Sieb und Hrgota waren bereits letzte Saison stark. Was aber macht Fürth nun in dieser Saison zum Aufstiegskandidaten? Zum einen sicherlich die angepasste Spielweise, die ihnen eine hohe defensive Stabilität verleiht. Zum anderen hat sich das zentrale Mittelfeld prächtig entwickelt. Das „ewige Talent“ Julian Green spielt bisher womöglich die beste Saison seiner Karriere, ist offensiv noch gefährlicher geworden als in den Vorjahren. Und der erst 20-jährige Robert Wagner, Leihgabe aus Freiburg, verleiht dem Spiel eine gute Balance, ist tatsächlich eher unauffällig, aber enorm wichtig für das Team und wird sicherlich in seiner Karriere noch die ein oder andere Minute in höheren Spielklassen sammeln.

Mögliche Aufstellung

Auf Seiten der Fürther gibt es nur eine Frage zur Startelf: Wird erneut Lukas Petkov auf der linken Schienenposition starten oder kommt Oussama Haddadi zurück in die Anfangsformation? Petkov war gegen Kiel auf dieser Position zu finden, obwohl er eigentlich eher ein zentraler Mittelfeldspieler ist. Aber genau das passt auch zum Fürther Spielansatz, weil sich oft einer der beiden Schienenspieler im Spielaufbau nach vorne verabschiedet.

Petkov oder Haddadi?

Für Petkov sprechen also die spielerischen Qualitäten. Aber es gibt auch ein gutes Argument für einen Einsatz von Haddadi: Seine läuferische Qualität, oder wie Zorniger es formuliert: „Weil er 35 Sprints aus dem Stand abliefern kann.“
Das Rennen scheint hier völlig offen zu sein. Gerade weil die Unterschiede zwischen beiden Spielern sehr groß sind, ist diese offene Frage für die Vorbereitung des FCSP gar nicht mal so einfach.

Erwartete Aufstellung beim Spiel FC St. Pauli gegen SpVgg Greuther Fürth FCSP: Vasilj - Saliakas, Wahl, Smith, Mets, Treu - Kemlein, Hartel - Afolayan, Eggestein, Saad Fürth: Urbig - Asta, Jung, Michalski, Dietz, Petkov - Wagner, Green - Sieb, Hrgota, Lemperle
Erwartete Aufstellung beim Spiel FC St. Pauli gegen SpVgg Greuther Fürth
FCSP: Vasilj – Saliakas, Wahl, Smith, Mets, Treu – Kemlein, Hartel – Afolayan, Eggestein, Saad
Fürth: Urbig – Asta, Jung, Michalski, Dietz, Petkov – Wagner, Green – Sieb, Hrgota, Lemperle

Rotation? Jein!

Fabian Hürzeler möchte eine personelle Rotation am Ende der Englischen Woche nicht ausschließen. Um welche Positionen es sich dabei handelt, ist aber natürlich unklar. Abgesehen von der Torwart-Position, da dürfte Nikola Vasilj wieder zwischen die Pfosten rücken. Möglich ist auch, dass Eric Smith eine Pause bekommt, weil er eben Eric Smith ist und diese Pausen öfter braucht, besonders in Englischen Wochen. Aber in dieser Partie auf ihn verzichten? Das wäre schon ein schwerwiegender Ausfall. Ich gehe daher davon aus, dass am Samstag die gleiche Elf zu Beginn auf dem Platz stehen wird, wie am vergangenen Samstag gegen Fortuna Düsseldorf. Also eher nur so ne halbe Rotation.

Ob sich dann zumindest am Kader etwas verändern wird? Neuzugang Erik Ahlstrand könnte seine Premiere feiern. Allerdings waren die Worte von Fabian Hürzeler nicht so eindeutig, wie noch letzte Woche, als er sagte, dass man Ahlstrand als „Soforthilfe“ einplant. Nun sagte er: „Es ist wichtig, dass wir ihn schnell an die Mannschaft heranführen. Er hat nicht die typische Vorbereitung und den typischen Spielrhythmus gehabt.“ Das klingt eher nach einem vorsichtigerem Aufbau. Zwar wollte Hürzeler nicht ausschließen, dass Ahlstrand am Samstag im Kader steht, aber angesprochen darauf, dass er vorher von einer „Soforthilfe“ sprach, erklärte er diesen Begriff etwas anders. Er sagte, dass es darum gehe allgemein junge Spieler darauf vorzubereiten, damit sie Soforthilfen sein können. Das hat mich etwas verwirrt und ich gehe nicht davon aus, dass Ahlstrand bereits im Kader steht, lasse mich aber gerne überraschen.

Eine neue Herausforderung

Na klar, dieses Spiel ist eine erneute Reifeprüfung für die Spieler des FC St. Pauli. Weniger Zeit zur Regeneration als der laufstarke Gegner (wobei man mehr Pause hatte, als vor dem Pokalspiel und nun auch Zuhause bleiben konnte), eine dramatische und niederschmetternde Niederlage und ein Gegner, der das Team sowohl im Hinspiel, als auch in der Vorsaison vor massive Probleme stellte. Somit ist diese Partie für den FCSP nicht nur sportlich, sondern auch mental ein harter Brocken. Aber wie wir wissen, wird sowas im Team auch als Herausforderung begriffen und nicht als Ausrede, hinter die man sich zurückziehen kann. Man darf also davon ausgehen, dass wir auch gegen Fürth ein Team des FC St. Pauli auf dem Platz sehen werden, das sich dieser Herausforderung stellt, um den Frust über das Pokalaus an der SpVgg Greuther Fürth auszulassen, sich vielleicht sogar darauf freut. „Und ich mich erst!“ rufe ich ans Team zurück. Und ich mich erst.

Forza!
// Tim

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