Vier Erkenntnisse des Auftakts

Vier Erkenntnisse des Auftakts

Die erste Standortbestimmung für den FC St. Pauli endete mit einer Niederlage gegen den 1. FC Heidenheim – die Erkenntnisse des Bundesligastarts.
(Titelfoto: Axel Heimken/AFP/via Getty Images/via OneFootball)

Zum Start der Bundesligasaison empfing der FC St. Pauli den 1. FC Heidenheim am Millerntor. Begleitet wurde diese Partie von einigen Fragezeichen rund um die Leistungsfähigkeit des FCSP. Dass dieses Spiel verloren ging, ist sehr schmerzhaft, doch die Leistung stimmte – zumindest in vielen Phasen der Partie. Und dieser Auftakt lieferte einige wichtige Erkenntnisse. Zu den notwendigen Dingen, um in der Bundesliga zu bestehen, zur Entwicklung der eigenen Spielidee, der Leistungsfähigkeit des Kaders und möglichen Transfers.

Erste Erkenntnis: Fehler werden härter bestraft

Es ist fast schon kitschig-plakativ, was der FC St. Pauli in diesem Spiel durchlebte. Auf eine schwierige Anfangsphase folgten gegen Ende der ersten Halbzeit gute Minuten, ehe es nach Wiederanpfiff richtig druckvoll wurde. Da am Spielende aber ein 0:2 auf der Anzeigetafel stand, muss man festhalten, dass der FC St. Pauli nichts aus seiner Überlegenheit gemacht hat.

Schlimmer noch: Der 1. FC Heidenheim zeigte auf brutale Art und Weise auf, wie man mit sich bietenden Gelegenheiten umzugehen hat, wenn man in der Bundesliga Fußballspiele gewinnen möchte. Während sich der FCSP zu Beginn der zweiten Halbzeit viele Torgelegenheiten erspielte, aber keine davon nutzte, machten es die Gäste besser und nutzten den dritten Torschuss zur eigenen Führung. Spätestens mit dem vierten, dem Treffer zum 2:0 aus Heidenheimer Sicht, war das Spiel entschieden. Somit bleibt die Erkenntnis, dass eigene Fehler, wie es sie vor beiden Gegentreffern gab, und vergebene Torchancen in der Bundesliga sofort bestraft werden können.

Kein Aufbäumen nach dem Rückstand

Wo wir gerade bei Fehlern sind: Was hoffentlich kein Thema im Saisonverlauf wird, ist die Torwartposition. Nikola Vasilj hat sowohl gegen Halle, als auch (mit Abstrichen) gegen Heidenheim alles andere als gut ausgesehen, als er vor dem 0:2 nicht sicher war, ob er bei der Ecke aus seinem Tor rausgehen sollte oder nicht. Torwart-Experte Sascha Felter schrieb dazu, dass man Vasilj in dieser Szene „nicht aus der Pflicht nehmen darf“ und er sich lieber „tief absetzen“ sollte als herauszukommen. Alexander Blessin meinte nach dem Spiel zu dieser Szene: „Im Normalfall sagt man immer: Wenn er rauskommt, dann soll er es durchziehen,“ erklärte aber auch, dass die Ecke gut getreten wurde und man die Situation am zweiten Pfosten besser verteidigen müsse.

Spätestens das 0:2 hat dem Spiel dann endgültig den Stecker gezogen. Wobei man auch bereits nach dem 0:1 im Stadion den Eindruck haben konnte, dass der FC St. Pauli nicht an seine gute Phase vor dem Gegentreffer anknüpfen kann. Dass Rückschläge im Spiel den FCSP so aus der Bahn werfen, ist sehr ungewöhnlich, wie nicht zuletzt das Pokalspiel in Halle zeigte. Das wird hoffentlich nicht zu einem Thema im Saisonverlauf. Denn klar ist auch: Rückschläge wird es einige geben. Und 50 gute Minuten reichen nicht in der Bundesliga, vor allem wenn diese Phase ohne eigenen Treffer bleibt.

Zweite Erkenntnis: Spiel ins letzte Drittel klappt…

Die Vorbereitungsspiele zeigten bereits, dass sich in Sachen Aufbauspiel einiges beim FC St. Pauli verändert hat. Besonders gegen Atalanta Bergamo konnte ein neuer Ansatz im Spielaufbau erkannt werden: Aus der Innenverteidigung sollen möglichst direkte Pässe in die Spitze gespielt werden, wo dann die Bälle auf nachschiebende Spieler verteilt werden.

Gegen den 1. FC Heidenheim gelang es, die gegnerischen Sechser aus dem Zentrum herauszuziehen. Somit konnten die beschriebenen Pässe auch gespielt werden. Alexander Blessin betonte nach Abpfiff, dass der Matchplan aufgegangen sei und auch Hauke Wahl stimmte da mit ein („Wir haben die Räume gefunden.“). Und nicht zuletzt Heidenheim-Trainer Frank Schmidt hatte positive Worte auch für diese Spielidee übrig: „Du kannst nicht jede Offensivaktion von St. Pauli verteidigen. Weil sie einfach die Qualität haben, technisch gut sind, viel Tempo mit reinbringen.“ Alles super also?

… Spiel im letzten Drittel ausbaufähig

Nun blicken wir auf die nackten Zahlen: Der FC St. Pauli hat elf Torschüsse abgegeben, sechs davon innerhalb des Strafraums. Das ist eher wenig als viel. Nur Augsburg, Stuttgart und Heidenheim produzierten am ersten Spieltag der Bundesliga weniger Abschlüsse im Strafraum. Hat sich der ganze Aufwand also gar nicht so wirklich gelohnt?

Hamburg, Deutschland, 25.08.2024, Fussball, Bundesliga, FC St. Pauli - 1. FC Heidenheim Morgan Guilavogui (FC St. Pauli) kient nach einer verpassten Chance im Tor des 1. FC Heidenheim. Copyright: Stefan Groenveld
Morgan Guilavogui hatte ein auffälliges Bundesliga-Debüt. Gefehlt hat aber auf jeden Fall ein Treffer. // (c) Stefan Groenveld

Nein, so einfach ist es nicht. Zum einen ist die Anzahl an Torschüssen insgesamt so gering, dass es an wirklicher Aussagekraft mangelt. Zudem bedingte die Spielweise des FCSP ja auch, dass Heidenheim offensiv lange Zeit im Spiel gar nicht stattfand. Trotzdem: Dem FC St. Pauli gelingt es, den Ball sehr kontrolliert ins letzte Drittel zu befördern, doch sitzen die Anschlussaktionen nicht immer. Das könnte daran liegen, dass zum Beispiel die Laufwege und Entscheidungen noch nicht ganz passen (was völlig normal wäre, weil drei der vier vorderen Spieler neu im Kader sind oder auf neuer Position agieren).

Anderer Ansatz, andere Bewertung

Grundsätzlich muss man aufpassen, was man als Vergleichswert heranzieht, um das Spiel des FC St. Pauli ins und im letzten Drittel zu bewerten. Unter Fabian Hürzeler wurde eher weniger Risiko gegangen, auch im letzten Drittel, und es gab allgemein oft die Situation, dass ein offensiver Außenbahnspieler per Dribbling die gegnerische Kette knacken wollte. Unter Blessin ist der Ansatz anders, es sollen viel mutiger und schneller die Pässe nach vorne gespielt werden. Dort sollen dann eher nachrückende Spieler ins Kombinationsspiel eingebunden werden, um sich Torchancen zu erspielen. Direkte Duelle auf der Außenbahn sind nicht als Schlüsselelement vorgesehen. Das Risiko ist also insgesamt größer, auch beim Spiel im letzten Drittel. Entsprechend ist auch die Anzahl an Ballverlusten höher. Doch Hoffnung auf Besserung macht die nächste Erkenntnis.

Dritte Erkenntnis: Entwicklung erkennbar, schnelle Lernkurve notwendig

Diese Erkenntnis ist ein echter Mutmacher. Denn wenn man das Spiel von Sonntag im Kontext der gesamten Vorbereitung und des Pokalspiels betrachtet, dann ist eine ziemlich klare und positive Entwicklung zu erkennen. Gegen Bergamo sah das Spiel bereits gut aus, doch passte Blessin das „Nachschieben“ nicht so richtig, was nun gegen Heidenheim besser (wenn auch noch nicht sehr gut) war. Besonders im Vergleich zum Pokalspiel sah der FCSP-Cheftrainer eine Entwicklung: „Die Sachen, die gegen Halle nicht funktioniert haben, die haben wir einfach besser gemacht.“ Es ist also eine Verbesserung erkennbar. Die Spieler des FC St. Pauli scheinen die Ideen des neuen Systems immer besser umsetzen zu können.

Spiele gegen direkte Konkurrenten

Allerdings sollte diese Umsetzung möglichst zeitnah noch besser funktionieren. Denn schließlich finden bereits Punkt- und keine Vorbereitungsspiele mehr statt. Zwar hat der Cheftrainer schon erklärt, dass auch die ersten beiden Ligaspiele noch zur Vorbereitung zählen. Allerdings bedeutet das natürlich nicht, dass man diese Spiele nicht gewinnen darf. Das sieht auch Blessin so und wurde in der Medienrunde nach dem Ligaauftakt deutlich: „Ich kann die Mannschaft loben, aber letztendlich haben wir verloren. Nächstes Mal wollen wir schon was Zählbares mitnehmen.“

Das wäre wichtig, denn das nun verlorene Punktspiel ging, wie auch das kommende Punktspiel gegen einen möglicherweise direkten Konkurrenten des FC St. Pauli im Abstiegskampf. Heidenheim und Union stehen auf den Zetteln vieler, die den Abstiegskampf der Bundesliga im Auge haben. Punktverluste können also doppelt schmerzhaft sein.

Hamburg, Deutschland, 25.08.2024, Fussball, Bundesliga, FC St. Pauli - 1. FC Heidenheim Die Spieler des FC St. Pauli sind enttäuscht nach dem Treffer des 1. FC Heidenheim zum 0:1. Copyright: Stefan Groenveld
Die enttäuschten Spieler des FC St. Pauli trotten nach einem Gegentreffer gen Mittellinie. Ein Bild, an das man sich hoffentlich nicht gewöhnen muss. // (c) Stefan Groenveld

Vierte Erkenntnis: Veränderungen möglich

Diesen DonnerstagFreitag schließt das Transferfenster – und wenn man den Worten von Alexander Blessin Glauben schenken mag („Ich bin guter Dinge, dass da vielleicht noch was geht.“), dann darf man sich beim FC St. Pauli noch über einen Zugang freuen. Um einen „Stürmer mit Gardemaß“ (diese Worte verwendete Blessin mal in Bezug auf die Stürmersuche) geht es dabei wohl nicht. Bemerkenswert, weil der FCSP am Sonntag mit zwei gelernten Stürmern startete – und zwei gelernte offensive Außen auf dieser Position ins Spiel brachte. Simon Zoller, Andreas Albers und Maurides sind aktuell alle keine Kaderoptionen. und es ist zu hoffen, dass sich diese Situation nicht noch negativ auswirkt.

Bedarf im zentralen Mittelfeld

Wenn es denn Bedarf für Neuzugänge beim FC St. Pauli gibt, dann ist dieser wohl im zentralen Mittelfeld zu verorten. Hinter dem Startelf-Trio Wagner-Metcalfe-Irvine gibt es mit Sinani, Boukhalfa und Ahlstrand zwar Alternativen, aber von einem Konkurrenzkampf um die Startelfplätze zu sprechen, wäre wohl etwas zu hoch gegriffen. Ein weiterer Spieler, von dem man sicher sein kann, dass er das Level im Team etwas weiter anheben kann, wäre für das zentrale Mittelfeld also sicher nicht verkehrt. Ja, so wie Aljoscha Kemlein in der Rückrunde 23/24 einer war…

Die Tür ist aber natürlich in beide Richtungen offen. Auf die Frage, ob der Kader „aufgebläht“ sei, antwortete Blessin am Sonntag „Da wird sich sicherlich was tun.“ Im Fall von Scott Banks (der hoffentlich der einzige offensive Außenbahnspieler ist, bei dem ein Wechsel ernsthaft in Erwägung gezogen wird) sprach der Chefcoach davon, dass dieser noch „Zutrauen in sein Knie“ benötige. Gleiches gelte für Erik Ahlstrand, der ja auch lange verletzt ausfiel („Ich habe das Gefühl, bei ihm ist noch die Handbremse drin.“). Beide benötigen Spielpraxis. Die gibt es für Ahlstrand teilweise in der U23. Bei Banks ist die Situation schwieriger, weil er als Schotte nicht in der U23 spielen darf. Blessin kündigte jedenfalls an, dass man „Lösungen finden“ werde. Ob diese die Form eines Leihgeschäfts haben? Denkbar. Zumindest wäre es extrem verwunderlich, wenn der FCSP Ahlstrand (kam erst Ende Januar) und Banks (erst diesen Sommer fest verpflichtet) nun direkt wieder abgeben würde.

Die Woche ist sehr kurz. Am Freitag wartet Union Berlin und gleichzeitig sind letzte Kaderveränderungen möglich. Die Erkenntnisse aus dem ersten Bundesligaspiel dürften trotzdem in die Vorbereitung und weitere Planung mit eingeflossen sein.

// Tim

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12 thoughts on “Vier Erkenntnisse des Auftakts

  1. Danke für die informative Analyse. Ein kleiner Hinweis: Das Transferfenster schließt nicht Donnerstag, sondern Freitag um 20 Uhr. Kann sich Kemlein also noch mit den Berlinern warm machen und dann zu uns in die Kabine kommen …

  2. Ich finde, ihr könntet ruhig etwas kritischer sein. Klar, das Spiel hätten auch wir mit 2-0 gewinnen können.

    Aber dieser Systemwechsel nach einem erfolgreichen Aufstieg ist schon sehr risikoreich (auf verschiedenen Ebenen). Und dass für echte Unterschiedspieler wie Saad und Afolayan kein Stammplatz frei ist, sollte auch zu denken geben.

    1. Darf man Fragen warum
      Albers aktuell keine Option ist? Gerade ab der 65., 70. Minute hätte ocjbmor ohn als Wandspieler vorne drin gewünscht. Und er hat doch auch weite Teile der Vorbereitung mitgemacht?

    2. Würde sagen, dass Risiko kommt aber eher durch den Ligenwechsel. Ein Verbleib bei dem bisherigen System wäre gegen die meisten Gegner auch ein Risiko, Heidenheim sei da vielleicht mal ausgeklammert.

      Würd generell zum einen abwarten, wie sich das System selbst entwickelt, aber auch, wie es gegen Teams geht, die mehr fürs Spiel tun wollen. Kleine und nicht aussagekräftige Stichprobe, aber in der Vorbereitung hat man sich ja gegen Fürth und den Bremer SV abgemüht und dann gegen Lyon und Atalanta besser ausgesehen. Wobei da sicher auch der Zeitpunkt in der Vorbereitung ein Faktor war.

      Dass man Afolayan und Saad in der Startelf missen muss, stört auf jeden Fall. Könnt man noch mit einem Formationswechsel im Spiel verargumentieren, aber dafür kamen die Wechsel Sonntag recht spät.

  3. Vielleicht mal ein psychologisches Hindernis: mir fehlte der unbedingte Wille ein Tor zu erzielen. Z.B. Wagner war in der 2. Häfte völlig blank auf dem Weg zum Tor weil die gegnerischen Abwehrspieler sich nach links und rechts orientierten. Die halbe Nordkurve schrie: schiess!!! Er spielte nach rechts in den Fuß eines Heidenheimers…

  4. Die sinnvollere Verwendung von Said und Afolayan erscheint mir ein drängendes Thema zumal insbesondere Eggestein und Guilavogui zwar sehr viel Spielbegeisterung zeigten, aber wiederholt einen Drang zum eigenen Abschluss vermissen ließen, der bei den erstgenannten eher ausgeprägt scheint.
    Vielleicht wäre auch der richtige Zeitpunkt zum Wechseln ein Thema. Warum nicht gleich nach dem 0:1.

  5. Vasilj macht mir echt Sorgen. Schon in der Rückrunde dieses Jahr häufig mit Unsicherheiten und teilweise abenteuerlicher Strafraumbeherrschung, was sich gegen Halle und Heidenheim leider fortgesetzt hat.

  6. Wollen wir mal hoffen, dass Trainer und Mannschaft nicht so kleingläubig sind wie Teile der Fans. Als ob im Laufe der Saison nicht jeder Keeper mal schlecht aussehen würde. Ja, Heidenheim hat gewonnen und wird jetzt in der Presse als clever und abgebrüht gefeiert. Aber ich habe ein konkurrenzfähiges Team gesehen, eine stabile Defensive und einige gute Spielzüge die auch zu Chancen führten. Es war klar zu sehen, das die Selbstverständlichkeit in den Abläufen wie unter Hürzeler noch nicht gegeben war. Aber je länger das Spiel lief umso besser wurde es. Ich kann mir vorstellen, dass viele Mannschaften sich richtig schwer tun werden, wenn das erstmal richtig sitzt.

    1. Hallo, Dein Kommentar ist sehr wohltuend!
      Ich finde auch, ein bißchen mehr Vertrauen in unser Team sollte möglich sein!
      Das hat es doch wohl verdient.
      Und hatte nicht auch Fabi immer wieder von
      „Entwicklung“ gesprochen?
      Genau diese geschieht gerade, glaube ich.
      Und in die genau richtige Richtung.
      Viele optimistische Grüße aus der Nord
      Christiane

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