Das zweite Halbjahr 2020 steht beim MillernTon ganz im Zeichen der Musik. Denn es läuft gerade der „Grand Prix de la Vereinslieder Song Contest“. Als wäre das noch nicht genug für Eure Ohren habe ich doch glatt in einem Moment mentaler Schwäche bei Twitter um Einsendungen gebeten – zu Fußballern, die Musik machen. Und ich hatte es schnell bereut. Ich hatte es auch bei der weiteren Recherche mehrfach bereut. Und ganz vielleicht werdet ihr es auch bereuen, wenn ihr die musikalischen Genüsse dieses Artikels laut aufdreht. Aber es musste sein. Ich musste dringend mal herausfinden was Fußballer so für Musik gemacht haben, Ich habe mir Mühe gegeben, wirklich große Mühe, auch nur das Verstörendste zu zeigen. Ohren auf!
(Disclaimer vorab: Es gibt eine Playlist. FSK 18!)
Starten wir ganz harmlos mit einem Lied aus der Kategorie „Oh-oh–eh-oh„. Denn mit solchen Melodien werden Menschen deutschlandweit von sämtlichen Radiostationen zugeballert. Sollte also nicht so schmerzhaft sein, da die Ohren bereits daran gewöhnt sind. Und eigentlich darf man das gar nicht in dieser Auflistung mit drin haben, denn Lukas Podolski hat nur ganz am Ende einen harmlosen dreiwörtigen Closer, der völlig ohne jeglichen Rhytmus daherkommt. Dafür hat er aber im Video an allen möglichen Ecken in Köln seine Arme ausbreiten dürfen, was natürlich dazu führt, dass ich diese Stadt „oh-oh-eh-oh“ einfach „oh-oh-eh-oh“ lieben „oh-oh-eh-oh“ muss. Warum ich das Lied hier trotzdem aufführe? Es ist eine Art Safe-House zu dem ihr immer wieder zurückkehren könnt, wenn Euch die anderen Lieder zu sehr quälen und ihr auf dem Boden liegend „AUFHÖREN!“ schreit (es wird passieren, ich hoffe Du weisst es! (um mal gute Musik zu zitieren)).
Wisst ihr eigentlich was „oh-oh-eh-oh“ auf Spanisch heißt? Ich auch nicht, aber Sergio Ramos weiß es! Es heißt „lolololololololololololooo„. Und Sergio kann die Arme genauso dämlich ausbreiten wie Poldi… Schnell weiter!
Das Ding ist halt, dass man bei den Mit-Sing-Nummern aufgrund der ganzen „Oh’s„, „Eyoh’s“ und „Lolo’s“ einfach den Überblick verliert. Es gibt zu viele solcher Songs und dadurch wird es ein geschwurbelter Einheitsbrei bei dem man gar nicht mehr weiß, ob man nun mit „oh-oh-eyoh!“ ’ne Stadt am Rhein besingt oder „Diddellö-Häpp“ einer von Millionen ist. Man braucht etwas Eingängiges, was sich aber trotzdem von der Masse abhebt. Das liefere ich euch natürlich. Denn ich „aubame“ habe da „aubame-aubame“ einen ganz „aubame“ besonderen „aubame-aubame“ Ohrwurm für euch:
So. Genug der seichten Einleitung. Ihr betretet nun die Welt des audiovisuell injizierten Schmerzes. Nicht nur das Video lässt mich fassungslos zurück. Nein, Christian Pander hat sich tatsächlich dazu entschieden den Künstlernamen „Funky Pee“ anzunehmen (ganz im Ernst jetzt!). Mir wären da sonst noch „Glitter Poo“ oder „Shiny Barf“ eingefallen, aber Christian hat sich für diesen Namen entschieden. Und entsprechend ist auch sein Werk „Meine Story„: Ein Endprodukt der menschlichen Verdauung. Eigentlich sollte man es sofort wegspülen, aber hey, da funkelt doch irgendwas! Dieser Text… so deep. Bevor wir uns jetzt darüber lustig machen, muss ich Euch mitteilen, dass das Lied unglaublich integrativ ist und Dinge zusammenbringt, die nicht zusammen gehören. Denn diese Reime, scheiße oder besser gesagt sorry (reimt sich in dem Lied auf Hobby), das ich da noch nicht drauf gekommen bin die Worte geschafft und gehasst zu reimen. Oder Leder und Streber. Oder Schluss und Frust. Oder… ach, „genießt“ es einfach!
Ruud Gullit – Alter, dieses Video macht betroffen. „Free Gullit“ denke ich in jeder Sekunde, die mich diese Bilder quälen. Ganz am Ende versucht ihn der aufdringliche Moderator auch noch einen neuen Vertrag aufzuzwingen. Ein Glück hatte Ruud zu der Zeit bereits so viel Sedativ eingeworfen, dass er nur noch mit dem Kopf ein wenig gegen den Takt wackeln konnte. Eine Bühnenperformance wie ein Baum im Wind. Herrje, ihm wurde sogar noch die Interaktion mit ZuschauerInnen aufgezwungen. Bloß weiter!
„Ailton – Kugelblitz – Rampenlicht – Gewinnermann – Champion – Schalala!“ – Ich habe Ailton immer viel zugetraut, aber nicht, dass er so einen Schrott fabriziert. Sicher einer der Tiefpunkte, der so tief ist, dass man danach eigentlich gar nicht mehr weiter möchte sondern sich lieber weinend in eine dunkle Ecke zurückzieht und wimmert, dass es aufhören soll. Leute, es nützt nix, ich habe diesen Artikel geschrieben, ihr müsst ihn jetzt lesen! Wenn es für den Moment zu viel ist, dann kehrt kurz ins „Oh-Oh-Eh-Oh„-Safe-House zurück, aber ihr könnt mich hier jetzt nicht im Stich lassen! Wir müssen da zusammen durch und werden dafür bestimmt am Ende belohnt.
Apropros Belohnung: Ob es noch die „limitierte und handsignierte Maxi-CD“ gibt, die im Video propagiert wird? Ich hätte da Interesse.
Kommen wir zu einer ganzen Reihe knallharter Jungs:
Prin$$ Boateng. Ein Name wie ein Bandwurm – Geht unbemerkt in den Körper, macht es sich da gemütlich, verursacht dann massive Schmerzen und kann nur mit größtem Aufwand wieder entfernt werden. Ich bin jedenfalls mit Prin$$ infiziert. Das ist aber auch ein harter Hund. Schnell weg hier, sonst haut er mich noch um mit seiner Gucci-Uhr oder wickelt mich in seine Louis Vuitton Basejacke ein. Oder noch schlimmer: Ich bekomme einen Ohrwurm. Ich lebe nämlich mein Leben wie ein König, ohne jeden Druc… Aaaah, ich bin ein Blogger, holt mich hier RAAAAAUUUUSSSSS!
Autotune scheint ja schon ne geile Sache zu sein. DA27, wer kennt dieses Kürzel nicht, ist jedenfalls darauf angewiesen. Aber ist ja egal, da blicke ich drüber hinweg, denn David Alaba ist so nah an der heutigen Zeit und ich gebe uns allen gerne Nachhilfe bei der Übersetzung des Song-Textes für die Ü30-Generation: „Baby, jaja, Du bist alles, Double-Tap auf alle deine Bilder“ heißt übersetzt „Ich find dich oberaffengeil„. „Schick mir nur ne Voicemail“ bedeutet übersetzt „Ruf mich einfach an, wir haben jetzt ein kabelloses Festnetztelefon zuhause, dann muss ich nicht mehr im Flur stehen zum Telefonieren und meine Eltern hören nicht mehr zu.„.
Übrigens: Wenn ihr Euch mal wirklich erfolgreiche, austauschbare Musik von Fußballern reinziehen wollt, dann schaut mal bei Memphis Depay vorbei – und von der Kategorie gibt es noch mehr. Karim Benzema zum Beispiel. aber bitte bedenkt, dass das alle hauptberuflich Fußballer sind (oder mit den Worten von Ryan Babel: „Reppn is ma haubbie!“).
Bei den Hobbies von Paul Gascoigne fallen vielen vermutlich andere Dinge ein. Aber auch er hat mal „gerappt“, als gerade jede*r der Meinung war, diese neue „oberaffengeile“ Musik, bei der sogar die taktlosesten Volldeppen urplötzlich der Ansicht waren gute Musik machen zu können, ausprobieren zu müssen. Mit Anklicken des Videos habt ihr nun endgültig wieder die Welt des musikalischen Schmerzes betreten. Mit seiner Version von „Fog on the Tyne“ – du meine Güte, es ist eines der Lieder, die mich einfach nur sprachlos zurücklassen (wobei die Frisuren bei dieser Version auch bemerkenswert sind). Aua. Ich kann das nicht mal wegklicken, hänge auf diesem Video fest, die Melodie brennt sich tief in mein Gedächtnis. Meine Augen sind weit aufgerissen. Ganz langsam läuft eine Träne der Entwürdigung über meine Wange. Mein Mund füllt sich vor Entsetzen. Ich muss kotzen. Ich kann nicht, ich will… ich schaffe es nicht mal ins „oh-oh-eh-oh“ Safe-House.
Was folgt ist der bisherige Tiefpunkt: Ende der Neunziger kam der Rap auch im bürgerlichen Schwabenland an. Hätte er gewusst, was ihm dort widerfährt, er hätte den Umweg über Kap Hoorn in einer manövrierunfähigen Nussschale bei Windstärke 2428 in Kauf genommen. Merkt euch einfach „Eo Amama Eo – Eo Amama Eo“ – das ist textlich der beste Teil des Liedes. Fredi Bobic, Marco Haber und Gerhard Poschner a.k.a Das Tragische Dreieck ist bei dem Auftritt im Video der Fremdscham vor dem eigenen Werk anzumerken. Das ändert aber nichts daran, dass sie diesen erschütternden Auftritt hinlegen. UND HAT EIGENTLICH NIEMAND AN DIE ARMEN KINDER GEDACHT, DIE DA AUF DER BÜHNE GEQUÄLT WERDEN?!
Geschmäcker sind ja sehr verschieden. Womöglich werden einige Leser*innen an einigen Stellen dieses Textes die musikalischen Ergüsse etwas besser ertragen als andere. Das kommende Lied bietet vor allem für einige FCSP-Anhänger*innen ein zweites Safe-House. Es bietet die Erinnerung an die Bokal-Serie anno 2006.
Aber (ihr hättet nicht damit rechnen dürfen, dass ich Euch hier ein wirkliches Safe-House biete) die Lied-Zeile „Wenn wir verlier’n, ist auch scheißegal – denn wir probier’n es nächstes Jahr noch einmal“ bohrt seit nunmehr 15 (!) Saisons jedes Jahr so einen unangenehmen Splitter tiefer unter den Fingernagel. Für mich persönlich haben Marcel Eger und Benny Adrion hier ein Stück schmerzhafte Erinnerung geschaffen.
Habt ihr im Safe-House entspannen können? Egal, ob ja oder nein, wir müssen jetzt weiter. Es folgt ein Produkt, welches Euch ne deftigere Backpfeife verpassen wird, als Thor’s Hammer es jemals tun könnte, selbst wenn ihn euch der 6-Million-Dollar-Mann in die Fresse schwingt.
Trittst im Morgenrot daher,
Seh’ ich dich im Strahlenmeer,
Dich, du Hocherhabener, Herrlicher!
Wenn der Alpenfirn sich rötet,
Betet, freie Schweizer, betet!
Alexander Frei, ehemals auch für den BVB auf Torejagd, singt… nein, rappt… nein, reimt… nein, erbricht die Schweizer Nationalhymne zwischen halbnackten Frauen im weißen Fellmantel, Goldkette und auch sonst hässlichster Kaufhausware. Laut eigener Aussage habe er jungen Schweizern die Nationalhymne näherbringen wollen. Mir hat er die Erkenntnis gebracht, dass sogar DJ Bobo vor Fremdscham erbrochen haben muss. Meine Güte, so eine blutrünstige Perversion wie sie Alex Frei der Schweizer Nationalhymne antut, hätten sich nicht mal Fitzek/Nesbö überlegt. Betet, freie Schweizer, betet!
Noch ein schweizer Nationalspieler der sich musikalisch versucht, ist Josip Drmic. Der war ja bereits beim HSV äußerst erfolgreich, was steht da einer internationalen Musik-Karriere noch gleich im Weg? Richtig, die Lyrics von Eko Fresh! Möglich, dass ich mir aufgrund dieser Zeilen ein noch epischeres Battle als Kool Savas mit Eko Fresh liefere, is‘ mir aber egal, denn hey, There is no tomorrow!
*dramatisches Blockflötensolo setzt ein*
Ganz klar, der FC Bayern München hat sich auch im Musik-Business nicht lumpen lassen. Mit Taktgefühl beim Mitklatschen ganz vorne dabei: Franz Beckenbauer. Die ersten Sekunden des Videos machen betroffen. Wer hat das „unserem Kaiser“ angetan? Wer hat ihn dazu gezwungen? Holt den armen Mann da raus! Das ganze Video ist ein einziger Hilferuf. Es ist so schlimm, YouTube möchte uns alle davor bewahren, dass wir das zu sehen bekommen und hat völlig zurecht die Einbettung des Videos auf anderen Webseiten verboten. Danke YouTube, danke!
Aber glaubt mal nicht, dass der FC Bayern da ähnlich gnädig mit uns wäre. Der „Bumm-Krach“ von Gerd Müller ist sicher hinlänglich bekannt. Ob das auch für Sepp Maier gilt, der auf einen feinsten „Uffta-Uffta„-Rhytmus schon fast philosophisch davon berichtet, dass er nichts weiß? Und: Du meine Güte, Andreas Görlitz…
Aber die eine Liedzeile, die sich bei Euch einbrennen wird, ist nicht „aubame-aubame„, auch nicht „oh-oh-eh-oh“ nein, sie kommt von Jean-Marie Pfaff: „Ich war ein Belgier und jetzt bin ich ein Bayer, ich trinke Bier und esse Leberkäs mit Eier“. Gern geschehen.
Ich entlasse Euch mit dem Entsetzlichsten dieser Auflistung, wo nur gibt. Wer von Euch es bis hierher geschafft hat, kann sich keinesfalls sicher sein, es auch bis zum Ende zu schaffen. „Das Ende ist nah“ ist an dieser Stelle definitiv zweideutig zu verstehen. Allein schon, dass die Herren Schmidt, Jauch und Gottschalk das Lied gemeinsam teasern sollte zu denken geben. Dazu eine aufwendige und trotzdem möglichst schäbige Bühnenkonstruktion. Im Vordergrund geben bedauernswerte Personen alles, um eine Art Takt vorzugeben. Im Hintergrund steht die deutsche Nationalmannschaft, die alles tut, um zu beweisen, dass sie Fuß- und keine Handballer sind. Schaut es Euch an, es sind alle Arten der Anti-Klatsch-Methode vorhanden: Andreas Köpke könnte man zugute halten, dass er es im Off-Beat versucht, der Rest versucht nicht im 4/4-Takt sondern in Primzahlen mitzuklatschen. Andreas Brehme auf der 3, Kalle Riedle auf 7, Rudi Völler auf 13 und 17 (das muss man auch erstmal schaffen!), Klinsi wippt auf der 23 und singt auf der 29 mit. Und was erlauben Strunz?! (ich sach’s euch: immer ein Fünftel-Takt vor oder nach der eins klatschen).
Das war es noch nicht… NEEEIIIIINNNN… es wird noch schlimmer. Die Nacht ist am dunkelsten vor Anbruch der Dämmerung und so. Ihr habt es fast geschafft, aber vorher habe ich da noch Helmer, Gaudino, Riedle und Matthäus, die ein paar fette Rhymes spitten…
Jetzt aber: Geschafft! Aber keine Freude, kein Stolz. In mir ist nichts als Leere und unendlicher Fremdscham. So viel Musik gegen den Takt bringt mein Weltbild massiv durcheinander.
Aber wisst ihr was: Ich. Kann. Sogar gegen. Den. Takt schreiben. Weil. Ich. Genau. Weiß. Dass ihr nach. Jedem. Punkt. Im. Kopf einen. Punkt macht.
// Tim
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made my day!
THX Tim
Gern geschehen! 😉
Ist zwar nur ein Cover, aber trotzdem hervorragend: Carsten Ramelow!
https://youtu.be/DIgCnabeBFc
Du liebes bisschen. Das ist ja… ich… herrje!