Eric Smith sieht den Unterschied der Ligen, Hauke Wahl die nackte Wahrheit und Jackson Irvine ist positiv enttäuscht – die Stimmen des FC St. Pauli zur Niederlage gegen Heidenheim.
(Titelfoto: Stefan Groenveld)
Ja, es war ganz sicher nicht der Start in die Bundesliga, den sich alle rund um den FC St. Pauli gewünscht haben. Das 0:2 gegen den 1. FC Heidenheim zeigte schmerzhaft auf, dass ein über weite Strecken gutes Spiel nicht ausreichen wird, wenn es dabei nicht gelingt, die eigene Überlegenheit in Form von Toren auf die Anzeigetafel zu bringen (hier geht es zur Spielanalyse). In der Einordnung der Partie waren sich die FCSP-Spieler und Trainer Alexander Blessin aber einig.
Smith: „Beispiel für den Unterschied der Ligen“
Innenverteidiger Eric Smith war grundsätzlich zufrieden damit, wie es dem FC St. Pauli gelungen ist, den Gegner aus Heidenheim zu bespielen: „Wir konnten einige Male durch sie durch spielen.“ Er sprach dabei vor allem den Matchplan an, dessen Ziel es war, die gegnerischen Sechser aus dem Zentrum herauszuziehen und dort dann Pässe hineinzuspielen. Dieser Bereich wird team-intern übrigens „RedZone“ genannt, ließ Smith wissen. „Positiv ist, dass wir überhaupt in diese Bereiche kommen,“ erklärte der 27-jährige. Doch dort angekommen „müssen wir mehr Dynamik erzeugen. Wir müssen daran arbeiten, uns noch mehr Chancen aus diesen Situationen zu erarbeiten.“
„Wir müssen lernen, sehr schnell“
Zwar sind (noch) mehr Torgelegenheiten sicher wünschenswert, doch hätten auch die Möglichkeiten, die es für den FC St. Pauli am Sonntag gab, gut und gerne für einen eigenen Treffer reichen dürfen. Diese hat man aber nicht nutzen können. Stattdessen machte der 1. FC Heidenheim aus wenig Torgefahr sehr viel, fünf Torschüsse reichten zu zwei Treffern. Smith sah genau darin das nächsthöhere Level im Vergleich zum Fußball der 2. Bundesliga: „Ich denke es ist ein perfektes Beispiel für die Unterschiede der beiden Ligen. Wenn man die eigenen Chancen nicht nutzt, wirst Du bestraft.“
Diese Lücke in Sachen Effizienz muss der FCSP also noch schließen. Smith nannte das Spiel daher „eine gute Lehrstunde“ und erklärte: „Wir müssen lernen, sehr schnell.“ Er sieht das Team dabei aber auf einem guten Weg: „Wir hatten sechs Wochen, um das neue System zu erlernen. Wir wissen, was wir tun wollen. Vielleicht fehlen uns da noch die allerletzten Prozentpunkte. Aber die werden kommen.“
Wahl: „Art und Weise funktioniert“
Auch Hauke Wahl stimmte mit Smith überein, sprach davon, dass man „Lehrgeld“ gezahlt habe. Aber er erklärte auch, dass man aus dieser Niederlage viel Positives mitnehmen könne: „Wir haben ein gutes Spiel gezeigt, waren besser, haben die besseren Möglichkeiten gehabt. Es hat ein bisschen das Quäntchen Glück, der letzte Schritt gefehlt, um das Tor zu schießen.“ Verloren habe man diese Partie aufgrund eines deutlichen Unterschieds in Sachen Effizienz vor dem Tor: „Da hat Heidenheim uns heute einiges voraus gehabt und am Ende deswegen gewonnen. Das ist die nackte Wahrheit.“
Die Spielweise des eigenen Teams machte dem Innenverteidiger – der natürlich mit einem Augenzwinkern erklärte, dass er auf die Fragen des MillernTon nur antworten wolle, wenn das Aufnahmegerät auch wirklich funktioniert – aber Mut: „Wir haben uns schon die Räume ausgesucht und sie auch gefunden. Klar, wenn die beiden Sechser enger stehen, dann müssen wir andere Lösungen finden. Aber wir waren darauf vorbereitet. Ich denke, dass wir da viel kreiert haben.“ Und trotz zweiter Gegentore, beide nach Standardsituationen, könne man viel mitnehmen: „Wir haben brutal intensiv gespielt, haben Heidenheim wenig Chancen gegeben. Die Art und Weise, die uns der Trainer vorgibt, die funktioniert.“
Irvine: „Eine gute Enttäuschung“
Ein Königreich dafür, dass ich irgendwann mal eine Motivationsrede von Jackson Irvine in der Kabine des FC St. Pauli mitbekomme. Ich bin sicher, dass ich danach problemlos durch die geschlossene Tür auf den Rasen des Millerntors rennen kann. Wie gewohnt lieferte der FCSP-Kapitän in der Mixed Zone komplett druckreife Zitate ab, die man nicht kürzen muss und die dazu noch sehr viel Mut mitgeben für die anstehende Saison: „Wir sind enttäuscht. Aber es ist eine gute Enttäuschung. Wir wissen, dass wir Chancen kreiert haben, dass wir dieses Spiel hätten gewinnen können. Das Spiel hat uns nicht gezeigt, dass der Gegner zu stark für uns war. Wir können da mithalten. Ich denke, dass wir noch nicht fertig sind, das neue System zu erlernen. Woche für Woche werden wir besser. Es ist eine gute Art der Enttäuschung, weil wir zwar Punkte verloren haben, aber nicht chancelos gewesen sind.“
Ritzka: „So ist Fußball“
In der Startelf des FC St. Pauli gab es eine Veränderung im Vergleich zum vorherigen Pokalspiel und den letzten Vorbereitungsspielen: Lars Ritzka startete auf der linken Schienenposition. Überrascht habe ihn diese Nominierung nicht, wie er nach Abpfiff erklärte: „Der Coach hatte schon gesagt, dass er keine klare Startelf hat und ich habe mich letzte Woche im Pokal mit guter Leistung angeboten.“
Kein Dämpfer, sondern ein Mutmacher
Daran, dass der FCSP das Spiel weitgehend kontrollierte und sich einige Gelegenheiten erspielte, hatte auch Ritzka einen nicht unwesentlichen Anteil, der zehn seiner 15 Bodenzweikämpfe gewann und mit zwei Torschüssen und Torschussvorlagen, sowie sieben Pässen ins Angriffsdrittel auch offensiv auffällig agierte (wenngleich es leider meist an der Genauigkeit haperte). Das Fazit von Ritzka fiel dann so trocken und bodenständig aus, wie man es von seinen Leistungen auf dem Platz auch erwarten kann: „Wir haben gut verteidigt, standen gut, haben auch Chancen. Am Ende war Heidenheim aber einen Tick effizienter. Mit ein bisschen Glück geht es vielleicht anders aus. So ist Fußball.“
Und trotzdem machte dieses Spiel auch Lars Ritzka Mut für den Rest der Bundesliga-Saison: „Wir glauben an das neue System. Klar, hier und da hakt es noch ein bisschen. Aber wir sehen, dass wir mithalten können und zu unseren Chancen kommen.“ So wollte er diese Niederlage auch nicht wirklich als „Dämpfer“ bezeichnen. Vielmehr hob er hervor, dass man gemerkt habe, „wie es funktionieren kann“ und das dabei auch das Millerntor eine entscheidende Rolle spielen wird („Man hat gemerkt, dass die Fans hinter uns stehen, wenn sie sehen, dass wir alles geben. Darauf wird es in dieser Liga ankommen.“)
Blessin: „Nehmen viel Positives mit“
Auch Cheftrainer Alexander Blessin wollte die Niederlage nicht zu negativ bewerten. Nach einer schwierigen Anfangsviertelstunde („Wir haben zu viele Bälle über das Zentrum verloren, hatten zu flache Außenverteidiger.“) sei sein Team „viel besser ins Spiel gekommen“ und habe „klare Chancen“ gehabt. Doch genau im druckvollsten Augenblick des FC St. Pauli, in der „Drangphase, wo das Tor eher auf unserer Seite zu sehen ist, kriegen wir dann so einen Konter. Da haben wir Lehrgeld gezahlt.“
„Viele gute Szenen,“ aber „Finger in die Wunde legen“
Insgesamt müsse man natürlich über die Situationen rund um die beiden Gegentore reden, so der FCSP-Chefcoach, doch „ansonsten bin wahnsinnig stolz auf die Performance von der Mannschaft.“ Denn insgesamt habe er „keine Situation gesehen, wo ich das Gefühl hatte: Da brennt jetzt was an“ und meinte damit primär die gute Arbeit gegen den Ball. Auch mit dem Ball sei man nach der Anfangsphase „immer mutiger“ geworden. Von daher, so Blessin, gehe „vieles in die richtige Richtung“, wenngleich man natürlich auch aufgrund des Ergebnisses nicht zufrieden sein darf.
So wird die Vorbereitung auf das kommende Spiel dann nach einem trainingsfreien Montag mit einer Videoanalyse starten, bei der es „viele, viele gute Szenen“ zu sehen geben wird, aber „ein paar Sachen müssen wir schon ansprechen, den Finger in die Wunde legen.“ Das Fazit von Alexander Blessin zum Spiel: „Das wirft uns nicht um. Wir können heute traurig sein, aber ab morgen nehmen wir die positiven Eigenschaften, die wir gezeigt haben, mit.“
Um die Niederlage des FC St. Pauli gegen den 1. FC Heidenheim richtig einordnen zu können, ist also ein differenzierter Blick auf das Spiel notwendig. Viele gute Ansätze waren zu erkennen, die Arbeit gegen den Ball hat in den meisten Fällen richtig gut ausgesehen. Und natürlich spielt da dann auch mal ein wenig Zufall und Pech in so einer Partie mit. Doch Fußball ist ein Ergebnissport, auch klar. Aber der FC St. Pauli hat viel dafür getan, dass die eigene Siegwahrscheinlichkeit relativ hoch gewesen ist, während sich die Heidenheimer eher über einen glücklichen Auswärtserfolg freuen dürfen. So enttäuschend es natürlich auch ist, aus dieser womöglich bereits sehr wichtigen Partie im Abstiegskampf nichts Zählbares mitgenommen zu haben: Es war vieles dabei, das Mut für den restlichen Saisonverlauf macht.
// Tim
Alle Beiträge beim MillernTon sind gratis. Wir freuen uns aber sehr, wenn Du uns unterstützt.
MillernTon auf BlueSky // Mastodon // Facebook // Instagram // Threads // WhatsApp // YouTube
puhh, ich weiß ehrlich gesagt nich, was ich mit dem spiel von gestern anfangen soll. für mich sah es aus wie ein zweitligaspiel. zumindest konnte ich kaum unterschiede sehen, schonmal keinen in der qualität des spiel’s insgesamt. ok, es war das erste punktspiel, also noch entwicklungszeit vorhanden. und die brauchen wir auch: die entwicklung.
denn, so wie gestern werden wir es sehr schwer haben, die klasse zu halten. und, bei allem respekt vor deren entwicklung, aber heidenheim gehört für mich zu unseren direkten konkurrenten um den klassenerhalt, konferenz liga hin oder her (die mehrfachbelastung wird eh ne herkulesaufgabe für heidenheim). die zweite saison wird bekanntermaßen von haus aus schwieriger, als die aufstiegssaison.
optimistisch stimmt mich, daß wir gestern besser waren, als heidenheim und daß es noch einige direkte konkurrenten mehr in dieser liga gibt, gegen die wir punkten können und hoffentlich auch zur genüge werden (bochum, kiel, union, mainz, augsburg oder bremen), um die klasse ohne umwege zu halten. sport frei
dass das zweite Jahr für Aufsteiger schwieriger sein soll, ist ein Mythos und entspricht nicht den Tatsachen
https://www.textilvergehen.de/2020/09/17/ist-zweite-jahr-in-der-bundesliga-wirklich-immer-das-schwierigste/
ok, statistik gegen gesammelte erfahrung. ich hab ja auch nicht geschrieben, daß der aufsteiger im zweiten jahr zwangläufig absteigt, bzw die wahrscheinlichkeit dafür höher ist. fakt ist aber, daß sich der rest der liga im zweiten jahr besser auf den vorjahresaufsteiger einstellt und überraschnungen eher seltener daher kommen.
ich halte es beispielsweise für nahezu ausgeschlossen, daß heidenheim in dieser saison sowohl gegen dortmund als auch gegen bayern einen 0:2 rückstand noch dreht (unentschieden gegen dortmund, sieg gegen bayern). sowas wird den etablierten nicht nochmal gegen heidenheim passieren… daß man im zweiten jahr mehr punkte holt heißt ja nicht, daß es einfacher war, als im aufstiegsjahr…