Pauli-Fanshop Beziehungsstatus… es ist kompliziert!

Pauli-Fanshop Beziehungsstatus… es ist kompliziert!

Was witzig ist und was nicht, liegt im Auge der Betrachter*innen, das ist klar. Nicht jeder Witz, kommt bei jeder/m gleich gut oder schlecht an. Das erfährt gerade auch, mal wieder, der FC St. Pauli. Der hat ein neues Format für die Präsentation seiner Merchandising-Artikel ins Leben gerufen „St. Pauli Shop.tv“ – und sich viel Kritik dafür eingefangen.
(Titelbild: Stefan Groenveld)

(Disclaimer: Der FCSP-Fanshop schaltet bei uns auf der Seite Anzeigen. Nein, wir fühlen uns dadurch nicht befangen zu einem Thema zu schreiben, welches sich kritisch mit Produkten aus dem Fanshop und deren Präsentation auseinandersetzt.)

Ja, der FC St. Pauli vermarktet seine Produkte. Ich hätte es gerne, dass hochklassiger Fußball gespielt wird und wir auf diese Schiene der Kommerzialisierung, dieses ständige Neu-Produzieren von Artikeln und das ständige Vertriebs-Gedöns verzichten können. Aber die Merchandising-Abteilung macht besonders beim FCSP einen nicht unerheblichen Teil der Einnahmen aus. Wichtig ist dabei aber, dass diese Art und Weise des Geld-Verdienens nicht ganz so große Bauchschmerzen verursacht. Ein erster wichtiger Schritt ist da mit DIIY bereits getan (auch wenn das natürlich immer noch ein Prozess ist, der Schritt für Schritt weiterentwickelt werden muss).

Ebenso wichtig ist natürlich die Frage nach dem „Wie?“. Wie vermarktet der FC St. Pauli seine Produkte? Denn da hängt dann doch ein wenig mehr dran, als einfach nur Werbung für ein Produkt aus dem Fanshop zu machen. Der FC St. Pauli repräsentiert auf seinen Sozialen Kanälen nicht nur den Verein und seine Produkte, sondern auch seine Fans. Das ist eine Verantwortung, die nicht immer zu entsprechender Leichtigkeit beim Twittern, etc. führt und führen sollte. Denn sicher ist auch, dass andere Fanszenen misslungene Aktionen des FCSP ziemlich dankbar aufnehmen.
Wie genau passt da denn nun Humor rein? Das ist ja nichts, was universell für alle gleich gilt. Einige finden das eine witzig, andere einfach nur bescheuert oder langweilig. Andere sehen es genau anders herum (klar, es gibt beim Humor Grenzen, wenn wir in den Bereich der Diskriminierung kommen). Insofern ist es völlig normal, dass nicht alle Alles witzig finden. Aber sollte man deshalb ganz darauf verzichten, Humorvolles zu produzieren? Sollte man deshalb lieber nur mit Ernsthaftigkeit an Themen herangehen? Ich finde nicht.

Ob Dinge witzig sind oder nicht, frage ich mich auch selbst häufig, wenn ich Artikel für den MillernTon schreibe. Ich habe da auch schon allerhand Quatsch produziert, den ich persönlich sehr witzig finde (Schaut mal in die MillernTon-Spezials: „FCSP Hits 1910„, „Kicker unter Weihnachtsbäumen„, „Fußballer machen Musik“ oder „Kicker unter Palmen„). Da bin ich sicher und nehme in Kauf, dass vermutlich nicht wenige das gar nicht witzig, sondern völlig bescheuert finden. Trotzdem sammel ich bereits jetzt wieder Bilder von Weihnachtsbäumen.

Es gibt aber natürlich einen Unterschied zwischen der Vermarktung beim FC St. Pauli und den Artikeln, die ich beim MillernTon schreibe. Etwas überspitzt formuliert handelt es sich beim FC St. Pauli, um ein von Fans geschaffenes Konstrukt. Und in dieser Fanszene werden Vermarktungstrategien, die das selbst geschaffene Produkt in Bares umwandeln wollen, nunmal kritisch gesehen. Das ist verständlich, schließlich hat man (sich) den Verein gegen viele Widerstände größtenteils so gebastelt (und bastelt immer noch), wie man ihn haben möchte. Dabei ist natürlich den meisten bewusst, dass der sportliche Erfolg nicht ohne Geld schaffbar ist. Und so ist auch den meisten bewusst, dass die eher stiefmütterlich betrachtete Vermarktungs-Maschine beim FC St. Pauli irgendwie auch notwendig ist. Alle sollten sich bewusst sein, dass der Bundesliga-Spielbetrieb nicht vom Bierverkauf und Stehplätzen refinanziert werden kann.

So. Lange ausgeholt. Kommen wir zu „St. Pauli Shop.tv„. Da stehen zwei Männer (ja, das ist ein Problem, dass es zwei weiße Männer sind und auch keines, dass durch den Zusatz „Ist doch Spaß!“ entkräftet werden kann) und präsentieren in völlig überzogenener Teleshopping-Manier mit allen Blinkern, die man so gefunden hat, eine „Buchstütze“. Diese Buchstütze sind aber eigentlich die neuen Schuhe, die es anscheinend seit heute im Fanshop zu kaufen gibt. So weit, so beknackt.
Was dazu aber in den Sozialen Medien abgeht, ist dann doch bemerkenswert. Denn der Verein wird massiv angezählt und es wird verbal gleich zum Rundumschlag ausgeholt. Ein Problem das sicherlich vorhanden ist: Bevor allen überhaupt klar sein konnte, dass es sich bei „St. Pauli Shop.tv“ um Kokolores handelt, machte das Teaser-Video bereits die Runde. Und wie schon bei der Maulwurf-Geschichte erfährt der „Teaser“ vielleicht am Ende mehr Aufmerksamkeit als die Auflösung. Denn wie viele nun am Ende mitbekommen werden, dass es sich um einen Versuch handelt, die eigenen Produkte humorvoll zu präsentieren, dürfte kaum objektiv messbar sein.

Was ich aber ziemlich klar finde: Die aktive Fanszene ist nicht das Ziel dieser Kampagne (Twitter). Es soll eine andere Gruppe an Menschen damit erreicht werden. Ob das gelingt, sei mal dahingestellt, aber genau dies ist vermutlich das Kern-Problem dieser Aktion. Viele aus der aktiven Fanszene finden das Format komplett bescheuert. Und entsprechend finden viele dann auch, dass die Vermarktung des FC St. Pauli, mal wieder, deutlich über das Ziel hinausgeschossen ist. Und im Vergleich zur Vergangenheit, als diese Fehlschüsse oftmals von Geschäftspartnern abgegeben wurden und man selbst lediglich den Scherbenhaufen hatte, ist es dieses Mal hausgemacht. Denn ob es nötig ist für ein paar Artikel im Fanshop gleich ein ganzes Format mit einem Flachwitz auszustatten, darf durchaus hinterfragt werden.
Nun ist es aber eine humorvoll geplante und durchgeführte Aktion. Der Verein setzt hier darauf, dass viele das Format so dermaßen bescheuert (oder witzig) finden, dass es viel Reichweite erlangt. Das ist definitiv bereits gelungen. Da gibt es sicher Formate in der Vermarktung, die wesentlich mehr wehtun, weil sie eben wesentlich ernsthafter betrieben werden.
Aber: Hier werden finanzielle Mittel und Ressourcen investiert, um die eigene Kollektion zu bewerben. Der Preis, den man dafür in der Außendarstellung bezahlt, den hat man wohl bewusst in Kauf genommen. Und man hat auch in Kauf genommen, dass es gerade in der aktiven Fanszene einige gibt, die das überhaupt nicht witzig finden. Das ist für viele, die sich in dem Verein ehrenamtlich und viel mit viel Herzblut einbringen, ein Tritt ins Gesicht, dass diese Rückmeldung anscheinend in Kauf genommen wurde. Der Verein muss sich also fragen: Ist es das wert? Ein solches Echo aus der Fanszene für ein paar zusätzlich verkaufte Produkte? Macht man sich hier einen Spaß auf Kosten der aktiven Fanszene, um den zig Millionen „Paulis“ zu gefallen – oder sollten wir uns einfach „nicht so anstellen“ und doch bitte nicht zum Lachen in den Kölner Keller gehen? Die Antwort auf diese Frage muss wohl jede*r für sich selbst treffen, der Verein hat mit der heutigen Veröffentlichung, nachdem der Teaser bereits äußerst kritisch beäugt wurde, seine Entscheidung gefällt – und muss dann entsprechend auch mit dem jetzt eintretenden Gegenwind umgehen.

Am Ende bleibt, wie so oft: Die Welt ist weder Braun-Weiß noch Schwarz/Weiß. Es muss nicht gefallen, was und vor allem wie da präsentiert wird (mir gefällt es auch nicht). Es gibt viel Grau. Gelungen ist diese Idee eher nicht, ob sie so misslungen ist wie sie jetzt dargestellt wird, zeigt sich dann wohl später in den Verkaufszahlen – und indirekt natürlich darin, wenn sich Menschen jetzt deswegen vom Verein abwenden. Dies wird nicht allein aufgrund solch eines Videos passieren, auch klar, für einige könnte es aber auch ein weiterer Mosaikstein sein.
Ja, der FC St. Pauli versucht seine Produkte humorvoll zu vermarkten, gelungen ist das in den Augen vieler nicht. Das darf und muss sich der Verein auch anhören. Ein wenig mehr Gelassenheit auf unserer Seite würde der ganzen Sache aber auch gut tun. Feingefühl, wann etwas Humorvolles angebracht ist und wann eben auch nicht, aber natürlich ebenso. Was ich aber sicher nicht möchte, ist ein Verein, der sich nicht mehr traut humorvoll zu sein.

// Tim

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12 thoughts on “Pauli-Fanshop Beziehungsstatus… es ist kompliziert!

  1. Genau so und nicht anders! Einfach mal entspannen, auf sich wirken lassen, für sich selbst bewerten und das jedem auch subjektiv zugestehen.
    Ach ja – auf mich wirkt das auch blöd und unlustig, bin aber wohl auch nicht die Zielgruppe…

  2. „Geht so…“ – witzig, aber jedenfalls nicht so schlimm, dass schon wieder der nächste Sturm der Entrüstung durch das Millerntor rauschen müsste! Meine Meinung….

  3. Humorvoll wäre es gewesen, wenn man im Shop bei der Suche nach “Buchstütze“ zum Beispiel einen Rabattcode präsentiert hätte. Oder zumindest die tatsächlich beworbenen Schuhe als Ergebnis ausgeworfen würden. Wäre dann noch immer nicht geil, aber hätte vielleicht wenigstens einen kurzen Moment lang ein grinsen erzeugt
    Stattdessen kriegt man einfach nur angezeigt, es wäre kein Produkt gefunden worden.

    So bleibt das halt eine ziemlich öde und letztlich belanglose Sache, die noch nicht einmal richtig zuende gedacht wurde.

  4. Classic: in den besten Familien kracht’s doch zur Weihnachtszeut. Drüber reden, gemeinsam an- und zuhören, nicht nachtragend sein, Herbstmeisterschaft unterm Tannenbaum feiern, in Zukunft besser machen!

    ps. die Schuhe stehen bei mir übrigens im B̵ü̵c̵h̵e̵r̵r̵e̵g̵a̵l̵… höhö, Schuhregal, weil ich sie mir im Erstattungskaufhaus bestellt hatte. Leider nicht vegan wie ursprünglich angekündigt, immerhin teilweise aus nachhaltigem Material, ansonsten S/W, Regenbogen, Totenkopf: gute Schuhe soweit.

    1. Eben noch mal in die Bestellung geschaut. Der Schuh wurde angekündigt mit „Du hast Dich für den exklusiven und limitierten PUMA x FCSP Sneaker entschieden“ plus „Der Schuh ist vegan und komplett nachhaltig hergestellt“. (aus Mail vom Kartencenter/Erstattungskaufhaus vom 22.04.21)

      Mich enttäuschen solche leeren und nicht gehaltenen Produktversprechen mehr als das „Buchstützen“-Gesabbel…

  5. Da ich mir nur etwas kaufe, bzw. im www suche, wenn ich es tatsächlich benötige, öffne ich solche Werbung eh nicht.
    Ergo hätte ich dieses Verkaufs-Video überhaupt nicht wahrgenommen. Von daher hat die Marketingabteilung bei mir erreicht, was sie wollte! (naja durch den Millernton)

    Ich hab jetzt 1910 Paare von diesen geilen Schuhen gekauft- nutze sie dann aber ausschließlich als Buchstützen für meine „Lustigen Taschenbücher“.

  6. Wieder mal sehr guter, weil differenzierter Artikel. Muss man das Video bzw. die Art und Weise des Marketings dahinter gutfinden? Sicherlich nicht. Gibt es Menschen, die das Video anspricht und die den Inhalt unterhaltsam finden? Auf jeden Fall. Geht die Welt durch die Existenz dieses Videos unter? Unwahrscheinlich. Geht es uns in unserer St.Pauli Blase nicht ziemlich gut, wenn das gerade das größte Problem der (aktiven) Fanszene zu sein scheint? Ganz klares JA! Etwas mehr Gelassenheit wäre hier wirklich wünschenswert.

  7. „Ich weiß nicht, was ich unangenehmer finde – das tv.shop-Video oder die Wut-Kommentare bei Twitter“, wollte ich erst schreiben. Stimmt aber nicht. Ich finde Twitter unangenehmer. Diese Lust am Sich-Ereifern über Dinge, mit denen andere der eigenen moralischen Überlegenheitsgewissheit nicht gerecht werden, ist mir einfach fremd.
    Danke für den Versuch, es differenzierter und unaufgeregter zu betrachten.

  8. Haha, das Thema bekommt sogar einen eigenen MillernTon-Artikel! Das ist ja mal ein Prädikat.

    Ich finde mich in nahezu allem wieder, was im Artikel und den Kommentaren so gesagt wird:
    Eher mittelmäßig lustig, andere Zielgruppe, hätte man sich auch sparen können, aber so ne Riesenwelle(?), usw…

    Den Kritikpunkt allerdings, dass es sich bei den Darstellern um zwei mittelalte weiße Männer handelt, finde ich in diesem Zusammenhang völlig deplatziert. Hier handelt es sich doch ganz eindeutig um (den Versuch) eine(r) Persiflage. D.h., die beiden Typen haben weder Rolemodel-Charakter, noch sollen sie einen repräsentativen Querschnitt unserer Gesellschaft abbilden. Sie sollen halt einfach die doofen Gesichter einer TV-Verkaufs-Show imitieren. Das gelingt ihnen ja auch ganz gut. Ich zumindest verstehe, was gemeint ist. Da erschließt sich mir überhaupt keine Genderproblematik. Im Gegenteil: Solche Honks präsentieren halt im Verkaufsfernsehen irgendwelche Quatschprodukte (ja, ich weiß, es gibt auch Frauen, die so einen Blödsinn machen…). Aber überspitzt ausgedrückt: mit einer 80jährigen POC und einer 12jährigen Rollifahrerin würde das Ganze doch überhaupt nicht funktionieren! Ich finde, wir sollten aufpassen, dass wir dieses ungemein wichtige Thema nicht in Quatschdiskussionen verbrennen…

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