Vor mehr als 14 Jahren traf der FC St. Pauli zuletzt auf den FC Augsburg. Erinnerungen an ein besonderes Spiel.
(Titelfoto: Joern Pollex/Bongarts/Getty Images/via OneFootball)
Am Sonntag tritt der FC St. Pauli beim FC Augsburg an. Es wird das erste Mal seit mehr als 14 Jahren sein, dass beide Clubs aufeinandertreffen. Doch auch, wenn die letzte Partie zwischen dem FCA und FCSP bereits einige Zeit her ist: Sie dürfte trotzdem bei vielen Anhänger*innen des FC St. Pauli noch sehr präsent sein, weil sie positive Erinnerungen hervorruft.
„Sechs Punkte“-Spiel am Millerntor
Natürlich ist jeder Sieg in einem Ligaspiel wichtig. Egal, ob dieser am ersten oder am letzten Spieltag gelingt, es gibt dafür nicht mehr, aber auch nicht weniger als drei Punkte. In der Zweitligasaison 09/10 hatte der FC St. Pauli schon ziemlich oft drei Punkte geholt, lag vor dem 30. Spieltag mit 55 Punkten vielversprechend auf dem zweiten Tabellenplatz. Der engste Verfolger des FCSP damals: Der FC Augsburg, 54 Punkte. Und am Montag, dem 12.04.2010, kam es dann zum Aufeinandertreffen beider Clubs am Millerntor (Montag?! Die Älteren unter uns werden sich müde erinnern, dass es in der 2. Bundesliga montagabends Spiele gegeben hat). Und da ist dann die große Ausnahme der Wichtigkeit einzelner Ligaspiele: Das Spiel zwischen dem FC St. Pauli und dem FC Augsburg war ein „Sechs Punkte“-Spiel allererster Güte.
Das Hinspiel in Augsburg hatte der FC St. Pauli knapp mit 2:3 verloren. Nach der frühen Führung durch Marius Ebbers sah Florian Lechner noch vor der Pause die rote Karte für ein grobes Foulspiel. Nach der Pause drehte der FCA die Partie durch Michael Thurk (wurde am Saisonende Torschützenkönig) und ein Eigentor von Fabio Morena. Aber der FCSP kam zurück, Ebbers konnte zum 2:2 ausgleichen. Bis in die Nachspielzeit hielt der FC St. Pauli dieses Unentschieden, doch Andrew Sinkala erzielte in der 93. Minute das 3:2 für Augsburg. eine schmerzhafte Niederlage, aber der FCSP verblieb auf dem zweiten Platz in der Tabelle.
Luhukay und Rettig bedrängen FC St. Pauli in der Tabelle
Dort stand er auch noch vor Beginn des Rückspiels. Die Vorzeichen hatten sich nun deutlich geändert: Denn der FC Augsburg hatte sich in der Tabelle sogar zwischenzeitlich am FC St. Pauli vorbeigeschoben. Der FCSP schwächelte in der Rückrunde, holte nur einen Punkt zwischen Spieltag 22 und 25. So eine Phase hatten die Augsburger, mit Jos Luhukay als Trainer und Andreas Rettig als Sportchef, kurz danach – und diese Phase war auch am 30. Spieltag noch nicht vorbei, wie nach Abpfiff klar war.
Das Knistern vor dieser Partie war bereits das ganze Wochenende über zu spüren. Spätestens als die beiden ärgsten Verfolger, Fortuna Düsseldorf und MSV Duisburg, ihre Spiele am Samstag beziehungsweise Sonntag nicht gewinnen konnten, war allen klar, welch große Möglichkeit sich dem FC St. Pauli (aber auch dem FCA) bot. Helmut Schulte, damals Sportchef des FCSP, orakelte vor der Partie: „Wenn wir gewinnen, glaube ich, dass wir auch am Saisonende vor Augsburg stehen.“ (Abendblatt) – er sollte Recht behalten.
Thurk-Treffer zählt nicht
Die erste Halbzeit der Partie war ziemlich ausgeglichen. Doch in den zweiten 45 Minuten änderte sich das. Der FC St. Pauli war fortan das bessere Team, ging in der 51. Minute durch einen Fernschuss von Matze Lehmann in Führung. Kurz zuvor hatte Michael Thurk für Augsburg getroffen, doch es wurde auf Abseits entschieden und für den FC St. Pauli war es wohl eher Glück, dass es den Videobeweis damals noch nicht gab.
Was Michael Thurk auf Seiten des FC Augsburg war, war Marius Ebbers beim FC St. Pauli. Mit 20 Saisontreffern hatte er großen Anteil am Aufstieg. Bereits im Hinspiel hatte er doppelt getroffen. Entsprechend forsch formulierte Holger Stanislawski vor der Partie: „Ebbe ist momentan richtig gut drauf. Ich bin überzeugt davon, dass er uns zum Sieg schießt.“ (Abendblatt). Eine gewagte Aussage, die aber auch mit der Quote vom Stürmer zusammenhängen dürfte. Denn in den drei Spielen zuvor gegen den FCA hatte Ebbers im FCSP-Trikot immer gegen Augsburg getroffen. So auch dieses Mal, Stanislawski sollte richtig liegen: Wenige Minuten (und bereits einige gute Gelegenheiten) nach der Führung, legte der FCSP in Person von Ebbers gegen Augsburg nach. Zehn Minuten vor dem Ende erzielte er das 3:0 – die Entscheidung.
Erleichterung und große Freude umgab das Millerntor in dieser zweiten Halbzeit. Der Glaube an den Aufstieg war größer denn je. Dieses Spiel war dabei so etwas wie der Toröffner. Der FC St. Pauli hatte durch diese drei Punkte das Tor zur Bundesliga endgültig aufgestoßen und es gab nur noch vereinzelt Zweifel daran, dass dies auch gelingt. Somit steht das 3:0 gegen Augsburg aus dem April 2010 für mich in einer Reihe mit dem Auswärtssieg bei der Zweitvertretung von Werder Bremen im Frühjahr 2007 und jenem in Hannover 2024 – manche Spiele haben dann eben doch einen höheren Wert als „nur“ drei Punkte.
FCA stieg später auf – und ist seitdem Bundesligist
Der FC St. Pauli stieg also am Ende der Saison 09/10 auf. Der FC Augsburg musste in die Relegation, verlor diese aber gegen den 1. FC Nürnberg. Im Jahr darauf schafften sie es dann aber in die Bundesliga. Seitdem beißt sich der Club in der obersten Spielklasse fest und das sehr erfolgreich. Inzwischen ist der FCA seit 14 Jahren durchgängig Erstligist – und damit sicher auch ein Vorbild für den FC St. Pauli.
Nun wird das Aufeinandertreffen am 3. Spieltag der Bundesligasaison 24/25 zwischen dem FCA und dem FCSP sicher nicht ganz so eine große Bedeutung haben, wie damals, im April 2010. Aus Sicht des FC St. Pauli darf es aber gerne ein Wendepunkt werden, hin zu einer epischen Siegesserie. Ein Wendepunkt also, über den wir beim MillernTon in 14 Jahren schreiben: „Damals, als Irvine das Tor auftrat“ …
// Tim
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Ebbers – Irvine – Gänsehaut
Danke für den Artikel. Fühlt sich an wie gestern. Schön, dass ich am Sonntag vor Ort bin. Jetzt noch etwas nervöser als vor 10 Minuten.
Boaah, ich erinnere mich noch gut an das Auswärtsspiel im Oktober 2008, Augsburg spielte damals gegen den Abstieg und wir waren (wiedermal) die gefühlte Initialzündung und verloren 3:2 (Ebbers und Schulle schoßen die Tore) in der Nachspielzeit.
Seitdem ging es mit dem FC Augsburg bis heute (auch gefühlt) nur noch nach oben.
Will sagen: Die sind uns was schuldig…
Das Spiel am Millerntor habe ich live gesehen, das aberkannte Tor von Thurk und postwendend der Treffer von Matze Lehman waren für mich die spielentscheidenden Aktionen. Der Spieler Matze Lehman hat nicht nur in diesem Spiel, sondern die ganze Saison einen hohen Anteil für den Aufstieg in die 1.Bundesliga gehabt.
Lieber Tim, schade das dieser Spieler in deinem Bericht nur in einem Satz erwähnt wurde.
im hinspiel gabs nen bösen bock von hollerieth, oder?
im rückspiel hat das millerntor gebrodelt wie ich es selten erlebt habe
Nice to Remember wäre vielleicht noch:
Das war eines der beiden Spiele, neben dem Heimspiel gegen Koblenz, bei dem für das Filmprojekt. „Das ganze Stadion“ gedreht wurde. Daher sind da epische Bilder (z.B. Torjubel) festgehalten worden.