Offen wie ein Scheunentor? – Statistiken zu FCH vs. FCSP

Offen wie ein Scheunentor? – Statistiken zu FCH vs. FCSP

Ein hoher xG-Wert von Hansa Rostock, eine beeindruckende Leistung des FC St. Pauli und der „Smith-Stat“ des Spieltages – die Statistiken zu FCH vs. FCSP.
(Titelbild: Ostseephoto/imago image/via OneFootball)

Der Ausdruck „Zitterpartie“ passt wohl ganz gut zu dem, was der FC St. Pauli in den Schlussminuten beim Spiel gegen Hansa Rostock erlebte. Dabei wäre das gar nicht nötig gewesen, wenn sich das Team für 65 Minuten richtig guten Fußball mit mehr als „nur“ drei Treffern belohnt hätte. Aufgrund des Zitterns, der durch den Verlust der eigenen Struktur zustande kam, war es ein sicher etwas glücklicher Erfolg. Verdient war er trotzdem. Der Spielbericht.

Neben den Ereignissen auf dem Platz, fielen Hansa-Fans erneut mit einer inakzeptablen Choreo auf. Diese bekommt leider viel mehr mediale Aufmerksamkeit, als es jene im Gästeblock verdient hätte. Dort wurden nämlich mehrere Tapeten im Rahmen des internationalen Gedenktages zu Gewalt an FLINTA* gezeigt. Das Stöckchen zur Awareness.

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So, jetzt weiter zu den Statistiken:

Kern-Statistiken

Jeder fünfte Rostocker Pass war ein langer Ball. Beim FCSP wurde weniger als jeder zehnte Pass lang gespielt. Keine andere Statistik zeigt die unterschiedlichen Spielideen so deutlich auf, wie die Quote langer Pässe. Hansa Rostock legte keinen Wert auf Ball- und Spielkontrolle, spielte durchschnittlich nur drei Pässe pro Ballbesitzphase – kein FCSP-Gegner diese Saison hat einen niedrigeren Wert.

Die Gastgeber wollten also das Chaos, die Unordnung auf dem Platz. Sie haben sie bekommen, als der FC St. Pauli gegen Spielende seine Struktur verlor. Davor war der FCSP aber sehr gut organisiert und ballsicher. Das Team fuhr 43 Positionsangriffe, also Angriffe aus eigenen Ballbesitzphasen (keine Standards, keine Konter). Nur gegen Hertha BSC gab es diese Saison genau so viele. Und bis kurz vor Schluss waren die Kräfteverhältnisse auch ähnlich wie gegen Hertha verteilt. Ehrlich gesagt musste man da am Ende auch zittern und hätte vorher einfach schon den Deckel draufmachen können.

FC St. PauliHansa Rostock
17 (8)Torschüsse (auf’s Tor)13 (4)
10Fouls19
61,1 %Ballbesitz38,9 %
539 (87 %)Pässe (erfolgreich)316 (80,4 %)
61 (78,7 %)…davon ins letzte Drittel (erfolgreich)43 (72,1 %)
48 (64,6 %)…davon lange Pässe (erfolgreich)64 (57,8 %)
236erfolgreiche Pässe in gegn. Hälfte*99
19Ballkontakte gegn. Strafraum12
9Deep Completed Passes5
7Deep Completed Crosses3
51 (54,9 %)Defensivduelle (erfolgreich)89 (57,3 %)
33 (48,5 %)Kopfballduelle (erfolgreich)33 (42,4 %)
7,7PPDA12,2
125,4 kmLaufdistanz**118,8 km
194Sprints**188
*FotMob
**Laufdistanz von Bundesliga.de

Die Basis für die Spielweise des FC St. Pauli ist und bleibt auch die Laufstärke. Erneut spulte das Team ganz starke 125 Kilometer ab (Klar, Marcel Hartel war mit 13 km der laufstärkste Spieler). Das Team ist mit fast 1.700 Kilometern das laufstärkste der 2. Bundesliga. Hansa ist hingegen Schlusslicht, hat über 300km weniger abgespult und zeigte mit fast 119 km schon eine für ihre Verhältnisse beachtliche Leistung.

Saliakas und Treu überzeugen

Es gab eine ganze Menge zu tun für die Schienenspieler des FC St. Pauli. Philipp Treu und Manos Saliakas sollten dem Spiel auch ihren Stempel aufdrücken. Treu hat die meisten Zweikämpfe aller Spieler auf dem Platz gewonnen (21) und zudem die meisten Pässe abgefangen (sechs). Ein erneut starker Auftritt des 22-jährigen.
Saliakas hat zwar nicht so viele Zweikämpfe bestritten wie Treu, dafür aber die bessere Quote. Er gewann 12 von 14 Duellen. Auch das ist richtig, richtig stark. Weil er zudem noch Traumtor und Torvorlage zum Sieg beisteuerte, kann man womöglich von der besten Saisonleistung des griechischen Nationalspielers sprechen.

Gegen Hannover war Marcel Hartel ungewohnt blass geblieben, wenn es um Aktionen in und um den gegnerischen Strafraum herum ging. Gegen Rostock fand er aber wieder zurück in die Spur, gab die meisten Torschüsse aller Spieler auf dem Platz ab (fünf). Im Strafraum waren es dann Johannes Eggestein und Elias Saad, die mit jeweils fünf Kontakten die meisten hatten. Saad war sowieso wieder enorm auffällig mit sieben von zehn gewonnenen Dribblings und vier herausgespielten Torchancen. Nicht minder auffällig war Dapo Afolayan auf der Gegenseite, der den Ball satte siebenmal durch Pässe oder Läufe in den Strafraum brachte.

Berlin, Deutschland, 30.09.2023, 2. Bundesliga, Fussball - Marcel Hartel (FC St. Pauli) feiert seinen Treffer zum 2:0 gegen Hertha BSC - Copyright: Peter Boehmer DFL regulations prohibit any use of photographs as image sequences and/or quasi-video.
Marcel Hartel konnte, wie hier im Bild in Berlin, auch gegen Hansa Rostock ein eigenes Tor und drei Punkte feiern.
(c) Peter Boehmer

„Smith-Stat“ des Spieltages

Weil es ja oft so ist, dass Eric Smith statistisch nicht so gut wegkommt (Looking for Eric), hier mal der „Smith-Stat“ des Spieltages: Er spielte 19 lange Pässe, also rund 40 Prozent aller langen Pässe des FCSP. Richtig starke 13 davon kamen beim Mitspieler an. Der zweiterfolgreichste Spieler auf dem Platz (FCH-Torwart Kolke) hat sechs erfolgreiche lange Pässe vorzuweisen. So viele spielte Smith alleine auf Elias Saad. Ein Fehlpass war nicht dabei. Auch nicht bei jenen Pässen zu Afolayan (3/3). Die Verlagerungen auf die Außenbahnen waren also oft Sache des 26-jährigen Fußballkünstlers.

Expected Goals

Uff, das ist ein hoher gegnerischer xG-Wert. Durchschnittlich liegt er bei den berücksichtigen Zahlenlieferanten bei 4,0. So hoch war er noch nie unter der Leitung von Fabian Hürzeler (die 1,9 von Darmstadt letzte Saison waren das Maximum). Einen höheren gegnerischen xG-Wert gab es für den FC St. Pauli im Dezember 2018 beim 3:1-Erfolg in Bochum (lag damals bei 4.3). Wie kommt es, dass der FCSP – zuvor pro Spiel durchschnittlich einen xG-Wert von unter 0.9 zugelassen – solche Werte vorweist? Der tiefere Blick in diese Zahlen lohnt sich, weil sie den Spielverlauf so gar nicht wiedergeben.

Zwei Elfmeter hatte Hansa Rostock. Der xG-Wert eines Elfmeters liegt bei 0,78. Wenn man zudem noch die Chancen nach Standards abzieht (vor allem die vielen Chancen in der achten Minute), dann bleibt da gar nicht mehr so viel übrig. Basierend auf den Werten aus dem Spiel heraus liegen die xG-Werte bei 2,0 zu 1,0 – für den FC St. Pauli.
Allein in der achten Minute hat Hansa (inkl. Elfmeter) einen xG-Wert von 1.6 produziert. Ab dieser Führung passierte dann bis zum erneuten Elfmeter vor dem FCSP-Tor fast gar nichts. Erst zum Ende hin wurde Hansa auch ohne Standards gefährlich. So ist ein xG-Wert von über vier natürlich weiterhin enorm hoch. Aber im Kontext ist er eben auch anders einzuordnen.

FC St. PauliHansa Rostock
(2,8 / 2,3 / 2,1)
–> 2,4
Expected Goals (xG)
(Wyscout / DFL / FotMob)
(4,1 / 4,5 / 3,3)
–> 4,0
2,0xG – herausgespielt1,0
0,7xG – Standards2,3
2,8xGOT*2,8
Sämtliche xG-Werte (sofern nicht anders markiert) stammen von fotmob
*xGOT: Expected Goals on Target (xGOT) misst die Wahrscheinlichkeit, dass ein gezielter Schuss zu einem Tor führt, basierend auf der Kombination aus der zugrunde liegenden Chancenqualität Expected Goals (xG) und der Endposition des Schusses im Tor. Dabei werden Schüsse, die platzierter sind und in den Ecken landen, besser gewertet als Schüsse, die direkt in die Mitte des Tores gehen.

Die Tore von Hansa hatten also jeweils eine Torwahrscheinlichkeit von 78 Prozent. Die des FCSP lagen bei drei (Saliakas), 41 (Hartel) und neun (Afolayan) Prozent. Das Spiel hatte noch eine ganze Reihe von hochkarätigen Tormöglichkeiten: Allein Johannes Eggestein (42. Minute, 42 Prozent), Elias Saad (48., 39 Prozent), Júnior Brumado (86., 42 Prozent) und Kevin Schuhmacher (90., 23 Prozent) hätten für weitere Treffer sorgen können. Dazu gab es noch eine ganz Reihe an Tormöglichkeiten mit einer Torwahrscheinlichkeit über zehn Prozent. Es war also richtig was los vor den Toren beider Teams. Mit dem besseren Ende für den FC St. Pauli.
Kogge versenkt.

// Tim

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Sofern nicht anders markiert, stammen sämtliche Statistiken von Wyscout.

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7 thoughts on “Offen wie ein Scheunentor? – Statistiken zu FCH vs. FCSP

  1. bezüglich hansa’s schüsse auf unser tor hab ich mal ne nachfrage. in der statistik werden für hansa 4 schüsse auf’s tor aufgeführt. wenn ich nur die schüsse auf unser tor in der entstehung des ersten elfers zähle, komme ich bereits auf 5 (der erste schuß wird zur ecke geblockt; nach der ecke kopfball an den pfosten, einen schuß pariert nikola, den zweiten eric mit der hand und der letzte wird wieder zur ecke geblockt), dazu die 2 elfer sind schon 7…
    werden die 4 schüsse vor dem ersten elfer dann als 1 schuß auf’s tor gewertet?

    1. Es ist anders:
      Pfosten- und Lattentreffer zählen nicht als Schüsse auf das Tor. Der letzte Schuss nach Erics Handspiel wird auch nicht gezählt, weil das Spiel da bereits unterbrochen war. Und ich glaube der erste Schuss von Fröling zählt auch nicht, weil der geblockt wurde (wenn nicht der Torwart hält, dann ist es kein Schuss auf das Tor). Die Eingrenzung ist eher etwas komisch, sodass die Anzahl an Schüssen wichtiger ist als jene auf das Tor.

  2. Ich wollte schon immer mal fragen warum bei der Kopfball Statistik beide Teams zumsamengerechnet nicht 100% ergeben? Diesmal hatten wir 48,5% und Rostock 42,4%. Was war los bei den uebriegen 8,9%? Beide Spieler am Ball vorbei gesprungen?

  3. hast du eine ahnung wie die kicker noten zustande kommen? ich denke mir öfter „wow spielt der heute gut“, so wie am sa treu, gucke dann bei kicker und die vergabe ist eher so mittelmäßig (3). gute noten bekommen immer nur die, die auch ein tor schießen.
    nicht falsch verstehen, ich gebe da nun nicht soooo viel drauf, aber das ist hier ja immerhin das größte medium was fussball angeht. evtl hast ja ne ahnung 🙂

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