Auf dem Boden bleiben nach Sieg gegen unangenehmen Gegner

Auf dem Boden bleiben nach Sieg gegen unangenehmen Gegner

Der FC St. Pauli arbeitet sich zum 1:0 gegen Eintracht Braunschweig. Jackson Irvine freut sich, wieder zurück zu sein, Fabian Hürzeler gibt ihm eine Einsatzgarantie und Eric Smith freut sich darüber, noch etwas verbessern zu können. Die Stimmen und Statistiken zum Spiel.
(Titelbild: Stefan Groenveld)

Kein Offensivfeuerwerk. Kein hochverdienter Sieg. Kein Podium beim Schönheitswettbewerb. Aber die Währung im Profifußball sind Punkte. Und davon gab es für den FC St. Pauli beim 1:0-Erfolg gegen Eintracht Braunschweig wieder drei. In Unterzahl, was dem Erfolg dann doch auf seine ganz eigene Art etwas Anmutiges verlieh.
Die Analyse: „Arbeitssieg, der“

So richtig unzufrieden war Braunschweigs Trainer Daniel Scherning nach Abpfiff nicht: „Ich glaube, im November hätten sich alle gefreut, wenn Eintracht Braunschweig hier so ein Spiel abgeliefert hätte.“ Vor allem mit der Arbeit gegen den Ball konnte er zufrieden sein. Zwar hatte der FC St. Pauli mehr vom Spiel (Scherning: „Wir wussten, dass wir Phasen mit wenig Ballbesitz haben werden“), doch wirklich zwingende Chancen aus dem Spiel heraus gab es für Braun-Weiß nicht. Einzig die nicht verwerteten Konter sowie das Überzahl-Spiel seines Teams gefielen dem Chefcoach der Braunschweiger nicht.

Der erwartet unangenehme Gegner

Fabian Hürzeler hatte recht ähnliche Ansichten wie Scherning: „Braunschweig war der erwartete unangenehme Gegner. So wie sie im Moment auftreten, sind sie eine absolute Top-Mannschaft.“ Damit hatte sein Team so seine liebe Mühe und Not. Denn zwar gab es eine ganze Menge Ballbesitz, in der ersten Halbzeit lag der Anteil bei 76 Prozent, doch eben kaum Chancen. Hürzeler erklärte später, dass man zwar immer wieder die Räume erreicht habe, in die man kommen wollte, dort aber „die letzte Konsequenz gefehlt“ habe.

Gemessen am betriebenen Aufwand mit dem Ball, hatte Eintracht Braunschweig auf jeden Fall eine deutlich höhere Effizienz, was das Erspielen von Torchancen angeht. Doch auf direktem Wege, also aus dem Spiel heraus, ging bei beiden Teams sowieso ziemlich wenig. Laut FotMob liegen die xG-Werte bei 1.2 zu 1.7. Wenn man aus diesen Werten die Großchance von Ivanov aus der 40. Minute herausrechnet (so ganz eindeutig sind die Bilder nicht, aber es sieht schon stark nach Abseits aus), dann sind diese Werte in etwa gleich. Wenn man aus diesen Werten aber die Standardsituationen herausrechnet, dann liegen die Werte bei trostlosen 0.2 zu 0.3, sind also sehr niedrig.

„Sie haben eine gewisse Physis in ihren Reihen,“ erklärte Fabian Hürzeler in Bezug auf die vielen gefährlichen Situationen nach Standards. Wie knifflig das teilweise war? Zur Erinnerung, was es neben der Ivanov-Möglichkeit noch so gab: In der 23. Minute drischt Helgason den Ball völlig freistehend aus kurzer Distanz neben das Tor. In der 54. Minute unterläuft Vasilj eine Ecke und am zweiten Pfosten (knapp einen Meter vor dem Tor) gewinnt Philipp Treu das Kopfballduell gegen Ermin Bičakčić – wie auch immer er das gemacht hat. Bei der folgenden Ecke köpft Kurucay freistehend aus kurzer Distanz am zweiten Pfosten direkt in die Arme von Vasilj.
Klar, auch der FCSP war durch Standards sehr gefährlich. Aber das ist man ja fast schon gewohnt. Gegen Braunschweig allerdings hat der FC St. Pauli ungewohnt viele Abschlüsse nach Standards zugelassen.

Fehlende Konsequenz

Zurück zur fehlenden Konsequenz, die Hürzeler bei seinem Team ausmachte. Eintracht Braunschweig stand sehr kompakt und dem FC St. Pauli gelang es aus dem Spiel heraus zu selten, sich Tormöglichkeiten zu erspielen. Dabei tauchte er doch sehr oft im letzten Drittel des Gegners auf, vor allem über die rechte Seite (16 von 29 Positionsangriffen kamen über rechts, sechs über links, sieben durch die Mitte – dieser Wert ist beim FCSP üblicherweise ausgeglichen). Doch dann mangelte es an Pass-Genauigkeit: Nur zwei von 18 Flanken aus dem Spiel heraus kamen beim Mitspieler an. Die sich daraus ergebenden elf Prozent Flankengenauigkeit sind Saison-Tiefstwert (durchschnittlich kommen 35 Prozent der FCSP-Flanken an).

Die Genauigkeit der Flanken war also nicht optimal. Und Braunschweig machte es auch einfach sehr, sehr gut gegen den Ball, konnte immer eine Vielzahl an Spielern zwischen Ball und Tor bringen. Es fehlte dem FC St. Pauli aber womöglich auch in der ein oder anderen Situation an genügend Spielern im gegnerischen Strafraum. Die Box-Besetzung war, vor allem gemessen an dem, was der Gegner dort an Spielern hatte, eher unterdurchschnittlich. Das hatte seinen Grund: Fabian Hürzeler erklärte, dass man auch immer „auf die Balance schauen“ müsse und erklärte, dass man zugunsten der Restfeld-Verteidigung auch mal auf einen Spieler mehr in der gegnerischen Box verzichtet habe.

Jackson Irvine (FC St. Pauli) freut sich nach dem Sieg gegen Eintracht Braunschweig vor den Fans.
Jackson Irvine – einfach mal glücklich. // (c) Stefan Groenveld

„Ich bin so stolz, wie wir uns durch das Match gekämpft haben! Manchmal fühlen sich genau diese Spiele am besten an. Wenn Du kämpfen musst, laufen musst, in Unterzahl.“ Jackson Irvine war in der Mixed Zone anzumerken, wie froh er darüber gewesen ist, wieder als Kapitän des FC St. Pauli auf dem Platz zu stehen. Und es dürfte ein Spiel nach seinem Geschmack gewesen sein. Fabian Hürzeler betonte, dass Irvine dem eigenen Spiel Stabilität gebracht habe, gab ihm zudem eine Einsatzgarantie: „Wenn Jacko spielen kann, dann spielt er.“ Irvine führte die meisten Zweikämpfe auf dem Platz (19, davon 42 Prozent erfolgreich), hatte die meisten Klärungen per Kopf aller Spieler. Auffällig war allerdings, dass er offensiv ein wenig Probleme hatte, seinen Raum zu finden.

„Schön, wenn man Erster ist und noch besser werden kann“

Eric Smith traf mit seiner kurzen Spielanalyse den Nagel auf den Kopf: „Gemessen an dem hohen Ballbesitz müssen wir mehr Torchancen kreieren, da müssen wir besser werden. Wir müssen da klarer werden in den Aktionen. Das ist der letzte Schritt in unserer Entwicklung. Aber es ist ein schönes Gefühl, Tabellenerster zu sein und Dinge zu haben, bei denen man noch besser werden kann.“
Smith erklärte zudem, welch wichtige Rolle die Fans vor allem nach dem Platzverweis gespielt hätten, empfand bereits das Warm-up als „das lauteste, was ich seit langer Zeit erlebt habe.“ Und genau das habe er am Sonntag benötigt, denn: „Ich bin ein bisschen krank, hätte fast nicht spielen können. Da hilft sowas natürlich besonders.“

Der knappe 1:0-Erfolg gegen Eintracht Braunschweig ist für den FC St. Pauli natürlich die perfekte Reaktion auf die erste Saisonniederlage in der Vorwoche gewesen. Und ein Zeichen dafür, dass das Team nicht nur guten Fußball spielen kann, sondern sich erneut gegen Widerstände durchsetzen konnte. Für einen Trainer wie Fabian Hürzeler, der immer wieder betont, wie wichtig das Erleben von neuen Herausforderungen für die Entwicklung des Teams ist, dürfte das ein ziemlich perfekter Spieltag gewesen sein.

Elias Saad wird fehlen

Hamburg, 18.02.2024, 2. Bundesliga, FC St. Pauli - Eintracht Braunschweig Die Beschwerde von Jackson Irvine hilft nicht, Elias Saad (FC St. Pauli) wird vom Platz gestellt. Copyright: Stefan Groenveld
Elias Saad auf dem langen Weg in die Kabine // (c) Stefan Groenveld

Aber nein, alles war natürlich nicht perfekt. Für Elias Saad dürfte die Situation sogar eine Art Worst Case sein. Erst sah er seine fünfte gelbe Karte und es war klar, dass er gegen Holstein Kiel fehlen wird. Doch aufgrund der Gelb-Roten Karte wird er nicht nur gegen Kiel fehlen, sondern dann auch wieder bei vier Verwarnungen stehen und vermutlich noch ein weiteres Mal in dieser Saison aufgrund einer Sperre zuschauen müssen.

Sowieso scheint der Senkrechtstarter nun zum ersten Mal ein kleines Tal durchschreiten zu müssen. Denn im Spiel gelang ihm leider nur sehr wenig. Zum erst vierten Mal in dieser Saison blieb er ohne eigenen Torschuss und ohne eigene Torschussvorlage. Zudem konnte er nur wenige Bälle zurückerobern, welches eigentlich eine seiner großen Stärken ist. Nur eines seiner sechs Defensivduelle war erfolgreich (durchschnittlich gewinnt er eigentlich ganz starke knapp 50 Prozent) und zum erst zweiten Mal in dieser Saison konnte er keinen gegnerischen Pass abfangen. Bei den letzten beiden Heimspielen war er selbst nicht zufrieden mit seiner Leistung, obwohl er dabei drei Treffer erzielte. Vielleicht haben die Treffer etwas überdeckt, was er selbst schon merkte: Dass auch bei Elias Saad die Bäume (noch) nicht in den Himmel wachsen.

Enstpannter Blick auf die Tabelle

Da der kommende Gegner, Holstein Kiel, sein Spiel auch gewonnen hat (sehr überzeugend mit 4:0 bei Mitkonkurrent Paderborn), hat sich auf den beiden Aufstiegsplätzen nichts verändert. Aber dahinter wird es in der Tabelle interessant. Denn durch das (am Ende sogar glückliche) 2:2 in Rostock liegt der HSV nun mit 38 Zählern sieben Punkte hinter dem FCSP auf dem Relegationsrang. Dicht hinter ihnen ist inzwischen Hannover 96 angelangt. Die haben in der Rückrunde bisher 13 von 15 möglichen Punkten geholt und damit die Serie von fünf sieglosen Spielen in Serie kurz vor der Winterpause ausgleichen können. Das Team von Stefan Leitl greift wieder oben an.

Etwas Federn lassen musste die SpVgg Greuther Fürth. Die haben nach der Niederlage beim FC St. Pauli auch noch die beiden folgenden Spiele verloren und sind damit ihren zweiten Platz endgültig los. Mit drei Punkten Rückstand auf Platz drei ist aber noch Kontakt da. Verloren hat den hingegen Fortuna Düsseldorf, die in der Rückrunde noch gar nicht gewinnen konnten (außer ein Elfmeterschießen in einem anderen Wettbewerb) und ihre gute Ausgangsposition los sind. Die Serien des HSV, von Fürth und Düsseldorf führen auf jeden Fall dazu, dass der SC Paderborn (34 Punkte), sowie Hertha BSC und die SV Elversberg (je 32 Punkte) sicher schon mal den Tabellenrechner angeschmissen haben.

Beim FC St. Pauli braucht man den Tabellenrechner nicht, um Hoffnung auf einen Aufstieg zu entfachen. Dazu reicht der einfache Blick auf die Tabelle. Eine Gefahr nun abzuheben, auch nur einen Ticken nachzulassen, besteht eher nicht. Dafür sorgt laut Jackson Irvine auch der kommende Gegner: „Der Blick auf Freitag hält uns auf dem Boden.“
Übrigens: Zum dritten Mal in dieser Saison trifft der FC St. Pauli als Tabellenerster auf den Tabellenzweiten (ihr dürft gerne in den Kommentaren raten, welches die anderen beiden Spiele waren und wie sie ausgingen). Gehen wir es an.
// Tim

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Sofern nicht anders markiert, stammen sämtliche Statistiken von Wyscout.

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4 thoughts on “Auf dem Boden bleiben nach Sieg gegen unangenehmen Gegner

  1. Gegen den H$V 2:2, gegen Fürth 1:0. Beides Zuhause, nun müssen wir erstmals in der Konstellation 1. gegen 2. auswärts ran. Und ich hab keine Karte… 😭

  2. Ich hatte zur Halbzeit gedacht, dass es bestimmt zum ersten Mal in dieser Saison so war, dass bei einem Heimspiel der Gegner zur Halbzeit einen höheren Xgoals Wert hatte als St. Pauli. @Tim kannst du das in deiner Statistik sehen? Ist das so?

  3. 2:2 gg. den HVV und 3:2 gg. Fürth.

    Wobei es gg. Fürth eigtl. 1. gg. 3. war, da Holstein Kiel sich am Freitagabend durch seinen Punktgewinn auf den 2. Platz vorgeschoben haben und Fürth zum Zeitpunkt des Spiels nur noch auf dem 3. Tabellenplatz war. *Klugschei$$er-Modus off*

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