Der FC St. Pauli empfängt Holstein Kiel und Nina blickt vorab auf den Werdegang des Vereins und die Entwicklung der Kieler Fanszene in den letzten Jahren.
Titelbild: Stefan Groenveld
So, nach meiner kurzen Auszeit, steige ich jetzt langsam wieder ein ins MillernTon-Business und führe die „Verein und Fanszene“-Reihe weiter. Bayern und Gladbach hole ich in der Rückrunde nach.
Freitag geht’s für den FC St. Pauli gegen Holstein Kiel weiter. Diese belegen mit fünf Punkten aktuell den vorletzten Platz und holten bisher in der laufenden Bundesligasaison nur einen Sieg, gegen Heidenheim.
Damit wir den Abstand zu den Kielern erhöhen und vielleicht wenigstens einen Tabellenplatz höher steigen, muss ein Sieg her und damit auch eeeeendlich das erste Tor am Millerntor für uns.
Also, ich möchte ungern unseren FC St. Pauli unter Druck setzten, aber(!) wir haben keine andere Wahl. Aus meiner Sicht müssen wir gewinnen, wenn wir in der Bundesliga bleiben wollen.
Holstein Kiel sind wir in der 2. Bundesliga ja schon häufiger begegnet. Die Spiele der letzten Saison konnten wir beide für uns entscheiden (5:1 im Heimspiel und ein knappes 3:4 in Kiel). Dies heißt ja in der Regel wenig, Kiel will schließlich auch in der Bundesliga bleiben. Aber gut, wie gesagt: Kein Druck, lieber FC St. Pauli, ne? Gucken wir mal was Kiel als Verein so ausmacht, und wie die Fanszene so drauf ist.
Geschichte des Vereins
Anfänge und Erfolge
Die Kieler Sportvereinigung Holstein von 1900 e. V. entstand 1917 aus einer Fusion des Kieler Fußball-Verein 1900 und des FC Holstein 1902. Bereits 1912 holte sich Holstein mit einem 1:0 im Hamburger Stadion Hoheluft gegen den Karlsruher FV die Deutsche Meisterschaft. Auch nach der Fusion blieb Holstein Kiel eine erfolgreiche Mannschaft, 1930 erreichte man zum dritten Mal die Finalrunde der Deutschen Meisterschaft. Kiel gehörte zudem nach dem zweiten Weltkrieg zu den Gründungsmitgliedern der erstklassigen Oberliga Nord.
Im Jahr 1963, bei Gründung der Bundesliga, wurden sie aber nicht berücksichtigt. Danach pendelten sie zwischen Zweit- und Drittklassigkeit, ehe Kiel ab Mitte der 90er-Jahre zwischen Dritt- und Viertklassigkeit pendelte. 2009 schaffte Holstein Kiel den Aufstieg in die dritte Liga, stieg Ende der Saison aber wieder in die Regionalliga Nord ab. 2013 dann ein erneuter Aufstieg in die 3. Liga, und nach vier Jahren gelang ihnen 2017 der Aufstieg in Liga 2.
Der Weg ging weiter nach oben: Wie wir alle wissen, schaffte 2024 Holstein Kiel, als erster Verein aus Schleswig-Holstein bei den Männern den Aufstieg in die 1. Bundesliga.
Das Holstein-Stadion
Seit 1911 spielen die Kieler Störche bereits im Holstein-Stadion. Damals noch Holstein-Platz, gilt es als eine der ältesten und traditionsreichsten Sportanlagen Deutschlands. Das Stadion fasst aktuell knapp 15.000 Zuschauer*innen. Nach einer Renovierung 1950 konnten zeitweise sogar 30.000 Menschen zuschauen, aber das Stadion zerfiel zunehmends und das Holstein-Stadion benötigte im Laufe der Zeit immer wieder Sanierungsmaßnahmen, auch um Auflagen der DFL zu erfüllen. Auch für die 1. Bundesliga erhielt Kiel die Lizenz nur unter der Auflage, das Stadion bundesligatauglich zu machen. Für die Erneuerung des Holstein-Stadions laufen aktuell Planungen.
Fans und Fanszene
Block 501
Holstein Kiel zählt aktuell fast 10.000 Mitglieder. Auf der Webseite der Störche sind derzeit zwölf offizielle Fanclubs aufgelistet. Die aktiven Gruppen der Fanszene befinden sich auf der Westtribüne. Seit 2016 versteht man sich als Block 501 und seit März 2024 agiert Block 501 als eingetragener Verein, um die Interessen aller Gruppen der Westtribüne koordinieren zu können und Ansprechpartner zu sein.
Aktive Gruppen auf der Westtribüne sind unter anderem die New Connection und Compagno Kiel.
Compagno Kiel und Supside
Compagno Kiel gründete sich 2016 nach Unstimmigkeiten in der eigenen Fanszene und entwickelte sich neben der New Connection bis heute zu einer der führenden Ultragruppen Holstein Kiels. In ihrem Selbstverständnis heben sie hervor, anders als manch andere Ultragruppen, als Ultras stets politisch zu handeln. Eine politische Richtung, die sie verfolgen, nennen sie nicht. Selbst sagen sie: „Die Ideologie, der wir folgen: Ultra!“. Dabei benennen sie, dass sie sich mit alltäglichen Problemen und gesellschaftlichen Themen auseinandersetzen und antidiskriminierenden Grundkonsens haben, ohne sich von politischen Parteien, Verbänden oder Institutionen instrumentalisieren zu lassen. Natürlich ist ihnen als Ultragruppe sowohl das Kurvenbild von Wichtigkeit, als auch die akustische Unterstützung der Mannschaft.
Die größte Feindschaft führt Holstein Kiel mit dem VfB Lübeck. Gut verstehen sie sich hingegen mit KSV Hessen Kassel und offiziell seit 2024 auch mit dem VfB Oldenburg. Explizit Compagno Kiel mit Succade Ultrà Oldenburg.
Zwei Vorfälle mit Kieler Fans haben sicher viele St. Pauli-Fans noch in Erinnerung: 2017 versuchten sich Kieler Fans beim Spiel in Kiel nach einem Sprint über den Platz zur alten Gästekurve an einem Zaunfahnenklau. Klappte nur so halb und die kümmerlichen Reste wurden von Sami Allagui und Torwarttrainer Mathias Hain noch auf dem Feld zurückgeholt.
Auch die Jüngeren können sich vielleicht noch an die Gruppe Supside Kiel erinnern. Von 2008 bis 2017 war diese Gruppe die führende Ultragruppe der Kieler. 2017 gelang es einer Gruppe von St. Pauli-Anhängern, die Zaunfahne der Supside zu entwenden. Daraufhin kam es zur Auflösung der Gruppe.
Schlussworte
Holstein Kiel verbinde ich in der Regel immer mit einem ziemlich beschissenen Gästeblock, ihrer kleinen Fanszene und den hin und wieder eher lustigen Choreos. Mein Highlight war, als sie zuletzt am Millerntor zu Gast waren und sie den aufgepumpten Muskel-Storch präsentierten. Da muss ich immer wieder schmunzeln, wenn ich daran denke. Beim Compagno Kiel könnt ihr euch dieses Meisterwerk nochmal anschauen.
Aber klar, Kiel ist eine kleine Fanszene und ein kleiner Club. Überhaupt die 1. Liga erreicht zu haben, muss ein schönes Gefühl sein. Kennen wir ja auch, auch wenn wir in der Menge der etwas größere Verein sind. Trotz der vielleicht eher holprigen Geschichte ihrer Fanszene, sind sie stets präsent und in Anbetracht ihrer Größe ist es mit Sicherheit auch nicht einfach, sich einen Namen zu machen. Umso gespannter bin ich auf ihren Auftritt am Freitag. An dieser Stelle kann ich euch noch eine Podcast-Folge von „Football was my first love“ (Spotify) empfehlen, falls ihr euch etwas mehr für die Kieler Fanszene interessiert.
Ich will einen Sieg für St. Pauli sehen und damit vor allem das erste Tor der laufenden Saison am Millerntor. Also Tore, Punkte – und am besten verliert Heidenheim noch, damit wir in der Tabelle nach oben rücken (Hey, kein Druck)!
Und: packt alle ein paar Euros mehr ein, für eine Spende für die autonomen Frauenhäuser und den Frauennotruf in Hamburg anlässlich des Aktionstages gegen Gewalt an Frauen!
Immer weiter vor
// Nina
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Moin
Ein sehr schöner Blog über Holstein Kiel aus Sicht von euch.
Wenn übrigens die Zäune rechtzeitig kommen, wird der Gästeblock im Winter auf die Osttribüne verlegt, um bei Bedarf genug Sitzplätze vorhalten zu können.
Im übrigen wurde auch die Kapazität des Gästeblocks aktuell statt 1500 auf 1800 erhöht wegen des zweiten Sitzplatzblockes der bei Bedarf Gästeblock sein muss, es aber Ausnahme ist, da immernoch keine 800 Sitzplätze vorhanden sind.
Auf ein faires Spiel.
Muss man eigentlich die Rivalität mit einem lokalen Konkurrenten wirklich „Feindschaft“ nennen? Das halte ich für sehr unangemessen – besonders in den aktuellen Zeiten…
Kiel und VfB … man lernt nie aus. Hatte meine Heimat bisher eher mit Bremer SV und Altona verbunden.
Freundschaften – in kompliziertes Feld 🙂
Danke für den interessanten Artikel! Sehr bemerkenswert fand ich das Verhalten unserer Ultras beim letzten Kantersieg am Millerntor bei dem sie den Support eingestellt haben nachdem sie mitbekommen hatten, dass eine Kieler Anhängerin im Gästeblock kollabiert war. Das finde ich ist ein bemerkenswertes Zeichen von Respekt und das trotz der Rivalität der beiden Fanlager.