Vorbericht: Holstein Kiel – FC St. Pauli (32.Spieltag, 20/21)

Vorbericht: Holstein Kiel – FC St. Pauli (32.Spieltag, 20/21)

Am Freitag gastiert der FC St. Pauli bei Holstein Kiel. Die sind nicht nur formstark sondern auch richtig dick im Geschäft in Sachen Aufstieg. Entsprechend erwartet den FCSP ein spielerisch richtig starker Gegner. Das Hinspiel hat aber gezeigt, dass es durchaus funktionierende Antworten auf das Spiel von Holstein Kiel gibt.
(Titelbild: imago images/via OneFootball)

Eine ausführliche Beschreibung der Saison und Situation von Holstein Kiel findet ihr im „Vor dem Spiel“ – Gespräch von Casche mit Marius Soyke.

FC St. Pauli: Wer kann spielen, wer fehlt?

Der FC St. Pauli muss weiterhin auf Kapitän Christopher Avevor verzichten, der ja bereits seit Herbst letzten Jahres ausfällt. Zudem dürfte nach den Aussagen von Timo Schultz auf der PK auch für Igor Matanović und Sebastian Ohlsson ein Einsatz gegen Kiel zu früh kommen. Die Aussagen von Timo Schultz auf der Pressekonferenz klingen sogar eher so, dass beide ihre Verletzungen eher in Ruhe auskurieren können und evtl. gar nicht mehr zum Einsatz kommen in dieser Saison.
Christopher Buchtmann und Ryō Miyaichi sind zwar „Kader-Optionen„, aber wohl noch nicht in Kiel sondern eher dann für die letzten beiden Saisonspiele, da im Quarantäne-Trainingslager eine „individuelle Trainingssteuerung“ möglich sei.

Kurze Zeit nach der Pressekonferenz gab der Verein bekannt, dass Afeez Aremu in den letzten drei Ligaspielen nicht zur Verfügung stehen wird. Stattdessen reist er nach Nigeria aufgrund einer „familiären Angelegenheit“ – wir hoffen sehr, dass sich alles zum Positiven wendet. You’ll never walk alone, Afeez!

Was auch immer die „familiäre Angelegenheit“ ist – wir wünschen Afeez Aremu alles Gute!
(c) Peter Böhmer

Holstein Kiel: Wer kann spielen, wer fehlt?

Die Pressekonferenz vor dem Spiel gegen den FC St. Pauli dürfte heute stattfinden. Entsprechend kann ich nichts Genaueres zu möglichen Ausfällen berichten. Da allerdings zuletzt beim Spiel gegen Sandhausen niemand verletzt ausgewechselt wurde, dürfte es nur rotationsbedingte Wechsel im Team geben.

Sicher nicht in der Rotation ist Innenverteidiger Stefan Thesker, der sich bereits vor einiger Zeit an der Achillessehne verletzt hat. Auch Torwart Ioannis Gelios, der noch an den Folgen seiner Covid19-Erkrankung leidet, wird ausfallen.
Ebenfalls zuletzt verletzt fehlten Defensiv-Allrounder Aleksander Ignjovski sowie Linksverteidiger Mikkel Kirkeskov (schöner Vorname, wie ich finde).

Was hat Holstein Kiel zu bieten?

Timo Schultz hat es auf der PK klar angesprochen und dem möchte ich mich anschließen: In Sachen Spieleröffnung ist Holstein Kiel das beste Team der Liga. Gerade das variable Positionsspiel, welches über Jahre entwickelt wurde, finde ich richtig, richtig gut. Dadurch ist Holstein Kiel eigentlich in jedem Zweitliga-Spiel mindestens ein ebenbürtiges, wenn nicht sogar das dominante Team. Eine durchschnittliche Ballbesitzquote von 57% untermauert dies (viertmeister Ballbesitz der Liga).

Während aber viele bei den Stärken von Holstein Kiel immer die, zugegeben, hervorragend besetzte Offensive benennen, geht meist ein wenig unter, dass dieses Team vor allem in der Defensive richtig gut ist. Zwar hat Kiel zwei Spiele weniger als fast der gesamte Rest der Liga, aber 27 Gegentore aus 29 Spielen zeigen diese Stärke deutlich (das Team mit den zweitwenigsten Gegentoren hat 36).
In diese Richtung zeigen auch die xG-Werte. Allerdings sind die mit knapp mehr als 35 deutlich über der Anzahl der Gegentore. Ein Grund hierfür ist, dass Holstein Kiel die zweitmeisten Schüsse der Liga abgeblockt hat.
Die Defensivstärke fußt sicher auch auf der Zweikampfstärke: Holstein Kiel hat hinter dem HSV die zweitbeste Quote bei gewonnenen Defensiv-Zweikämpfen (62%).

Defensiv richtig stark – offensiv effektiv und dominant
Holstein Kiel feuert die fünftwenigsten Torschüsse aller Zweitligisten pro Spiel ab. Für ein Team das kurz vor Saisonende auf dem dritten Tabellenplatz liegt, ist das schon bemerkenswert. Aber Kiel macht auch mehr aus seinen Chancen (xG bei 43 – bei bisher 45 Saisontoren) als viele andere Teams. Das liegt womöglich daran, dass sie schon Wert darauf legen, nicht aus allen Lagen zu feuern: Nur jeder dritte Schuss wird außerhalb des Sechzehners abgegeben – das ist die niedrigste Quote aller Zweitligisten.

Im Gegensatz zum FC St. Pauli ist Holstein Kiel kein Team, das sonderlich viel Wert auf Dribblings in der Offensive legt (die viertwenigsten der Liga und die zweitschlechteste Erfolgsquote). Stattdessen versucht Kiel vermehrt über Flanken zum Erfolg zu kommen (drittmeiste und zweithöchste Erfolgsquote). Neun Kopfballtore haben sie bisher erzielt – eine überdurchschnittliche Anzahl (der FCSP ist mit mageren zwei Kopfballtoren übrigens letztplatziert).

Ole Werner hat eine ziemlich klare Idee vom Fußball den sein Team diese Saison spielen soll – und es funktioniert!
(Norbert Schmidt/imago images/via OneFootball)

Insgesamt bestreitet Kiel aber nur etwa 36 Kopfballduelle pro 90 Minuten – die mit deutlichem Abstand wenigsten aller Zweitligisten. Das sagt relativ viel über die Spielweise der Kieler aus.
Denn Holstein Kiel spielt die meisten Pässe pro Spiel. Dabei geht es gar nicht so sehr darum ständig große Chancen zu erspielen, es geht vielmehr um Spielkontrolle. In den Top10 der Spieler mit den durchschnittlich meisten Pässen pro Spiel befinden sich sechs (!) Spieler von Holstein Kiel. Alle diese Spieler sind in der Viererkette zu finden (zwei davon natürlich dann jeweils Ersatz). Das zeigt sich auch in der Quote langer Bälle, die sehr niedrig ist und der ebenfalls niedrigen Anzahl an „deep completions“ (erfolgreiche Zuspiele ganz nahe am gegnerischen Tor).
Holstein Kiel versucht den Ball also im wahrsten Sinne des Wortes flach zu halten und dann auch gerne in den eigenen Reihen, damit sie ein Spiel kontrollieren können.

Wenn es dann aber mal aus der Viererkette nach vorne geht, dann ist meist Linksverteidiger Johannes van den Bergh beteiligt. Der spielt ligaweit die meisten Pässe ins Angriffsdrittel und ist damit so etwas wie der Initial-Zünder des Kieler Offensivspiels.
Am Ende der Offensivbemühungen steht idealerweise Stürmer Janni Serra. Der hat bereits starke fünf Kopfballtore erzielt, zuletzt gegen Sandhausen aber auch mit einem herrlichen Lupfer gezeigt, dass er durchaus auch was in den Füßen hat. Zehn Saisontore sind intern Spitze. Die teilt er sich zwar mit Alexander Mühling, aber der hat dabei auch satte acht Elfmeter verwandelt.
Mit etwas Gehässigkeit könnte man auch behaupten, dass das Ende der Kieler Offensivbemühungen sehr gerne nicht bei Janni Serra sondern bei Fabian Reese sein darf. Der liegt in den Top10 der Liga mit 2.9 Torschüssen pro Spiel. Aber nur 3.5% dieser Torschüsse haben im Saisonverlauf auch den Weg ins Tor gefunden. Eine ziemlich unterirdische Quote. Eigentlich liegen nahezu alle Stürmer bei einer Quote von mindestens 10% (Marmoush z.B. liegt bei 18% – Tim Kleindienst (Heidenheim) ist mit satten 37% Ligaspitze bei den Stürmern). Mindestesn in Sachen Torschüsse ist Reese somit sehr ineffektiv.

Mögliche Aufstellung

Es erscheint gut möglich, dass Holstein Kiel einige Änderungen in der Startelf aufgrund der Vielzahl an Spielen vornehmen wird. Das können sie doch recht problemlos machen, da sie auf einigen Positionen eine unglaubliche Tiefe im Kader haben!
Den verletzten Innenverteidiger Stefan Thesker ersetzt seit einigen Wochen Simon Lorenz. Auch Marco Komenda hat in dieser Saison diese Position bereits gut ausgefüllt. Rechts hinten dürfte Phil Neumann starten, aber auch Jannik Dehm kann dies tun. Johannes van den Bergh ist rechts gesetzt, da Winter-Neuzugang Mikkel Kirkeskov, der richtig stark startete, weiterhin verletzt fehlen dürfte. Im Tor ist aktuell Thomas Dähne gesetzt, da Ioannis Gelios aufgrund seiner Corona-Erkrankung fehlt. Ebenfalls gesetzt ist Jonas Meffert im defensiven Mittelfeld, da Aleksander Ignjovski verletzt ausfällt.

Während es in der Defensive zwar einige Ausfälle gibt, aber eben auch immer hochwertigen Ersatz, ist die Situation weiter vorne noch luxuriöser: Im zentralen Mittelfeld starteten zuletzt Jae-sung Lee und Ahmet Arslan(!). Niklas Hauptmann und Alexander Mühling sind aber ebenfalls starke Alternativen. Auf der Außenbahn scheinen Fabian Reese und Fin Bartels gesetzt. Allerdings sind mit Joshua Mees (Torschütze im Hinspiel) und Finn Porath zwei richtig starke Alternativen vorhanden.

Es gibt also einige Optionen für Kiel-Trainer Ole Werner. Und ich habe keine Ahnung, ob und wie da rotiert werden wird. Daher habe ich einfach mal die identische Startelf zum letzten Spiel gegen Sandhausen gewählt:

(Update: Hier war kurz nach der Veröffentlichung noch die Aufstellung aus dem Hinspiel des FCSP dargestellt. Das natürlich Quatsch, daher habe ich es geändert)

Auch beim FC St. Pauli könnte es darauf hinauslaufen, dass es keine Wechsel gibt im Vergleich zum starken Auftritt gegen Fürth. Da die Raute im Hinspiel gegen Kiel ziemlich gut funktioniert hat, rechne ich auch nicht mit einem Experiment namens 3-5-2 (das dürfte dann gegen Hannover zu sehen sein).
Personelle Veränderungen könnte es trotzdem geben. So rechne ich immer damit, dass ein fitter Eric Smith eigentlich nicht auf der Bank sitzen darf (aber Rico Benatelli hat es zuletzt auch einfach richtig gut gemacht auf der Sechs). Richtig ärgerlich ist die Situation für Igor Matanović, der bei voller Fitness sicher noch die ein oder andere Spielminute diese Saison evtl. sogar in der Startelf hätte sammeln können. Auch Lukas Daschner und Maximilian Dittgen dürften in den nächsten Spielen einige Minuten auf dem Platz sammeln. Ich rechne aber nicht damit, dass sie gegen Kiel in der Startelf stehen.
Da Philipp Ziereis und Leart Paqarada erst am Dienstag wieder voll ins Training eingestiegen sind, könnte es für Tore Reginiussen und Daniel Buballa für die Startelf reichen, sofern Paqarada und Ziereis nicht vollständig fit sind. Das ist aus meiner Sicht aber eher unwahrscheinlich.

Klar, für Holstein Kiel geht es auch in diesem Spiel um ein wenig mehr als für den FC St. Pauli. Trotzdem oder sogar gerade deswegen dürfte der FCSP ein richtig unangenehmer Gegner sein. Das Hinspiel hat zudem gezeigt, dass Kiel trotz aller Spielkontrolle mit den Umschaltmomenten des FCSP so seine liebe Mühe und Not hatte (besonders mit Omar Marmoush). So wird der FC St. Pauli sicher auch in das Spiel wieder mit einem doch sehr viel deutlicherem Fokus auf diese Umschaltmomente gehen, als zuletzt. Ich persönlich bin mir ziemlich sicher, dass es ein echtes Top-Spiel werden wird.

Forza!
// Tim

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4 thoughts on “Vorbericht: Holstein Kiel – FC St. Pauli (32.Spieltag, 20/21)

  1. Ääh, Tim, wenn ich Deine Defensivaufstellung sehe, krieg ich Schüttelfrost: Buballa statt Lawrence und Dzwigala statt Zander oder Wieckhoff? Büdde nich….

    1. Eieiei, da habe ich aber mal ungenau gearbetiet. Das war die Aufstellung aus dem Hinspiel, die ich einfach nicht mehr geändert habe… :/

  2. Moin moin,

    danke für den wiedermal tollen Artikel, dem ich hiermit jedoch eine Unvollständigkeit vorwerfe! Jawohl!

    Kein Satz zu Dzwigala anstelle von Zander? War das ein Test Deinerseits, ob wir Leser aufpassen (wenn ja: gewonnen!) oder hat Euer CMS / Dein Schreibprogramm da einen Satz oder zwei gefressen?

    Sonnige (sichergleichwiederwennsnichtregnet) Grüße,

    D-)

    1. Ja, war alles ein Test…. NICHT
      Gut aufgepasst hast du aber in jedem Fall, die Aufstellung des FCSP ist die aus dem Hinspiel. Die hatte ich einfach nicht geändert. Nun ist es aber aktualisiert.

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