King Kofi

King Kofi

Puuh, ich muss ehrlich gestehen, dass ich einmal tief durchgeatmet habe, als das Transferfenster am Dienstag schloss. Denn ich machte mir, wie auch viele andere, durchaus Sorgen, dass Daniel-Kofi Kyereh doch noch zu einem anderen Klub wechseln würde. Hat er nicht getan, deshalb können wir uns jetzt mal ganz entspannt anschauen, was ihn aktuell so stark und zu einem der besten Zehner der 2.Liga macht.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Da ist das Transferfenster zu und Daniel-Kofi Kyereh ist nicht in Hamburg. Schockschwerenot! Keine Sorge, er ist aktuell auf Reisen mit dem ghanaischen Nationalteam und wird danach wieder nach Hamburg zurückkehren. Die Einladung zum Nationalteam hat er sich aus meiner Sicht absolut verdient, da er bereits in der vergangenen Rückrunde, aber auch zu Beginn dieser Saison einer der Gründe ist, warum es offensiv auf dem Platz beim FC St. Pauli so gut läuft. Daniel-Kofi Kyereh war zuletzt im Spiel gegen Regensburg Dreh- und Angelpunkt nahezu sämtlicher Offensivaktionen des FCSP.

Das war er auch schon in der erfolgreichen Rückrunde 20/21, sodass es im Sommer das ein oder andere Gerücht um einen Wechsel Kyerehs in die 1.Liga gab. Klar war aber auch: Der FC St. Pauli hatte kein Interesse daran Kyereh ziehen zu lassen bzw. hätte (oder hat?) dafür einen angemessenen Preis aufgerufen. Kyerehs Vertrag läuft noch bis Ende der Saison 22/23, es hätte also einer stattlichen, für den FCSP vermutlich rekordverdächtigen, Ablösesumme bedurft.
Aber warum eigentlich? Was macht Daniel-Kofi Kyereh auf der Position hinter den Spitzen so gut? Schauen wir mal in die Daten. Denn jetzt wo das Transferfenster zu ist, können wir uns mal ansehen, wie gut er eigentlich ist.

Dribbeln, Passen, Schuss

Die Stärken von Daniel-Kofi Kyereh wurden bereits bei seiner Ankunft am Millerntor recht passend von Gunnar im Spielerprofil beschrieben: „Sehr gute Athletik, also sowohl sehr schnell als auch laufstark, dazu eine prima Technik und Torriecher hat er auch. Besonders bemerkenswert finde ich, wie er auch schwierige Anspiele meistens problemlos verarbeitet und den Ball am Fuß behält.

Ja, ich finde es auch bemerkenswert, wie technisch versiert Kyereh auf dem Platz agiert. Die Ballbehandlung, dass er teilweise mit dem ersten Kontakt bereits den Gegner ausspielt, das ist schon echt besonders und tatsächlich für Zweitligaverhältnisse relativ ungewöhnlich. Rein subjektiv würde ich zu seinen Stärken noch ein gutes Verhalten im Raum nennen. Er schafft es meist sich gut zwischen den Ketten zu bewegen, kann sich immer wieder von seinen Gegenspielern lösen, selbst wenn diese ihn mannorientiert bewachen.
Schauen wir uns mal die Radar-Daten von Kofi (Blau) im Vergleich mit dem Liga-Durchschnitt (Rot) an. Ich packe da ja immer den Durchschnittswert als Vergleich rein, weil dadurch erkannt werden kann in welchen Bereichen ein Spieler besser ist oder mehr Aktionen hat, als andere Spieler auf seiner Position. Die Radar-Daten von Kofi aus der bisherigen Saison sind unfassbar stark:

Die Daten zeigen vor allem drei Stärken von ihm: Daniel-Kofi Kyereh ist unter allen offensiven Mittelfeldspielern derjenige, der am häufigsten ins Dribbling geht. Dass die Quote dabei ausbaufähig ist, ist gar nicht mal so schlimm. Denn wenn Kyereh es schafft in seiner Feldposition (meist im gegnerischen Drittel) Dribblings zu gewinnen, dann ist das meist auch gleichbedeutend mit richtig Stress für den Gegner. Sollte er bei dieser hohen Anzahl an Dribblings auch noch eine Erfolgsquote von deutlich über 50% haben, wäre das Interesse an ihm sicher noch um einiges höher gewesen.
Gerade die Dribblings von Kyereh sind eines der Kernelemente des Offensivspiels des FC St. Pauli (zeigt sich auch an der doch recht hohen Anzahl an erhaltenen Pässen). Kyereh lässt sich im Aufbau gerne etwas tiefer ins Mittelfeld zurückfallen und ist dadurch aus der Abwehr anspielbar. Allerdings ist gerade in dieser zentralen Position die Dichte an Spielern besonders hoch, sodass Kyereh nicht selten direkt ins Dribbling gehen muss. Kann er dieses Dribbling gewinnen ist die Feldposition meist enorm günstig und der FCSP klar im Vorteil (eine Folge der erfolgreichen Dribblings ist auch der recht hohe Wert bei den „progressive runs„, also den längeren Läufen mit Ball am Fuß). Selbst wenn er dabei nur 2 von 5 Dribblings gewinnt ist es den Versuch wert, da der Vorteil einfach so derbe groß ist, wenn er es schafft. Klar, ein Ballverlust in zentraler Position ist natürlich beschissen. Aber meist rücken die Halbpositionen und auch die Außenverteidiger erst nach, wenn Kofi vorne angespielt wurde. Es gibt also noch genügend Mitspieler hinter dem Ball, wenn er ihn verliert. Das Risiko ist entsprechend überschaubar und der Vorteil kann enorm sein.

Zudem, und das konnten wir gegen Regensburg eindrucksvoll beobachten, kann Kyereh besonders gut seinen Mitspielern die Bälle einschussbereit servieren. Im Passspiel dürfte er sicher zu den besten der Liga auf seiner Position gezählt werden. Das zeigt sich auch in den Daten an den Statistiken „deep completions“ (erfolgreiche Anspiele ganz nah am gegnerischen Tor), „key passes“ (Pässe, die zu klaren Torchancen führen) und letztlich „expected assists„. Bei der Anzahl an Pässen nah an das gegnerische Tor und auch bei den Pässen, die zu klaren Torschüssen führten ist Kyereh aktuell der beste in der 2.Liga.

Mit Ball am Fuß überragend: Daniel-Kofi Kyereh
(c) Peter Böhmer

Es gibt auch Schwächen

In den Daten sind aber natürlich nicht nur die Stärken von Daniel-Kofi Kyereh zu erkennen. In den Defensiv-Statistiken weist er unterdurchschnittliche Werte auf. Das ist tatsächlich die einzige Sache, die ich wirklich zu seinen Schwächen zählen würde. So gut sich Kyereh den gegnerischen Spielern entziehen kann, so schlecht kann er im Defensivverhalten in die Duelle kommen und auch Pässe abfangen. Es ist in den Radar-Daten zwar nicht gezeigt, aber Daniel-Kofi Kyereh ist der Spieler im offensiven Mittelfeld mit den deutlich wenigsten erfolgreichen Defensivaktionen pro Spiel und mit den wenigsten Defensiv-Zweikämpfen. Ein Grund für die unterdurchschnittliche Anzahl abgefangener Bälle ist aber auch, dass Kyereh defensiv meist gar nicht im Raum arbeitet sondern dem gegnerischen Sechser zugeordnet ist und ihn einfach zustellt. Sicher ist aber auch: Würde Kyereh häufiger im Raum defensiv arbeiten, könnte der FC St. Pauli im Pressing noch stärker werden.

Eine dritte Stärke von Daniel-Kofi Kyereh hat sich diese Saison noch gar nicht so sehr gezeigt: Sein Zug zum Tor und der Torabschluss ist bemerkenswert. Auch hier eine subjektive Anmerkung: Ich würde mir fast wünschen, dass Kofi noch viel häufiger den Torabschluss wählt. Häufig spielt er ja aus bereits aussichtsreicher Position noch einen Pass, aber von mir aus darf er gerne häufiger abschließen. Und das schreibe ich, obwohl ich allein aufgrund von xG-Werten immer dazu raten würde die bestmögliche Abschlussposition zu erspielen, bevor der Torschuss erfolgt. Bei Kofi ist das aufgrund seiner Schusstechnik anders.
Wie gut und wie stark Daniel-Kofi Kyereh in Sachen Torabschluss ist, zeigt die Radar-Grafik aus der Vorsaison:

In der Saison 20/21 war Daniel-Kofi Kyereh der Spieler im offensiven Mittelfeld mit den meisten Ballkontakten im gegnerischen Strafraum. Zudem hat er auch in der Kategorie „expected Goals“ und der Anzahl an Torschüssen deutlich überdurchschnittliche Werte vorzuweisen. Aber in der letzten Saison waren seine Werte in den Pass-Kategorien nicht so hoch wie in der jetzigen. Es ist sicher noch etwas zu früh, um hier bereits von einer veränderten Spielweise zu schreiben. Aber es ist gut möglich, dass er seine Spielweise ein wenig angepasst hat. Gerade aktuell, wo neben Guido Burgstaller noch mit Simon Makienok ein klarer Zielspieler vorne drin ist (der viel seltener auf die Außenbahn ausweicht als es Omar Marmoush letzte Saison tat), gibt es einige Gründe, warum Kofi seine Rolle eher als Zulieferer verstehen könnte.

Ist er nun der beste Zehner der Liga?

Daniel-Kofi Kyereh ist defintiv zu den besten offensiven Mittelfeldspielern der Liga zu zählen. Ich tue mich aber schwer damit, ihn zum besten der Liga zu küren. Das liegt auch daran, dass die Zehner-Position durchaus unterschiedlich interpretiert werden kann (unterschiedlicher als andere Positionen). Es gibt z.B. Spieler, die wesentlich mehr wie eine Art „falsche Neun“ agieren und sich aus der tieferen Position immer wieder ins Sturmzentrum bewegen. Es gibt aber auch Spieler, die sich noch tiefer fallen lassen, erheblich seltener den Torabschluss suchen und am Spiel eines Teams noch viel mehr beteiligt sind. Schaut Euch mal diese absolut fantastische Radar-Grafik eines offensiven Mittelfeldspielers aus dieser Saison an:

Na, habt ihr eine Idee, wer das sein könnte? Gerade die Quote bei den Defensivduellen, aber besonders die geringe Anzahl an Torabschlüssen sind ein doch recht klarer Hinweis, möchte ich behaupten. Es handelt sich um die Daten von Mats Møller Dæhli. Der ist in Sachen Torabschlüssen ja schon immer unterdurchschnittlich unterwegs gewesen. Aber in eigentlich allen anderen relevanten Statistiken weist er teils überragende Werte auf: Meiste gespielte Pässe, meiste erhaltene Pässe, meiste „progressive runs„, beste defensive Zweikampfquote auf seiner Position. Zusätzlich eine hohe Anzahl an Dribblings mit einer richtig starken Erfolgsquote von mehr als 60%. Dazu überdurschnittlich in allen Passkategorien. Mats Møller Dæhli ist sicher einer der Hauptgründe dafür, dass es aktuell in Nürnberg sehr viel besser läuft als noch in der Vorsaison.
Der Vergleich mit Kofi ist aber etwas schwierig, da Mats zwar auch auf der Zehn in einer Mittelfeldraute, aber doch noch etwas tiefer als Kofi agiert. Das hängt auch damit zusammen, dass der Nürnberger Sechser Johannes Geis ebenfalls aus einer tieferen Position sein Spiel aufzieht (wie gut er das macht, lest ihr hier). Es ist also schwierig einen direkten Vergleich zwischen den Spielern zu ziehen. Aber wenn die Antwort auf die Frage nach dem besten Zehner der Liga Daniel-Kofi Kyereh oder Mats Møller Dæhli lautet, dann ist sie aus meiner Sicht definitiv nicht falsch.

In Nürnberg sicher stärker als je zuvor (aber bestimmt nicht glücklicher!): Mats Møller Dæhli
(Passion2Press/Markus Fischer/imago images/via OneFootball)

Bevor wir hier aber eine erneute „FreeMats„-Kampagne starten, wenden wir den Blick schnell wieder auf Daniel-Kofi Kyereh und ziehen ein Fazit: Der hat sich beim FC St. Pauli zu einem der besten Zehner der Liga entwickelt. Dabei hätte ich persönlich vor der Saison gedacht, dass er auf der Position neben Guido Burgstaller, also nochmal ein gutes Stück offensiver als in der Vorsaison spielen würde. Die Verletzung von Lukas Daschner, aber auch der Auftritt von Simon Makienok gegen den HSV hat diesem Plan jedoch vorerst einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Wie aber wird es weitergehen mit Daniel-Kofi Kyereh? Schauen wir wieder zurück auf die erste Einschätzung, die viele von uns von ihm bekamen: „Es passiert relativ selten, dass ich mir Wehener Spieler in der 1. Liga vorstellen kann (und es kommt dann ja auch nicht oft vor), aber Kofi würde ich das zutrauen.“ waren die klaren Worte von Gunnar, als ich ihn danach fragte, ob Kofi sich auch zu einem Erstliga-Spieler entwickeln kann. Eine Aussage, die ich definitv unterschreiben kann. Aber bei der ich auch froh bin, dass sie diese Saison noch nicht zutrifft.

//Tim

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2 thoughts on “King Kofi

  1. Schließe mich an: Mega, dass wir diesen Spieler noch im Kader haben.

    Was mir in der Analyse noch als Schwäche fehlt ist das Kopfballspiel. Damit meine ich noch nicht einmal die Anzahl an gewonnenen Kopfbällen, sondern dass er jedem Kopfball aus dem Weg geht und dabei weder am Mann steht bzw. stört, noch eine Chance auf zweite Bälle hat, so wie es einst Ratzkowski perfektioniert hatte.

    PS: Mein subjektiver Eindruck!

    1. Oh ja, stimmt, das fehlt komplett. Das fehlt ihm tatsächlich. So sehr, dass ich nicht einmal darauf gekommen bin diese Schwäche zu erwähnen, da ich nicht einmal ein Bild von Kyereh beim Kopfball in meinem Kopf habe 😉

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