Vorbericht: FC St. Pauli – SpVgg Greuther Fürth (24. Spieltag, 22/23)

Vorbericht: FC St. Pauli – SpVgg Greuther Fürth (24. Spieltag, 22/23)

Am Samstag empfängt der FC St. Pauli die SpVgg Greuther Fürth am Millerntor und möchte seine Siegesserie ausbauen. Die Fürther haben im Laufe der Saison eine bemerkenswerte Transformation durchgemacht und werden vor allem das Aufbauspiel des FCSP massiv unter Druck setzen. Der Vorbericht.
(Titelbild: Peter Boehmer)

Wer die Saison und die aktuelle Situation bei der SpVgg Greuther Fürth wirklich verstehen will, der/dem empfehle ich das „Vor dem Spiel“-Gespräch von Yannick mit Michael Fischer zu hören. Michael ist nicht nur als Podcaster (Fürther Flachpass) aktiv, sondern arbeitet als Journalist und begleitet das Kleeblatt sehr eng.

In dem Gespräch erzählt Michael unter anderem, inwiefern die zwar irgendwie erwartbare, aber dann doch auch sehr enttäuschende Abstiegssaison 21/22 noch bis tief in die jetzige Saison hineinwirkt. Wir richten den Blick noch tiefer in die Vergangenheit und fangen mit einer Sonderzug-Fahrt an:

Sonderzug Fürth (Mai 2019)
Im Mai 2019 gastierte der FC St. Pauli zum Saisonabschluss am Ronhof, die ebenfalls eine eher ernüchternde Saison gespielt hatten. Der FCSP hatte damals einen noch relativ neuen Trainer an der Seitenlinie: Jos Luhukay. Eieieiei. Die Niederlage war sehr kostspielig. Einige Euro an Fernsehgeldern gingen dem FCSP flöten.

Fürth away: Leider doch keine perfekte Rückrunde (Januar 2020)
Nachdem der FC St. Pauli eine eher schwierige Hinrunde unter der Leitung von Jos Luhukay erlebte, startete das Team mit Siegen gegen Bielefeld und Wehen Wiesbaden perfekt in die Rückrunde. Es folgte wenige Wochen danach zwar der Derbysieg, doch dann legte die Corona-Pandemie die Welt erstmal lahm und als es wieder losging, hielt der FCSP eher schlecht als recht die Klasse.

Kraft gespart gegen desolat (Januar 2021)
Rund ein Jahr später war der FC St. Pauli wieder in Fürth zu Gast. In einer noch schlechteren Verfassung und Tabellensituation als im Vorjahr. Ganz anders die Fürther, die mit einem 2:1-Erfolg weiter am Aufstieg feilten, während der FCSP erst kurz danach eine erfolgreiche Serie starten sollte.

Mit 1:2 verlor der FC St. Pauli im Januar 2021 in Fürth und hatte arge Abstiegssorgen.
(c) Peter Boehmer

Reife (Team-)Leistung (April 2021)
Nur wenige Wochen später, sah die Sache schon wieder ganz anders aus. Ein gefestigter und spielfreudiger FC St. Pauli überzeugte beim Heimsieg gegen Fürth, die trotz der Niederlage am Saisonende den Aufstieg feierten.

Ja! Nee! Puuh! (September 2022)
Als beide Teams dann im Frühherbst des letzten Jahres aufeinandertrafen, hatte Fürth ziemlich lange nicht mehr gewonnen. Der FCSP ging verdient in Führung, musste dann aber einem Rückstand hinterherlaufen, ehe Connor Metcalfe das erste Mal richtig auf sich aufmerksam machen konnte. Das 2:2 war aber sicher für beide Teams zu wenig.

FC St. Pauli: Wer kann spielen, wer fehlt?

Richtig positiv sind die Worte, die Fabian Hürzeler auf der Pressekonferenz vor dem Spiel in Bezug auf die Einsatzfähigkeit im Kader verwenden konnte: Abgesehen von Etienne Amenyido und David Nemeth sind alle Spieler einsatzbereit. Das ist eine sehr luxuriöse Situation.

Der Fortschritt bei David Nemeth sei auch ersichtlich. Er belastet „schon viermal die Woche“ und „versprüht eine positive Energie“. Entsprechend hat Fabian Hürzeler bei ihm „echt ein gutes Gefühl“. Bei Etienne Amenyido hingegen sei der Verlauf „nicht ganz so positiv“. Dort sei es notwendig gewesen einen „kleinen Schritt zurückzugehen im Reha-Programm“, doch es sei „nicht dramatisch“.

SpVgg Greuther Fürth: Wer kann spielen, wer fehlt?

Fast noch weniger Personalsorgen hat die SpVgg Greuther Fürth. Der zuletzt angeschlagene Außenverteidiger Marco John ist wieder einsatzbereit, sodass dem Kleeblatt einzig Nachwuchsspieler Devin Angleberger und der langzeitverletzte Robin Kehr (der seine Karriere beendet) fehlen.

Was hat das Kleeblatt zu bieten?

„Red Bull-Fußball“ – so beschreibt Fabian Hürzeler die Spielweise der Fürther und bezieht sich dabei auf die doch sehr markanten und äußerst pressingintensiven Spielprinzipien von Trainer Alexander Zorniger. Der ist seit Herbst im Amt, nachdem der erst vor der Saison verpflichtete Marc Schneider nur eines von zwölf Spielen in der Liga gewinnen konnte.

Pizza-Grafik mit Kern-Statistiken der SpVgg Greuther Fürth nach 23 Spieltagen der 2. Bundesliga 22/23

Ich habe lange überlegt, ob ich diese Grafik vielleicht sogar einfach mal auslasse, weil sie fast gar keine Aussagekraft besitzt. Denn durch den Trainerwechsel hat sich das Spiel der Fürther stark verändert. Ein Beispiel: Der PPDA-Wert hat unter Zorniger extrem abgenommen. Er liegt bei 8.2 und ist damit ligaweit der niedrigste. Der Saisonmittelwert der Fürther liegt aber bei 9.5, weil er vorher eben deutlich höher gewesen ist.

Wenige Tore pro Spiel – vorne wie hinten

Wie krass die Veränderung auf der Trainerbank auf das Spiel gewirkt hat, zeigt auch eine andere Statistik: In allen zwölf Spielen unter Marc Schneider fing sich das Kleeblatt mindestens ein Gegentor. Unter Zorniger gelangen erstmal drei 1:0-Siege in Folge und mit zehn Gegentreffern aus zehn Spielen ist das Team nun wesentlich gefestigter in der Defensive.

Offensiv bringt die SpVgg Greuther Fürth in dieser Saison eigentlich immer etwas zustande. Nur am zweiten Spieltag blieben sie torlos, erzielten also in den anderen 22 Spielen immer mindestens einen Treffer. Doch bevor hier jetzt der Eindruck einer unfassbaren Offensivkraft entsteht: Kein einziges Mal erzielte das Team mehr als zwei Tore in einem Spiel. Und unter Zorniger gelang nur einmal mehr als ein eigener Treffer.

FUERTH, GERMANY - OCTOBER 28: Head coach Alexander Zorniger of Fuerth gives advice to his team during the Second Bundesliga match between SpVgg Greuther Fürth and DSC Arminia Bielefeld at Sportpark Ronhof on October 28, 2022 in Fuerth, Germany. (Photo by Thomas F. Starke/Getty Images)
Alexander Zorniger übernahm Mitte Oktober das Traineramt bei der SpVgg Greuther Fürth
(Thomas F. Starke/Getty Images/via OneFootball)

Pressing, Pressing, Pressing

Von einer „großen, großen Herausforderung“ spricht Fabian Hürzeler, wenn er an das Spiel gegen Fürth denkt. Dabei betont er mehrfach die Pressingintensität der Gegner, egal ob ganz vorne oder in letzter Linie. Dies sei für sein Team schwierig, da es sich „herauskombinieren“ wolle und mit entsprechend früher Gegenwehr rechnen muss. Früher sogar, als die Fürther es zuletzt taten: „Sie werden nochmal extremer pressen“, weil der FCSP bewusst hinten rausspielen möchte („das feuert sie wahrscheinlich nochmal an“). Stellen wir uns also auf die ein oder andere Situation ein, in der das Aufbauspiel des FC St. Pauli etwas zugespitzt aussehen wird.

Besondere Beachtung wird der FC St. Pauli dem besten Torschützen der Fürther schenken: Branimir Hrgota ist laut Hürzeler „ein Unterschiedsspieler“ und bereits bei eigenem Ballbesitz gelte es auf ihn zu achten, da er nach Ballgewinn als „erster Anspieler auf der Zehn“ agiere.
Hrgota kam zuletzt auf der Zehn zum Einsatz, also genau dort, wo der FC St. Pauli im Spiel gegen den SCP Räume gegeben hat. Besonders in der zweiten Halbzeit in Paderborn sei die letzte Kette oft zu tief gewesen, erklärt Hürzeler. Diese habe nicht im Zwischenraum verteidigt, weshalb sich Räume vor der letzten Kette auftaten, die der SCP in Person von Muslija für sich nutzen konnte. Es gelte daher „die Abstände zwischen den Ketten nicht zu groß werden zu lassen“.

Auswärts ein anderes Gesicht?

In Sachen Formation hat die SpVgg Greuther Fürth tatsächlich eine recht ähnliche Transformation hingelegt, wie der FC St. Pauli: Auch die Fürther starteten mit einem 4-4-2 mit Mittelfeldraute in die Saison. Nach dem Trainerwechsel wurde dann auf eine Formation mit einer Fünferkette umgestellt, die ja ohnehin ziemlich en vogue ist in der 2. Bundesliga. Der Lohn: Das Team steht defensiv stabiler.

Allerdings gab es zuletzt einen doch recht deutlichen Unterschied zwischen den Auftritten zuhause (unter Zorniger: Vier Siege, ein Unentschieden) und auswärts (zuletzt drei Niederlagen in Folge). Entsprechend hat Zorniger Veränderungen angekündigt und die Trainingswoche anders gestaltet als zuletzt, damit es auf fremden Plätzen besser läuft als zuletzt, wie Michael Fischer in seinem Vorbericht schreibt.

FUERTH, GERMANY - OCTOBER 28: Branimir Hrgota (L) of Fuerth and Marc Rzatkowski of Bielefeld fight for the ball during the Second Bundesliga match between SpVgg Greuther Fürth and DSC Arminia Bielefeld at Sportpark Ronhof on October 28, 2022 in Fuerth, Germany. (Photo by Thomas F. Starke/Getty Images)
Mit acht Treffern einmal mehr der beste Torschütze der SpVgg Greuther Fürth – seit Jahren ist Branimir Hrgota ein Unterschiedsspieler für das Kleeblatt, auch als Balljäger, wie hier gegen Ex-FCSP-Kicker Marc Rzatkowski.
(Thomas F. Starke/Getty Images/via OneFootball)

Mögliche Aufstellung

Dadurch, dass der Kader in Fürth relativ voll besetzt ist, hat Alexander Zorniger auch ziemlich freie Auswahl bei der Besetzung der Startelf. Und da er angekündigt hat, dass sein Team ein paar Sachen anders machen möchte, ist durchaus denkbar, dass dies auch das Personal, vielleicht sogar die Formation betrifft.

Stamm-Außenverteidiger zurück?

Am ehesten sind Veränderungen auf den Außenpositionen zu erwarten, wo zuletzt Marco Meyerhöfer und Luca Itter aufliefen, aber mit Simon Asta (nach Sperre) und Marco John (zuletzt angeschlagen) zwei wirklich hochklassige Spieler auf ihren Einsatz hoffen dürften. In der Innenverteidigung saß zuletzt der in der Hinrunde vor allem bei Standards gefährliche Damian Michalski auf der Bank (vier Saisontore). Er könnte Gideon Jung ersetzen, der in dieser Saison auch schon eine Position weiter vorne zum Einsatz kam.

Eine Position nach vorne rücken ist womöglich auch das Stichwort für Branimir Hrgota, der grundsätzlich auch als Stürmer agieren kann und auf der Zehn durch Winter-Neuzugang Lukas Petkov ersetzt werden könnte. Ich habe aber Zweifel, ob Zorniger wirklich seinen besten Spieler aus dem Raum abziehen möchte, in dem der FCSP zuletzt Löcher hatte.

Erwartete Aufstellung beim Spiel FC St. Pauli gegen SpVgg Greuther Fürth

Zweifel an der Startformation des FC St. Pauli gibt es eigentlich nicht. Sollte es keine unerwarteten Ausfälle geben, so dürfte das Team mit der inzwischen bekannten personellen Aufstellung starten.
Wechsel erscheinen aus sportlicher Sicht nur aus zwei Gründen denkbar:

1. Der FCSP benötigt eine Exit-Strategie, um das Pressing der Fürther zu umgehen. Dazu wäre Maurides im Angriffszentrum geeignet, der zudem ein Problem für die kopfballschwachen Fürther (Platz 17 in der Liga in der Luft) sein könnte.
2. Der FCSP möchte seinen Zehnerraum nicht mit Eric Smith schließen, der dann eher die Tiefe sichert. Dann würde das Team seine Formation vermutlich auf ein 5-3-2 umstellen und mit Betim Fazliji in der Startelf (anstelle eines Offensivspielers) auflaufen.
Beides eher unwahrscheinlich, aber wenn ich müsste, dann würde ich eher auf einen Startelfeinsatz von Maurides tippen.

Nicht passiv werden!

Viel wichtiger als die personelle Aufstellung ist ohnehin, dass der FC St. Pauli sein Spiel und seine Prinzipien durchzieht. Das gelang zuletzt nicht über die volle Spielzeit, als das Team gegen Rostock und Paderborn jeweils in der zweiten Halbzeit bei eigener Führung zu passiv in der Arbeit gegen den Ball wurde. Zu passiv bedeutet, dass das Team „weniger Auslöser gefunden hat“, wie Hürzeler erklärt (Auslöser = Momente, in denen das Team gemeinsam die Gegner unter Druck setzt, also anläuft. Klassiker unter den Auslösern ist, wenn ein gegnerischer Außenverteidiger zurück zum Innenverteidiger spielt) und das die Verteidigung im Zwischenraum nicht mehr so gut geklappt habe, weil die Spieler nicht mehr so mutig agiert hätten. (Es geht darum, dass die Innenverteidiger in den richtigen Momenten vorrücken und Druck erzeugen, was auch gerne „nach vorne verteidigen“ genannt wird.) Laut Hürzeler müsse man sich dazu auch „im Kopf anders vorbereiten“, damit man bei eigener Führung nicht denke, dass das Spiel von alleine laufe.

Für den FC St. Pauli steht ein enorm schweres Spiel gegen ein ganz starkes Pressingteam an. Es dürfte eine richtige Feuertaufe für das eigene Aufbauspiel werden. Ich bin sehr gespannt, wie gefestigt sich das Team dabei zeigt. Sicher ist auch, dass die Statistik zwar vollkommen gegen den FCSP spricht, aber ein Fortsetzen der Siegesserie sicher den ein oder anderen Tabellenrechner anschmeißen wird. Meinen zum Beispiel.

Forza!
// Tim

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4 thoughts on “Vorbericht: FC St. Pauli – SpVgg Greuther Fürth (24. Spieltag, 22/23)

  1. Bei Fürth muss ich unweigerlich sofort an den August 2019 denken, als sich Christopher Avevor das Bein im Zweikampf mit Keita- Ruel brach. Besonders kann ich mich an das völlig unsportliche Verhalten der damaligen Fürther Spieler erinnern, die trotz der offensichtlich schwerwiegenden Verletzung von Jackson ihren Angriff zu Ende spielten und durch Keita-Ruel das 1:O schossen. Soll heißen:

    Für Jackson alles geben!

    1. Und das mit den Fürthern geht schon länger so. Damals in der Düsseldorfer Theaterstadl-Saison kamen die lautesten Beschwerden (neben denen aus Frankfurt) aus Greuth. Bei uns in der Bezugsgruppe sorgte das für Erheiterung und ein „Ausgerechnet…“
      Neben der Fortuna und den (trotz der größtenteils prima Fanszene) Lilien eine der Mannschaften in der Liga, die ich am wenigsten leiden kann.
      Dazu noch Zwayer als Schiri… kann ein interessanter Nachmittag werden.

  2. Lieber Fünfter als Fürther (jaja, müsst ihr euch natürlich im Dialekt vorstellen)…
    Hoffentlich wird die zweite Halbzeit morgen besser und die Jungs schaffen es, das alte St Pauli Problem, nach eigener Führung Druck und Gas rauszunehmen endlich hinter sich zu lassen.

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