Vorbericht: FC Hansa Rostock – FC St. Pauli (14. Spieltag, 23/24)

Vorbericht: FC Hansa Rostock – FC St. Pauli (14. Spieltag, 23/24)

Der FC St. Pauli gastiert beim FC Hansa Rostock. Wie immer ist es mehr als ein Fußballspiel. Der Vorbericht.
(Titelbild: Stefan Groenveld)

Aufeinandertreffen zwischen dem FC St. Pauli und dem FC Hansa Rostock sind natürlich jedes Mal mehr als ein Fußballspiel. Entsprechend lang ist die Liste an Anekdoten, Vorfällen und Geschichten, auf und neben dem Platz. Wer sich die Historie dieses Duells nochmal in Erinnerung rufen möchte, der/dem sei unser ausführlicher Artikel „(K)eine Lovestory“ empfohlen. Auch der Erlebnisbericht „Alte Liebe rostet nicht“ ist lesenswert. Und da ich genau weiß, dass Ihr weder für die Augen noch für die Ohren genug vom MillernTon bekommen könnt: Yannick hat sich im „Vor dem Spiel“-Gespräch mit Uwe (a.k.a. Hanseator) unterhalten. Hört da gerne rein.

FC St. Pauli: Wer kann spielen, wer fehlt?

Die Nationalspieler sind alle fit von den Länderspielreisen zurückgekehrt, wie Fabian Hürzeler auf der Pressekonferenz vor dem Spiel berichtete. Dabei seien einige mit „positiven Gefühlen“ zurückgekommen, namentlich erwähnte Hürzeler Connor Metcalfe und Manos Saliakas. Einen Schreckmoment gab es am Mittwoch im Training, als Karol Mets laut aufschrie und behandelt werden musste. Er konnte aber danach weitertrainieren und ist damit einsatzbereit. Wie ansonsten auch alle weiteren Spieler, abgesehen von Scott Banks. Das sind sehr positive Nachrichten.

FC Hansa Rostock: Wer kann spielen, wer fehlt?

Drei Spieler werden dem FC Hansa Rostock am Samstag fehlen: John-Patrick Strauß, der zumeist auf der rechten Außenbahn unterwegs ist, fällt aufgrund einer Wadenverletzung aus. Strauß hatte sich die Position auf der rechten Seite mit Nico Neidhart geteilt. Doch auch der wird nicht spielen können, fehlt aufgrund eines Muskelfaserrisses. Passend also, dass Hansa Rostock die Position im rechten Mittelfeld in einem veränderten System zuletzt gar nicht mehr besetzen musste. Dazu später im Text mehr.

Einen herben Verlust für Hansa Rostock gibt es aufgrund der Gelbsperre, die Svante Ingelsson am Wochenende absitzen muss. Das erklärt auch Fabian Hürzeler: „Ich bin Fan von Ingelsson, weil er oft spielerische Lösungen findet.“ Wie herb der Verlust von Ingelsson ist, darüber dürfte aber sicher diskutiert werden. Denn er hatte definitiv schon stärkere Phasen als in der bisherigen Saison. Trotzdem: Der FC Hansa muss Ersatz auf der zentralen Offensivposition finden.

Was hat Hansa zu bieten?

Nicht viel, um ehrlich zu sein. Nach drei Siegen aus den ersten vier Saisonspielen folgten sechs Niederlagen aus sieben Spielen. Zuletzt gab es aber einen Punktgewinn gegen Hertha BSC und einen knappen, glücklichen Erfolg in Magdeburg. In Summe ergibt sich dadurch Platz 13, welches genau der Platz ist, auf dem Rostock am Saisonende 22/23 eingelaufen ist.

Defensiv hui, offensiv pfui?

Auffällig ist, dass sich Hansa Rostock erst 18 Gegentreffer gefangen hat. Das sind zwar doppelt so viele, wie der FC St. Pauli erhalten hat, aber kein Club in der unteren Tabellenhälfte kann so wenige Gegentreffer vorweisen. Auf der anderen Seite hat nur Eintracht Braunschweig weniger Tore geschossen als die 13 Treffer, die Hansa Rostock vorzuweisen hat. Ist die Defensive also stark, die Offensive aber schwach?

Naja. Die Expected Goals zeichnen ein anderes Bild: Hansa Rostock hat einen offensiven xG-Wert von 19,3. Das ist zwar immer noch wenig (der fünftniedrigste Wert der Liga), aber bedeutet eben auch, dass Hansa mehr als die 13 Treffer hätte erzielen können, wenn nicht sogar müssen. Auf der Gegenseite hat sich Hansa zwar wenige Gegentreffer gefangen, doch den dritthöchsten gegnerischen xG-Wert zugelassen. Es ist also vor allem die fehlende Effizienz der FCH-Offensive und auch der gegnerischen Offensive geschuldet, dass es eine niedrige Anzahl an Toren bei Spielen von Hansa Rostock gibt. Nur bei Spielen mit der Beteiligung von Wehen Wiesbaden (Hallo Markus Kauczinski!) fielen weniger Treffer.

Hamburg, Deutschland, 26.02.2023 - Oladapo Afolayan (FC St. Pauli) im Duell mit Spielern von Hansa Rostock - Copyright: Stefan Groenveld
„I’ve never experienced something like this!“ waren die Worte, die Dapo Afolayan nach seinem ersten Spiel gegen Hansa Rostock in der Mixed Zone von sich gab. Die Wahrscheinlichkeit, dass er nach dem Spiel im Ostseestadion Ähnliches denkt, ist relativ hoch.
(c) Stefan Groenveld

Never mind the Walter-Ball, here is the Schwartz-Ball!

Fabian Hürzeler fasst den Spielstil von Hansa Rostock kurz und prägnant zusammen: „Eine Mannschaft, die sehr effektiv und sehr einfach Fußball spielt.“ Vater dieses Spielstils ist Trainer Alois Schwartz, der über die Erfahrung von über 200 Zweitligaspielen verfügt. Schwartz wurde nach der Serie von sechs Niederlagen aus sieben Spielen mit Rostock bereits angezählt. Nicht wenige sagten, dass ihm der glückliche Sieg in Magdeburg den Job gerettet habe. Geschafft hat er das nicht nur glücklich, sondern auch aufgrund einer Systemumstellung. Es ist so etwas wie eine Rückkehr zu alten Mustern, was sich in der Formation in einem 4-2-3-1 widerspiegelt, aber auch im Spielstil, wie Fabian Hürzeler erklärte:

„Teams von Alois Schwartz sind immer sehr unangenehm zu bespielen. Sie haben immer eine Viererkette, verteidigen sehr mannorientiert in der letzten Linie. Dadurch gibt es wenig Zeit für unsere Spieler, einen Ball anzunehmen und ins 1 gegen 1 zu gehen, auch wenig Zeit, sich aufzudrehen im Zwischenraum. Wir erwarten auch jetzt wieder einen Gegner, der unangenehm zu bespielen ist. Weil sie die Räume sehr gut schließen, weil sie sehr mannbezogen spielen und es dadurch schaffen, immer wieder in Duelle zu kommen. Dadurch können sie dann auch sehr gut umschalten. Ich glaube, diese Spielweise hat er auch bei Hansa Rostock implementiert.“

Fabian Hürzeler über den Spielstil von Hansa Rostock unter Cheftrainer Alois Schwartz

Die mannorientierte Spielweise hat den Hintergrund, dass Hansa Rostock den Gegner in direkte Duelle zwingen möchte. Das gelingt: Nur Rostock hat in dieser Saison bereits mehr als 1000 Zweikämpfe geführt. Die Umstellung auf eine Viererkette habe das Team verbessert, erklärte Hürzeler weiter („Sie haben dadurch einen Spieler mehr im Mittelfeldzentrum, was ihnen wirklich guttut.“). Offensiv agiert Hansa Rostock mit Zielspieler Junior Brumado und laufstarken offensiven Außenbahnspielern wie Christian Kinsombi, Kai Pröger und Nils Fröling. Fabian Hürzeler sagte ganz klar: „Wir dürfen Hansa Rostock nicht nur auf die Defensive reduzieren, müssen uns daher auch darauf vorbereiten, gut gegen den Ball zu arbeiten.“

An dieser Stelle lohnt sich der Blick in die Statistiken, um das alles einordnen zu können: Hansa Rostock spielt ligaweit die wenigsten Pässe, spielt in Ballbesitz sehr langsam (wenigste Pässe pro Minute im Ballbesitz) und wenn sie es dann mal in das letzte Drittel des Gegners geschafft haben, dann schlagen sie zumeist Flanken (die drittmeisten der Liga, was angesichts der wenigsten Pässe äußerst bemerkenswert ist). Bei der Anzahl an flachen Torschussvorlagen und erfolgreiche Zuspielen nahe am gegnerischen Tor ist Hansa Rostock hingegen Liga-Schlusslicht. Natürlich kann das Team offensiv gefährlich sein. Die Mittel, um Gefahr zu erzeugen, scheinen aber eher begrenzt zu sein.

Zwischen Anpassung und treu bleiben

Es muss natürlich klipp und klar herausgestellt werden, dass Hansa Rostock unter der Leitung von Alois Schwartz ein defensiv denkendes Team ist. Ein Team, welches über Intensität in das Spiel kommen möchte und dies auch nicht selten schafft. So wird es für den FC St. Pauli eben darauf ankommen, in diesen Bereichen gegenzuhalten. Für Fabian Hürzeler ist das bereits der Fall: „Es ist wichtig zu erwähnen, dass auch meine Mannschaft eklig zu bespielen ist, viel läuft, versucht in die Zweikämpfe zu kommen, versucht, diese auch intensiv zu führen.“

Wichtig sei, erklärt der FCSP-Cheftrainer, trotz aller Einstellung auf die Spielweise von Hansa Rostock, dass die eigene Spielweise nicht zu sehr auf den Gegner angepasst wird, sondern, dass man sich selbst treu bleibt: „Du darfst dich nicht zu sehr anpassen, was die Spielweise angeht. Wir müssen überzeugt sein, dass wir das auch können, intensiv und eklig spielen. Ich bin überzeugt, dass meine Mannschaft das kann. Du musst aber trotzdem weiter Fußball spielen, weiter mutig deinen Stil durchbringen, deine Prinzipien, deine Philosophie auf den Platz bringen. Das hat uns bisher in der Saison stark gemacht.“

Mögliche Aufstellung

Bei der Aufstellung von Hansa Rostock stellt sich eigentlich nur die Frage, wie auf den Ausfall von Svante Ingelsson reagiert wird. Fabian Hürzeler betont, dass „Rostock eine sehr gute Breite im Kader hat“, mit Perera und Bachmann diese Position hinter den Spitzen direkt besetzen könnte. Auch einen Einsatz von Fröling auf dieser Position hält Hürzeler für möglich. In diesem Fall könnte Kai Pröger auf der rechten Offensivseite in die Startelf rücken. Das logge ich mal ein.

Erwartete Aufstellung beim Spiel zwischen dem FC Hansa Rostock und dem FC St. Pauli

Fragezeichen auf den Außenbahnen

Beim FC St. Pauli ist Jackson Irvine wieder spielberechtigt, der gegen Hannover 96 seine Gelbsperre verbüßt hat. Auch wenn er erneut von Connor Metcalfe hervorragend vertreten wurde, wäre alles andere als ein Startelfeinsatz des FCSP-Kapitäns eine Überraschung. Doch was wird aus Metcalfe? Ein Vorrücken auf die rechte Offensivposition wäre denkbar. Dort würde er Dapo Afolayan verdrängen. Erneut dürfte diese Entscheidung davon abhängen, wie der FCSP die gegnerischen Defensivreihen knacken möchte. Wenn man sich Vorteile bei direkten Duellen der offensiven Außen ausrechnet, dann dürfte das Pendel in Richtung Afolayan ausschlagen. Wenn man das horizontale Spiel vor der gegnerischen Viererkette, zum Beispiel hohe Verlagerungen, als Vorteil ausmacht, dann wird Metcalfe in der Startelf stehen. Aufgrund der mannbezogenen Spielweise von Rostocks Hintermannschaft, die direkte Duelle quasi voraussetzt, tippe ich auf Afolayan (auch wenn Hürzeler betonte, dass es schwer sei, die Offensivspieler in direkte Duelle zu bekommen).

Ebenfalls knifflig ist die Besetzung der linken Schienenposition. Dort hatte zuletzt Philipp Treu die Nase vor Lars Ritzka vorn, auch wenn Fabian Hürzeler betont, dass es über die gesamte Saison „50/50-Entscheidungen“ gewesen seien. Der Cheftrainer erklärt, dass beide Spieler defensiv ähnliche Qualitäten haben, sie sich im Offensivspiel aber unter anderem aufgrund der Tatsache, dass Ritzka Links- und Treu Rechtsfuß ist, deutlich unterscheiden. Zudem besitze Philipp Treu „enormes Selbstvertrauen aufgrund seiner Leistungen. Das merkst du auch an seiner Herangehensweise, wie er in engen Spielsituationen die Bälle fordert. Das macht er auch im Training. Und das macht ihn enorm wertvoll für uns.“ Aktuell schlägt das Pendel klar in Richtung des Sommer-Neuzugangs aus.

Eine andere Ausgangssituation

„Es wird eine große Herausforderung. Nicht nur aus sportlicher Sicht, sondern auch aufgrund der zu erwartenden Atmosphäre. Eine Atmosphäre, die eine enorme Wucht entfalten kann. Meine Spieler wissen, was auf sie zukommt.“ Fabian Hürzeler ist sich der Besonderheit dieser Partie bewusst. Und auch, dass die letzten beiden Spiele in eben jener Atmosphäre ziemlich dürftig waren. Der FC St. Pauli zeigte sowohl in der Saison 22/23 als auch im Jahr zuvor im Ostseestadion jeweils eine seiner schwächsten Saisonleistungen. Das soll diese Saison nicht passieren. Hürzeler sieht sein Team dafür dieses Mal besser gerüstet: „Ich glaube, dass es jetzt eine andere Ausgangssituation ist. Das meine Mannschaft stabiler ist. Nicht nur auf dem Platz, sondern auch, was den Kopf angeht. Das sie eine gewisse Selbstsicherheit hat, auch Selbstvertrauen. Ich habe das Gefühl, dass sie wissen, was auf sie zukommt.“ Nehme ich so als Schlusswort.

Forza!
// Tim

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3 thoughts on “Vorbericht: FC Hansa Rostock – FC St. Pauli (14. Spieltag, 23/24)

  1. Danke, Tim! Jetzt habe ich Bock auf das Spiel und es ist ja schon morgen, yes!

    Ich bin süchtig nach dem Fußball von St. Pauli und deinen Vor- und Nachberichten!

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