Vier Spieltage ist die Rückrunde bereits alt. Mehr und mehr kristallisieren sich die Abstiegs- und Aufstiegskandidaten heraus. Wir werfen mal wieder einen Blick über den Tellerrand des FC St. Pauli, hinein in die 2. Bundesliga.
(Titelbild: Peter Böhmer)
Wir werden sicher in den nächsten Wochen den Fokus noch sehr genau auf die Auf- und Abstiegsränge legen. Dieses Mal schauen wir aber eher in die Mitte der Tabelle, in so etwas wie die Twilightzone. Dort, wo Teams zu finden sind, die entweder konstant inkonstant punkten oder sich gerade auf dem Weg von unten nach oben bewegen (oder andersrum).
Wechsel nötig? Zeitpunkt gruselig!
Vorher werfen wir aber einen kurzen Blick nach Düsseldorf. Die zähle ich nicht in die Twilightzone, die sind bereits Abstiegskandidat. Dort wurde nämlich diese Woche Trainer Christian Preußer entlassen und durch Daniel Thioune ersetzt. Preußer war erst im Sommer zur Fortuna gekommen und mit relativ großen Ambitionen gestartet. Aktuell steht das Team aber auf dem falschen Relegationsrang, sodass die Verantwortlichen die allseits bekannte „Reißleine“ zogen.
Ich vermag nicht zu beurteilen, ob ein Trainerwechsel in Düsseldorf notwendig war. Ich kann aber beim Blick in die Daten sagen, dass Fortuna Düsseldorf nicht ganz zu Recht da unten steht. Vor allem die Offensiv-Statistiken (Pässe ins letzte Drittel, Ballkontakte im Strafraum – Fortuna steht hier ligaweit jeweils auf Platz 4) sprechen eine ganz andere Sprache.
Aber wenn man nach 21 Spieltagen auf Tabellenplatz 16 steht, dann scheint da irgendwas nicht rund gelaufen zu sein. Bedenklich finde ich den Zeitpunkt des Trainerwechsels. Denn Fortuna Düsseldorf war bereits vor der Winterpause nicht in Form. Die ersten beiden Pflichtspiele in 2022 gingen verloren. Dann kam die Länderspielpause und letztes Wochenende verlor das Team sehr unglücklich bei Holstein Kiel durch ein 0:1 in der Nachspielzeit. Fortuna hätte in dem Spiel vor allem in der ersten Halbzeit mehrfach in Führung gehen können, wenn nicht sogar müssen. Eine wirkliche unglückliche Niederlage.
Für die Verantwortlichen aber war die eigentlich gute Leistung gegen Kiel nicht ausreichend. Christian Preußer musste seine Koffer packen. Warum das nicht vor der Länderspielpause passierte, als das Team z.B. gegen Werder Bremen eine wirklich bedenklich schwache Leistung zeigte, ich weiß es nicht. Am Sonntag kommt Schalke 04 nach Düsseldorf. Schwerer kann ein Start eines neuen Trainers aktuell fast nicht sein in der Liga. Thioune hat viel Arbeit vor sich. Fortuna Düsseldorf hat die letzten vier Spiele verloren und das letzte Tor erzielte das Team gegen den FC St. Pauli, Anfang Dezember.
Fahrstuhl nach oben, Fahrstuhl nach unten
Wo wir gerade beim Spiel waren, können wir auch einfach mit dem Gegner der Fortuna weitermachen. Bei Holstein Kiel sah es auch lange Zeit ziemlich duster aus. Noch am 14. Spieltag stand das Team auf dem Abstiegs-Relegationsrang. Nun hat das Team aber unter Neu-Trainer Marcel Rapp die letzten fünf Spiele nicht verloren, holte 11 Punkte und steht mit 28 Punkten im mehr oder minder gesicherten Tabellenmittelfeld und darf den Blick sogar ein wenig nach oben richten.
Der Blick auf die expectedGoals-Daten zeigte bereits im Dezember, dass Holstein Kiel sehr viel besser war, als es der Tabellenstand vermuten ließ (nach xG das sechstbeste Team der Liga). Nun sind auch die entsprechenden Punkte hinzugekommen. Und das sogar, obwohl das Team in den beiden letzten Spielen gar nicht mal so deutlich überlegen waren.
Die zeitweise angespannte Lage in Kiel, inklusive des ungewollten Trainerwechsels, sie hat sich ein wenig beruhigt. So konnten dann auch diese Woche zwei wichtige Personalentscheidungen verkündet werden: Sportchef Uwe Stöver und auch Routinier Fin Bartels haben ihre Verträge verlängert. Der Trend in Kiel zeigt klar nach oben und bei noch 13 ausstehenden Spielen könnte diese Saison noch eine ganz andere Wendung nehmen.
Während Holstein Kiel Stück für Stück den Weg nach oben in der Tabelle angetreten hat, ist die Lage beim Karlsruher SC eine gänzlich andere: Zwar war das Team, anders als in der Vorsaison, nicht ganz so präsent in den oberen Tabellenregionen, aber der Blick ging doch stets eher nach oben als nach unten. Spätestens mit der Niederlage im Nachholspiel gegen den SV Sandhausen droht aus einer Saison irgendwo im Nirgendwo eine sehr ernste Angelegenheit zu werden. Denn während Holstein Kiel gerade von unten nach oben fährt, scheint es beim KSC genau in die andere Richtung zu gehen. Einen einzigen Punkt holte das Team von Christian Eichner in den drei Spielen dieses Jahres. Plötzlich sind es nur noch sechs Punkte Vorsprung auf den Relegationsrang. Die Stimmung im Wildpark, sie ist mindestens gedämpft.
Was ist los in Dresden?
Noch gedämpfter ist die Stimmung bei Dynamo Dresden. Die sind auch richtig gut in die Saison gestartet. Acht Niederlagen aus neun Spielen sorgten dann aber für mächtig Ernüchterung. Kurz vor Weihnachten wurde es dann mit drei Siegen aus vier Spielen wieder etwas besser, aber zuletzt konnte das Team von Trainer Alexander Schmidt viermal in Serie nicht gewinnen und die herbe Pleite am letzten Wochenende gegen Hansa Rostock setzte der Negativ-Serie wohl die Krone auf. Noch sind es aber vier Punkte Vorsprung auf den Relegationsrang.
Um die Situation bei Dynamo Dresden mal etwas besser einschätzen zu können, habe ich Nick Nestler ein paar Fragen gestellt. Nick betreibt seit einiger Zeit einen sehr schönen Taktikblog über Dynamo Dresden auf der Seite der Fangemeinschaft Dynamo Dresden.
Moin Nick, Dynamo Dresden spielt bisher sehr wechselhaft: Nach gutem Saisonstart gab es zwischenzeitlich fünf Niederlagen in Folge, dann drei Siege aus vier Spielen und nun wieder vier sieglose Spiele in Serie mit der „Krönung“ beim 1:4 zuhause gegen Rostock. Wie kommt es zu diesen Schwankungen?
Diese Schwankungen in Dynamos Ergebnissen sind in vielfältigen Aspekten begründet. Als Faktor mit Priorität 1 möchte ich die taktische Herangehensweise in den Vordergrund stellen. Trainer Alexander Schmidt kommt aus der RB-Schule, ist ein klarer Pressingtrainer. Dynamo läuft den Gegner hoch an und bringt eine brutale Intensität auf den Platz. Die im Fokus stehenden Spielphasen Pressing und Umschalten nach Ballverlust laufen so meist sehr stabil.
Mit Ball will Dynamo primär über sehr direktes und vertikales Spiel gefährlich werden. Das Konterspiel klappt aber wiederum nur wechselhaft, während das geordnete Ballbesitzspiel bis zur Winterpause sehr wenig im Fokus stand und daher auch äußerst selten in Torgefahr mündete.
Dynamos Spielweise ist also schlicht sehr einseitig und vom Gegner abhängig. Spielt der Gegner selbst viel Fußball und ist ggf. darin aber etwas unsicher, kann das Dresdner Pressing richtig gefährlich werden (siehe Spiele gegen Bremen und Hamburg). Trifft man auf sehr komplette Gegner (St. Pauli ;)) oder diszipliniert verteidigende Teams (Ingolstadt), bekommt man große Probleme.
So kommen diese Ergebnisschwankungen zustande. Zu Beginn der Saison traf man mit viel Selbstvertrauen auf passende Gegner. Während der erfolglosen Phase im Herbst hatte man erst ziemlich viel Pech, danach die falschen Gegner. Vor Weihnachten hatte man wieder etwas mehr Glück mit Gegner und Spielverlauf.
Über die Winterpause scheint Dynamo u. a. an den Abläufen in Ballbesitz- und Positionsspiel gearbeitet zu haben. Kleine Schritte in diesem Bereich waren seitdem zu erkennen. Nun ist die SGD am Wochenende im Spiel gegen Rostock aber überraschenderweise im sonst so starken Defensivverhalten auseinandergefallen.
Trainer Alexander Schmidt hat im Laufe der Saison seine Formation auf eine Mittelfeldraute umgestellt. Die richtige Entscheidung?
Tatsächlich vermute ich, dass man den Kader im Sommer primär auf eine Dreierketten-Grundordnung (3412/3142) geplant hat. Zu Saisonbeginn war das aber aufgrund von Verletzungen nicht umsetzbar. Letztlich passt die Raute aber auch sehr gut zum Spielermaterial. Bekannte Spieler aus Liga 2 wie Linksverteidiger Chris Löwe und Sechser Yannick Stark werden so besonders passend eingebunden und spielen eine wichtige Rolle im Dresdner Team.
Grundsätzlich agiert die SGD unter Schmidt aber auch sehr flexibel. Je nach Gegner und Personalsituation interpretiert man die Raute variabel (z. B. enge und tiefe Achter vs. breite und hohe Achter) oder stellt situativ auf die bekannte Dreierkette um.
Im Winter kamen gleich vier neue Spieler. Wie bewertest Du die Neuzugänge?
Während der Hinrunde haben die Verantwortlichen der SGD festgestellt, dass man den Kader zu Saisonbeginn gerade offensiv etwas zu knapp geplant hatte; z. B. weil einige Spieler noch mit der neuen 2. Liga fremdelten. Es galt, sich in der Breite qualitativ zu verstärken.
Mit Vaclav Drchal fand man nach den Abgängen von Philipp Hosiner und Pascal Sohm einen stilistisch passenderen BackUp für den so wichtigen Mittelstürmer Christoph Daferner. Oliver Batista Meier bringt ein neues Profil in die Offensive, von dem man sich ein Anknüpfen an seine vielversprechenden Leistungen von vor einigen Jahren erhofft. Das ist explizit ein langfristig gedachter Transfer. Zu Transferschluss verpflichtete Dynamo zudem Marius Liesegang, rein aufgrund einiger Personalengpässe auf der Torhüterposition. Spannend ist die Personalie Adrian Fein: Besteht die Möglichkeit, kann man sich so einen talentierten Jungen natürlich nicht entgehen lassen. Ähnlich wie Meier erwartet man von ihm eine deutlich spielerisch fokussiertere Komponente im Dresdner Spiel.
Insgesamt kann ich mit diesen Transfers gut leben. Idealerweise hätte ich mir noch einen Flügelstürmer mit Tiefe gewünscht, der nach der Verletzung von Pana Vlachodimos im Schmidt-Fußball schmerzlichst vermisst wird. So sind primär Ballbesitzspieler zur SGD gestoßen, was mich gespannt auf die taktische Weiterentwicklung und deren Einbindung blicken lässt.
Platz 13 und nur vier Punkte zum Relegationsrang – wie eng wird es für Dynamo Dresden?
Eng. Eigentlich bin ich immer Freund einer kompletten Spielweise. Dennoch mache ich mir auf kurze Sicht wenig Sorgen um die SGD. Normalerweise sollte man mit der stabilen defensiven Basis in einer Saison auf genug passende Gegner treffen, um die nötigen Punkte zu holen.
Andererseits trübt natürlich das Spiel gegen Rostock das aktuelle Gesamtbild. War der drastische Verlust der eigenen Stärken nur ein einmaliger Ausrutscher oder verliert man auch noch diese in den kommenden Wochen? Die Entwicklung bleibt spannend und wird für den Klassenerhalt entscheidend.
Vielen Dank für den ausführlichen Einblick, Nick!
Was kommt?
Es wird sehr spannend, wie es für die vier Teams weitergehen wird und ob sie sich tatsächlich noch weiter in die Abstiegszone bewegen werden oder ganz vielleicht sogar noch nach oben anschließen können. Dynamo Dresden muss in Paderborn ran, ein, wie der FC St. Pauli letztes Wochenende feststellte, sehr unangenehmer Gegner. Holstein Kiel empfängt das zuletzt unterirdische Team aus Aue. Da ist ein Sieg fast schon Pflicht. Zum Dienstantritt von Daniel Thioune gibt sich Schalke 04 die Ehre und es dürfte gleich zum Auftakt also eine der härtesten Nüsse der Liga sein. Der KSC muss irgendwie versuchen gegen Nürnberg zu punkten. Ansonsten dürften dort endgültig die Alarmglocken schrillen.
//Tim
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