Donnerstag, 20.30, FC St. Pauli vs. VfL Bochum – Zeit für das Aufeinandertreffen zweier langjähriger Zweitligisten. Womöglich wird es dieses Duell vorerst zum letzten Mal geben, denn der VfL Bochum klopft doch ziemlich vehement am oberen Tabellenende an. Entsprechend erwartet den FCSP ein schweres Spiel. Aber das behaupte ich ja jedes Mal…
(Titelbild: Peter Boehmer)
Zur weiteren Vorbereitung hört gerne in das VdS-Gespärch von Michael mit Tobias von einsachtvieracht. Da werdet ihr dann auch mit den Ohren schlackern und feststellen, dass der FCSP sich gegen den VfL Bochum durchaus was ausrechnen kann.
FC St. Pauli: Wer kann spielen, wer fehlt?
Die Nachrichtenlage wird besser: „Buchtmann, Zander, Lawrence, Smith, Reginiussen – das sind alles Spieler, die spielen können.“ – Jo, das klingt mal ganz anders als noch vor ein paar Wochen. Allein die Optionen, die Christopher Buchtmann dem Spiel des FCSP geben könnte, sind enorm. Allerdings schränkt Timo Schultz auf der PK gleich wieder etwas ein, dass sie nicht gleich komplett für eine Englische Woche geeignet sind. Trotzdem: Gerade weil es sich um eine Englische Woche handelt, sollten wir davon ausgehen, dass wir spätestens am Sonntag von den obengenannten Spielern welche auf dem Platz sehen werden.
Etwas weiter weg ist Jannes Wieckhoff und „noch nicht voll spielfähig„, trainiert aber immerhin wieder voll mit. Ryō Miyaichi und Christopher Avevor sind davon noch weiter entfernt.
VfL Bochum: Wer kann spielen, wer fehlt?
Entsprechend wage ich es gar nicht zu schreiben, aber die personelle Situation beim VfL Bochum ist mindestens ähnlich, wenn nicht sogar etwas schlechter:
VfL-Trainer Thomas Reis vermeldete auf der PK, dass Außenstürmer Tarsis Bonga und Stürmer Soma Novothny zwar wieder im Trainingsbetrieb sind, aber wenn überhaupt nur Novothny im Kader stehen könnte. Ersatztorwart Patrick Drewes ist noch nicht soweit. Und auch Mittelfelder Danny Blum (ein unglaublich wichtiger Spieler) und Verteidiger Vasileios Lampropoulos, beide im Aufbautraining, werden nicht dabei sein.
Wieder „voll ausgeruht“ ist Gerrit Holtmann. Das ist eine schlechte Nachricht für den FC St. Pauli.
Was hat der VfL Bochum zu bieten?
Hui, wo fange ich da an. Bei den 33 Punkten vielleicht, die sie in der Hinrunde geholt haben. Es war bereits im Hinspiel spürbar, dass der VfL Bochum diese Saison oben anklopfen würde (hier der Spielbericht). Sie präsentierten sich äußerst stabil in der Spielweise, wurden dann allerdings bei eigener Führung doch 2x ziemlich kalt vom FCSP erwischt.
Das war dann aber auch einer der wenigen Momente in der Hinrunde, bei denen sich der VfL über so etwas ärgern musste. Es folgten noch zwei weitere Unentschieden und nur vier Niederlagen, die restlichen 10 Spiele wurden allesamt gewonnen.
(Alle Daten von WyScout)
Grund für diese erfolgreiche Hinrunde war auch, dass der VfL Bochum teils äußerst effektiv spielte: Mit einem eigenen xG von 26.5 bei 32 erzielten Toren und einem gegnerischen xG von 24.6 bei nur 17 Gegentoren wird klar, dass der VfL Bochum durchaus auch ein Überperformer ist (nach expected Points sind sie eher im Mittelfeld zu finden).
Wie kommt es zu dieser Überperformance?
Zum einen ist Manuel Riemann mit einem Wert von 5.1 „prevented Goals“ ein sehr guter Torwart (Platz 5; mit 2.3 liegt Dejan Sotjanovic bereits auf Platz 7 – im Durchschnitt gerechnet ist er damit Spitzenreiter).
Aber ohne lange Umschweife landet man ziemlich schnell bei Robert Zulj und Simon Zoller. Beide Spieler toppen ihre xG-Werte. Zoller erzielte bereits 8 Tore bei einem xG von 6.1, Zulj erzielte bereits 9 Tore bei einem xG-Wert von 4.8. Das ist schon außerordentlich effektiv, vor allem von Zulj.
Und ich muss hier noch einen extra Absatz für Robert Zulj einbauen, weil er soviel Gutes macht. Neben seinen 9 Toren hat er auch noch 3 Assists und 4 secondary Assists zu bieten, ist also an 15 von 32 Bochumer Toren direkt beteiligt. Zusätzlich spielt er enorm viele Pässe durch die letzte Kette des Gegners (die zweitmeisten der Liga nämlich) und wird damit völlig zurecht als bester offensiver Mittelfeldspieler der Liga gelistet.
Doch nicht nur diese beiden Spieler sind für die Offensive des VfL Bochum enorm wertvoll. Besonderes Augenmerk sollte auch auf Gerrit Holtmann gelegt werden. Der ist mit 7.5 Dribblings pro Spiel in den Top5 der Liga und da er davon auch über 61% der Duelle gewinnt (eine Quote, die sonst in den Top10 der häufigsten Dribbler nur vom überragenden Bakery Jatta übertroffen wird), kann man Holtmann durchaus als einen der besten Dribbler der Liga bezeichnen. Den freien Raum durch Dribblings nutzt er dann häufig für Flanken (drittmeiste der Liga). Allerdings: Mit bisher zwei Torvorlagen waren seine Aktionen noch nicht allzu häufig von Erfolg gekrönt.
Flanken sind aber ein gutes Stichwort, denn Bochum ist hinter dem KSC das Team, das in der Liga am meisten flankt. Und da die Außenverteidiger Cristian Gamboa (43% angekommene Flanken – Top3 der Liga) und Danilo Soares (31% – Top15) richtig gute Trefferquoten mit ihren Flanken haben, ist das durchaus eine Angelegenheit, die der FCSP genauer betrachten sollte.
Ein echter Diamant verbirgt sich in der Innenverteidigung: Armel Bella-Kotchap gilt als eines der größten Talente auf dieser Position. Und das stellt er trotz seiner erst 19 Jahre bereits diese Saison unter Beweis: Top10 bei den Zweikämpfen, Top10 bei den Interceptions, blockt die meisten Torschüsse der Liga ab – wenn der im Aufbauspiel noch Schritte macht, dann werden wir den Namen in naher Zukunft noch in ganz anderen Sphären hören.
Mögliche Aufstellung
Sicher wie das Amen in der Kirche: Das 4-2-3-1 des VfL Bochum unter Thomas Reis. Und auch sonst ist relativ klar, was den FC St. Pauli im Spiel gegen Bochum erwarten wird. Denn mit einer „Challenge Intesity“ von 7.5 ist der VfL Bochum Spitzenreiter der Liga (Platz 3 bei PPDA (Passes allowed per defensive action)). Wer den Vorbericht zum Spiel gegen Regensburg gelesen und das Spiel gesehen hat, dürfte ahnen, was den FCSP erwartet: Keine ruhige Minute. Denn beide Werte sind recht zuverlässige Indikatoren für ein intensives und meist hohes Pressing eines Teams. Und der VfL Bochum und Jahn Regensburg sind beide weit vorne in diese Kategorien zu finden.
Bemerkenswert ist dann auch die Offensive: Der VfL Bochum spielt nicht nur die mit Abstand meisten langen Pässe der Liga sondern bringt auch die meisten davon an den Mitspieler (61% – Platz 2: FCSP). Und Bochum spielt auch die meisten Pässe ins Offensivdrittel und bringt dort ebenfalls über 60% zum Mitspieler (nur der HSV ist besser und der FCSP einen Platz dahinter).
Daher ist es nicht verwunderlich, dass der VfL Bochum auch Spitzenreiter der Pass-Kategorie „Progressive Passes“ ist, also die meisten und am erfolgreichsten die Bälle vertikal spielt.
Das können sie auch deshalb, da sie meist relativ wenig Gegnerdruck zu Beginn des Spielaufbaus bekommen – der PPDA gegen Bochum ist mit 15.7 recht deutlich der Höchstwert der Liga.
Hauptgrund für diese guten Quoten und die hohe Anzahl ist Torwart a.k.a Spielmacher Manuel Riemann. Der spielt nämlich unglaubliche 26 lange Pässe pro Spiel und ist damit Spitzenreiter der Liga (der Zweitplatzierte auf dieser Liste spielt im Schnitt 11 (!!!) lange Pässe pro Spiel weniger). Das allein ist schon bemerkenswert, aber wird geradezu wahnwitzig, da er auch eine Passquote von 76% bei langen Bällen hat (Platz 3 in der Liga – knapp 70% seiner Pässe ins Offensivdrittel sind erfolgreich!).
Keine Frage: Manuel Riemann ist aus spielerischer Sicht der wohl beste Torhüter der 2.Liga (ja, das geht auch ab und an schief) und mit so einem ballsicheren Torhüter verändert sich das gesamte Spiel eines Teams (ein schönes Portrait zu ihm findet ihr bei einsachtvieracht – Fragen kann er auch präzise beantworten). Übrigens spielen nur vier Spieler des FCSP im Schnitt mehr Pässe pro Spiel als Riemann.
Beim FCSP dürfte es nur zu Änderungen kommen, wenn die Formation verändert wird. Und das ist wohl auszuschließen. Änderungen in der Startelf wird es dann ziemlich sicher am Sonntag geben.
Das wichtigste Duell auf dem Platz könnte zwischen Rico Benatelli und Robert Zulj entstehen. Ebenfalls wird es wichtig sein, dass die Mittelfeldreihe die Außenvertediger von Bochum in den Griff bekommt.
Wenn sich der FC St. Pauli nur auf den Gegner einstellen würde, dann lande ich bei einem 4-4-2 mit Doppel-Sechs (oder einem 4-1-4-1) und ohne Becker und Burgstaller in der Startelf (stattdessen Dittgen und Aremu). Aber Guido musste halt auch erstmal draußen lassen und ein seit einigen Spielen stabiles System sollte nicht einfach so wieder auseinandergefrickelt werden. Gar nicht mal so einfach hier eine Entscheidung zu treffen. Trotzdem: Der FCSP muss eine Antwort auf die offensiven Außenverteidiger des VfL Bochum finden.
Um gegen den VfL Bochum zu bestehen, sollte der FC St. Pauli die richtigen Lehren aus dem Chaos gegen Regensburg gezogen haben, da die Defensiv-Spielweise beider Teams in Bezug auf Pressing-Intensität sehr ähnlich ist. Wie Bochum offensiv zu stoppen ist, ist sicher die entscheidende Frage, die es zu beantworten gilt. Fraglich, ob ein ebenfalls hohes Pressing die enorm erfolgreichen Pass-Quoten bei langen Bällen und Bällen ins Offensivdrittel verhindern würden. Im Hinspiel hat es der FCSP mit einem tiefen Mittelfeldpressing versucht, dabei die Halbräume hergeschenkt und vor allem in der ersten Halbzeit relativ wenig Entlastung generieren können. In der zweiten Halbzeit reihte sich dann allerdings Umschaltmoment an Umschaltmoment für den FCSP. Auf diese Ballgewinne und dem, was der FCSP damit anstellen kann, wird es ankommen.
Forza!
// Tim
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Wie immer cooler Artikel, aber wenn man mit den statistischen Werten nicht vertraut ist tauchen doch viele Fragezeichen auf 😀 xGoals und xPoints kenn ich ja mittlerweile. Könnt ihr vielleicht mal einen Artikel zu den verschiedenen Werten, wie sich die errechnen und wie man die interpretieren kann machen? Das wäre super ?
Ja, das steht für die nächste Länderspielpause auf der Artikel-Liste 😉