Der FC St. Pauli hat wie erwartet auf die dünne Personaldecke in der Offensive reagiert und mit David Otto einen weiteren Offensivspieler verpflichtet. Der 23-jährige wechselt von der TSG Hoffenheim ans Millerntor.
(Titelbild: FC St. Pauli)
David Otto ist der sechste Neuzugang des FCSP für die Saison 2022/2023. Auch zu den anderen fünf Spielern haben wir jeweils ein ausführliches Spielerprofil erstellt, welche wir euch gerne empfehlen: Connor Metcalfe, Manolis Saliakas, Carlo Boukhalfa, David Nemeth und Johannes Eggestein.
The story so far
David Otto, geboren in Pforzheim, erlernte das Fußballspielen beim 1. FC 08 Birkenfeld, ehe es ihn 2012 mit 13 Jahren in die Jugendabteilung der TSG Hoffenheim zog. Ab 2015 war er in der Junioren-Bundesliga aktiv und zeigte sich dabei für die U17 und die U19 von Hoffenheim äußerst treffsicher: In 103 Einsätzen erzielte er 62 Treffer, war in der Saison 17/18 mit 27 Toren zusammen mit Manuel Wintzheimer (heute bei Nürnberg, damals in der U19 des FC Bayern) der erfolgreichste Torschütze in der Süd-Staffel der U19-Bundesliga (insgesamt 41 Torbeteiligungen in 22 Einsätzen). Ein Jahr zuvor debütierte David Otto in der deutschen U18-Auswahl und hat für die U-Teams (U18, U19, U20) insgesamt elf Spiele absolviert (vier Treffer).
In der folgenden Saison schnupperte Otto in drei Einsätzen auch schon ein wenig Hoffenheimer Bundesliga-Luft, kam aber vermehrt in der zweiten Mannschaft und der Youth League zum Einsatz. Zwei Jahre zuvor hat David Otto schon seinen ersten Einsatz in der Europa League, als er beim Spiel von Hoffenheim gegen Ludogorets Razgrad eingewechselt wurde. Zur Saison 19/20 wurde er zum 1. FC Heidenheim verliehen. Im ersten Jahr war er dort mehr oder weniger Stammspieler (er traf gleich in seinem ersten Spiel für Heidenheim) und scheiterte knapp in der Relegation am Aufstieg. Nachdem die Saison 20/21 in der Hinrunde nicht wie gewünscht verlief, da es an Einsatzzeit mangelte, wurde die Leihe nach Heidenheim im Winter 2021 vorzeitig beendet und David Otto zog es zu Jahn Regensburg.
Seinen ersten Einsatz für Jahn Regensburg hatte er dann am Millerntor, als das Team mit 0:2 verlor. Otto war in der Rückrunde Stammspieler und startete so auch in die folgende Saison. In den ersten vier Spielen (wir erinnern uns: Regensburg gewann sie alle), war er einer der wichtigen Spieler in der Offensive und stand in der Startelf. Eine Hüftverletzung beendete die gute Form von Otto und auch Jahn Regensburg konnte in der Folge nicht mehr ganz an die Leistungen aus den ersten Spielen anknüpfen. Drei Tore und zwei Vorlagen standen am Saisonende für David Otto zu Buche.
Interviews, SocialMedia
Yeah, David Otto hat einen Insta-Account inkl. Dog-Content! Und falls ihr den jungen David Otto mal sehen wollt, dann schaut euch sein, vermutlich inzwischen inaktives, Facebook-Profil an. Etwa auch zu dieser Zeit setzt ein Artikel von Hoffenews an, der sich 2020 mit der Frage befasste, ob sich David Otto in Hoffenheim durchsetzen könnte. Und wusstet ihr eigentlich, dass James Blunt der Lieblingsmusiker und Rinderfilet mit Kartoffeln und Brokkoli das Lieblingsessen von David Otto sind? Jetzt schon, dank diesem Kurzinterview. Ein längeres Video-Interview gab es vor wenigen Wochen zum Abschluss seiner Zeit bei Jahn Regensburg und auch aus seiner Zeit in Heidenheim gibt es ein noch längeres Interview, in der David Otto sehr aufgeräumt von seinen Zielen und seinem Weg spricht.
Das sagen die Experten
Ich möchte ganz ehrlich sein: Pure Begeisterung kam mir nicht entgegen, als ich in dem Discord-Channel von 1899fm ein paar Fragen zu David Otto stellte („Oha, das klingt ja tatsächlich überhaupt nicht nach der Transferpolitik des FCSP„). Die vergangene Saison wird da eher zweischneidig betrachtet. Zum einen wird hervorgehoben, dass er ein „sehr wichtiges Element für den guten Zweitligastart“ gewesen sei. Allerdings wird auch betont, dass es leistungsmäßig nach gutem Beginn eher nach unten ging. Negativer Höhepunkt war seine rote Karte im Spiel gegen Heidenheim (grobes Foulspiel).
Dabei wird aber auch betont, welch großes Potenzial David Otto habe. Allerdings sei in der letzten Saison sehr wenig Konstanz in seinen Leistungen gewesen („er sticht oft heraus, aber halt auch teilweise negativ“), was dann eben dazu führte, dass er im Laufe der Saison seinen Stammplatz verlor.
Seine Stärke sei definitiv seine Physis. Dadurch erfülle er die Rolle als Ballverteiler in vorderster Reihe schon ganz gut. Er wird eher als hängende Spitze beschrieben, der einen Stürmer neben sich brauche. Neben seiner Physis verfügt David Otto auch über gute technische Fähigkeiten, was gut zu den anderen Spielern im Kader des FC St. Pauli passen könnte. Was allerdings ein wenig fehlt, sei das Tempo. Entsprechend darf man David Otto als Spieler einschätzen, der eher im Zentrum als auf den Flügeln zuhause ist.
Das sagen die Daten
Radar-Grafik
Der Blick in die Daten in diesen Spielerprofilen erfährt ab sofort eine echte Aufwertung: Denn neben den von mir erstellten Radar-Grafiken, gibt uns zukünftig auch das Global Soccer Network regelmäßig Einschätzungen zu den Neuverpflichtungen. Vorerst aber der Blick auf die Leistungsdaten der letzten Saison von David Otto:
Wie es eigentlich zu erwarten war, zeigt die Radar-Grafik, dass David Otto letzte Saison ein schwieriges Jahr in Regensburg verbrachte. Zum einen wird deutlich, dass er eher wenig und auch wenig erfolgreich dribbelt (weshalb er auch nicht von den Experten als Flügelstürmer gesehen wird). Auch der Bereich „letzte Pässe“ (deep completions+expected Assists) ist im Ligavergleich eher unterdurchschnittlich. An Einsatz scheint es aber nicht zu mangeln, wie die Anzahl an Offensivduellen und erhaltenen Pässen zeigt.
Video-Scouting: Rustikal, „gemächlich“ und taktisch versiert
Natürlich habe ich mir David Otto auch intensiv in vielen Situationen per Video angeschaut. Vielleicht erinnert sich noch die eine oder der andere an seinen Anschlusstreffer beim Spiel des FCSP in Regensburg, als er sich erst gut im Raum bewegte (naja, die komplette Hintermannschaft hat auch gepennt), sich dann rustikal gegen Jakov Medić durchsetzte und überlegt einschob.
Diese Szene beschreibt David Otto recht gut, finde ich. Denn zu seinen Stärken zählt in jedem Fall sein Körper, den er gut einzusetzen weiß. Aber auch sein taktisches Verständnis, z.B. sein Freilaufverhalten, egal ob im Strafraum oder wenn er sich etwas tiefer anbietet, ist sehr gut. Otto gelingt es oft in der gegnerischen Hälfte halbwegs frei aufzutauchen und anspielbar für Mitspieler zu sein, weshalb er von Experten-Seite auch passend als „Prellbock“ bezeichnet wird.
Der nächste und sicher spannendste Teil ist dann das, was David Otto aus diesen Pässen macht, die er erhält, wenn er sich erfolgreich von seinen Gegenspielern gelöst hat. Sein erster Kontakt ist gut und ich würde das technische Vermögen auf jeden Fall nicht als Schwäche von ihm bezeichnen, eher andersherum.
Es ist aber schon auffällig, dass es in den Aktionen an Tempo mangelt. Dieser „gemächlichen“ Spielweise kann David Otto aber teilweise mit seiner körperlichen Präsenz entgegenwirken. Kurzum: Er kann den Ball gut behaupten und ist als Wandspieler geeignet, auch wenn er in Sachen Kopfbällen sicher nicht mit Simon Makienok mithalten kann.
Was beim Video-Scouting auch auffällig ist: David Otto schließt mit beiden Füßen ab, was ihm natürlich einige Optionen im Spiel eröffnet. Grundsätzlich ist sein Verhalten vor dem gegnerischen Tor schon sehr ordentlich. Dass in den letzten beiden Saisons nicht mal ein halbes Dutzend an Toren herausgesprungen ist, lässt mich persönlich ein wenig fragend zurück. Denn eigentlich sind alle Anlagen (Abschlussstärke, Freilaufverhalten, etc.) da, um auch toremäßig erfolgreich zu sein.
Global Soccer Network: Bundesliga-Niveau
Das Global Soccer Network liefert gleich eine ganze Batterie an Daten und Eindrücken zu David Otto. Besonders hervorzuheben ist laut GSN sein taktisches Verhalten. Etwas Abstriche muss bei seinem Passspiel und seiner Beherrschung auf dem Platz gemacht werden. Grundsätzlich zeichnet sich aber anhand der Einschätzungen und Daten von GSN ein positives Bild von David Otto:
David Otto hat einen GSN-Index mit Bundesliga-Niveau (62.7) und ist mit seiner Entwicklung noch nicht am Ende (67.6 soll es werden). Interessant ist, dass vom GSN sein fußballerisches Potenzial, also seine Weiterentwicklungsmöglichkeiten eher gering eingeschätzt werden. Das scheint angesichts seiner Entwicklung der letzten beiden Jahre und seines GSN-Index irgendwie etwas strange, dürfte aber damit zusammenhängen, dass seine fußballerischen Eigenschaften bereits recht hoch eingeschätzt werden. Zu den dann eher ausbaufähigen Leistungen der letzten beiden Jahre passt dann der durchschnittliche Performance-Score, den Otto laut GSN zuletzt gezeigt hat. Zusammengefasst: David Otto ist ein Spieler, der bereits alles mitbringt, um sogar in der ersten Liga mitzuhalten, zeigt dies aber bisher nicht dauerhaft.
So viel Potenzial in der Offensive
David Otto ist sicher etwas robuster als seine neuen Teamkollegen in der Offensive. Er ist eher derjenige, der von der Defensive aus gesucht werden kann als Wandspieler und Ballverteiler. Dieses Element fehlte bisher im FCSP-Kader. Entsprechend könnte er mit seinen Skills ziemlich gut zu seinen neuen Teamkollegen in der Offensive passen und vielleicht war es ja auch genau das, was in den Jahren bei Heidenheim und Regensburg fehlte, um den Durchbruch zu schaffen. In jedem Fall bekommt der FCSP einen Spieler, der die zweite Liga kennt und daher wenig Anpassungsprobleme haben wird. Das dürfte ihm seinen Start erleichtern.
Nein, David Otto ist nicht der Spieler, der eine eingebaute Tor-Garantie mitbringt. Das bedeutet nicht, dass er nächste Saison keine 20 Tore erzielen kann, aber er bringt eben auch keine Sicherheit mit, dass es so kommen wird. Damit reiht er sich fast erschreckend gut in die Offensivspieler des FCSP ein, die komplett über großes Potenzial verfügen und bei denen mit ein bisschen Fantasie auch große Sprünge möglich sind. Das ist auch bei Johannes Eggestein der Fall, bei Lukas Daschner, Etienne Amenyido und Igor Matanović ebenso. Da kristallisiert sich also fast schon eine Art Transferpolitik heraus.
An wichtigen Stellen im Kader dürfte aber noch das oder andere in Sachen Erfahrung fehlen, sodass noch weitere Veränderungen zu erwarten sind.
Ich finde es ganz schwer einzuschätzen, wie sich David Otto beim FC St. Pauli zeigen wird und kann. Zwischen Tribüne und Stammplatz scheint mir da alles möglich. Sicher ist aber: Sollte Otto sein in der Jugend gezeigtes Potenzial abrufen können, dann wird er für den FCSP eine echte Verstärkung sein.
Herzlich Willkommen am Millerntor, David Otto!
// Tim
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Sofern nicht anders markiert, stammen sämtliche Statistiken von Wyscout.
Ich hasse es dich zu korrigieren, aber die Hüftverletzung hatte er bei Heidenheim. Bei Regensburg beendete eine Sprunggelenksverletzung seinen guten Lauf.
Ich gehe jetzt aber stark davon aus, dass Otto der Ersatz für Makienok/Dittgen ist und nicht für Burgstaller, und ich hoffe, dass ich mich nicht täusche.
Danke für das wie immer spannende Spielerprofil auf Basis von Fakten, Video-Analyse und Einschätzungen ehemaliger Vereine.
Kleine Manöverkritik, die GSN Abbildung war auch auf großem Monitor nur mit Lupe zu entziffern.
Ich jedenfalls freue mich darauf David Otto in braun-weiß zu sehen und wünsche ihm und eine erfolgreiche, gemeinsame Zukunft!