Die Saison 21/22 der Offensivspieler des FC St. Pauli – chapter two

Die Saison 21/22 der Offensivspieler des FC St. Pauli – chapter two

Die neue Saison steht vor der Tür, aber wir haben die alte noch nicht ganz abgeschlossen. Anhand von Statistiken haben wir uns die Mittelstürmer beim FC St. Pauli genauer angeschaut. Diese zeigen: An Torgefahr mangelte es in der Offensive in 2022. Und zukünftig an Spielern.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Aufgrund der Fülle von Daten, haben wir uns entschieden diese Analysen getrennt nach Positionen rauszuhauen. Bereits veröffentlicht wurden Analysen zu den Torhütern, den Innenverteidigern, den Außenverteidigern, den defensiven Mittelfeldspielern und den Achtern des FCSP.

Und nachdem wir uns bereits am Montag mit den Offensivspielern befasst haben, die sich auch gerne um den Strafraum herum bewegen, werfen wir heute einen Blick auf die drei Angreifer, die das Prädikat „Zielspieler“ verdienen. Nun rächt sich aber, dass diese Artikel-Reihe aufgrund von Krankheit und folgendem Urlaub knapp vier Wochen später erscheint, als geplant. Denn von den drei analysierten Angreifern ist nur noch Igor Matanović beim FC St. Pauli (und das auch zeitlich begrenzt), Simon Makienok und Guido Burgstaller sind bereits weg. Eine Analyse gibt es trotzdem. Was es aber nicht an dieser Stelle gibt, ist die Auflistung der Spielzeiten. Denn die habe ich bereits im ersten Teil der Analyse zu den Offensivspielern präsentiert.

Simon Makienok – Lufthoheit, die

Vor dem Start in die Saison 21/22 hatte ich ziemlich große Zweifel, ob das noch was wird mit Simon Makienok und dem FC St. Pauli. Denn nach gutem Start (Torschütze im Derby), war die Rückrunde 20/21 für Makienok persönlich eine zum Vergessen. Am Duo Burgstaller/Marmoush war kein Vorbeikommen, zumal er sich bei seinen wenigen Einsätzen auch nicht wirklich aufdrängte.

Mit Start der Saison 21/22 war aber klar, dass sich die Dinge geändert hatten: Simon Makienok war Stammspieler neben Guido Burgstaller. Und die beiden machten ihre Sache sehr gut, obwohl sie doch ziemlich ähnlich sind mit ihrem Spielstil, also klar auf den Strafraum fokussiert. Sechs Saisontore hat Makienok in dieser Spielzeit erzielt und war damit hinter Burgstaller und Kyereh der erfolgreichste Torschütze des FCSP.

Radar-Grafik von Simon Makienok im Vergleich zum Median aller Angreifer der 2. Bundesliga der Saison 21/22.

Der Blick auf die Radar-Grafik von Simon Makienok zeigt dann auch ziemlich gut das, was wir alle von ihm auf dem Spielfeld beobachten konnten. In der Luft ist er aufgrund seiner Körpergröße klar überdurchschnittlich. Sowohl die Anzahl an Duellen, als auch die Erfolgsquote sind sehr hoch und waren für den FCSP besonders in der spielerisch schwierigen Phase in der Rückrunde zeitweise eine enorme Bereicherung. Wie häufig sein Team das nutzte, ist an den erhaltenen langen Pässen abzulesen, die ebenfalls überdurchschnittlich sind.

Grundsätzlich gibt es aber auch einige Bereiche, in denen die Statistik ein umgekehrtes Bild anzeigt: Bei Duellen am Boden sind seine Leistungen unterdurchschnittlich (auch wenn die Erfolgsquote der Dribblings etwas höher ist, so ist allein die Anzahl an Dribblings sehr gering). Simon Makienok war in der letzten Saison ein Spieler, der vor dem Tor Gefahr ausstrahlte und aus wenig (xG: 0.27 pro 90min) relativ viel machte (Tore pro 90min: 0.48), aber dann doch klar auf eine gewisse Spielweise eingegrenzt werden konnte/musste. Denn zwar konnte er auch immer wieder zeigen, dass er seine Mitspieler im Flachpassspiel einsetzen konnte, aber diesen Vergleich gewann und gewinnt er eben nicht gegen Spieler wie Daschner und Amenyido.

Simon Makienok a.k.a. „Herr der Lüfte“
(c) Peter Böhmer

Mitentscheidend für eine Verlängerung seines Vertrages beim FCSP war auch seine Fitness, denn das linke Knie machte immer wieder Probleme. Und so wurde die Beziehung zwischen Makienok und dem FCSP beendet, bevor es nach rund einem Jahr Anlauf erst richtig losging.
Nun wird Simon Makienok in der neuen Saison vermutlich erneut in der zweiten Liga spielen, wie durch die Medien geistert. Das ist fast logisch, denn seine Stärken in der Luft dürften für nicht wenige Zweitliga-Klubs sogar noch etwas interessanter sein, als für den FC St. Pauli.

Guido Burgstaller – kein Glück oder sogar Pech?

Wettbewerbsübergreifend traf Guido Burgstaller in der vergangenen Saison 20x in 35 Spielen und legte dazu neun Tore auf. Eine richtig starke Quote. Trennt man diese Werte noch nach Jahreszahlen, dann liest sich die Sache etwas anders: 2021: 20 Spiele, 16 Tore, fünf Vorlagen; 2022: 14 Spiele, vier Tore, vier Vorlagen – Was also ist mit der Anzahl an Toren von Burgstaller in diesem Jahr passiert? Vier Tore in den 14 Spielen 2022 sind dann doch arg wenig, vor allem, wenn man bedenkt, dass zwei Tore davon per Elfmeter erzielt wurden.

Radar-Grafik von Guido Burgstaller im Vergleich zum Median aller Angreifer der 2. Bundesliga der Saison 21/22.

Die Frage nach den Gründen für die schwächere Rückrunde von Guido Burgstaller beschäftigt mich schon einige Zeit. Die restlichen Daten zeigen keine signifikante Änderung an. Egal, ob expected Goals, Anzahl an Torschüssen, Dribblings, Pässe, Erfolgsquoten, alles – einzig bei der Anzahl an erzielten Toren hat sich etwas verändert. Aus Datensicht komme ich also zu dem Schluss, dass es sich bei der Verringerung der Toranzahl um ein gewisses Maß an Pech handeln muss (oder Glück in der Hinrunde). Zumindest sind die xG-Werte (0.49 pro 90min) etwas niedriger als die erzielten Tore (0.58 pro 90min), was darauf schließen lässt, dass Guido Burgstaller in der Hinrunde deutlich überperformte.

Das ist sicher nicht das, was ich mir von dieser Analyse erwartet habe. Ich hätte es viel lieber, wenn man die geringere Anzahl an Toren auch in anderen Statistiken wiederfindet bzw. dort eine Erklärung findet. Andernfalls muss ich zu dem Ergebnis kommen, dass Guido Burgstaller auch weiterhin einer der Top-Stürmer der 2. Liga sein könnte, der nun allerdings nicht mehr für den FC St. Pauli, sondern für Rapid Wien auf Torejagd geht.

Kein Glück oder gar Pech? – Guido Burgstallers Torquote brach mit Start des Jahres 2022 dramatisch ein.
(c) Peter Böhmer

Igor Matanović – So viel Potenzial

Mmmh, die Radar-Grafik von Igor Matanović sieht nicht sonderlich überzeugend aus. Nur in wenigen Bereichen liegt er über dem Durchschnitt: Dribblings, Anzahl Offensivduelle, progressive Läufe. Das Problem: Die Erfolgsquoten sind nicht wirklich erbauend. Etwas umgekehrt ist es bei den Torschüssen. Denn Matanović hat in der letzten Saison zwar selten auf das gegnerische Tor geschossen, dafür aber gute Quoten bei der conversion rate (Prozentzahl, wieviele der Torschüsse auch ein Tor werden).
Trotz dieser eher mauen Statistiken, trotz der niedrigen Anzahl an Torschüssen und der schwachen Zweikampfwerte, bin ich voll davon überzeugt, dass Igor Matanović in der kommenden Saison eine ganz wichtige Stütze im Spiel des FC St. Pauli wird. Warum?

Radar-Grafik von Igor Matanović im Vergleich zum Median aller Angreifer der 2. Bundesliga der Saison 21/22.

Im Buch „Matchplan – die neue Fußballmatrix“ von Christoph Biermann, welches ich wirklich gerne weiterempfehle, ist unter anderem ein Kapitel über Sven Mislintat, der inzwischen beim VfB Stuttgart das Sagen hat. Mislintat baute die Scoutingabteilung des BVB recht radikal um und zudem eine Scouting-Datenbank auf. Im Buch wird sehr eindrucksvoll beschrieben, wie Mislintat bereits frühzeitig anhand von Daten das Potenzial eines französischen Jungprofis erkannte: Ousmane Dembélé. Und als das dann auch der Rest der europäischen Fußball-Elite merkte, war sich der BVB mit Dembélé bereits einig.

Mislintat beschreibt im Buch, wie er auf Dembélé aufmerksam geworden ist und ich finde, dass sich darüber eine ziemlich gute Brücke zu Matanović schlagen lässt. Denn Ousmane Dembélé ist aufgrund von positiven Ausreißern interessant geworden. Sein Spiel war insgesamt eher unterdurchschnittlich, aber partiell eben äußerst auffällig. Die Theorie dahinter: Diese Ausreißer sind das Potenzial der Spieler, das Level, welches sie hoffentlich irgendwann dauerhaft abrufen können. Gerade junge Spieler sind noch nicht so richtig stabil und können ihr Leistungsmaximum nicht konstant abrufen. Aber allein die Tatsache, dass sie kurzfristig enorm starke Leistungen zeigen können, zeigt eben wozu sie fähig sind. Das gleiche was für Dembélé gilt, kann man natürlich auch bei Igor Matanović anwenden. Und da reicht es eben sich seine beiden Tore im Spiel gegen Schalke 04 anzuschauen, um zu verstehen, dass der 19-jährige eines der größten Talente ist, das jemals beim FC St. Pauli aktiv war, Statistiken hin oder her.

Ich jedenfalls freue mich auf die neue Saison von Igor Matanović. Ich hoffe sehr, dass er diesen Sommer verletzungsfrei überstehen wird und bin sicher, dass sich die Verantwortlichen bei Eintracht Frankfurt am Saisonende die Hände schütteln und darüber freuen, welch guten Deal sie im Sommer 2021 geschlossen haben. Das würde dann auch bedeuten, dass wir in den Statistiken sehen werden, wie gut Igor Matanović eigentlich ist.

Deutschland, Gelsenkirchen, 07.05.2022, Fussball 2. Bundesliga 33. Spieltag, FC Schalke 04 - FC St. Pauli in der Veltins Arena Jubel nach dem Tor zum 0:2 bei Igor Matanovic (FC St. Pauli) und Trainer Timo Schultz (FC St. Pauli)
Igor Matanović jubelt nach seinem Treffer, im Vordergrund eskaliert Timo Schultz. Ein Bild, an das ich mich gerne gewöhnen möchte in der kommenden Saison.
(c) Peter Böhmer

So. Das war sie, die doch recht üppige Analyse der Leistungen aller Spieler des FC St. Pauli während der Saison 21/22. Ich für meinen Teil habe jetzt genug von der alten Zeit und richte meinen Blick mit großer Vorfreude auf die neue Saison und darauf, dass wir nun wieder eine ganze Reihe neuer Spieler kennenlernen dürfen und hoffe, dass einige Spieler die entsprechenden Schritte nach vorne machen.
Forza!

// Tim

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Sofern nicht anders markiert, stammen sämtliche Statistiken von Wyscout.

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3 thoughts on “Die Saison 21/22 der Offensivspieler des FC St. Pauli – chapter two

  1. Hi Tim, vielen Dank für diese tollen Analysen! Und wie du sagst, genug zurück geschaut. Jetzt gehts endgültig in Richtung neue Saison. Nach dem Ende der letzten war ich ziemlich durch und hatte erstmal null Bock. Aber so langsam kann man erkennen, wie der Kader verändert und ergänzt wird. Und ich spüre langsam wieder so ein kribbeln wie vor der letzten Saison: Da passiert was mit Plan und könnte richtig gut werden.
    Deshalb bin ich eigentlich zuversichtlich, dass wir da was spannendes im Sturm zusammenbekommen. Auch wenn man nach den letzten beiden Analyse-Teilen nochmal vor Augen geführt bekommt, wie riesig die Lücke ist, die da in der Offensive (noch) klafft…

    Forza 22/23!

  2. Ich sehe Burgstaller 2022 durchaus kritischer – vor allem, weil Statistiken nicht einfach fortgeschrieben werden können. Der Gute ist mittlerweile 33 und irgendwann baut der Körper eben ab, auch bei professioneller Einstellung und Pflege. Bekanntlich zumeist sogar in einem rapiden Tempo. Muss natürlich nicht in der Saison 22/23 sein, aber klar ist: In diesem Alter steigt das Risiko dafür statistisch mit jeder Halbserie deutlich an.
    Die Statistik, dass er trotz miserabler Rückrunde mit Blick auf die Treffer immer noch überperformt hat, lässt sich im Übrigen auch so lesen, dass er in der Hinrunde erheblich oberhalb seines eigentlichen Leistungsvermögens unterwegs war und sich, über die Saison gesehen, seine Werte wieder normalisiert haben. Ein Beleg dafür, dass es wahrscheinlich gewesen wäre, dass wir den „Hinrunden-Burgstaller“ wieder sehen, ist sie jedenfalls nicht.

    Ich denke, man kann an den Statistiken jedoch auch entnehmen, dass er nicht unbedingt der Typ Stürmer ist, den man gegen tiefstehende und organisiert verteidigende Teams in der Box benötigt: Unterdurschnittliches Kopfballspiel, unterdurchschnittliche Dribblings, deutlich unterdurchschnittliche Offensivduelle – das zeigt alles, dass Burgstaller in der Box zwar ein Knipser ist, aber eben nur in bestimmten Situationen: Wenn er Platz und Zeit hat, um seine gute Schusstechnik ausspielen zu können. In der Hinrunde konnte er von seinen Mitspielern im Umschaltspiel oft entsprechend in Szene gesetzt werden und war dann meistens auch „eiskalt“, in der Rückrunde gelang (und ich meine auch: ging) das nicht mehr. Hingegen waren seine Fähigkeiten nicht ausreichend, um sich als Mittelstürmer im 1:1 körperlich oder technisch durchzusetzen. Mit dem veränderten Anforderungsprofil in der RR an unsere Neun wurde klar – so jedenfalls meine Lesart – das Burgstaller dafür einfach keine Idealbesetzung ist.

    P.S.
    Auf Matanovic bin ich auch echt gespannt – ich habe ihn einige Male in der Jugend spielen gesehen: Es war eigentlich immer klar, dass er wirklich ein riesiges Talent ist (deutlich vor Becker einzuordnen), der nahezu alles mitbringt, was man als Neun heutzutage an Skills braucht. Bei ihm darf man einfach nicht vergessen, dass er gerade erst 19 Jahre alt geworden ist! Eigentlich ist er immer noch dabei, sich an den Herrenfußball zu gewöhnen und sich körperlich zu entwickeln. Ich hoffe sehr, dass er in der kommenden Saison sein Potential auszuschöpfen beginnt – aber selbst wenn nicht, hätte er immer noch locker zwei, drei Jahre als junges Talent vor sich. Der wird seinen Weg gehen, davon bin ich überzeugt (ist ja auch ein bodenständiger Typ).

  3. Moin, zu Matanovic: Ich hoffe, dass er in dieser Saison so richtig einschlägt und mit Eggestein so richtig performt.
    Wir hatten schon einige Male sehr junge Stürmer, wie Budimir, Duksch oder Gregoritsch, die ihren Marktwert deutlich woanders erhöhten, aber damals bei uns noch nicht richtig Fuß fassten. Manchmal fehlt aber auch einfach nur das Quentchen Glück. Ich bin mir sicher, dass mit dem Trainerteam ein guter Kader entsteht und Matanovic mit dem Verkauf von Kyereh/Burgi mehr Einsatzzeit und mehr Selbstvertrauen dazu kommt. In dem Sinne, walk on

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